Receiveil AUG 5 1925
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ARCHIV
für
katholisches Kirchenrecht,
V c_
mit besonderer Rücksicht auf
Deutschland, Oesterreich und die Schweiz.
Herausgegeben
von
Dr. Friedrich H. Vering,
ord . off. Professor der Rechte an der k. k. Karl- Ferdinands- Universität tu Prag.
Sieben und vierzigster Band.
(Neuer Folge cinund vierzigster Band.)
Mainz,
Verlag von Franz Kirchheim.
1882 .
Printed in Urnwny
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AUG - 5 1925
Mainz, Druck von Joh. Falk III.
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I.
Von der Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österreichischen Gerichte.
Von Dr. Rudolf R. v. Scherer,
Fürstbisch. Consistorial-Rath und k. k. ord. Professor des Kirchonrcchts in Graz.
Die Eiutheilung der folgenden Abhandlung ist die , dass die
Processfähigkeit (1.) und proeessualische Vertretung (II.) der kirch-
lichen Institute nach kirchlichem Rechte (III.) derselben Vertretung
(IV.) und Processfähigkeit nach staatlichem Rechte (V.) dargestellt
wird. Daran schliesst sich die Würdigung des politischen Streit-
consenses nach österreichischem Rechte (VI.) und dessen Behauptung
seitens der österreichischen Gerichte (VII.). Die beiden ersten Capitel
bezwecken die Grundlage für die folgenden Ausführungen zu geben
und mussten etwas weiter ausgreifen, um die Begriffe klarzustellen
und auch nicht juristisch gebildeten Lesern die Möglichkeit zu bieten,
in der Sache ein auf eigener Ueberzeuguug ruhendes Urtheil sich zu
bilden.
I.
Die Processfähigkeit kann nicht so kurzweg als eine Art der
Handlungsfähigkeit aufgefasst werden, so dass sie unter denselben
Voraussetzungen wie diese gegeben wäre. Richtig ist, dass Pro-
cessiren nichts anders ist als ein gerichtliches Handeln , nicht
zwingend ist aber deshalb der Schluss, dass Jeder und nur derjenige,
welcher in Bezug auf einen Gegenstand zu handeln fähig ist, über
denselben Gegenstand Process zu führen befähigt ist. Nur im all-
gemeinen ist wahr, dass die Processfähigkeit die Handlungsfähigkeit
ebenso voraussetzt, wie diese die Rechtsfähigkeit. Der Begriff der
Processfähigkeit ist aber mit diesem rein formalen Satze nicht er-
schöpft.
Die Ueberschrift des 6. Titels des 3. Buches im justiniani-
schen Codex lautet: »Qui legitimam personam standi in judiciis ha-
beant vel non.« Im Anschlüsse daran gebraucht die Doctrin den
Ausdruck persona legitima standi in judicio als einen technischen
und versteht darunter die Fähigkeit vor Gericht, sei es als Kläger,
sei es als Geklagter aufzutreten. Es kann diese Fähigkeit Jemanden
mangeln aus einem formellen oder aus einem materiellen Grunde. Das
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Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
objective Processrecht kann unabhängig vom Civilrechte gewisse
Normen über die Ordnung des gerichtlichen Vorganges festsetzen
und zur Vornahme von processualischen Handlungen den Nachweis
einer bestimmten Qualification verlangen. Nur derjenige , welcher
die vom Processrechte diesbezüglich geforderten Eigenschaften hat,
ist fähig in der That und wirklich Process zu führen, Anträge dem
Richter zu stellen, zu postidiren. Die Fähigkeit zu postuliven kann
auf einen gewissen Stand z. B. der Advocaten, Agenten u. dgl. be-
schränkt sein, sie kann andererseits vorhanden sein, wo die materielle
Processfähigkeit aus einem im Privatrecht wurzelnden Grunde z. B.
wegen Minderjährigkeit beschränkt ist. Von diesem formellen Mo-
mente, welches in dem Begriffe Processfähigkeit an sich gelegen ist,
soll nicht weiter die Rede sein. Ganz klar unterscheidet von diesem
postulare, dem Rechte gerichtliche Anträge zu stellen, unter Be-
rufung auf L. 1. §. 2. Dig. 3, 1 Martin (Vorlesungen über die Theorie
des deutschen gern. Processes I, 1855, S. 230) die Befugniss der
gerichtlichen Rechtsverfolgung. So spricht auch die österreichische
Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781 in der Aufschrift des 6. Capitels
»von der Befugniss ... zu klagen und sich zu vertheidigen.« Es wird
diese Fähigkeit zur Verfolgung und Vertheidigung der Rechte von
Einigen, so Osterloh (Lebrb. des gern. ord. Ci v.- Processes 1, 1856,
S. 252 ff.) Gerichtsfähigkeit genannt. Allein die gegebene Defini-
tion ist zu wenig bestimmt, auch der Ausdruck scheint der nöthigen
Präcision zu entbehren, besser spricht man mit Linde (Lehrb. des
gern. d. C.-P. 1843, S. 148 ff.) von einer Fähigkeit zur Process-
fiihrung oder mit dem kürzesten Ausdruck, welchen auch die deutsche
Civil-Processordnung vom 27. Januar 1877 gewählt hat, von der
Processfähigkeit. Neben dieser Processfähigkeit eine Partei- oder
Gerichtsfähigkeit anzunehmen, ist nur von theoretischem Werthe,
da die Fähigkeit Processpartei zu sein mit der Rechtsfähigkeit in-
haltlich zusammenfällt, während allerdings zwischen den Begriffen
der juristischen Handlungsfähigkeit und der processualischen Hand-
lungsfähigkeit ein Unterschied besteht. Die Processfähigkeit nach
dieser materiellen Sache besteht also in dem vom objectiven Rechte
gewährleisteten Rechte die richterliche Thätigkcit für sich in An-
spruch zu nehmen. Dabei ist es nach dem Gesagten gleichgültig,
ob der betreffende geeigenschaftet ist selbst und unmittelbar mit dem
Richter verkehren zu können oder nicht, ob ihm auch das Recht zu
postuliren eignet oder aber mangelt. Es muss nach dem gegebenen
Begriffe weiters gleichgültig sein, ob ich den Richter unmittelbar
oder durch eine Mittelsperson, einen Vertreter angehe, abgesehen von
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MU einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 5
dem Ausnahmsfalle, dass das objective Liecht persönliches Erscheinen
vor dem Richter vorschreiben sollte. Wenn dem aber so ist, so folgt
des weiteren ganz von selbst, dass die Processfähigkeit auch jenen
Rech tssubjectcn eignet, welche aus irgend einem Grunde vor dem
Richter gar nicht selbst handeln können, mag nun diese Unmöglich-
keit in einem physischen oder in einem andern Verhältnisse gelegen
sein. So wenig ein bettlägerischer Mensch die Fähigkeit zu klagen
eingebüsst hat, so wenig mangelt dieselbe einer juristischen Person.
Es erscheint demnach als irrig, wie das freilich hergebrachte Lehre
ist, juristischen Personen die Processfähigkeit abzusprechen. Sie
entbehren an sich derselben so wenig wie der Handlungs- und Rechts-
fähigkeit. Denn die Bemerkung möge hier Platz finden, dass nur
von einem ziemlich äusserlichen Standpunkte aus gesagt werdeu kann,
dass juristische Personen der Handlungsfähigkeit entrathen; etwas
anderes ist, dass sie dabei eines Vertreters bedürfen, es ist beinahe
eine Banalität nachweisen zu wollen, dass wenn der Stellvertreter
handelt, eben Niemand anderer als die vertretene Person handelt
und dass mindestens die Bestellung des Stellvertreters einer Univer-
sität eine Handlung eben dieser voraussetzt. Es wurde oben der
auch in der D. C.-P.-O. , I. Buch, 2. Abschnitt, 1. Titel, recipirte
Ausdruck »Processfähigkeit« als der passendste zur Bezeichnung des
in Rede stehenden Begriffes erklärt. Schon hier soll bemerkt wer-
den , dass die Processfähigkeit eingeschränkt wird , wenn die Noth-
wendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Processführung seitens
einer dritten Person im Rechte begründet ist. Nicht aber ist die
Processfähigkeit eine beschränkte, wenn die Nothwendigkeit einer
Vertretung vorliegt, es wäre denn dass die Bestellung des Vertreters
von einer vom Willen des zu vertretenden unabhängigen Macht- ver-
fügt würde. Die deutsche Civil- Processordnung unterscheidet diese
drei Momente in §. 54, welcher verfügt: »Das Gericht hat den
Mangel der Processfähigkeit (a) der Legitimation eines gesetzlichen
Vertreters (b) und der erforderlichen Ermächtigung zur Process-
führung (c) von Amtswegen zu berücksichtigen,« ebenso in §. 50,
welcher folgendermassen lautet: »Die Fähigkeit einer Partei vor
Gericht zu stehen, die Vertretung nicht processfähiger Parteien
durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Nothwendig-
keit einer besonderen Ermächtigung zur Processführung bestimmt
sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die
folgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten.« Die
Stylislrung dieses Paragraphen kann nicht als eine glückliche ange-
sehen werden, da hiedurch alle Personell, welche gesetzliche Ver-
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Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
treter haben, also insbesondere auch sämmtliche juristischen Per-
sonen für nicht-processfähig erklärt worden sind. Dies ist aber nicht
nur nach der obigen allgemeinen Ausführung nicht richtig, sondern
widerspricht auch dem ersten Satze des folgenden §. 51 : »Eiue Per-
son ist insoweit processfähig als sie durch Verträge sich verpflichten
kann.« Dass letzteres bei einer juristischen Person der Fall ist,
wird von Niemanden geläugnet und gleichwohl sollte ihr die Pro-
cessfähigkeit nicht zukommen?
Das materielle Moment, welches in der Processfähigkeit ge-
legen ist, und deren wesentlichen Inhalt ausmacht, besteht also in
der Fähigkeit nach eigener Willensentschliessung als Partei vor Ge-
richt aufzutreten oder nicht. Wer nicht Rechtssubject ist , wie der
Sclave, kann selbstverständlich auch nicht Process führen. Abge-
sehen davon kann eine Beschränkung der Processfähigkeit aus einem
zweifachen Grunde eintreten. Einmal zur Strafe , so ist der Ge-
ächtete nach deutschem Rechte und der Excommunicirte nach cano-
nischem Rechte für unfähig erklärt vor Gericht aufzutreten. Auf
die Ausnahmen , in welchen das kirchliche Recht auch dem Ge-
bannten Gerichtsfähigkeit zuerkennt, braucht an dieser Stelle nicht
eingegangen zu werden. Dann kann die Processfähigkeit einer Per-
son eingeengt werden aus dem Gesichtspunkte der Fürsorge. Es
gibt eine Categorie von Personen , welche unter dem »besonderen
Schutze der Gesetze« stehen und deren Angelegenheiten, welche zu
besorgen sie entweder nicht die erforderliche Geistes- oder physische
Kraft haben, von Rechtswegen der Obsorge eines Dritten anvertraut
werden. In diesem Sinne verfügt §. 21. des österr. a. B. G. B. :
»Diejenigen welche Mangels an Jahren, Gebrechen des Geistes oder
anderer Verhältnisse wegen ihre Angelegenheiten selbst gehörig zu
besorgen unfähig sind, stehen unter dem besonderen Schutze der
Gesetze. Dahin gehören Kinder . . Unmündige . . Minderjährige . .
Rasende . . erklärte Verschwender, endlich Abwesende uud Gemein-
den« und nach §. 22. »haben selbst ungeborene Kinder von dem
Zeitpunkte ihrer Empfängniss an einen Anspruch auf den Schutz der
Gesetze.« Es leuchtet von selbst ein, dass die genannten Classen
von Personen, was ihre Handlungs- und insbesondere Processfähigkeit
anlangt, keineswegs einander gleichstehen. Zwischen einem uuge-
borenen Kinde und einem Minderjährigen, zwischen einem Abwesen-
den und einer Gemeinde waltet ein ganz bedeutender Unterschied ob.
Der Grund wesshalb derart ganze Reihen von Persouen der be-
sonderen Fürsorge seitens anderer gesetzlich hiezu berufenen Per-
sonen sich erfreuen, kann nur gelegen sein in der besonderen Quali-
Mil einer Kritik der Uechlnprechunij der ilsterr. Gerichte. 7
fication eben jener Personen , welche ihnen die Besorgung ihrer
eigenen Angelegenheiten entweder erschwert oder, sei es überhaupt,
sei es im einzelnen Falle, gar unmöglich macht. Jener Qrund kann
aber auch der Umstand sein, dass die zu vertretende Person in
einem Gewaltverhältnisse steht, demzufolge eine andere Person mehr
das Recht denn die Pflicht hat, die rechtlichen Verhältnisse dersel-
ben wahrzuuehmen. Von letzterem Standpunkte ist die processua-
lische Stellung des üaussohnes nach römischem Rechte zu würdigen.
Der Haussohn hatte eine dem Sclaven analoge familienrechtliche Stel-
lung. Erst nach und nach wurde das Gewaltverhältniss des Hausvaters
gemildert, bis es eudlich vermögensrechtlich beinahe seines früheren
Charakters entkleidet wurde und nur als Ergänzung der Handlungs-
unfähigkeit des Haussohnes erschien, vgl. hierüber Bayer , Vorträge
über d. gern. ord. C.-Pr. 1856, S. 62 f. und Wächter, Pandekten I,
1880, S. 220 ff. und II, 1881, S. 616 ff. Nach römischem Rechte
(L. 1, 2, Cod. 3, 6) bedarf der Pupill, d. h. der unter Tutel stehende
zu gerichtlichen Handlungen der Autorität (auctoritas) seines Tutors,
währeud der Minderjährige nur an den Consens seines Curators ge-
bundeu ist. Nicht ersterer, wohl aber letzterer, kann überhaupt
auch nur unter Modalitäten processualisch thätig werden, nur letz-
terer, nicht ersterer kanu einen Stellvertreter (Actor u. dgl.) be-
stellen, vgl. Arndts, Pandekten §. 452. Diese ebenso feine als in
der Natur der Sache begründete Unterscheidung hat das deutsche
Recht bekanntlich nicht recipirt, im gemeinen Rechte ist der Be-
griff der Vormundschaft verallgemeinert und ausgedehnt worden;
was die Vormundschaft an Erstreckung der Altersgrenze gewonnen
hat, ging ihr an Inhalt verloren. Die Tutel und damit auch dio
Curatel des römischen Rechts hat aufgehört und die Vormundschalt
des späteren Rechts baut sich ajif einem andern Gedanken auf,
jenem die mangelnde Handlungsfähigkeit des Mündels zu suppliren
(s. Wächter a. a. 0. II. S. 642 ff. 646).
Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, ob die Process-
fähigkcit mit der Handlungsfähigkeit durchaus in gleichem Verhalt-
niss steht, so dass erstere nur insoweit beschränkt ist, soweit sol-
ches bei letzterer der Fall ist. Wetzeil (System d. ord. C.-Pr. 1878,
S. 93) bejaht diese Frage und die österreichische a. Gerichtsordnung
scheint gleichfalls dio Vermögensverwaltung und die Gerichtsfabig-
keit für Correlativbegriffe zu nehmen. Ihr §. 63. lautet: »Jeder,
welchem die Gesetze die Verwaltung seines Vermögens nicht einge-
schränkt haben, ist befugt sein Recht wider Jedermann gerichtlich
einzuklagen und zu vertheidigen.« Der Paragraph ist so gefasst,
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8 Scherer, Proccssfähigkeil der kirchlichen Inslitule.
dass eine chicanöse Auslegung das Klagrecht durchaus illusorisch
machen könnte. Es ist ganz allgemein von Gesetzen die Rede, es
mangelt die Beschränkung der Gesetze auf jene des Privat- oder
bürgerlichen Rechts; es kann aber nicht gesagt werden, dass auch
nur Einem Oesterreicher die Verwaltung seines Vermögens nicht
irgendwie durch Gesetze eingeschränkt ist. Weiter unten wird sich
noch die Gelegenheit bieten, auf diesen Mangel der Textirnng zu-
zückzukornmen ; hier genügt zu constatiren , dass das Princip des
Parallelismus von Processfäbigkeit und Handlungsfähigkeit im öster-
reichischen Rechte nicht ausgesprochen ist. Daraus folgt, dass der
Schluss BeidtePs (Das ordentliche Verfahren in Streitsachen, 1853,
S. 61, A. 2), Minderjährige könnten in jeuen Fällen, wo ihnen das
Gesetz die Rechte Grossjähriger gibt (§. 150, 151, 246, 247, 106,
österr. a. b. G.-B.) vor Gericht auftreten, nicht begründet ist. Nicht
nur der §. 243 und 152. des b. G.-B. wurde gegen diese An-
schauung von Wessely (Handbuch des gerichtlichen Verfahrens, I,
1839, S. 130 i. d. A.) und Haimerl (Darstellung der gesetzlichen
Bestimmungen über die Parteien und deren Stellvertreter im civil-
gerichtlichen Verfahren in Oesterreich, 1857, S. 23) angeführt, son-
dern das Princip des österreichischen Processrechts setzt offenbar die
durchgängige Eigenberechtigung zur Vermögensverwaltung voraus, so
dass, wie Menger (System des öst. C.-Pr.-Rechts I, 1876, S. 144,
A. 22) mit Recht bemerkt, die partielle Handlungsfähigkeit, welche
das bürgerliche Recht gewissen Personen in Ansehung bestimmter
Vermögenstheile verleiht für ihre Processfähigkeit selbst dann ohne
Bedeutung ist , wenn jene Vermögenstheile den Gegenstand des
Rechtsstreites bilden.
Während nach österreichischem Rechte die Processfähigkeit der
unter Vormundschaft stehenden Personen geringeren Umfanges ist als
deren Handlungsfähigkeit, ist das umgekehrte Verhältniss der Fall
nach deutschem Rechte. Die neue d. C.-Pr.-O. erklärt zwar im all-
gemeinen als Voraussetzung der Processfähigkeit die Handlungsfähig-
keit (s. die oben S. 5 f. citirten §§. 50, 51), sie gibt aber zu, dass
dieses Verhältniss nicht immer so geartet sein müsse (§. 50. a. E.),
sie erweitert die Processfähigkeit in der That und gewährt sie auch
dann, wenn die Vermögensverwaltung der Person eine beschränkte
ist, weil sie uuter väterlicher Gewalt steht oder Ehefrau ist oder sich
unter Geschlechtsvormundschaft befindet (§. 51). Die d. C.-Pr.-O.
fasst ferner den einmal begonnenen Rechtsstreit als ein organisches
Ganzes auf, welches in seiner Abwickelung nicht dadurch gehindert
werden soll, weil Processhandlungen eintreten, welche an sich und
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der Osterr. Gerichte.
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ausserhalb cles Processes zu ihrer Gültigkeit einer besonderen Er-
mächtigung seitens des Vormundes oder einer Behörde u. s. w. be-
dürfen. Diesen Wegfall der Sondervollmacht verfügt §. 52. »Ein-
zelne Proeesshaudlungen, zu welchen nach Massgabe des bürgerlichen
Hechts eine besondere Ermächtigung erforderlich ist, sind ohne die-
selbe giltig, wenn die Ermächtigung zur Processfiihrung im allge-
meinen ertheilt oder die Processfiihrung auch ohne eine solche Er-
mächtigung im allgemeinen statthaft ist.« Siehe hierüber Küntzel in
Beiträgen zur Erläuterung des d. Rechts von Gruchot u. A. 1881. S.333.
Die Processfähigkeit eines unter Vormundschaft stehenden ist
demnach in der Richtung hin eine beschränkte, dass nicht nur er
selbst und zwar aus einem rechtlichen Grunde vor Gericht nicht
thätig werden kann, sondern dass er zu diesem Behufe nicht wie der
physisch Verhinderte einen Vertreter bestellen kann. Der Zustand
eines derart Bevormundeten ist übrigens weit entfernt Rechtlosigkeit
zu sein; sein Recht kann nicht nur, sondern soll sogar vor Gericht
geltend gemacht werden. »Da3 Recht derjenigen, welchen die Ge-
setze die Verwaltung ihres Vermögens nicht an vertraut oder wieder
abgenommen haben, ist von jenen einzuklagen oder zu vertheidigen,
welche die Gesetze dazu bestellt haben« (§. 64. öst. G.-O). Daraus
folgt des weiteren, dgss die betreffenden gesetzlichen Vertreter wegen
einer hierin ihnen zur Last fallenden Versäumniss zum Ersatz des
Schadens verhalten werden könnon. Es steht keineswegs im freien
Belieben eines solchen gesetzlichen Vertreters, das angestrittene Recht
seines Pflegebefohlenen vor Gericht geltend zu machen. Unmündige,
um bei diesem einfachsten Beispiele zu bleiben, sind also nur für
ihre Person unfähig Process zu führen; sie bedürfen nicht nur hiezu
eines Vertreters, sondern das Gesetz und nicht ihr Wille beruft und
bestellt den Vertreter.
Daran schliesst sich die Präge, ob das gleiche Verhältniss auch
bei Gemeinden obwaltet und bei Instituten deren Vertretung bereits
durch das Gesetz bestimmt ist. Das kann, muss aber nicht so sein.
Zwei Momente müssen hier auseinander gehalten werden: die Stell-
vertretung und der Eintritt in die gerichtliche Action. Einmal ist
klar, dass sowohl Gemeinde wie Stiftung zur Processfiihrung eines
Vertreters bedürfen. Deshalb ist deren Processfähigkeit natürlich
sowenig eingeschräukt als durch die Bestimmung, dass Processe nur
durch Advocaten geführt werden können. Es ist ferner möglich,
dass, was die Bestellung des Vertreters betrifft, die Freiheit der ju-
ristischen Person unterbunden ist; es ist denkbar, dass von Rechts-
wegen der Vertreter bereits bestellt ist, so dass die juristische Person
10 Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
einen Andern mit der Führung des Rechtsstreites gar nicht betrauen
kanu. Es kann z. B. durch Gesetz das Fiscalamt zur Vertretung
der Gemeinde, der Stiftung u. s. w. berufen sein, so dass es einer
specielleu Vollmacht zur Frocessführung ebensowenig bedarf, als eine
solche überhaupt möglich ist. In Bezug auf die Stellvertretung
kann demnach die Freiheit der juristischen Person bedeutend einge-
engt sein und gleichwohl entbehrt sie nicht der Processfähigkeit,
denn das zweite Moment, worauf in der Sache alles aukommt, ist:
ob und von wem der gesetzliche Vertreter einer Gemeinde, einer
Stiftung verhalten werden könne, die Rechte der Gemeinde und der
Stiftung vor Gericht geltend zu machen. Erfreut sich diesbezüglich
Gemeinde wie Stiftung der statutarischen Selbstständigkeit, sind die
berufenen Verwaltungsorgane, sei es der Gemeinheit, sei es der
Stiftung autonom und ist der etwa auch gesetzlich nothwendige und
gesetzlich berufene Vertreter verpflichtet einem diesbezüglichen Auf-
träge zur Proccssführung nachzukoramen, dann eignet der juristischen
Person Processfähigkeit; andernfalls nicht. Um es gleich hier zu
sagen: fehlt die Processfähigkeit in dem oben angegebenen Sinne,
dann kann auch von einem Rechtsschutze nicht mehr die Rede sein,
die Rechtsfähigkeit ist durchlöchert, au die Stelle des Rechts ist die
Gnade getreten, das Gericht ist lahmgelegt und die politische Ver-
waltung omnipotent.
Aus dem Gesagten ist klar, wie gefährlich es ist den juristi-
schen Personen als solchen die Processfähigkeit abzusprechen , wie
dies freilich in Darstellungen des Processrechtes gang und gebe zu
sein scheint. Das richtige hat Linde (a. a. 0. Note zu §. 114) er-
kannt, er erwähnt der Gemeinden nicht unter den gerichtsunfähigen
Personen, von ihnen beziehungsweise deren Vertretern handelt er in
der Lehre von den Nebenpersonen der streitenden Theile (§. 135.
S. 178 f.). Die eben gerügte Anschauung, als ob den juristischen
Personen die Processfähigkeit mangle, hängt mit der falschen im
vorigen Jahrhunderte herrschend gewordenen Meinung zusammen,
die juristischen Personen seien den Unmündigen gleichzustellen, sie be-
dürften sowie diese des landesfürstlichen Schutzes, und entbehrten
sowie sie der eigenen Vermögensverwaltung. Daraus entwickelte sich
des weiteren die Forderung eines landesfürstlichen Consenses zur
Einbringung einer Klage seitens einer Gemeinde, eines Institutes.
Es soll unten die Natur einer solchen politischerseits zu erbittenden
Autorisation zur Processführuug des näheren untersucht werden.
Hier möge nur darauf aufmerksam gemacht werden, dass dabei Justiz
und Administration in möglichst unerträglicher Weise verquickt wer-
i by Google
Mit einer Kritik der Rechtsprechung der üsterr. Gerichte. H
den, dass eine sehr bedenkliche Annäherung zur berüch Ligen Cabinets-
justiz nicht zu verkennen ist, dass die Gefahr nahegerückt ist eine
ganze Reihe von Rechtssubjecten ausser Recht zu stellen. Es sei
erlaubt einige Worte Mittermaiers (Der gern. d. bürgl. Process in
Vergleichung u. s. w., 1. Beitrag, 1838, S. 19 und 21) anzuführen:
»Zur gerechten PVocessführung gehört eine solche Stellung der Ge-
richte, dass durch keine Einmischung von Verwaltungsrücksichten
oder durch eine zugleich vom Gerichte ausgeübte administrative Ge-
walt das Recht erschüttert und willkürlich nach dem Wuusche des
Machthabers gedreht werden kann.« »Eine andere Forderung der
Bürger in Bezug auf Process geht auf das Verhältniss der streiten-
den Theile unter sich bei der Processführung und zwar darauf, dass
jeder Partei möglich gemacht werde, alle ihre Behauptungen und
Gründe vollständig, ebenso wie ihr Gegner vorzntragen.« Niemand
soll mundtodt gemacht werden.
II.
Das altrömische Processrecht kannte eine Stellvertretung der
Parteien nur in beschränktem Masse; es bedurfte geraumer Zeit, bis
das römische Recht wie auf anderen Gebieteu so auch hier das Prin-
cip der freien Stellvertretung annahra. Eine Entwickelung dieses
Verhältnisses und insbesondere der Stellung des alten Cognitor hat
nur rechtshistorisches Interesse und liegt ausserhalb meines Planes.
Hier handelt es sich nur darum , den Satz hinzustellen , dass die
Stellvertretung regelmässig eine allgemeine , da3 heisst eine alle zur
Beendigung des Processes nöthigen Massregeln umfassende wird sein
müssen. Es ist dies im Interesse einer ungehinderten Bereinigung
der strittigen Sache gelegen. — Ferner ist mit dem Stellvertreter
dem Procurator nicht der Advocat zu verwechseln, dessen Sache zu-
nächst nur das Ertheilen juristischen Rathes ist, des weiteren auch
nicht der Agent, wenn ich so sagen darf, der Patron oder causidicus,
welcher die gerichtlichen Acte insbesondere die nöthigen Vorträge in
Person hält. Heutzutage ist wenigstens nach gemeinem Rechte der
Unterschied hinfällig geworden, die Advocaten sind, was die advocati
fisci immer gewesen sind, zugleich Stellvertreter der Parteien ge-
worden und nehmen die Processhandlungen materiell und formell,
oft ausschliesslich hiezu berechtigt vor. Im folgenden soll nur vou
der proeessualischen Vertretung und nicht von den Advocaten die
Rede sein.
In einem weiteren Sinne kann auch der Hausvater und der
Vormund des alten wie modernen römischen Rechtes ein Stellver-
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Scherer, Prucessfähiykeit der kirchlichen Institute.
treter, ein Procurator genannt werden, besser wird der Ausdruck ver-
mieden; den genannten Personen kommt es zu, selbst, wenn sie
wollen, einen Procurator zu bestellen. Der Procurator ist derjenige ,
welcher im Aufträge eines anderen im Processe thätig wird , er muss
dem einmal übernommenen Aufträge gerecht werden und steht dem-
selben keineswegs zu, nach Belieben Process zu führen oder aber
solches nicht zu thun. Erst durch die vollzogene Litiscontestation
erwirbt er, wie mau zu sagen pflegt, das Eigenthum der Streitsache,
ein Verhältniss, welches nur processualistischer Natur ist. Das Rechts;
verhältniss, welches zwischen dem Procurator und der Partei besteht,
ist dasjenige eines Mandats. Es kann aber Jemand zur Uebernahme
der Procuratur auch verpflichtet sein, sei es wegen seiner Standes-
eigenschaft, sei es weil er zur auftraggebenden Partei in einem Ab-
hängigkeitsverhältniss steht. Der Fiscaladvocat hat den Weisungen
seiner Vorgesetzten einlach nachzukommen. Es kann auch eine Ge-
meinde einen oder mehrere ständige Beamte haben, deren Sache es
ist, in Folge Beschlusses der Gemeindevertretung im Processe thätig
zu werdeu. Dies führt zur Unterscheidung von Procurator und
Syndicus. Ausser dem angegebenen lässt sich kein sachlicher Unter-
schied zwischen dem einen und anderem nach weisen. Syndicus ist
zur technischen Bezeichnung des Rechtsvertreters einer juristischen
Person, Gemeinheit geworden. Er heisst auch actor municipum
(L. 1. Dig. 3, 4), wenn er von einem Municipium bestellt ist und
defensor (L. 18. §. 13. Dig. 50, 4). Letzterer Ausdruck ist übrigens
nicht prägnant; denn während der Syndicus die Rechte der Gemein-
heit zu vertreten hat, ist es Aufgabe des erst in der christlichen
Kaiserzeit vorkommenden defensor civitatis die angegriffenen In-
teressen der Einzelnen zu vertheidigen (Bethmann-Hollweg , Der
Civilprocess des gern. Rechts in geschichtlicher Entwickelung III,
1866, S. 107). Nicht nur im justinianischen, sondern auch im
canonischen Recht wird das Wort Syndicus promiscue gebraucht mit
Actor und Procurator. Die Bestellung des Syndicus war entweder
eine ad hoc und vollzog sich durch Majoritätsbeschluss von zwei
Drittheilen sämmtlicher Mitglieder einer Körperschaft oder aber wie
dies bei geordneten, fest organisirten Collegien der Fall war, war
derselbe ein nach Massgabe des Statuts gewählter ständiger Beamter,
welcher gegebenen Falls in Folge Beschlusses der Körperschaft oder
deren Organe die processualische Vertretung der Gemeinde zu leisten
hatte.
Im Vorausgehenden war -von der Processfahigkeit (legitima per-
sona standi in judicio) und der Vertretung im Proce8S die Rede.
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der tlsterr. Gerichte. 13
In der einen wie in der andern Hinsicht soll der thatsächliche Zu-
stand dem objectiven Rechte gemäss sein. Der Nachweis dieser
Congruens heisst Legitimation. Man gebraucht aber das Wort in
einem verschiedenem Verstände, a) Unter Process-Legilimation auch
Legitimation zur Praxis versteht man den Nachweis der Befugniss
zu postuliren, also der formellen Processfähigkeit in der Person des-
jenigen, welcher in concreto dem Richter gegenüber sei es mündlich
sei es schriftlich Auträge stellt, h) Weiters wird unter Legitimation
der Nachweis der Partei verstanden, dass sie 7u handeln, näher pro-
cessualisch thätig zu werden nach dem objectiven Rechte befähigt
ist. Es wurde bereits oben angeführt, dass diese materielle Process-
fähigkeit regelmässig, aber keineswegs nothwendig mit der Hand-
lungsfähigkeit zusammenfällt; sie kann weitere, sie kann engere
Grenzen haben als diese, c) Häufig genug, ja gewöhnlich ist es
nicht die Partei selbst, welche mit dem Richter in unmittelbaren
Verkehr tritt. In einem Falle will sie nicht, in einem andern kann
sie nicht. Meist sind diejenigen, welche Process führen, an dem
Process selbst nicht persönlich betheiliget, sie handeln und proces-
siren nicht im eigenen, sondern im fremden Namen. Es ist ihre
Sache den Nachweis zu liefern, dass und wie sie zur Betreibung
einer an sich ihnen fremden Rechtssache berechtigt worden sind. In
dem Nachweise der Vertretungsvollmacht , der Verbindung zwischen
dem an sich Berechtigten und dem gegenwärtig gerichtlich Han-
delnden liegt diejenige Legitimation, an welche zu denken ist, wenn
kurzweg von Legitimation im Processrechte die Rede ist. Eudlich
d) spricht man von einer Legitimation zur Sache. Sie besteht im
Nachweise der Partei in der angeregten Streitfrage berufen zu sein
als Kläger oder als Beklagter aufzutreten, sie wird selten eine ge-
sonderte Gestalt gewinnen, in der Regel ist sie mit der Anbringung
des Klagfactums u. dgl. von selbst gegeben ; vgl. über sie Bethmann-
Hollweg, Versuche über einzelne Theile der Theorie des Civilpro-
cesses, 1827, 2. Aufsatz, S. 78 — 137.
Mit grosser Genauigkeit handelt über die Legitimation zum
Process (c.) Dapp in seinem über die Lehre, 1789, Frankfurt, er-
schienenen Buche. Nacli seiner eigenen Erklärung und der Vorrede
von Gmelin beabsichtigte er die nicht dargestellte Lehre von den
Bevollmächtigten der Gemeinden besonders zu behandeln; von einer
Ausführung dieses Planes ist mir nichts bekannt. Die Gediegenheit
der Arbeit Dapp’s lässt dies bedauern. Es soll auf dieses Verhält-
niss nur insoweit eingegangen werden, als zum Verständniss des fol-
genden auch für nicht juristisch geschulte Leser nöthig erscheint.
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14 Scherer, Proceesfähigkeit der kirchlichen Institute.
Der Procurator hat durch Vorlegung einer von der von ihm
vertretenen Partei ausgestellten schriftlichen Vollmacht zum Process
allsogleich mit Vorlage der ersten Schrift sich zu legitimiren. Bei
Prüfung dieser Vollmacht hat abgesehen von den vorgeschriebenen
Förmlichkeiten der Richter das Princip vor Augen zu haben , dass
auf rechtsgiltige Art einen Sachwalter nur bestellen kann, welchem
selbst die freie Verwaltung seines Vermögens zusteht ( Dapp a. a. 0.
S. 78). Der Vormund legt nach den obigen Auseinandersetzungen
keine Vollmacht vor, sondern lcgitimirt sich zum Process durch
Vorlage seines Tutorium , seines Bestellungsdecrets als Vormund.
Ob der Curator durch sein Curatorium genügend legitimirt ist, lässt
sich weder mit Haimerl (a. a. 0. S. 35 f.) absolut bejahen, noch
mit Beidtel (a. a. 0. S. 70) ebenso allgemein verneinen. Die Cura
kann eine sehr verschiedene sein und wird es vom Inhalte des ge-
richtlichen Bestellungsdecretes abhängen, ob der Curator auch für
seinen Curanden Process zu führen berechtigt wurde oder nicht. Zur
Vornahme gewisser Handlungen bedarf der Stellvertreter einer Spe-
cial-Vollmacht und eine allgemeine Vollmacht reicht nicht aus (vgl.
§. 1008 österr. a. b. G.-B.) und beinahe zu denselben Geschäften
muss der Vormund die ohervormundschaftliche Genehmigung einholen,
so nach §. 233. ö. b. G.-B. für Veräusserung, Aufkündigung von
Capitalien, Abtretung von Forderungen, Vergleichung eines Rechts-
streites und nach Hofdecret vom 11. Sept. 1784 lit. i. Justiz-Ges.-
Sammlung Nr. 336. Auftragung eines Haupteides. Nach deutschem
Processrecht hindert der Mangel einer solchen besonderen Ermäch-
tigung den rechtskräftigen Gang des einmal rechtmässig begonnenen
Processes in keiner Weise. — Die Vertreter der Gemeinden werden
durch Vorweisung des Syndicats , der von der gesetzlichen Verwal-
tungsbehörde der Gemeinde oder der juristischen Person ordnungs-
gemäss ausgestellten und gesiegelten Vollmacht sich legitimiren.
Der ständige bei einer anerkannten Körperschaft oder der Stiftung
angestellte Syndicus wird seine Bestallungsurkunde vorweisen und
bedarf eines besonderen Syndicats für den einzelnen Fall nicht ( Martin ,
Vorlesungen I. S. 442).
Mangel der Legitimation begründet Nichtigkeit des Verfahrens.
Hieraus ergibt sich das Interesse, welches die Parteien haben, ihrer
Legitimation sowie der Legitimation des Gegentheiles sicher zu sein.
Die angegebene Folge des Mangels der Legitimation tritt übrigens
keineswegs immer von selbst ein, sondern wird regelmässig erst in
Folge Begehrens der Partei ausgesprochen. Dies geschieht nicht
nur durch die exceptio falsi procuratoris, sondern überhaupt durch
Mit einer Kritik der Rechtsprechung der Osterr. Gerichte.
15
die exceptio legitimationis ad causam. Dieselbe kann in jedem
Stadium des Processes eingebracht werden, sowohl vor wie auch
nach der Definitiv-Sentenz (c. 4. X. 1, 38, cf. c. 9. eod.). Unter
Umständen kann die Gültigkeit des Verfahrens eine labile sein, das
•Urtheil die Natur eines negotium claudicans haben, nämlich dann,
wenn, wie Bayer (Vorträge, §. 20. S. 64) sich ausdrückt, die Pro-
efessunfähigkeit eines Theiles nur eine relative ist, besser gesagt,
wenn die Erklärung einer Person als processunfähig lediglich aus
der Absicht entspringt, dieselbe vor Schaden zu bewahren. In diesem
Falle hängt es vom Erfolge des ohne Legitimation geführten Rechts-
streites ab, ob er Geltung behält oder nicht. Das dem Minderjähri-
gen u. s. w. ungünstige Urtheil oder Verfahren wird ebenso aufge-
hoben, als das günstige Urtheil in Rechtskraft erwächst (L. 14. Cod.
2, 13, vgl. auch Weteell, System, §. 12, A. 36).
Die in Form Rechtens geschehene Bestellung des Vertreters
einer Gemeinde setzt der Richter nach römischem Recht vorans, in
eine Prüfung des Syndicats wird erst eingegangen, wonn dasselbe
von der Gegenseite angefochten worden. S. Bethmann-Hollioeg , a.
a. 0. II. S. 425. — Nur in einem Falle hat nacli canonischem
Rechte der Richter von Amtswegen auf die fehlende Legitimation
Rücksicht zu nehmen, dann wenn jener Mangel im öffentlichen Rechte
wurzelt: bei unbefugten Processhandlungen des Excommunicirten
(c. 12. X. 2, 25). Nach der d. C.-Pr.-O. a. a. 0. §. 54. bat »das
Gericht den Mangel der Processfähigkeit, der Legitimation eines ge-
setzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Pro-
cessführung von Amtswegen zu berücksichtigen,« doch »mit Vorbehalt
der Beseitigung des Mangels kann die Partei zugelassen werden,
wenn Gefahr in Verzug ist; das Endurtheil darf aber, solange jener
Mangel nicht beseitiget ist, nicht erlassen werden.« Die österr. a.
G.-O. weist den Richter an (§. 64.) »von jedem, welcher sein Recht
selbst einzuklagen oder zu vertheidigen nicht befugt ist, keine Schrift
anzunehmen, sondern dieselbe sogleich zu verwerfen, die Ursache der
Verwerfung aber in einem Bescheide auszudrückeu.« Von der Prü-
fung der zugleich mit der ersten Schrift vorzulegenden Vollmacht
des Vertreters (Advocaten) ist also hier insoferne die Rede, als es
sich fragt, ob derjenige, welcher diese Vollmacht ausstellte, hiezu
befugt war oder nicht. Die Processfähigkeit muss selbstverständlich
auf beiden Seiten vorhanden sein; ihr Mangel begründet übrigens
auch nach österreichischem Rechte keineswegs absolute Nichtigkeit
des bisherigen Verfahrens. Von Aratswegen ist die Nullität nicht
auszusprechen, vielmehr hat der Richter die verfahrene Sache formell
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1
16 Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
in die Ordnung zu weisen und dann auf Antrag der berufenen Par-
teien entweder die Fortführung oder Aufhebung des Processes auszu-
sprechen. Dies ergibt sich aus den Hofdeereten vom 4. Jyni 1789
lit. f. J. G. S. Nr. 1015 und vom 14. October 1803 J. G. S. Nr. 629:
»Wenn dem Richter eine Schrift von einer Partei oder wider eine
Partei vorfallt , welcher das Recht sich selbst zu vertheidigen nicht
eigen ist, soll der Richter eine derlei Schrift sogleich verwerfen und
die Sache auf die Ordnung weisen; wäre aber eine solche Schrift
angenommen worden und es entdeckte sich dieser Umstand während
des Zuges des Verfahrens auf was immer für eine Art, soll was bis
dahin geschehen, aufgehoben, das Verfahren sogleich eingestellt und
die ganze Sache in dio Ordnung geleitet werden. Wäre es endlich
bis zum richterlichen Spruch gekommen, so steht es nur dem gesetz-
mässigen Vertreter der Partei, die sich selbst zu vertreten nicht be-
rechtigt ist, bevor (frei), die Nullität dieses Urtheils, es möge in
erster oder in einer höheren Behörde geschöpft sein, anzuzeigen und
die Einleitung eines neuerlichen Verfahrens anzusuchen. Ueber ein
solches Gesuch (1803) hat jene Behörde, welche das letzte Urtheil
gefüllt hat zu erkennen, mithin hat die erste Instanz im Falle das
letzte Urtheil bei einer höheren Behörde gefällt worden wäre, das
erwähnte Gesuch mit ihren Amtserinnerungen au die höhere Instanz
zu befördern.«
III.
Ein Blick ins canonische Rechtsbuch genügt um zu sehen, dass
die einzelnen kirchlichen Institute wie rechtsfähig so auch proccss-
fuhig sind. Der geschichtlichen Entwickelung eigenthümlich ist nur
die immer mehr ins einzelne gehende Specialisirung der kirchlichen Ver-
mögensmassen , wonach die früher vom Bischof zu leistende proces-
sualische Vertretung der kirchlichen Rechtssubjecte auch anderen
Personen zu eigenem Rechte zusteht. Solange die Kirche die ihr
zukommenden Vermögensrechte nur laicalen Ansprüchen gegenüber
zu schützen hatte, verdiente der gerichtliche Vertreter der Kirche
den Namen Defensor. Dieser in der alten Zeit gebräuchliche Aus-
druck trat als antiquirt in den Hintergrund, nachdem auch kirch-
liches Institut gegen kirchliches Institut und nach Ausbildung und
Erstarkung des Klosterwesens, insbesondere Convent gegen Bisthum
als streitende Theile auftraten. Die processualischen Vertreter der
kirchlichen Institute wurden Syndici oder kurzweg Procuratore n ge-
nannt (c. 9. X. 1, 38; c. 2. X. 1, 41). Aus dem alten Rechte
klingt noch, was die Bestellung dieser Vertreter betrifft, die Ver-
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der öaterr. Gerichte.' 17 ’
fügung (c. un. X. de syndico 1, 39, Gregor M.) herüber, die Mönche,
und dasselbe gilt überhaupt von Klerikern, sollten dem gerichtlichen
Treiben ferne bleiben und diesbezüglich eine Person, immerhin einen
Laien zur Wahrnehmung und Vertheidigung ihrer Rechte honoriren.
Auh einem anderen Grunde wird das Recht einer Gemeinde zur Be-
stellung eines Procurators in c. 7. X. 1, 38 bestätiget: weil die
Universität der Scholaren in Paris nicht füglich (commode) unmit-
telbar in die gerichtliche Verhandlung eintreten kann, möge sie
einen Sachwalter wählen. Besitzt eine Personengemeinheit bereits
eine feste Organisation, derzufolge einer oder mehrere berufen sind
die Geschäfte zu besorgen, so ist es ohneweiteres Aufgabe dieser
Vorstellung in den die juristische Person betreffenden Rechtsstreit
einzntreten. Im oft citirten Caput Edoceri (21. X. 1, 3) wird es
als eine Amtspflicht des Ahtcn erklärt, die Geschäfte der Congre-
gation zu procuriren, es wäre denn, dass es sich um einen zwischen
Convent und Abt schwebenden Streit handelte. Aus der Bestellung
einer Aebtissin zum Procurator ihres im Streite mit dem Bischöfe
befindlichen Klosters (c. 4. X. 2, 30) folgert Papp (a,.a. 0. S. 102),
dass sie ohnew'eiteres als gerichtliche Sachwalterin ihres Conventes
handeln könne. Diese Meinung kann aus c. 4. X. 1, 43 eine wei-
tere Stütze erhalten.
Was oben vom Abte gesagt ist, gilt analog von jedem kirchen-
rechtlich zur Verwaltung eines kirchlichen Institutes bestellten Be-
amten, also insbesondere auch vom Pfarrer. Der Pfarrer ist nach ge-
meinem Rechte befähiget, das Kirchenvermögen sowie Pfründever-
mögen seiner Pfarre im Rechtsstreite zu vertreten und wenn er nicht
persönlich processualisch handeln kanu oder will , zu diesem Behufe
einen Sachwalter zu ernennen. Die Verwaltung des Gotteshausver-
mögens ist partikularrechtlich vielfach in Laienhände gelegt , «aber
auch dann ist und bleibt der Pfarrer der natürliche und «allein be-
rechtigte Vertreter des Kirchenvermögens und sind demnach die
Fabrikmeister oder Kirchenväter zur Processführung ohne Cousens
des Pfarrers nicht legitimirt; vgl. die Statuten der Kölner Diöcesan-
Synode von 1662 angeführt von Heuser im Archiv für katholisches
Kirchenrecht VII, 1862, S. 258, A. 2.
Wenn immerhin der Pfarrer der ordentliche Verwalter und
Vertreter des Pfarrvermögens ist, so ist er solches doch uur unbe-
schadet der höheren Hechte des Bischofs. Dem Ordinarius steht es
nach wie vor frei, die Vertretung der Pfarrkirche in seine eigene
Hand zu nehmen. Das ältere Recht des Bischofs, das gesammtc
innerhalb seiner Diöcese gelegene Kirchengut eventuell im Rechts-
Aroliiv für Kirchenrecht. XLVII. 2
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18
Scherer , Processföhigkeit der kirchlichen Institute.
streite zu vertreten, ist durch die nachfolgende Entwickelung des
pfarrlichen Amtes nicht irritirt. Aus dem c. ult. X. 3, 37 (»ei
[episcopo] nomine paroecialis ecclesiae«) erhält diese Meinung ihre
rechtliche Begründung, wie Pirhing (Jus can. Lib. II. tit. I. n. XXXIV
sq. ed. Dillingen II, 1675, p. 11) klarstellt, so dass nicht mit Un-
recht Schmalzgrueber, (Jus can. Lib. II. tit. I. n. 40. ad 3, ed. Rom. II,
1844, p. 36) und andere ( Heuser a. a. 0. S. 256 f.) diesbezüglich
dem Bischöfe eine potestas cumulaiiva, mit dem Pfarrer nämlich, zn-
schreiben. Letzterer Ausdruck darf nur nicht in der Weise miss-
verstanden werden , als ob die pfarrlichen und bischöflichen Rechte
als coordinirt zu denken seien, zunächst und regelmässig ist jene
Vertretung Sache des Pfarrers, dabei kann ganz unmittelbar das
Recht des Bischofs sich äussern, immer aber hat die pfarrliche
Thätigkeit in Unterordnung unter der bischöflichen Jurisdiction zu
bleiben. Dem Bischöfe steht also nicht nur das Recht der Aufsicht
zu, er hat nicht nur den Pfarrer zur Rechenschaft zu ziehen, in der
Richtung, ob und wie er jene Vertretung geleistet hat, sondern der
Bischof kamt auch ganz allgemeine Bestimmungen in Ansehung der
kirchliche Institute berührenden Processführung treffen, welche An-
ordnungen dann vom Pfarrer zu befolgen und vom Richter zu be-
achten sind. Letzteres in Bezug auf die Prüfung der Legitimation
des processführenden Kirchenvorstandes beziehungsweise des von dem-
selben bestellten Anwaltes. Das Recht des Bischofs in der ange-
deuteten Richtung Vorschriften zu erlassen, steht ausser allem Zweifel,
es genügt aus dem alten Recht c. 15. Synode v. Orleans v. 51 1 (c. 7.
C. X. Q. 1.) und aus dem neuen Rechte die Bestimmungen der
Trienter Synode (Sess. XXII. de ref. c. 8. 9.) angezogen zu haben.
Gemeinrechtlich ist die bischöfliche Autorisation zur Processführung
der einzelnen kirchlichen Institute nicht vorgeschrieben, sie scheint
aber nach den von Heuser (a. a. 0. S. 258, A. 1. S. 263 f.) und
Anderen (Archiv XV, 1866, S. 8) gelieferten Nachweisungen nicht
nur in Osnabrück, Münster, Trier, Köln, sondern in den meisten
deutschen Diöcesen Rechtens zu sein.
Für Oesterreich ist dies unbestritten der Fall. Zum Verständ-
nisse der österreichischen Zustände muss bemerkt werden, dass im
allgemeinen, vorzüglich aber in Böhmen die Patrone weitgehende
Rechte in Bezug auf die Verwaltung des Kirchenvermögens hatten
und dass es nicht anging denselben, welche auch unverhältnissraässig
schwer die kirchliche Baulast drückt, das Aequivalent eines Mehr
kirchlicher Rechte ohne weiteres zu nehmen. Der kirchliche Stand-
punkt wurde aber dadurch gewahrt, dass in Hinkunft die Patrone
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der fisterr. Gerichte. 19
wenn sie einen Rechtsstreit der Kirche auf ihre Kosten, wenn auch
nicht auf ihre Gefahr, führen zu wollen erklärten, die Bestätigung
des von ihnen vorgeschlagenen Advocaten vom Ordinariate ansuchen
sollen. Kirchenvorstand sowie Pfründner bedürfen auf alle Fälle zur
Processführung bischöflicher Autorisation. Die österreichischen
Bischöfe sind bekanntlich im Jahre 1856 in Wien zusammengetreten,
um die Grundsätze zu bestimmen, nach denen die Ausführung des
Concordates in möglichst einheitlicher Weise ins Leben treten sollte.
Der Artikel 30. des Concordats enthält die ganz allgemeine These:
»Die Verwaltung der Kirchengüter wird von denjenigen geführt wer-
den , welchen sie nach deu Kirchengesetzen obliegt « Damit war
selbstverständlich der bisherige Zustand keineswegs mit einem Schlage
beseitiget, sondern nur dessen Aenderung geboten. Eret nachdem
mit a. h. Entschliessung vom 3. October 1858 (Rundschreiben des
Min. f. C. u. U. v. 15. Oct. 1858 Z. 1282) die in der genannten
bischöflichen Versammlung vereinbarten, die Verwaltung des Pfründen-
und Gotteshausvermögens betreffenden Normen mit einigen Restric-
tionen waren gutgeheissen worden, erflossen in den einzelnen Diö-
cesen bischöfliche Verordnungen , welche die Verwaltung des kirch-
lichen Vermögens regelten. In der Sache stimmen diese bischöf-
lichen Anordnungen so ziemlich überein, es möge daher nur die
SccTcauer f. b. Verordnung vom 28. Mai 1859 angeführt werden,
deren §. 28. lautet : »Die Vertretung des Kircbenvermögens liegt in
der Regel der Vermögensverwaltung ob, sie darf jedoch mit Aus-
nahme der im §. 21. erwähnten gerichtlichen Vorgänge (Einklagen
von Zinsen u. a.) keinen Rechtsstreit ohne Einwilligung des bischöf-
lichen Ordinariates beginnen, bei deren Erwirkung die Bestimmung
des §. 22. einzuhalten ist. Wenn der Patron bereit ist, die Kirche
bei einem Rechtsstreite anf eigene Kosten zu vertreten, so bleibt es
dem Ordinariate Vorbehalten , den vom Patrone bezeichnten Sach-
walter gutzuheissen.« In Bezug auf das Pfründenvermögen verfügt
analog dasselbe §. 59: »Der geistliche Pfründner ist befugt, die
rechtmässig aufgekündeten Pfründencapitalien, dann die von derlei
elocirten Capitalien fälligen Interessen und andere der Pfründe ge-
bührende Leistungen nach eigenem Ermessen einzuklagen. Ausser-
dem aber darf er keine die Pfründe betreffende Rechtsstreitigkeit
ohne Einwilligung des bischöflichen Ordinariats beginnen . . . Wenn
der Pfründner nicht selbst die Rechtsstreitigkeit verschuldet hat, so
ist er nicht verpflichtet, die Processkosten aus Eigenem zu tragen.
Hinsichtlich der Vertretung der geistlichen Pfründen durch den
Patron gilt das §. 28. Gesagte.« In gleicher Weise verfügte das
2 *
20 Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
Wiener Provinzial-Concil von 1858 Tit. VII. cap. VI. §. 7. »Ec-
clesiae peculium administrantibus quin licentiam ab episcopo obtinue-
rint fas non est ... . liti de ecclesiae juribus se immittere« (ed.
Friburg. 1864 p. 182) und §. 22. »Si lite quadam superveniente
patronis beneficii vel ecclesiae causam suis sumtibus agere paratus
sit, advocati tamen ab eo eligendi personam episcopus ratam habeat
oportet« (ed. cit. p. 186 sq.). In der für die Wiener Erzdiöcese
erlassenen Verordnung lautet derselbe §. 22. »Wenn ein Rechtsstreit
entsteht und der Patron bereit ist, die Sache des Gotteshauses oder
der Pfründe auf eigene Kosten zu vertreten, so wird dies, abgesehen
von besonderen Umständen, mit Dank anznnehmen sein; nur muss
die Person des Anwaltes, welchen er wählt, dem e. b. Consistorium
zur Gutheissung angezeigt werden.« Die Bestimmung des Prager
Provincial-Coneils von 1860 soll weiter unten bezogen werden.
IV.
Es kommt nun die Frage zu untersuchen, welche die Stellung
der kirchlichen Institute nach dem staatlichen Processrcchte ist. Die
Antwort ist sehr einfach. Wenn die katholische Kirche in einem
Staate als solche recipirt und anerkannt ist, so sind zugleich damit
die einzelnen kirchlichen Institute als rechtsfähige juristische Per-
sonen anerkannt. Es ist damit ferner die Handlungsfähigkeit eben
jener Institute nach Massgabe ihrer eigenen , der kirchenrechtlichen
oder canonischen Organisation staatlich anerkannt und auch der ge-
richtliche Schutz ist den objectiv berechtigten Begehren eben jener
Verwaltungsorgane zu gewähren. Wo die katholische Kirche aner-
kannt ist, sind demnach auch die einzelnen kirchlichen Institute
processfähig im oben auseinandergesetzten Sinne. Die Möglichkeit
einer beschränkenden Ausnahme muss aber zugleich zugegeben wer-
den. Es kann sein, dass die Kirche «als solche recipirt und gleich-
wohl gewisse Categorieen der kirchlichen Lebenserscheinungen z. B.
das Klosterwesen staatlich ignorirt, wenn nicht verboten sind. Es kann
sein, dass die Handlungsfähigkeit der Kirchen staatlich beschränkt
ist, und ebenso kann es mit deren Processfähigkeit der Fall sein.
Es kommt hier nicht darauf an, auf das Meritorische solcher Limi-
tation einzugehen und die Frage zu erörtern, ob solcher Vorgang
consequent ist, hier handelt es sieh nur zu constatiren, dass solche
Beschränkungen, die Anerkennung der Kirche vorausgesetzt, nie zu ver-
muthen, immer zu beweisen sind.
Mit der Processfähigkeit der Kirche ist zugleich deren Fähig-
keit gegeben, nötigenfalls im Process sich vertreten zu lassen. Wenn
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der iitsterr. Gerichte. 21
das staatliche Recht über diesen Punkt keiue Betimmuugen enthält,
so ist die Art der processualisehen Vertretung kirchlicher Institute
deshalb keineswegs völlig ungeregelt und der Willkür anheimge-
geben. Vielmehr wird die gedachte Vertretuugsleistuug nach Mass-
gabe der inneren Verfassung des betreffenden Institutes und zufolge
der hierüber erflossenen statutarischen Festsetzungen der kirchlichen
Behörden zu beurtheilen und zu prüfen sein. Wenn die unmittel-
baren kirchlichen Verwaltungsorgane im Process durch einen An-
walt, mag er Syndicus oder anderswie heissen, vertreten sind, so
wird die Berichtigung der Legitimation sich nicht nur auf Prüfung
der Vollmacht oder des Syndicats dieses Procurators beschränken, son-
dern auch darauf sich erstrecken, ob die mandirende Kirchenbehörde
als solche ihrerseits zur Processführung legitimirt ist. Die Wahl
der Person des Sachwalters ist ins Ermessen der kirchlichen Behörde
gestellt, sowie es einer jeden Partei freigestellt ist, sich ihren An-
walt unter Berücksichtigung der hier in Betracht kommenden Um-
stände auszuwählen.
Die Vertretung der kirchlichen Institute kann aber auch eine
gesetzlich bestimmte sein .und zwar entweder in obligatorischer, ab-
soluter Weise oder aber eventuell und faeuitativ. Letzteres daun,
wenn die Kirche angewiesen wird, sich von einer dritten genannten
Person vertreten zu lassen, in der Weise, dass sowohl jene dritte
Person ein Recht hat, um die Vertretung angegangen zu werden,
als auch die Kirche einen im Rechte begründeten Anspruch für ihr
diesfälliges Begehren hat. Dabei muss festgehalten werden, dass
die Processfähigkeit der Kirche dadurch nicht beschränkt ist; die
Kirche wird abo mit Erfolg Process führen können, wenn sie auch
von einem fremden Auwalt vertreten wird, sei es dass jene zunächst
berufene dritte Person die Vertretung ablehnte , sei es dass sie gar
nicht darum ersucht wurde. Die Bereinigung der aus diesem Verhält-
nisse etwa sich ergebenden Ansprüche und Schwierigkeiten hat auf
den Fortgang des Processes keinen Einfluss. Wenu die Staatsge-
setze die Vertretung kirchlicher Institute in obligatorischer Weise
normireu, so dass ausschliesslich gewisse Personen oder Aemter zur
Durchführung kirchlicher Processe für berufen erklärt werden, so
liegt darin unbestritten eine Einschränkung der kirchlichen Process-
fähigkeit in der Richtung der sonst freien Stellvertretung in Pro-
cesshandlungen. Der Nothwendigkeit der Kirche , um jene Vertre-
tung sich zu bewerben, muss diesfalls die Pflicht der zur Vertre-
tung Berufenen entsprechen, die Vertretung ohne weiteres zu über-
nehmen. Wäre dem anders, so läge eine Aufhebung der absoluten
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22 Scherer, Procesafähiykeit der kirchlichen Imlilule.
Processfähigkeit der kirchlichen Institute vor, es wäre die Anomalie
gegeben, dass der Procurator darüber entscheiden kann, ob jemand
zu seinem Rechte komme oder nicht. Eine absolute Vertretung darf
nie vom guten Willen des gesetzlichen Vertreters abhängen, wenn
nicht der Rechtszustand der Kirche in Frage gestellt und Gnade
genannt wird, was Recht ist. Gesetzt den Fall, ein kirchliches In-
stitut müsse vom Fiscus vertreten werden , so wäre die Lage der
Kirche, wenn ihr ein Recht abgestritten wird, eine rechtlose uud
verzweifelte zu nennen, wenn das Fiscalamt die Vertretung verwei-
gern kann und die Kirche nun wehrlos ihrem Processgeguer preis-
gegeben ist.
Nach diesen allgemeinen Auseinandersetzungen soll die Frage
nach einer gesetzlichen Vertretung kirchlicher Institute nach preus-
sischem und österreichischem Rechte untersucht werden. —
Die Verwaltung des Kirchenvermögens liegt nach dem preus-
sischen Landrechte Theil II, Titel 11, §. 217. den Kirchencollegieu
unter Aufsicht der geistlichen Oberen ob. Von diesen gilt (§. 218.)
der Regel nach Alles , was wegen der Beamten privilegirter Corpo-
rationen im 6. Titel desselben Theiles verordnet ist. Dieselben kön-
nen (§. 148.) einen Syndicus aufstellen, welcher aber (§. 152.) nicht,
berechtigt ist, ohne Rückfrage mit der Corporation vor Gericht, sei
es als Kläger sei es als Beklagter, für die Corporation aufzutreten.
Betreffs der kirchlichen Verwaltung enthält in Bezug auf die Füh-
rung der Processe der erst angezogene Titel besondere Bestimmun-
gen. Wenn nämlich die Kirche wegen ihrer Güter und Vermögens
iu Processe verwickelt wird, liegt der Betrieb derselben (§. 650.)
den Vorstehern ob, welche hierin (§. 651.) der Patron unterstützen
muss. Soll die Kirche Klägerstelle vertreten, so müssen (§. 652.)
der Patron und die Vorsteher noch vor Anfang des Processes die
Approbation der geistlichen Oberen darüber einholen , wird diese
Vorschrift unterlassen (§. 653.) so wird der Process auf ihre Gefahr
und Kosten geführt und der Kirche kann hieraus kein Nachtheil er-
wachsen. Diese Approbation ist zwar zur Einlassung auf die Klage
nicht nothwendig (§. 655.) allein wenn die Vorsteher hiervon nicht
die vorgeschriebene Anzeige (§. 654.) erstattet haben, so geht der
Process (§. 656.) auf ihre Gefahr und Kosten. Wenn freilich der
Ausgang des Processes der Kirche günstig ist und sie einen Nutzen
erhalten hat (§. 657.), so können von der Kirche die Kosten nicht
zurückgefordert werden. Wenn endlich die Vorsteher und der Patron
wirkliche Rechte der Kirche zu vertheidigen und auszuführen sich
beharrlich weigern (§. 659.), bestellt der geistliche Obere einen Be-
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte.
vollmächtigten von Amtswegen. — Nachdem die Verfassung vom
31. Januar 1851 in ihrem Artikel 15. die Freiheit und Selbststän-
digkeit der Kirche in Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegen-
heiten gewährt hatte , war der Kreis der Befugnisse des Bischofs
nicht unerheblich erweitert; er konnte nicht nur im Nothfalle von
Amtswegen einen Vertreter des kirchlichen Instituts bestellen , er
konnte auch die Betretung des Rechtsweges durch Verweigerung
seiner Autorisation unmöglich machen, er konnte ein für alleraal die
Einholung seiner Genehmigung vorschreiben, so dass andernfalls die
erforderliche Processlegitimation des Kirchenvorstandes und dessen
Vertreters nicht vorhanden war. Der betreffende Artikel der preus-
sischen Verfassung wurde durch. Gesetz vom 18. Juni 1875 aufge-
hoben und damit ist das preussische Landrecht, selbstverständlich
nur innerhalb seines Geltungsgebietes, in der beregten Sache wieder
geltendes Recht geworden. Nach dem über die Vermögensverwaltung
in den katholischen Kirchengemeinden am 20. Juni 1875 ergange-
nen Gesetz §. 21. num. 5. bedarf der auf die Anstellung eines Pro-
cesses, soweit es sich nicht um die Eintreibung von Zinsen u. dgl.
handelt, gerichtete Beschluss des Kirchenvorstandes der Zustimmung
der Gemeindevertretung. Nach §. 47 ist das Recht des Bischofs, die
Aufsicht zu führen und zu gewissen Handlungen der Verwaltung
seine Einwilligung zu ertheilen, stehen geblieben. Dass aber hier
bei Mangel eines Staatsgesetzes und im Entgegenhalte des Land-
rechtes die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Geschäftes bezw. des
Processes von der bischöflichen Einwilligung abhängt, scheint mir .
nicht erweisbar zu sein. Das Recht von Amtswegen im Falle des
citirten §. 659. des Landrechts einen Sachwalter zu bestellen, ist
aufrecht geblieben. Nach §. 58. des Gesetzes vom 20. Juni 1875
devolvirt dasselbe an die Staatsbehörde. Abgesehen von diesem Falle
gibt es nach preussischem Rechte eine gesetzliche Vertretung des
Kirchenvermögens im Rechtsstreite nicht. —
Anders in Oesterreich. Den Geschäftskreis der Fiscalämter
bestimmt die allgemeine Instruction vom 10. März 1783. J. G. S.
Nr. 124. Darnach (§. 1 ff.) hat das Fiscalamt zu vertreten nebst
anderen staatlichen Fonden die landesfürstlichen Pfarreien und Be-
neficien sowie jenes unter Aerarialverwaltung stehende Vermögen,
das von aufgehobenen Stiftern, Klöstern oder andern Gemeinden her-
rührt (§. 6). Die Privat-Patronats-Pfarren rmd Stifter müssen sich
um ihre Vertreter selbst umsehen (Hofentschliessung vom 27. Juni
1786, Gesetze Joseph U., bei Mösle X, 740 f.). Besitzen die Pa-
trone oder Vögte die nöthige Kenntniss und erforderliche Befugniss
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24
Scherer, Frocessfühiykeil der kirchlichen Instilule.
(vor Gericht anfzutreleu), so können sie den miterstellenden Kirchen
die Vertretung in eigener Person leisten, sonst stellen sie mit dem
Pfarrer der zu vertretenden Kirche einen berechtigten Vertreter auf
(Cit. Hofentschl. 1786 und Verordnung f. Küstenland vom 19. Fe-
bruar 1820 §. 17. bei Helfert , Kirchenvermögen I, 1834, S. 253. N. f.).
Die Vertretung seitens des Fiscalamtes erstreckte sich, wie gesagt,
anfänglich nur auf diejenigen Kirchen, an welchen das Patronat dem
Landesfürsten zustand; dieselbe wurde in der Folge ausgedehnt auf
jene Kirchen, über welche der Kaiser oder der Religionsfond das
Patronatsrecht hat (Hofentschl. 27. Juni 1786). Bei Reehtsfiillen,
welche andere Kirchen betrafen, intervenirte der Fiscus nur im
Concursverfabren, worüber eine Reihe verschiedener Provincialver-
ordnungen bei Helfert (a. 0. S. 255. Note p.) und Fachmann (Lehrb.
des K. R. III, 1853 S. 272.) citirt sind, und dann wenn die Kirche
im Streite gegen Patron oder Vogteiobrigkeit sich befand. (Nach
Analogie des von der Stiftung handelnden Hofdecrets vom 13. Ja-
nuar 1821. J. G. S. Nr. 1730). — Umfassende und zweckentspre-
chende Bestimmungen ergingen über die den Stiftungen zu gewäh-
rende Vertretung. Darnach werden fromme Vermächtnisse und Stif-
tungen bei ihrer Errichtung und Einbringung vom Fiscus vertreten
(Hofdecr. 13. Jan. 1821 in Erläuterung der Fiscalinstructiou von
1783 §. 5.), nur sehr passend , da es sich um eine erst im Ent-
stehen begriffene juristische Persönlichkeit handelt. Im weiteren
Verlaufe besorgt das Fiscalamt oder die Kammerprocuratur die Ver-
tretung nur, wenn die Verwaltung der Stiftungen den l. f. Behörden
zusteht und die unter Privatverwaltung stehenden gegen die Patrone
oder Vogteiobrigkeit selbst zu vertreten wären. »Ist die Stiftung
einer Privatobsorge zügewiesen, es mag die Administration solcher
Stiftungen und Anstalten einzelnen Privaten oder Corporationen über-
tragen worden sein , so liegt deren weitere Vertretung nur diesen
Privaipatronen, jedoch unter deren Verantwortlichkeit nicht nur für
die Zwecke der Stiftung, sondern auch für deren genaue Befolgung
und unter Oberaufsicht des Staates ob, welcher stets als oberster
Beschützer aller gemeinnützigen Anstalten zu betrachten ist« (Hof-
kanzlei-D. v. 31. Dec. 1820, Steiorm. Prov. Ges. S. 1821 S. 10 ff.,
cit. Hofd. 1821. J. G. S. 1730). Durch die Verordnung, dass das
Fiscalamt, wenn es sich um Einbringung und Sicherstellung eines
den Kirchen ohne Unterschied angefallenen Vermögens handelt, die
Vertretung zu leisten habe (Hofkanzlei-D. v. 24. Novbr. 1837. J.
G. S. Nr. 243.), wurden keineswegs sämmtliche kirchlichen Institute
durchaus an die Vertretung seitens des Fiscus gewiesen, sondern es
Digitlzed by Google
Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 25
ist diese Bestimmung nur eine Anwendung der eben über die Stif-
tungen auseinandergesetzteu allgemeinen Normen; vgl. Fachmann,
a. a. 0. S. 271 f.
Der Gesehäftskreis der 1851 errichteten Finane-Procuraturcn
deckt sich, wie wiederholt erklärt wurde , in der Hauptsache durch-
aus mit den Agenden der bestandenen Fisealämter und Kammer-
Procuraturen. Gleichwohl ist die Legitimation der Finanz- Procura-
tur durch die provisorische Dienstes- Instruction vom IG. Febr. 1855,
R. G. Bl. Nr. 34, nicht unbedeutend erweitert worden, indem der-
selben nicht nur das Staatsvermögen und die demselben gleichge-
haltenen unmittelbar von den Staatsbehörden verwalteten und auch
nur thoilweise aus dem Staatsschätze dotirten Fonde, die unmittel-
bar von 1. f. Behörden verwalteten Stiftungen, die 1. f. Patronatsrechte
vor Gericht zu vertreten zukommt, sondern auch » das Kirchenver-
mögen und das Vermögen geistlicher Beneficieu, insoferne es sich
um die ursprüngliche Bestiftung der Kirche oder des geistlichen
Beneficiums oder um die Integrität des Stammvermögens handelt
oder dieses Vermögen von 1. f. Behörden verwaltet wird, nicht aber
insoferue bei schon bestehenden Kirchen oder geistlichen Beneficien
die laufenden Vermögensnutzungen zu vertreten oder einzubriugeu
sind« (§. 2. Absatz 5). — Es ist nicht zu verkennen, dass die Aus-
dehnung der Competenz der Finanz-Procuratur in der Vertretung
kirchlicher Institute zusammenhing mit dem Wegfall der alten
Vogteiobrigkeiten , welche als solche die Kirchen im Rechtsstreite
zu vertreten nach der früheren Ordnung der Dinge berufen waren
Wenn nun die Kirche früher keineswegs an die Vertretung seitens
des Vogtes gebunden war, so fordert die Analogie, dass auch das
Verhältniss zwischen Kirche und Finanz-Procuratur im Punkte der
processualischen Vertretung keineswegs ein obligatorisches ist. Nach
Abschluss des Concordates schien es an der Zeit zu sein, die in
Oesterreich bestehenden Patronatsverhältnisse einigermassen zu mo-
dificiren. Mit allerh. Entschliessung vom 3. Oct. 1858 (Archiv VII,
1862, S. 291) wurde verfügt: *Wenn der Patron bereit ist, die
Pfründe oder Kirche bei einem Rechtsstreite auf eigene Kosten zu
vertreten, so muss dies, von ausserordentlichen Fällen abgesehen,
als eine WoMthat betrachtet werden, es ist jedoch nicht Meine Ab-
sicht , dem Bischöfe das Recht abzusprechen , den vom Patron be-
zeichueten Sachwalter gutzuheissen.« Durch diese kaiserliche Ent-
schliessung wurden die Finanz-Procuraturen keineswegs der 1855
ihnen auferlegteu Pflicht der generellen Vertretung des Kirchenver-
mögens u. s. w. enthoben, eben so wenig wurde nun erst der Patron
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Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
für berechtigt erklärt, einen die Kirche betreffenden Rechtsstreit za
führen, sondern es wurde nur die Nothwendigkeit der bischöflichen
Autorisation zur Processführung auch in diesem Falle betont und
eingeschärft, s. oben S. 18 ff. Ein anderes hier einschlagendes
Aliuea der kais. Entschliessung lautet so: »Nicht nur bei den
Pfründen und Gotteshäusern 1. f. Patronates, sondern auch bei jenen,
welche einem auf dem Religions- oder Studien-Fonde beruhenden
Patronate unterstehen , wird Meine Regierung die dem Patrone zu-
kommenden Befugnisse fortwährend üben und die Vertretung wie
bisher von der Finanz-Procuratur zu leisten sein.« Wie schon aus
dem Tenor des Gesetzes , Oesterreich war damals ein absoluter
Staat, hervorgeht, ist in dieser Beziehung eine Aenderung nicht be-
absichtigt worden. Die bald darnach ergangenen Weisungen der
österreichischen Bischöfe zur Regelung der kirchlichen Vermögens-
verwaltung sind, was die Vertretung solcher Kirchen betrifft, lediglich
ein Nachhall der den Bischöfen durch Rundschreiben des Cultusmi-
nisters vom 15. October 1858 Z. 1282 mitgetheilteu a. h. Ent-
schliessung. So lautet der §. 29 der oben angeführten Seckauer
Verordnung: »Bei den Kirchen des 1. f. Patronats, sowie bei jenen,
welche einem auf dem Religions- oder Studien-Fonde beruhenden
Patronate unterstehen , wird die Vertretung wie bisher von der Fi-
nanz-Procuratur zu leisten sein. Bei sich ergebenden Fällen dieser
Art wird sich das b. Ordinariat behufs der Einleitung der Vertre-
tung mit der politischen Landesstelle in das Einvernehmen setzen;
es ist aber von Seite der Kircheuvermögeusverwaltung zugleich mit
dem diesfalligen Einschreiten auch eine Information über die Streit-
sache dem Ordinariate vorzulegen.« Das Prager Provincial-Concil
v. 1860 Tit. VIII. cap. I. Iit. A. n. 2. i. f. (ed. Prag. 1863 p. 255.)
verfügt hierüber Folgendes: »Causam ecclesiae liti implicatae aget
vel patronus suo aere, salvo episcopi jure advocatum ab ipso assum-
tum adprobandi, vel administratores peculii intra limites facultatis
ab episcopo definitos, vel si ecclesia sit juris patronatus caesarei sive
ad fundum religionis aut studiorum spectantis, Syndicus publicus,
quo casu emergente Ordinarius cum Gubernio civili de causa agenda
conferet.«
Es wurde oben die Ansicht geäussert, dass durch die ange-
führte kaiserliche Entschliessung, was den Wirkungskreis der Finanz-
Procuratur betrifft, eiue Verminderung ihrer Obliegenheiten nicht
eingetreten ist und dieselbe nur etwa im einzelnen Falle, wenn der
Patron die Processführung übernehme, ihrerseits die Mühewaltung
sparte. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass trotzdem an die
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 27
betreffenden Behörden Weisungen, welche mir nicht bekannt smd,
ergangen sind, welche einer andern Auffassung huldigten. Dies geht
wenigstens aus Folgendem hervor: »Aus Anlass einer Anfrage, be-
treffend den Wirkungskreis der Finanz-Procuraturen in vermögens-
rechtlichen Angelegenheiten der katholischen Kirchen und geistlichen
Beneficien wurde vom k. k. Finanz- Ministerium im Einverständnisse
mit dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht den sämmt-
lichen Finanz-Landesbehörden am 28. October 1875 Z. 18876 Fol-
gendes bedeutet: Jene Beschränkungen, welche an den die Eechts-
vertretung und Rechtsberathung der katholischen Kirchen und geist-
lichen Beneficien durch die Finanz-Procuraturen regelnden Bestim-
mungen des §. 2. Absatz 5. der provisorischen Dienstes-Instruction
für die Finanz-Procuraturen vom 16. Februar 1855 in Folge des k.
Patentes vom 5. November 1855 und den diesbezüglichen Durch-
führungsvorschriften (welche ?) eiugetreten waren, sind mit der durch
Gesetz vom 7. Mai 1874 bezw. dessen Artikel I. ausgesprochenen
Aufhebung des gedachten Patentes vom 5. Novbr. 1855 wieder aus-
ser Kraft getreten. — Bei Beurtheilung der Frage, inwieferne in
vermögensrechtlicheu Angelegenheiten der katholischen Kirchen oder
Pfründen eine Amtshandlung der Finanz-Procuratur einzutreten
habe, ist daher zunächst auf den Wortlaut des §. 2. Absatz 5. der
provis. Dienstes-Instruction zurückzugehen und ist sich weiters auch
der mit dem Finanz-Ministerial-Erlass vom 17. Dez. 1855 Z. 19040.
bekanntgegebene allerhöchste Befehl vom 14. April und 30. October
1855 , wonach der Finauz-Procuratur ausser den in der Dienstes-
Instruction enthaltenen Agenden auch noch alle übrigen den frühe-
ren Kammerprocuraturen und Fiscalämtern obgelegenen Amtsge-
schäfte wieder übertragen wurden, insoferne dieselbe den Finanz-
Procuraturen nicht etwa durch nachgefolgte gesetzliche Bestimmun-
gen ausdrücklich abgenommeu worden sind, gegenwärtig zu halten. —
Mit Rücksicht auf diese Normalbestimmungen und nachdem das
Vermögen der katholischen Kirche gemäss §. 38. des Gesetzes vom
7. Mai 1874 den für gemeinnützige Anstalten bestehenden staat-
lichen Schutz geniesst, unterliegt es keinem Zweifel, dass in An-
wendung des Hofkanzlei-Decrets vom 31. December 1820 (s. oben
S. 24.) bei Einbringung von Erbschaften und Legaten zu Gunsten
der katholischen Kirchen und Pfründen diesen die Vertretung durch
die Finanz-Procuratur zu leisten sei.« (Verordn.-Bl. d. M. f. C. u.
U. 1875 Nr. 53. S. 315 f.). — Diese Ministerial-Verordnung schafft
in der That nichts Neues, sondern erklärt nur, was meiner Ueber-
zeugung nach auch ohne dieselbe Rechtens gewesen wäre. — Die
28 Scherer, Processfähiykeit der kirchlichen Institute.
Begründung des Erlasses ist, wie angedeutet, insoferne eine unklare,
als nicht gesagt ist, welche Verordnungen durch das Gesetz vom
7. Mai 1874 aufgehoben worden. Dieses Gesetz enthält Bestimmun-
gen zur Regelung der äusseren Rechtsverhältnisse der katholischen
Kirche, dasselbe streift in keiner Weise die in Rede stehende Frage.
Unten soll noch daraut zurückgekommen werden. Artikel I. des Ge-
setzes hebt das Patent vom 5. Novbr. 1855 (Concordat) seinem vol-
len Inhalte nach auf. Im Namen der Rechtswissenschaft müsste da-
gegen Verwahrung eingelegt werden, dass dadurch alle von diesem
Tage bis zum 7. Mai 1874 erlassenen kirchliche Verhältnisse be-
rührenden Gesetze und Verordnungen mit einem Zuge beseitigt
worden wären. Aufgehoben ist nur das angezogene Patent und die
am 7. Mai 1874 rechtskräftigen Normen, soweit sic mit dem neuen
Gesetze uicht vereinbar oder ausdrücklich derogirt sind.
Nachdem derart die einschlägigen Bestimmungen der öster-
reichischen Gesetzgebung mitgetheilt worden sind, kommt die recht-
liche Natur des Verhältnisses mischen der Finanz- Procuratur und
dem im Streite befangenen kirchlichen Institute zu untersuchen. Es
genügt unter Verweisung auf die obigen (I. und II.) allgemeinen Er-
örterungen das Verhältniss durch folgende Thesen zu präcisiren:
a) die Finanz-Procuratur ist zur Vertretungsleistung verpflichtet;
b) die Finanz-Procuratur ist nach dem Gesetze zur Vertretung
berufen, bedarf daher, wenn sie demzufolge in Process eintritt, zu
ihrer Legitimation keiner Vollmacht;
c) die Vertretung seitens der Finanz-Procuratur ist eine Wohl-
that, auf welche verzichtet werden kann;
d) die Finanz-Procuratur ist keineswegs der obligatorische und
ausschliessliche Sachwalter kirchlicher Institute ;
e) eine anderweitige Vertretung eines kirchlichen Instituts be-
gründet nicht die Nichtigkeit des Verfahrens wegen mangelnder
Legitimation ;
f) die Staatsverwaltung kann verlangen, dass die kirchlichen
Behörden um die Vertretung seitens der Finanz-Procuratur sich be-
werben, sie entbehrt aber hierbei gesetzlicher Zwangsmittel.
Die Begründung dieser Sätze soll eine möglichst kurze sein.
ad a) Das gesagte ergibt sich aus der öfter angezogenen
Dienstesinstruction, welche der Natur der Sache nach zunächst die in
Rede stehenden Behörden angeht und ihr Vorgehen regelt.
ad b) Justi z-Ministcrial-Erlass vom 25. April 1856, Z. 8911.
Daraus folgt nur, dass die Finanz-Procuratur, wenn sie thätig wird,
aus dem Titel des Gesetzes thätig wird, nicht aber dass sie immer
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 29
und allein zur Vertretung berufen sei, vergl. auch Hofdeeret vom
6. Juli 1792 und 15. April 1826 J. 6. S. Nr. 2181, welches das-
selbe normirt, wenn das Fisealamt als Unterthanenadvocat amtirt.
ad c) Von vorneherein ist klar, dass die Finanz-Procuratur als
Advocat des Fiscus der noth wendige und sozusagen geborene Ver-
treter des Staatsvermögens und überhaupt der vermögensrechtlichen
Belange des Staates ist. Dasselbe kann gesagt werden, wenu die
Verwaltung eines Fondes durchaus in staatlichen Händen sich be-
findet; die vom Staate verwalteten Stiftungen , insbesondere der Rc-
ligions- lind Studienfond werden also, ohne dass dies irgendwie angezwei-
felt wird, allein und von Haus aus vom Fisealamt zu vertreten sein.
Wenn der Staat seinem Advocaten auch die Vertretung anderer von
ihm verschiedener juristischen Personen aufträgt, so leuchtet ein,
dass der Staat hiemit eben diesen Personen eine Wohlthat erweisen
will und in der That erweist, weil er sie im allgemeinen der Sorge
um einen andern Sachwalter sich umzusehen überhebt. Dies geht
auch aus dem Wortlaut der citirten Instruction von 1855 §. 2. Ab-
satz 4. hervor: »Den nicht unmittelbar von 1. f. Behörden verwal-
teten Stiftungen gebührt (sic!) nur insoferue die Vertretung . . . .«
Ebenso verfügt die Miuisterialverordnung vom 14. Juli 1872, R. G. Bl.
Nr. 119, dass die Finanz-Procuraturen die Rechtsvertretung auch den
staatlichen Schulbehörden einschliesslich der Volksschullelirerpensions-
fonde »zu geivähren verpflichtet sind .« — Der allgemeine Grund-
satz: beneficia ne intrudantur gilt auch hier. Dies ergibt sich aus
der Analogie der Function der Finanz-Procuratur als » Unterthanen-
Advocat.s. Nach dem Unterthanen-Patent vom 1. Scptb. 1781 §. 13.
sollten bei Unterthanprocessen Rechtsfreunde ganz ausgeschlossen
sein, Ex-officio-vertreter war der Unterthanad vocat (der erste Fiscal-
adjunct), vergl. Instruction von 1783 §. 7. Dagegen verfügte das
Hofdeeret vom 26. September 1797 wieder, dass es »dem Unter-
thanen frei stehe, in Streitigkeiten mit seiner Herrschaft sich der
Wohlthat der flscalümtlichcn Vertretung zu begeben , doch hat das
Kreisamt vorher sein Amt zu handeln, auch muss der Unterthan,
welcher einen fremden Sachwalter verlangt, über die Wohlthat, welche
ihm entgeht, belehrt und vor Schaden gewarnt werden.« Darnach
war in solchen Fällen die Möglichkeit einer doppelten Vertretung
einer gesetzlichen und einer gewählten offen; vergl. Gustermann ,
Oesterr. Privatrechtspraxis I, 1805, S. 451. Die Betrauung des
Fiscalamtes mit dieser Function beruhte demnach entfernt nicht auf
dem Mangel der Klagfähigkeit des Unterthanen und der Unfähigkeit
desselben sich einen Vertreter zu bestellen, sondern ging aus der
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30 Scherer, Proceasfähigkeit der kirchlichen Institute.
Absicht der Regierung hervor, dem Unterthanen durch Gewährung
dieses processualischen Schutzes eine besondere Wohlthat zu er-
weisen. So nennt auch der Justiz-Ministerial-ETlass vom 12. Mai
1849 (Sammlung der Gesetze im Justizfache I; 1856, Nr. 128) diese
Vertretung eine Wohlthat und erklärt die Ministerialverordnung vom
27. December 1855, R. G. Bl. 227, lediglich die Fortdauer solcher
Vertretung der galizischen ehemaligen Gutsunterthanen und unter-
thänigen Gemeinden seitens der Finanz-Procuratur.
Der Satz unter d) ist die unabweisbare Folgerung aus den
Vordersätzen. Der etwa einer andern Auslegung Raum gebende
Ausdruck der a. h. Entschliessung vom 3. October 1858 »wird die
Vertretung von der Finanz-Procuratur zu leisten sein,« ist auch nur
als ein dieser Behörde ertheilter Auftrag anzusehen und intendirte
eine Schmälerung der Selbstständigkeit der Kirche ebensowenig als
er überhaupt am bestehenden Zustande etwas ändern wollte, wie
solches die eingeschobenen Worte »wie bisher« beweisen. — Wäre
die Kirche an die Vertretung seitens der Finanz-Procuratur absolut
gebunden, so könnte, was in einem geordneten Rechtsstaate nicht
geschehen darf, die Kirche als Partei dann rechtlos sein, wenn die
betreffende Finanz-Procuratur aus was immer für einem Grunde die
»Amtshandlung« zu setzen sich weigern würde und die vom Prä-
sidium der Finanz-Landesdirection hierüber eingeholte Entscheidung
des Finanz-Ministeriums gleichfalls negativ wäre. Schlimmsten Falles
müsste der Kirche das Recht gewahrt sein, eventuell einen eigenen
Vertreter sich zu bestellen. — Wenn beide Theile von der Finanz-
Procuratur zu vertreten wären, so hat dieselbe keinen zu vertreten,
sondern die zuständige administrative Behörde bestellt für beide
Theile Vertreter (Tnstr. v. 1855 §. 13), welche nach Hofdecret vom
30. November 1789 J. G. S. 1080 den Rechtsstreit unter Ober-
leitung der Finanz-Procuratur zu führen haben , so dass derselben
jede Satzschrift zur Verbesserung vorzulegen kommt. Letztere Vor-
schrift ist kaum mehr praktisch, erstere wird nur dann Platz greifen,
wenn beide Theile in der That um die Vertretung seitens der Finanz-
Procuratur sieh beworben haben, entweder weil sie solches mussten,
wie staatliche Fonde, oder weil sie wollten, wie kirchliche Institute.
Dass an sich die Regierung das Recht hat, einer selbstständigen ju-
ristischen Person, als welche das kirchliche Institut anzusehen ist,
einen Sachwalter zu bestellen, muss entschieden verneint werden, die
Regierung wird aber solches dann nicht mit Unrecht thun, wenn die
kirchlichen Behörden durch Bewerbung um ihre Vertretung sich
auch dieser Eventualität unterworfen haben. Es gehört doch nicht
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 31
zu den Unmöglichkeiten, dass zwei Kirchen mit einander Process
führen; gebührt hier au sich der Regierung das Recht, für jede
Kirche einen Vertreter zu ernennen? nein. Erst wenn Beide die
Vertretung der Finanz-Procuratur in Anspruch nehmen würden, käme
es der Stelle zu, Ad vocate n zu benennen und den kirchlichen Be-
hörden geschähe kein Unrecht, weil sie darauf, selbst eine solche
Bestellung vorzunehmen, thatsächlich verzichtet haben.
ad e) Ueber die Proccssfuhigkeit der juristischen Personal
enthält die österreichische Gerichtsordnung keine ausdrücklichen Be-
stimmungen. An ihrer Processfähigkeit ist Dicht zu zweifeln, ebenso
gewiss ist, dass deren Vertreter sich gehörig dem Richter zu legi-
timiren haben. Nach §. 64. der öst. a. G. 0. ist das Recht der-
jenigen, welchen die Gesetze, die Verwaltung ihres Vermögens nicht
anvertraut haben, von jenen einzuklagen oder zu vertheidigen, welche
die Gesetze hiezu bestellt haben. Angenommen, es handle dieses
Gesetz von den juristischen Personen, so ist im Grunde dieses §. 64.
eine gerichtliche Schrift der Finanz-Procuratur namens eines kirch-
lichen Institutes vom Richter anzunehmen, weil die Finanz-Procu-
ratur nach dem Gesetze zur Vertretung des Institutes berufen ist;
es ist aber nicht wegen desselben §. 64. eine von einem andern Ad-
vocaten überreichte Schrift vom Gerichte einfach zurückzuweisen,
weil die Finanz-Procuratur nicht allein und ausschliesslich zur be-
sagten Vertretung legitimirt ist.
ad f) Sowie der Patron in Oesterreich verlangen kann, dass
seine Vertretungsleistung vom Bischöfe angenommen werde und kein
Jurist daraus folgern wird, der Richter müsse von Amtswegen eine
nicht vom Patron und mit Uebergehung des Patrons überreichte ge-
richtliche Schrift zurückweisen, ebenso kann die Staatsregierung ver-
langen, dass die kirchlichen Behörden von jener Wohlthat der Rechts-
vertretung Gebrauch machen. Und zwar entweder aus dem Grunde
des Patronats oder aus dem Titel der Advocatie , des dem Kircheu-
vermögen gewährten Schutzes und der hilfreichen Unterstützung bei
Unzulänglichkeit der kirchlichen Mittel. — Wie die Sachen stehen,
ist kaum zu besorgen, dass ein Bischof einen theuren Process einem
bedeutend wohlfeileren vorziehen werde. Die Möglichkeit, dass durch,
wenn nicht frivole, doch aussichtslose Anstrengung von Processen
kirchliche Institute Schaden erleiden, soll nicht geläugnet werden.
Wenn die Rechtspflege eine einfache und schleunige ist, wird die
Gefahr am wirksamsten in die Ferne gerückt. Liegt auf einer Seite
Dolus vor, so tritt Ersatzpflicht ein und findet das oben erwähnte
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32
Scherer, Process fähig keil der kirchlichen Institute.
Hofdecret vom 31. December 1820, bezw. 13. Januar 1821 sinnge-
mässe Anwendung.
V.
Gewisse Classen von Personen, wie solche der oben (S. 0) an-
geführte §. 21. des öst. b. G. B. aufzählt, stehen unter dem »6e-
sonderem Schutze der Gesetze. Der Gedanke ist nicht neu, aber
die Folgen, welche daraus abgeleitet wurden, sind oft exorbitant.
Jener Schutz bezweckte, solche Personen, welche entweder gar nicht
oder nur beschränkt handeln konnten: Kinder, Minderjährige, Kranke,
Abwesende, etwa auch Frauen und Collegien vor Schaden möglichst
zu bewahren. Demnach wurde ihnen Restitution gewährt, es wurde
zu ihren Gunsten die Verjährungsfrist erstreckt, es wurde von Rechts-
wegen Fürsorge getroffen, dass ihre Angelegenheiten von anderen,
vertrauenswürdigen Personen geführt wurden u. s. w. — Die Staats-
verwaltung glaubte sich ferner mit letzterer Veranstaltung nicht be-
gnügen zu sollen, nicht nur sollten jene Curatoren, um dieses allge-
meine Wort zu gebrauchen, für ihre Verwaltung ihren Curanden
gegenüber verantwortlich sein , sondern sie sollten zur Vornahme ge-
wisser wichtigen Acte selbst wieder die Genehmigung der Staatsbe-
hörde einzuholen verpflichtet sein. Es entwickelte sich hieraus in
bester Absicht die Idee , dem Staate komme die Obervormundschaft
zu über alle Personen, welche ihre eigenen Angelegenheiten persön-
lich zu besorgen ausser Stande sind. Es braucht kaum bemerkt zu
werden, dass dieser Gedanke ein absolutistischer ist und geeignet
die Verantwortlichkeit aber zugleich auch die Fürsorge der ganzen
Classe der Curatoren herabzudrücken. Der Gedanke ist ein gefähr-
licher, wenn er mit der oben bekämpften falschen Anschauung sich
verbindet, dass die juristischen Personen als solche handlungsunfähig
seien, etwa gar Kindern und Unmündigen gleichzusetzen wären. Von
einer Autonomie der Gemeinden, einer Eigenberechtigung und Selbst-
verwaltung der verschiedenen staatlich anerkannten Corporationeu
kann dann kaum mehr die Rede sein.
Um auf die Processfähigkeit überzugehen, so ist bekannt, dass
die Forderung eines landesherrlichen Consenses zur Processführung
eines Vormundes für sein Mündel im gemeinen Rechte nicht be-
gründet ist und erst ziemlich spät in neueren Landesgesetzen er-
scheint {Bayer, Vorträge, S. 366). Auf die controverse Frage, ob
der Vormund nach österreichischem Rechte in einem Rechtsstreite
in gleicher Weise, die Bedeutsamkeit des Gegenstandes vorausgesetzt,
der Autorisation seitens der obervormundschaftlichen Behörde bedarf,
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 33
mag er klagen oder nur vertheidigen (§. 233. b. G. B. , Haimerl
a. a. 0. S. 35 f. gegen Beidtel , Ordentl. Verfahren, S. 69), kann hier
nicht eingegangen werden; sicher ist, dass er gewisse Processhand-
lungen nur nach erhaltener Genehmigung setzen, bezw. zu denselben
dem Advocaten die Vollmacht geben kann (s. oben S. 14). Die
Stellung des Curators ist nach der Art seiner Bestellung eine ver-
schiedene und darnach zu beurtheilen. Es möge erwähnt werden,
dass nach der preussischen Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875
die Nothwendigkeit einer gerichtlichen Einwilligung zur Process-
föhrung und Eidesdelation für den Vormund nicht mehr besteht.
Vom Standpunkte der absolutistischen Doctrin ist es nur con-
sequent zu sagen: die Gemeinden stehen unter dem besonderen
Schutze der Gesetze, also auch unter der Curatel des Staates ( Mar-
tin , Vorlesungen, I, S. 232 und 443). Tn der That erflossen in
Oesterreich von 1785 — 1836 diesbezüglich mehrere bei Wessely,
Handbuch des gerichtl. Verf. , I, S. 134—141, Nr. 306 — 324 ge-
sammelten Verordnungen, welche die Processfähigkoit der Gemeinden
bedeutend einschränkten. So sollen nach dem Hofdecret vom 9. Juli
1808 J. G. S. Nr. 852 ( Wessely , Nr. 316, S. 137) galizische Stadt-
gemeinden keinen Process anhängig machen ohne vorläufige Bewil-
ligung der Landesstelle, welche immer erst nach Einvernehmung des
Fiscus zu ertheilen ist. Dabei kommt aber zu bemerken , dass die
Vorschrift einer solchen Autorisation weder eine allgemeine noch eine
absolute war. Sie bestand z. B. für das Küstenland gar nicht, sie
war für Böhmen an die Voraussetzung gebunden, dass die Stadtge-
meinde Kläger ist, neue Ansprüche geltend gemacht werden öderes
um Erwerbung neuer Rechte sich handelt (Hofdecret vom 17. Juni
1825 J. G. S. Nr. 2109, Wessely , S. 138, Nr. 320). Die Gemeinde
war ferner zwar verpflichtet zur Einlassung in einen Rechtsstreit um
die Bewilligung bittlich zu wenden, diese Einwilligung sollte aber
nicht verweigert werden , wenn der Versuch der politischen Behörde
einen Vergleich herbeizuführen ohne Erfolg geblieben, ein Moment,
welches weiter unten noch zu beregen sein wird. Bereits im Jahre 1857
konnte Haimerl (a. a. 0. S. 24. A. 3.) lehren, dass die Gemeinden zwar
unter dem Schutze aber nicht unter der Curatel des Staates stehen,
dass sie ihre Angelegenheiten selbst verwalten unbeschadet des Ober-
anfsicht8rechtes des Staates, dass die früheren beschränkenden, so-
eben besprochenen Bestimmungen »im Laufe der Zeit ihre Bedeutung
verloren haben.« Nach dem Gemeindegesetze vom 5. März 1862
Art. Vin. wird die Gemeinde als moralische Person in Civilrechts-
angelegenheiten von dem Gemeindevorstande und dem Gemeinde-
Archiv für Kirchenrecht. XLV1I. 3
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34
Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
ausschusse vertreten , welchen auch die Bestellung eines Rech ts-
freundes zukommt.
Nach französischem Rechte bedarf die Gemeinde der Autori-
sation zur Processführung. So war es auch nach der rheinischen
Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845, welche in ihrem §. 97. nur
die selbstverständliche Ausnahme macht, dass die Gemeinde dieser
Regierungsgenehmigung nicht bedarf, wenn die Klage gegen den
Fiscus und Mitglieder der Staatsbehörden als solche gehe. Die all-
gemeine preussische G. 0. vom 11. März 1850 beseitigte das fran-
zösische Bevormundungssystem, allein die rheinische Städte- und
Landgemeinden-Ordnung vom 15. Mai 1856 führte wieder den Zu-
stand von 1845 zurück (vgl. Eeichensperger, im Archiv XI, 1864,
S. 52). Gleich wenig Freiheit wie den Gemeinden gewährte das
französische Recht den Kirchenfabriken. Bereits die Declaration
vom 2. October 1703 verlangte zur Processführung namens der
Kirche Beschluss der Gemeinde und Autorisation seitens der General-
Intendanz des Bezirkes ( Heuser , im Archiv VII, 1862, S. 258). In
erschöpfender Weise regelte die genannten Rechtsverhältnisse der
Kirchenfabriken das kaiserliche Decret vom 30. December 1809,
dessen Artikel 77. den Fabrikmeistern die Möglichkeit nimmt, einen
Rechtsstreit zu beginnen oder in einen solchen sicü einzulassen ohne
Autorisation des Präfecturrathes , welchem der diesbezügliche Be-
schluss des Kirchenrathes vorzulegen ist: Ne pourront les marguil-
liers entreprendre aucun proces, ni y dOfendre, saus une autorisation
du conseil de profecture, auquel sera adressOe la dOliberation , qui
devra etre prise ü ce sujet par le conseil et le bureau rOunis ( Wal-
ler , Fontes, p. 549). Durch Art. 15. der preussischen Verfassungs-
urkunde vom 31. Januar 1851 war der katholischen Kirche die volle
Freiheit und Selbstständigkeit nicht nur verheissen, sondern auch
gewährleistet worden, und damit fiel, wie auch das Rescript des
Cultusministers vom 3. Juni 1850 und 16. Sept. 1862 (Archiv X,
295 ff.) es aussprach, diese Beschränkung der Processfähigkeit der
Kirchenfabriken hinweg und war es den Bischöfen auheimgestellt,
ihrerseits den Gegenstand zu ordnen. Desto gerechtfertigter war
das Aufsehen, welches das Erkenntniss des k. pr. Obertribunals in
Berlin vom 19. Mai 1863 (Archiv X, 1863, S. 268 ff.) hervorrief,
da durch dasselbe das französische Recht insbesondere der citirte
Artikel 77. als noch zu Recht bestehend erklärt wurde. Eine all-
gemeine wissenschaftliche Discussion der beregten Frage kam gleich-
wohl nicht in Fluss, wie solches die Redaction der Zeitschrift für
Kirchenrecht von Dove IV, S. 240 gewünscht hatte. Dagegen ver-
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der fisterr. Gerichte. 35
säumten die rheinischen Juristen nicht den Irrwegen jenes letztin-
stanzlichen Erkenntnisses nachzugehen und legten in mehreren Auf-
sätzen, deren nicht wenige von bleibendem Werthe sind, den wahren
Rechtsverhalt dar. Die Literatur hierüber findet sich im Archiv XI,
1864, S. 457 ff. und XII, 1864, S. 148 angemerkt. Ebendort er-
schien von P. Reichensperger , Das verfassungsmässige Recht der
Kirche in Preusseu (XI, S. 1—98 und Sep.-Abdr.). Die rheinischen
Gerichte hielten unbeirrt au der garantirten Freiheit der Kirche fest,
während das Obertribunal, wenn auch mit veränderter Begründung
im entgegengesetzten Sinne zu entscheiden fortfuhr, die Haltung der
Regierung aber war in’s Schwanken geratheu, vgl. Archiv XV, 1866,
S. 5—22 und Rauerband, ebendort XVII, 1867, S. 99 — 108. —
Seit dem Jahre 1875 ist die Controverse endgültig entschieden. Der
§. 51. des preussischen Gesetzes vom 20. Juni 1875 über die Ver-
mögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden ist voll-
inhaltlich als §. 3. in das Gesetz vom 7. Juni 1876 über die Auf-
sichtsrechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in den katho-
lischen Diöcesen übergegangen und lautet: »Die verwaltenden Organe
bedürfen zur Führung von Processen keiner Ermächtigung von Seite
einer Staatsbehörde. Atteste über die Legitimation der verwaltenden
Organe zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten oder Atteste über
das Vorhandensein derjenigen Thatsacheu, welche den Anspruch auf
Kostenfreiheit begründen, können gültig nur von der staatlichen Auf-
sichtsbehörde ertheilt werden.«
In Raden besorgt nach §. 11. der Verordnung vom 20. No-
vember 1861 die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens betr.
(Archiv, Bd. VII, S. 133) der katholische Oberstiftungsrath die
Rechtsvertretung für das seiner Verwaltung unterliegende kirchliche
Vermögen, sowie für jeues der kirchlichen Orts- und Districts-Stiftungeu.
Für ferner stehende ist die Notiz am Platze, dass der katholische
Oberstiftungsrath mit dem am 1. December 1862 aufgehobenen
»katholischen Kirchenrathe« nicht zu verwechseln ist. — Das loürt-
tcmbergisrJie Gesetz vom 30. Januar 1862, betr. die Regelung des
Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche kennt keinen
staatlichen Streitconsens. — Dagegen bildet derselbe einen Theil des
bayerischen Staatskirchenrechts. Er basirt auf keinem Gesetze, son-
dern nur auf Verordnungen und begründet deshalb Maugel desselben
nicht die Nichtigkeit des Verfahrens. Es ist in neuerer Zeit die
Fortdauer dieses Institutes bezweifelt worden. Die bayerische Ge-
meinde-Ordnung vom 29. April 1869 Art. 206. hebt die Nothwen-
digkeit des Streitconsenses für die Gemeinden und für die von denselben
3*
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36 Scherer, Proceasfähigkeit der kirchlichen Institute.
verwalteten Stiftungen auf, zugleich enthält dieselbe die allgemeine
Bestimmung, dass die Kirchenverwaltungen berechtiget sind, die
Kirchengemeiude in allen Richtungen zu vertreten (s. Archiv XXXIX,
1878, S. 391 — 395). So lange aber nicht die Rechte der Kirche und
der kirchlichen Organe auf die Verwaltung des Kirchenvermögens
klar anerkannt worden, scheint der Wegfall des sog. Streitconsenses
nicht behauptet werden zu können.
In Oesterreich besieht die Pflicht der kirchlichen Organe von
der politischen Behörde , den Klagconsens zu verlangen , nicht und
hat gesetzlich nie bestanden. Sonderbarerweise steht dieser Satz mit
der gemeinen Doctrin der österreichischen Rechtsgelehrten in Wider-
spruch. Der alte Uelfert lehrt (Vom Kirchenvermögen I, 1834,
§. 75, S. 254): »Uebrigens muss zur wirklichen Führung eines
Rechtsstreites für die Kirche die besondere Bewilligung der Landes-
stelle erwirkt, vor der Entscheidung aber ebenderselben die Anzeige
gemacht und dem Vortrage der geistliche Repräsentant, dem auf
Verlangen auch Process-Acten zur Einsicht mitzutheilen sind, bei-
gezogen werden.« Die zweite Hälfte des Satzes stützt sich auf die
bestandene Gerichtsinstruction und ist antiquirt. Als Beleg des
ersten Theiles, des behaupteten Klagconsenses wird in der Anmer-
kung 1) angeführt das Hofdecret vom 16. December 1819 und die
Verordnung f. d. Küstenland vom 19. Februar 1820, §. 17. — Beidtcl,
Ordentliches Verfahren, 1853, S. 62 schreibt: »Die Vorsteher und
Administratoren der Klöster, Abteien, Kirchen und Stiftungen dürfen
für Rechnung des Klosters, der Abtei, der Kirche und Stiftung ohne
Vorwissen und ohne Einwilligung der politischen Obrigkeit sich weder
active noch passive in einen Rechtsstreit einlassen« und allegirt dazu:
Hofdecret v. 1. Dec. 1786 Z. 596; Hofdecret v. 27. Novbr. 1789;
flofkanzleidecret v, 15. Dec. 1819 Z. 36314; Hofkanzleidecret vom
1. Sept. 1825 Z. 26263; tirol. Gubernial-Circulare v. 8. März 1819
Z. 5398; küstenländ. Gubernial-Circulare v. 11. Sept. 1819; Verord.
d. illyr. Gub. vom 22. Sept. 1825 Z. 14936. — Hiemit stimmt auch
die neueste Darstellung des österreichischen Civilprocessrechtes in
Freiherrn von Canstein’s Lehrbuch I, 1880, S. 439 überein: »Die
Gemeinden werden durch den Gemeindevorstand vertreten. Dagegen
sind Vorsteher und Administratoren der Klöster, Abteien, Kirchen
und Stiftungen nicht zur selbstständigen Vertretung dieser juristi-
schen Personen berufen und bedürfen sie der Einwilligung der poli-
tischen Landesbehörde , um sich activ oder passiv in einen Rechts-
streit einlassen zu können.« Die Note 28. führt an : »Hofdecret vom
1. December 1786, Nr. 596; Hofdecret vom 27. November 1789,
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m m ■
Mit einer ■ Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 37
vom 15. December 1809 Z. 36314; Hofkanzleidecret vom 1. Sep-
tember 1823 Z. 26263.«
Die von den genannten Autoren citirten Erlässe , 10 an der
Zahl, schrumpfen , theils in Folge ungenauer Citation, theils weil die
Circularien ein Abklatsch der betreffenden Hofverordnungen sind,
auf 5 oder 4 zusammen , welche bei der Wichtigkeit des Gegen-
standes einzeln aufgeführt werden sollen.
a) Das Hofdecret vom 1. December 1786, J. G. S. Nr. 596
erneuert das Patent vom 5. October 1782, welches den geistlichen
Vorstehern jede Veräusserung und Belastung beweglicher (!) und un-
beweglicher Güter ohne 1. f. Consens untersagte. Es gehört also gar
nicht zur Sache und berührt ein anderes Moment, jenes der Ver-
äusserung, in welcher Beziehung es durch spätere Gesetze überholt
ist, daher als durchaus antiquirt nicht mehr verdient, fort und fort
als Rechtsquelle citirt zu werden.
b) Dasselbe gilt vom Hofdecret vom 27. November 1789 (Ge-
setze Joseph II. bei Mösle XVII, S. 667 ff.) welches an die Republi-
cation des Patentes vom 5. October 1782 das Verbot schliesst, auch
den auf der Stiftspfarrei exponirten Ordensmitgliedern irgend etwas
zu creditiren ohne Erlaubniss der Landesstelle; betreff der Current-
schulden für gelieferte Waaren und Arbeit wird die Verordnung vom
14. August 1786 eingeseli ärft, dass solche Forderungen nach einem
Vierteljahre nicht mehr klagbar sein sollen, ln Folge Hofdecrets
vom 16. Februar und 19. August 1819 erfolgte die wiederholte Kund-
machung dieser Verordnungen in Tirol und Vorarlberg (Gub.-Circ.
vom 8. März 1819) und im Küstenlande (Gub.-Circ. vom 11. Sept.
1819), vergl. Wessely , Handbuch I, S. 133, Nr. 302 und 303. —
Die Ausführlichkeit möge entschuldigt werden; es soll an diesem
Beispiele klargestellt werden, was für heterogene Bestimmungen sich
oft unter den herkömmlichen Allegationen bergen.
c) Des Hofdecretes vom 16. December 1819 sowie der Verord-
nung vom 19. Februar 1820, beide von Helfcrt a. a. 0. citirt, konnte
ich nicht habhaft werden. Letzteres ist nur die Ausführung des
ersteren und ich halte die Vermuthung für nicht zu gewagt, es falle
das genannte Hofdecret mit dem sogleich zu besprechenden zusam-
men, mag die Zahl 16 auf einem Versehen des Schreibers oder
Druckers beruhen.
d) Das Hofkauzleidecret vom 15. December 1819 Z. 36314 an
die illyrische Regierung gerichtet und vom dortigen Gubernium mit
Verordnung vom 7. Januar 1820 Z. 17503 pnblicirt, enthält folgen-
des: »Die Gewohnheit vermöge welcher Kirchen, wenn sie einen
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38 Scherer, Processfähigkeil der kirchlichen Institute.
Rechtsstreit führen sollen, des 1. f. Consensus ad agendum bedürfen,
kann nicht missbilligt werden. Nachdem der Patron entweder selbst
oder statt seiner die Vogtei das Kirchenvermögeu zu schützen hat,
so ist dem Kirchenkämmerer eine dergleichen actio nicht zu gestat-
ten, sondern es ist jedesmal zu fordern, dass die Patronats- oder
Vogteiobrigkeit sich dieser ihrer Pflicht unterziehe und die facul-
tatem ad agendum in einem wohl motivirten Berichte beim Gu-
bernium ansnche« ( Wessely, a. a. 0. Nr. 304).
e) Gleichfalls nach Illyrien erging das vom dortigen Gu-
bernium unterm 22. September 1825 Z. 14936 kundgemachte Hof-
kanzleidecret vom 1. September 1825 Z. 26263 des Inhaltes: »Die
k. k. vereinigte Hofkanzlei hat aus Anlass eines speciellen Falles
die von der Landesstelle aufgestellte Ansicht: dass Privatpatrone
und Vogteien den consensum ad agendum auch in jenen Fällen bei
der Landesstelle anzusuchen haben, wenn es sich um die Vertretung
einer Pfründe handelt, um so mehr als begründet zu genehmigen
befunden, als die Privatpatrone von der Pflicht die Dotation der be-
stehenden Pfründen bis zur Congrua zu ergänzen, freigesprochen und
diese Verbindlichkeit mehr oder weniger dem Religionsfonde zuge-
wiesen ist, es daher dem Interesse der Staatsverwaltung zusagt, sich
vor Missgriffen der Privatpatrone in Hinsicht des Pfründenvermögeus
zu verwahren* ( Wessely , a. a. 0. Nr. 305).
Auf diese beiden Decrete stützt sich also die von den öster-
reichischen Rechtslehrern behauptete Processunfähigkeit der kirch-
lichen Institute. Fürwahr eine Begründung der Behauptung würdig.
Die angezogenen Decrete sind nicht geeignet gemeines Recht zu
schaffen, sie sind nur an eine Provincialregierung ergangen, sie
haben die Aufnahme in die Justiz-Gesetz-Sammlung nicht gefunden,
sind daher für den Richter nach der Erklärung des Hofdecrets vom
29. December 1785 J. G. S. Nr. 509 nicht bindend. Es konnte
Sache anderer Landesregierungen sein, das Decret bei gleichen Ver-
hältnissen anzuwenden, es kann aber nicht Sache des Gerichtes sein,
aus dem Titel jener zwei Decrete Handlungen, insbesondere gericht-
liche Handlungen kirchlicher Organe als nichtig zu erklären und zu
verwerfen. — Das erste Decret spricht von einer Gewohnheit, die in
Illyrien sich gebildet hat und die nicht missbilliget wird. Daraus
geht klar hervor, dass ein Gesetz nicht vorliegt und in andern Pro-
vinzen und Zeiten, wo und wann jene Gewohnheit nicht existirt,
kaun von deren Billigung und Missbilligung schlechterdings nicht
mehr die Rede sein. Jene Decrete sind unter ganz bestimmten
Verhältnissen, welche geradezu Voraussetzung ihrer Anwendung sind,
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte.
39
ergangen. Sie verlangen keineswegs schlechthin und absolut den
Klagconsens, sie wollen nicht die kirchlichen Institute für process-
unfähig erklären, sondern sie wollen nur die von den Patronen und
Vögten geübte Verwaltung des Kirchenvermögens mit gewissen Cau-
telen umgeben und gegenüber den Patronen , freilich im Interesse des
Staates bezw. des Religionsfondes , das Kirchenvermögen schützen.
Jene Decrete und die Forderung des Klagconsenses können also dort
nicht Anwendung finden, wo die Verwaltung des Kirchenvermögens
nicht mehr den Patronen und Vögten obliegt. Die letzteren sind
bekanntlich seit 1848 weggefallen ; den Patronen steht aber die
Verwaltung des Kirchenvermögens nach der in Folge des Concordats
zwischen der Staatsregierung und den Bischöfen vereinbarten Neu-
ordnung der kirchlichen Vermögensverwaltung rechtlich nicht mehr
zu. Die Kirche hat durch ihre Organe die Verwaltung in die eigene
Hand genommen und den Patronen kommt nur eine secundärc Be-
theiligung zu. Die Patrone können zwar, wie oben (S. 18 ff.) ausge-
führt wurde, die Rechtsvertretung der Kirche oder der Pfründe noch
besorgen, aber nur nach erfolgter Autorisation seitens des Ordinariats
und ohne dass es hiezu einer solchen seitens der Staatsbehörde be-
darf. Die Patrone haben nicht das Recht, über die Ausgaben end-
gültig zu entscheiden , sie könuen daher nicht nur nicht durch ihre
Erklärung der Kirche es unmöglich machen vor Gericht aufzutreten,
sondern sie können solches auch nicht indirect in der Weise, dass
sie gegen die Zahlung der Processkosten aus dem Kirchenvermögen
Verwahrung einlegen. Es liegen mir Actenstücke vor, in welcheu
einige Patrone solches zu thun versuchten, aber der Versuch, ja der
Erfolg beweist nie das Recht.
Gesetzt aber auch, es wäre die Voraussetzung jener Decrete
noch gegeben, so könnte gleichwohl von ihrer ferneren Geltung und
Anwendung nicht die Rede sein aus dem formellen Grunde, weil die-
selben durch die der Kirche mit Artikel XXX. des kaiserl. Patentes
vom 5. November 1855 gegebenen Selbstständigkeit in der Ver-
waltung ihres Vermögens sowie insbesondere durch die a. h. Ent-
schliessung vom 3. October 1858 aufgehoben wurden , da sie der
Freiheit und Selbstständigkeit ja dem Rechte der Kirche schnur-
straks entgegen sind. Jene Decrete sind als mit den bezüglich der
gerichtlichen Vertretung und Processfähigkeit der kirchlichen Institute
ergangenen Bestimmungen, wie sie oben (S. 25 ff.) aufgeführt wurden,
nicht vereinbar, vollständig abrogirt worden. Sie sind durch das
Gesetz vom 7. Mai 1874 auch nicht wieder in Rechtskraft getreten.
Das wäre in doppelter Weise möglich gewesen. Entweder wenn das
40 Scherer, Pr oceaa fähig keit der kirchlichen Institute.
genannte Gesetz ausdrücklich jene Decrete als nun zu Recht be-
stehend erklärte, oder wenn jene Decrete Theile eines allgemeinen
Gesetzes, des gemeinen Rechts gewesen wären und nur für die katho-
lische Kirche durch das 1855 geschlossene Concordat suspendirt und
mit Aufhebung des Concordats 1874 wieder als Theil des gemeinen
Rechtes auch für die katholische Kirche wieder in Rechtskraft er-
wachsen wären. Weder das eine noch das andere ist der Fall und
muss die Ansicht, als ob durch das Maigesetz von 1874 die ganze
Menge der einmal bestandenen und später hinfällig gewordenen Hof-
kanzleidecrete wieder lebendig geworden wäre, als eine phantastische,
jeder juristischen Logik hohnsprechende erklärt werden. Nur jene
Hof decrete, welche auch während der sog. Concordatszeit noch Gel-
tung bewahrt hatten , gelten auch heute noch , vorausgesetzt, dass sie
nicht seither aufgehoben wurden. Es mag sonderbar berühren, hier
die Elemente der Juristik auseinandergesetzt zu sehen; ich thäte es
nicht, wenn ich nicht meine Gründe hätte und hiezu veranlasst wor-
den wäre.
Es ist ferner ein Irrthum zu behaupten, dass alle kirchliche
Verhältnisse berührenden Gesetze und Verordnungen, welche zwischen
dem 5. November 1855 und dem 7. Mai 1874 erflossen sind, aufge-
hoben worden sind. Das Irrige dieser Ansicht wurde bereits obeu
(S. 28) auseinandergesetzt. Es hätte geschehen können, es ist aber
nicht geschehen und das genügt. Das oft citirte Maigesetz handelt
über die Vertretung und über die Processfähigkeit der kirchlichen
Institute nicht. In dieser Hinsicht bleibt es bei jenen hierüber er-
gangenen Specialvorschriften, welche am 7. Mai 1874 in Rechtskraft
bestanden. Ueber die Verwaltung des Kirchenvermögens stellen die
§§. 41 und 42. allgemeine Sätze auf, deren nähere Ausführung in
§. 48. durch ein besonderes Gesetz in Aussicht gestellt ist. So lange
dies nicht geschehen ist, wird das Mass der Betheiligung der zur
Verwaltung des Kirchenvermögens Berufenen des Pfarrvorstehers, der
Pfarrgemeinde und des Kirchenpatronats nach den damals und noch
bestehenden Verordnungen zu bestimmen sein. Diese aber kennen
einen politischen Klagconsens so wenig als die obligatorische Ver-
tretung der kirchlichen Institute seitens der Fiscalbchörden. — Es ist
hiermit zugleich die Probe für die Richtigkeit der oben vertheidigten
Ansicht geliefert, dass die Finanz-Proeuratur keineswegs die noth-
wendige Vertreterin des kirchlichen Vermögens ist. Wäre sie dies,
so wäre der politische Klagconsens thatsächlich oft genug gegeben,
so oft nämlich die Finanz-Proeuratur die Vertretung zu leisten oder
die Landesregierung die diesbezüglichen Weisungen an die Procuratur
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte.
zu erlassen, sich weigern würde. Beide Eventualitäten begründen
nach österreichischem Hechte entfernt nicht die Processunfähigkeit
und also Rechtlosigkeit der kirchlichen Institute.
VI.
Im vorausgehenden ist mit genügender aber nothwendiger Aus-
führlichkeit bewiesen worden, dass sowie die kirchlichen Institute in
Bezug auf ihre processualische Vertretung, so auch in Beziehung auf
die wirkliche Führung eines Processes selbstständig und von dem
Gutdünken dritter Personen unabhängig, insbesondere nicht gebunden
sind, zur Einlassung in einen Process den sog. Streitconsens seitens
der politischen Behörde anzusuchen. Es soll nun der etwaige Ver-
such, dies Verhältniss zum Schaden der kirchlichen Freiheit im
Sinne des bestandenen Josephinismus zu ändern, auf seine Ueberein-
stimmung mit dem Inhalte der österreichischen Gesetze, insbesondere
der Staatsgrundgesetze geprüft werden.
Die Wiedereinführung des politischen Klagconsenses wäre gegen
§. 38. des Gesetzes vom 7. Mai 1874. Dies mag auf den ersten
Blick Wunder nehmen und doch ist es so. Jener Paragraph lautet:
»Für die Gebahrung mit dem kirchlichen Vermögen gilt als Regel,
dass dasselbe den für gemeinnützige Stiftungen bestehenden staat-
lichen Schutz geniesst. Die staatliche Cultusverwaltung ist insbe-
sondere befugt, die Erhaltung des Stammvermögens der Kirchen und
kirchlichen Anstalten zu überwachen , sich jederzeit von dem Vor-
handensein desselben die Ueberzeugung zu verschaffen und wegen
Einbringung wahrgenommener Abgänge das Erforderliche einzuleiten.
— Rücksichtlich der Frage des Eigenthums und sonstiger privat-
rechtlicher Verhältnisse bezüglich des Kirchen- und Pfründen-Ver-
mögens sind die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes
massgebend, im Falle eines Streites steht die Entscheidung den Ge-
richten zu.« — Was unter dem »Schutze« zu denken ist und wie
derselbe nicht als Bevormundung, Unterbindung jeglicher Selbst-
ständigkeit aufzufassen ist, wurde bereits oben (S. 32) gezeigt. Der
Schutz, von dem hier die Rede ist, ist der Rechtsschutz , dieser fällt
lange nicht zusammen mit der Gewährung der processualischen Ver-
tretung seitens der staatlichen Functionäre. Sicherlich ist diese in
den gewöhnlichen j Läufen eine Wohlthat und wird als solche ganz
entschieden von den österreichischen Bischöfen erkannt. Allem Wohl-
that kann auch Plage werdeu, es gibt auch Danaergeschenke. In
einem Staate mit geordneter Rechtspflege kann nicht von einem
»Schützen« vor Processen die Rede sein. Selten wird ein Bischof
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42
Scherer, Prucessfähiykeit der kirchlichen Institute.
von Processsucht befallen werden und wenn doch , so gibt es da-
gegen Mittel der Abhülfe; kein Mittel der Abhülfo besteht aber,
wenn die Kirche auf die staatliche Vertretung angewiesen ist uud
diese nicht gewährt wird, wenn die Kirche ihr Recht vor Gericht
nicht geltend machen kann, weil die Landesstelle die Autorisation
nicht ertheilt und zwar wenn sie einmal dazu legitimirt ist, von
ihrem Standpunkte sogar aus sehr vernünftigen Gründen, weil etwa
die Klage gegen den Fiscus oder gegen in Verwaltung des Staats
befindliche Fonde oder gegen juristische Personen gerichtet ist,
deren oberste Vertretung eben derselben Landesstelle zusteht, wie
solches beispielsweise bei den öffentlichen Schulanstalten der Fall ist.
Unter solchen Umständen würde die Kirche gegen Aufhebung des
Klagconsenses gerne auf die Vertretung seitens des Fiscus verzichten
und sich mit der Titel-Rubrik von Codex II. 18. trösten : »Ne fiscus
procurationem alicui patrocinii causa in lite praestet.* — Im citirteu
§. 38. ist das Recht der Staatsregierung beschrieben aber nicht ge-
nannt, dieses geschieht im §. 44. »unbeschadet des staatlichen Auf-
sichtsrechtes (§. 38).« Das Aufsichtsrecht schliesst aber das Recht
der Verwaltung hier, wo es sich um Praecisirung der Stellung der
Staatsregierung in Ansehung des kirchlichen Vermögensrechts han-
delt, geradezu aus. Im Entwürfe der Regierung waren die Worte
eingeschoben: »unbeschadet der kirchlichen Selbstverwaltung« (s.
Gautsch v. Frankenthurm , Die confessionellen Gesetze, 1874, S. 95).
Diese Worte wurden zwar gestrichen, deshalb aber sachlich nichts
geändert. Das anerkennt auch der Bericht der Commission des
Herrenhauses ( Schmerling und Uasner) vom 23. März 1874 »Rück-
sichtlich des Kirchenvermögens (§. 38 ff.) hat sich die Staatsver-
waltung nur die Ueberwachung oder Erhaltung des Stammes Vorbe-
halten und haben, was die Verwaltung desselben anlangt, unter
Wahrung der im Artikel 15. des Staatsgrundgesetzes über die all-
gemeinen Rechte der Staatsbürger der Kirche überlassenen freien
Verwaltung, zum Theil bereits bestehende Normen und administra-
tive Uebungen in demselben Aufnahme gefunden, welche in der cor-
porativen Stellung der Kirche und in den Leistungen des Staates für
den kirchlichen Zweck begründet sind« (a. a. 0. S. 133). Darnach
hat die Staatsverwaltung sich nicht mehr in die Verwaltung des
Kirchenvermögens einzumengen, als solches das oft genannte Gesetz
selbst bestimmt. Dass aber dom Gesetze und zwar auf Grund des
citirten §. 38. die etwaige Einführung des politischen Klagconsenses
entgegen wäre, beweist das zweite Alinea des §. 38, welches von der
Commission des Abgeordnetenhauses hinzugefügt wurde. Der Schluss
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Mit einet- Kritik der Rechtsprechung der Oster r. Gerichte. 43
desselben spricht mit dürren Worten die Processfähigheit der kirch-
lichen Institute aus. An diesen Worten lässt sich nicht mäkeln.
Die Kirche ist in dieser Hinsicht nicht besser aber auch nicht
schlechter daran, als alle anderen Rechtssubjecte im Staate. Es lohnt
sich ans dem Berichte der Commission {Hopfen und Weeber) vom
24. Februar 1874 die betreffende Stelle hier folgen zu lassen: »Es
könnte wohl als selbstverständlich betrachtet werden, dass rücksicht-
lich der Frage des Eigeuthuras und sonstigen privatrechtlicher Ver-
hältnisse bezüglich des Kirchenvermögens die Bestimmungen des all-
gemeinen bürgerlichen Rechtes massgebend sind und dass im Falle
eines Streites die Entscheidung den Gerichten zusteht; allein, da in
diesem Gesetze rücksichtlich des Patronatsrechtes die Entscheidung
über privatrechtliche Fragen ausdrücklich als in den Ressort der
Gerichtsbehörden gehörig bezeichnet worden, so erschien es dem Aus-
schüsse zur Hintanhaltung von Schlussfolgerungen a contrario noth-
wendig, eine ähnliche Bestimmung auch rücksichtlich des Eigen-
thums am Kirchen- und Pfründevermögen und rücksichtlich sich auf
dasselbe beziehenden sonstigen Privatrechte in das Gesetz aufzu-
nehmen. Dies erscheint um so wichtiger, als mit Rücksicht auf
Stiftungen u. dgl. das Eigenthumsrecht iu vielen Fällen streitig sein
kann und für die Entscheidung solcher privatrechtlicher Streite nur
die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes massgebend
sein können« (a. a. 0. S. 128).
Der Versuch, deu politischen Klagconsens als Voraussetzung der
Proeessfahigkeit der kirchlichen Institute aufzustellen, wäre eine
Verletzung der österreichischen Staatsgrundgesetze und zwar in mehr-
facher Weise. In materieller Weise würde die hierin gelegene Ver-
staatlichung des gesammten Kirchenvermögens dem Artikel 15. des
Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867 über die allgemeinen
Rechte der Staatsbürger zuwider sein. Nach diesem Artikel »hat
jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft das Recht
der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre
inneren Angelegenheiten selbstständig, bleibt im Besitze und Genüsse
ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten
Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber wie jede Gesellschaft dun
Staatsgesetzen unterworfen.« Es könnte nicht mehr gesagt werden,
dass der Besitz und Genuss des Kireheuvermögeus der Kirche bleibt,
wenn eine andere Gewalt darüber verfügt, ob sie für ihr Vermögen
richterlichen Schutz anrufen dürfe und könne oder nicht. Der Be-
sitz der Kirche wäre damit ausserhalb des gemeinen Rechtsschutzes
gestellt, die Kirche hätte wenigstens die Sicherheit desselben ver-
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44
Scherer, Processfähiykeil der kirchlichen Institute.
loreu. Das Kirchenvermögen darf nach der gewährleisteten Unver-
letzlichkeit des Eigenthums überhaupt (Art. 5.) uud des kirchlichen
insbesondere in keiner Weise mit dem Staatsvermögen confundirt und
den hierüber ergangenen speeiellen Normen im Punkte dessen Ver-
tretung u. s. w. unterworfen werden.
In formeller Beziehung stünde der Einführung des Klagcon-
senses entgegen der Artikel 14. des Staatsgrundgesetzes vom 21. De-
cember 1867 über die richterliche Gewalt, welcher lautet: »Die
Rechtspflege wird von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.«
— Im gegebenen Falle wäre aber in der bedenklichsten Weise Rechts-
pflege und Verwaltung nicht nur nicht getrennt, sondern erstere von
letzterer abhängig. Es wird der Richter Recht sprechen, wenn sol-
ches der Verwaltungsbeamte erlaubt und wird andernfalls es unter-
lassen müssen. Es wäre gesetzlich die Möglichkeit einer Rechtsver-
weigerung geschaffen, wogegen es dann selbstverständlich keine
Querela denegatae vel protractae justitiae gäbe. Die Processunfähig-
keit der kirchlichen Institute wäre von schlimmen Folgen auch für
Andere, ja für den ganzen öffentlichen Verkehr begleitet; denn es
wäre nur consequent, den Streitconsens auch zur Einlassung in eine
Klage zu statuiren; also wäre es möglich, dass die geklagte Kirche
den Consens nicht erhält und der Kläger einer gefeiten Persönlich-
keit gegenübersteht und sein Recht nicht geltend machen kann.
Für die Kirche wäre die Entziehung der Processfähigkeit eine arge
Schädigung ihrer vom Staate anerkannten Rechtsfähigkeit und das
will an sich noch mehr sagen , als der etwa drohende Verlust ma-
teriellen Gutes.
Das Recht gerichtlichen Schutz anzurufen ist nur eine Folge
der rechtlichen Persönlichkeit. Es sei erlaubt, die treffenden Worte
Reichensperger’s in dem angeführten Aufsatz (Archiv XI, 1864,
S. 51, 53) hieher zu setzen: »Man sollte meinen, dass dieses Recht
der Processführung den Corporationen und Gemeinden so wenig wie
den Individuen beschränkt werden dürfte, soferne nicht jenen Cor-
porationen wie in Frankreich der letzte Rest der Autonomie ent-
zogen werden soll. Die Rechtsuchung einer Corporation von dem
Befinden einer Regierungsbehörde abhängig zu erklären, heisst die-
selbe nicht blos unmündig, sondern rechtlos machen , selbst wenn die
Massregel nur aus der wohlgemeinten patriarchalischen Absicht her-
vorgegangen sein mochte, dieselbe vor vergeblichen Kosten zu be-
wahren. Jene Massregel erhält aber einen noch bedenklicheren Cha-
rakter, wenn jene Autorisation selbst zu solchen Processen erforder-
lich erklärt wird, welche den Interessen der Regierung zuwiderlaufen,
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte. 45
indem alsdann der Betheiligte schlechthin den Gegner mundtodt
machen kann . . . Die materielle Entscheidung der Frage, ob ein
bestimmter Anspruch der Kirche zustehe, würde nicht, wie es sich
in einem Rechtsstaate von selbst versteht, durch das Gericht be-
antwortet werden, sondern durch die Verwaltungsbehörde .«
Künstlich die Ruine des politischen Streitconsenses wieder auf-
richten zu wollen, wäre ein reactionäres Beginnen. Ja der dadurch
geschaffene Zustand wäre ein schlimmerer als die Lage, in welcher
die Kirche unter dem Josephinismus sich befand und böte der Frei-
heit und des Rechtes weniger als dieser beiden Schätze die vor-
märzliche Gemeinde in Oesterreich sich erfreute. Denn dass die
josephinische Gesäzgebung die Forderung des Klagconsenses nicht
hat, wurde oben gezeigt, sowie dass derselbe nur gewohnheitsmässig
in Tllyrien nachweisbar ist. Was aber die processualische Stellung
der Gemeinde in Oesterreich vor 1848 betrifft, so möge hier an die
Worte des Hofkanzleidecretes vom 2. August 1832 Z. 16854 (Ver-
ordnung d. tirol. Gub. vom 24. Aug. 1832 Z. 18899, bei Wessely ,
Handbuch, I., S. 136, Nr. 314) erinnert werden: »Die Meinung,
dass einer Gemeinde die Betretung des Rechtsweges verwehrt wer-
den könne, bedarf einer Berichtigung. Nach dem Hofdecrete vom
23. Mai 1785 Nr. 434 für d. L. Tirol hat sich eine Gemeinde,
welche einen Rechtsstreit durchzuführen willens ist, in der Absicht,
bei der Landesstelle oder dem Kreisamte zu melden, um die Theile
wo möglich in der Güte untereinander auszugleichen und den Rechts-
weg zu beseitigen. Gelingt es der politischen Behörde nicht, einen
Vergleich zu Stande zu bringen, so hat sie der Gemeinde über diesen
fruchtlosen Versuch eine Urkunde zu dem Ende auszufertigen, damit
sie nun. den Rechtsweg betreten könne, welcher Niemand, der sein
Eigmthum und seine Rechte, wenngleich unter politischer Aufsicht,
selbst verwaltet, versagt werden kann. In diesem Sinne ist die ge-
setzliche Bestimmung zu nehmen, dass keine Gemeinde ohne Bewil-
ligung der Landesstelle oder des Vorgesetzten Kreisamtes sich in
einen Rechtsstreit einlassen solle; der die gesetzliche Absicht aus-
drücklich erklärende Nachsatz gibt diesen Sinn deutlich zu er-
kennen «
VII.
In der grossen Sammlung civilrechtlicher Entscheidungen von
Glaser, Enger und Walther findet sich (Bd. XVI. 1881 S. 513 f.
N. 7193) ein einziges Erkenntniss des k. k. obersten Gerichtshofes,
welches die beregte Processfähigkeit der kirchlichen Institute be-
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46 Scherer, Processfühigkeit der kirchlichen Institute.
trifft. — Die Klage des Baumeisters A. gegen die Pfarrkirche B. in
Krain auf Zahlung eines Buulohnes wurde vom Gericht aufrecht
verbeschieden und der Kirchenvorstehung zugestellt. Eine Einrede
wurde nicht vorgebracht und das Gericht ordnete auf Begehren des
Klägers eine Tagsatzung zur Acteninrotulirung an. Dagegen recnr-
rirte der Pfarrer an das Oberlandesgericht Graz, welches mit Decret
vom 11. September 1878 Z. 9528 wegen Mangels der Legitimation
der Kirchenvorstehung zur Vertretung der Pfarrkirche das ganze
Verfahren aufhob und die Zurückstellung der Klage anordnete. Der
oberste Gerichtshof bestätigte mit Entscheidung vom 5. November
1878 Z. 12444 die obergerichtliche Verfügung, »in Erwägung, dass
mit der vorliegenden Klage die Zahlung eines Baulohnes aus dem
Vermögen der Pfarrkirche in B. angesprochen werde, dass in ver-
mögensvechtlichen Angelegenheiten der katholischen Kirche, wenn es
sich, wie im gegebenen Falle, nicht um fortlaufende Vermögens-
nutzungen, sondern um die Integrität (Belastung) des Stammver-
mögens der Kirche handelt, die Vertretung der Kirche der Finanz-
procuratur zusteht (Art. I. und §. 38. des Gesetzes vom 7. Mai 1874,
R. G. Bl. Nr. 50 und §. 2. der prov. Dienstes-Instruction für die
Finanz-Procuraturen vom 16. Februar 1855 R. G. Bl. Nr. 34), dass
demnach die Klage nicht gegen die gesetzliche Vertretung der be-
klagten Pfarrkirche gerichtet, folglich nach §. 64. a. G. 0. und Hof-
decret vom 4. Juni 1789 J. G. S. 1015 das darüber stattgefundene
Verfahren aufzuheben und die Klage selbst zurückzuweisen war.«
Dazu bin ich in der Lage, vier Entscheidungen desselben k. k.
Oberlandesgerichts zuzufugen, welche gleichfalls die volle Processfühigkeit
der kirchlichen Institute leugnen und ausnahmslos vom obersten Ge-
richtshöfe bestätigt wurden. Da die Fälle nicht durchweg identisch
sind und auch die Begründung der Entscheidungen nicht völlig die
gleiche ist, lohnt es sich einigermassen auf dieselben einzugehen.
Der Advocat R. , vom b. Seckauer Ordinariat autorisirt, erhob
namens der unter dem Patronate des st. Religionsfondes stehenden
Localiekirche in N. die Eigenthumsklage gegen die dortige Schulge-
meinde. Das Bezirksgericht in 0. verbeschied die Klage und ord-
nete eine Tagsatzung an. Dagegen legte die Finanz-Proeuratnr wegen
Mangels des politischen Klagconsenses Recurs ein und das 0. L. Ge-
richt iii Graz gab mit Verordnung vom 10. Februar 1876 Z. 1463
dein Recurse statt, »in Erwägung, dass als Folge der durch Ar-
tikel I. des Gesetzes vom 7. Mai 1874 verfügten Aufhebung des
Patentes vom 5. November 1855 katholische Kirchen zur Führung
eines Rechtsstreites in Gemässheit der Hofkanzleidecrete vom 15. Fe-
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pw* •
Mit einer Kritik der Rechtsprechung der öaterr. Gerichte. 47
bruar (December) 1819 Z. 36314 und 1. September 1825 Z. 2G263
des landesfürstlicben Klagconsenses bedürfen, in Erwägung, dass ge-
mäss §. 38. der mit dem obigen Gesetze in Wirksamkeit getretenen
Bestimmungen zur Regelung der äusseren Rechtsverhältnisse der
katholischen Kirche und gemäss Justiz-Hofdecret vom 13. Januar 1821
Nr. 1730 die k. k. Finanz-Procuratur zur Vertretung der Localiekirche
in N. berufen ist, in Erwägung endlich, dass in diesem Rechtsstreite die
beklagte Schulgemeinde im Sinne des Gesetzes (Verordnung) vom
14. Juli 1872 R. G. Bl. Nr. 119 die Vertretung der k. k. Finanz-
Procuratur geniesst, daher gemäss §. 13. der Fiuanz-Ministerial-
Verordnung vom 16. Februar 1855 R. G. Bl. Nr. 34 von der Staats-
verwaltung für beide Theile abgesonderte Vertreter zu bestellen sind«
und hat die eingebrachte Klage wegen mangelnden Klagconsenses
gemäss §. 64. a. G. 0. und Hofdecret vom 4. Juni 1789 J. G. S.
Nr. 1015 zurüekzuweiseu befunden. — Der k. k. ob. Gerichtshof hat
den »eingelegten Revisionsrecurs mit Verordnung vom 2. Mai 1876
Z. 5294 zu verwerfen und die ob. 1. g. Verordnung aus dessen
(deren) Gründen zu bestätigen befunden.«
ln derselben Weise, d. i. wegen mangelnden Klagconsenses ,
wurde auf Einreden der Finanz-Procuratur eine mit Ordinariatsbe-
willigung eingebrachte Eigenthuinsklage, die unter dem Patronate
des st. Religionsfonds stehenden Kirche r in P. gegen die dortige
Schulgemeinde vom Ob. L. G. Graz am 7. April 1876 Z. 10093 zu-
rückgewiesen und diese Zurückstellung vom obersten Gerichtshöfe
einfach bestätiget.
Mit Urtheil des Bezirksgerichts A. vom 3. April 1877 Z. 955
wurde die gegen die Schul- und Ortsgemeinde M. auf Anerkennung
des Eigenthums des alten Schul- und Messnerhauses klagende, unter
dem Patronate des k. k. Salinenärars stehende Kirche in M. mit
ihrem Begehren abgewiesen und in die Kosten verurtheilt. Dagegen
appellirte der vom Ordinariate für die Pfarrkirche bestellte Advocat,
wobei das Ob. L. G. Graz mit Verordnung vom 17. October 1877
Z. 5419 »im Hinblicke auf die Bestimmungen der §. 1 und 2. Ab-
satz 5. der pro vis. Dienstesinstruction für die Finanz-Procuraturen vom
16. Februar 1855, welche Bestimmungen mit der durch das Gesetz
vom 7. Mai 1874 bezw. dessen Artikel I. ausgesprochenen Auf-
hebung des Patronates (Patentes) vom 5. November 1855 wieder
volle Geltung erlangt haben, wie dieses auch durch den sämmtlichen
Gerichten mitgethcilten Finanz-Ministerial-Erlass vom 28. October
1875 Z. 18876 ausdrücklich erklärt worden ist, dann im Hinblicke
auf die h. Ministerial-Verordnung vom 14. Juli 1872, wonach die
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48
Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
Rechtsvertretung und Rechtsberathung sowohl der Verwalter des
Kirchenvermögeus als des Vermögens geistlicher Beneficien, insoferne
es sich um die Integrität des Stammvermögens und nicht um die
laufenden Vermögensnutzungen handelt, als auch der staatlichen
Schulbehörden bezw. des von denselben verwalteten Volksschulfonds
der Finanz- Procuratur zugewiesen ist und im Falle der Einleitung
eines Rechtsstreites oder Einleitung (Einlassung) in einen solchen
nur unter den §. 13. der erwähnten Dienstesinstruction vorgezeichneten
Bedingungen stattfinden kann . . . (s. oben) . . . und in Erwägung,
dass der vorliegende auf die Erhaltung des Stammvermögens der
Kirche zu M. abzielende Rechtsstreit von der genannten Kirchen-
vorstehung und dem f. b. Ordinariate unter Ausserachtlassung obiger
Vorschriften durch einen selbstgewählten Rechtsfreund eingeleitet
wurde . . . eine solche Ausserachtlassung aber nach der ausdrück-
lichen Vorschrift des Hofdecrets vom 22. Juni 1789 J. G. S. Nr. 1024
die Nichtigkeit des ganzen Verfahrens zur Folge hat, das Urtheil . .
sammt dem über die Klage gepflogenen Verfahren aufzuheben und
die Zurückstellung der Klage an den Kläger zu Händen der Finanz-
Procuratur in G. behufs eventueller Wiedereinbringung derselben
unter gesetzlicher Vertretung zu verordnen befunden.«: — Gegen
diese Cassationsverordnung wandte sich die Ortsgemeinde M. mit
einer Revisionsbeschwerde an den k. k. obersten Gerichtshof, wel-
eher mit Verordnung vom 22. Mai 1878 Z. 790 dieselbe zurück wies
und dem Ob. L. G. auftrug, nach §. 20. der a. G. 0. an die k. k.
Statthalterei in G. mit dem Ersuchen sich zu wenden, im Sinne des
§. 13. der oft citirten Dienstesinstruction Vertreter für die bethei-
ligten Foude zu ernennen. — Die Entscheidungsgründe weichen in
der Sache von jenen des Ob. L. G. nicht ab, es wäre denn, dass das
vom Obergerichte angezogene Hofdecret vom 22. Juni 1789, als nicht
hiehergehörig, unerwähnt blieb, obwohl ausdrücklich betont wird, aus
den angezogenen Ministerialerlassen folge , dass sowohl die gesetz-
liche Vertretung der klägerischen Pfarrkirche als jene der beklagten
Schulgemeinde »ausschliesslich« der k. k. Finanz-Procuratur zusteht.
— Die k. k. Statthalterei erklärte in einer Note vom 1. August 1879
Z. 7035 »nicht in der Lage zu sein, dem gestellten Ansuchen zu
entsprechen und für die an dem Rechtsstreite wegen des Schulhauses
in M. betheiligten Parteien Rechtsvertreter zu ernennen , dass sie
vielmehr in Ausübung des nach §. 38. des Gesetzes vom 7. Mai 1874
über das Vermögen katholischer Kirchen, Pfründen und geistlichen
Institute ihr zustehenden Oberaufsichtsrechtes der Kirche in M. bezw
dem f. b. Ordinariate die Genehmigung zur Weiterführung des Pro-
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der tlsterr. Gerichte. 49
cesses zu verweigern und einen nachträglichen Consens zur Ein-
bringung der Klage aus dem Grunde nicht zu ertheilen finde, weil
das bezügliche Eechtsverhültniss (s. oben S. 45) anders geartet ist,
als es in dieser Klage dargestellt wurde, weil sohin in der Obsorge
für die Integrität des Kirchenvermögens der legalen Vertretung der
Kirche die Möglichkeit gewahrt werden müsse, falls dieser Gegen-
stand im administrativen Wege nicht geordnet werden sollte, allen-
falls auch eine neue Klage einzubringen.« Daraufhin erklärte der
oberste Gerichtshof mit Verordnung vom 2. December 1879 Z. 9826
das ganze Verfahren für aufgehoben und beauftragte das Ob. L. Ge-
richt in der Kostenfrage zu erkennen. In letzterer Beziehung wurde
erkannt , dass kein Tlieil schuldig sei , dem andern die Kosten zu
ersetzen.
Endlich durch Erkenntoiss vom 17. October 1877 Z. 3909 cas-
sirte das Ob. L. G. Graz im Rechtsstreite der gegen die dasige
Schulgemeinde auf Eigenthumsanerkennung klagenden, unter dem
Patronate des st. Religionsfondcs stehenden Pfarrkirche in S. das
ganze Verfahren unter mit dem bereits Gesagten sich deckender Mo-
tivirung. Dabei wurde »die Klage nicht nur dem Kläger zu Händen
der Finanz-Procuratur zurückgestellt, sondern unter Einem zur
eventuellen Wiedereinbringung der Klage unter gesetzlicher Ver-
tretung eine dreimonatliche Frist vom Tage der Rechtskraft gegen-
wärtiger Verordnung bestimmt.« — Der Revisionsbeschwerde der
Schulgemeinde wurde vom obersten Gerichtshöfe keiue Folge ge-
geben, vielmehr die obergerichtliche Verfügung mit Verordnung vom
4. December 1879 Z. 12041 vollinhaltlich bestätiget. — Die k. k.
Statthalterei verweigerte unterm 25. Februar 1880 Z. 2469 den
Consens zur neuerlichen Einleitung des Processes.
Die Kritik der Gründe, worauf diese die Processfähigkeit der
kirchlichen Institute negierenden ober- und oberstgerichtlichen Ent-
scheidungen ruhen, liegt in den voraufgehenden, rein objectiv ge-
haltenen Ausführungen. Die den Geschäftskreis der Finanz-Pro-
curatur regelnden Gesetze und Verordnungen wurden S. 23 ff. be-
sprochen und wurde gezeigt, dass aus ihnen nur ein Anspruch der
Kirche auf diese Vertretung gefolgert werden könne, nicht aber eine
Beschränkung der Processfähigkeit derselben. — Des §. 64. a. G. 0.
und des Hofdecretes vom 4. Juni 1789 geschah S. 15 f. Erwähnung.
Hier ist nur das Hofdecret vom 22. Juni 1789 noch kurz zu erör-
tern. Nach demselben »muss der obere Richter immer die Ver-
handlung sammt dem Urtheile aufheben und die Sache an die gesetz-
mässige Vertretung und den gehörigen Richter weisen, wenn ein nach
Arohiv für Kirchen recht. XLVIL 4
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50
Scherer, Processfähigkeit der kirchlichen Institute.
dem Gesetz der fiscalämtlichen Vertretung zugewiesener Rechtsstreit
nicht von dem Fiscalamte, sondern vou einem dazu nicht legitimirten
Vertreter verhandelt oder nicht von dem den Fiscalgeschäften eigens
zugewiesenen , sondern von einem unbefugten Richter entschieden
worden ist.« Sowie die zweite Hälfte der Hypothese durch die Auf-
hebung des privilegirten Gerichtsstandes des Fiscus hinfällig gewor-
den ist, so kann die erste Hälfte des Satzes einen Anspruch auf ab-
solute Geltung nicht erheben. Nur dann ist eine andere als die
fiscalämtliche Vertretung als ungehörig zurückzu weisen, ivenn die-
selbe eine ausschliessliche und obligatorische ist ; es wurde aber oben
gezeigt, dass diesbezüglich zwischen Staatsgut und Kirchengut ein
gewaltiger Unterschied bestand und sicher besteht und demnach
kann auch aus diesem nur eine processualische Consequenz aus-
sprechenden Hofdecrete schlechterdings nichts in Bezug auf die Pro-
cessfähigkeit der kirchlichen Institute’ gefolgert werden. — Die
übrigens nur einmal allegirten Hofkauzleidecrete von 1819 und 1825
wurden auf ihre Geltung S. 37 ff. eingehend geprüft, es zeigte sich,
dass wenn auch in denselben die Forderung eines allgemeinen Klag-
consenses zur Processführung der kirchlichen Institute enthalten
wäre, nach der einmal erfolgten Aufhebung dieses Instituts absolut
nicht mehr davon die Rede sein kann. Es wurde diese Forderung als
mit dem System des österreichischen privaten wie öffentlichen Rechtes
in Widerstreit stehend nachgewiesen, üebrigens bieten auch die an-
geführten Beispiele der gerichtlichen Entscheidungen einen neuen
Beweis, wie die Behauptung der obligatorischen Vertretung der Kirche
seitens der Finanz-Procuratur mit der Forderung des antiquirten
Klagconsenses innerlich zusammenhängt. — Der k. k. oberste Ge-
richtshof hat mit einer bei Mayrhofer (Handbuch für den politischen
Verwaltungsdienst, I, 1880, S. 458 i. d. A.) erwähnten Entscheidung
vom 22. Mai 1878 erklärt, dass die Schulorganc auf die mit Min.-
Verordn. vom 12. Juli 1872 denselben gewährte fiscalämtliche Ver-
tretung nicht ohne höhere Genehmigung verzichten dürfen. Diese
Entscheidung ist dann in der Sache begründet, wenn den einzelnen
Schulräthen eine Autonomie nicht zukommt und insoferne die öffent-
liche Volksschule ein Staatsinstitut ist. Gerade daraus geht auch
hervor, wie die Lage der kirchlichen Institute eine schlechtere wäre,
als jene der Ortsschulräthe. Diese können durch von ihren Oberbe-
hörden genehmigte Verzichte auf die fiscale Vertretung volle Pro-
cessfähigkeit erhalten, die Kirchen aber bleiben verhaftet und sind
nur der Consensverweigerung gewärtig, Die Kirche ist aber an sich
und staatsgesetzlich kein Staatsinstitut und ' steht mit dem Volks-
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Mit einer Kritik der Rechtsprechung der österr. Gerichte.
51
schullehrerpensionsfonde und den öffentlichen Fonden keineswegs auf
derselben IAnie. — Der Werth der Berufung auf das Gesetz vom
7. Mai 1874 ergibt sich aus dem oben S. 39 f. gelieferten Nach-
weise, dass durch dessen Artikel I. eine Repristinirung des früheren
Zustandes und der einmal in Geltung gewesenen Hofdecrete nicht
verfugt wurde und aus dem anderen, dass die Forderung eines poli-
tischen Klagconsenses dem berufenen §. 38. geradezu entgegen ist.
Auf den Umstand, dass die vier letztgenannten klägerischen
Kirchen in einem öffentlichen Patronate stehen, ist in der Begründung
der gerichtlichen Entscheidungen in keiner Weise Rücksicht genom-
men und erscheint die Processfühigkeit sämmtlichen Instituten der
katholischen Kirche in Oesterreich abgesprochen. Es verschlägt auch
wenig, dieselbe etwa einer gewissen Categorie von Kirchen zu ge-
währen, andern zu verweigern; um was es sich handelt, ist die Sache
selbst : die Verweigerung der persona legitima standi in judicio. Der
im letzten Abschnitte (VI.) geschilderte Widerspruch zwischen der
Behauptung der Processunfähigkeit der kirchlichen Institute und dem
Ganzen des österreichischen Rechtes ist dadurch vom Gebiete der
Theorie ins Leben übersetzt, hat sehr greifbare Gestalt gewonnen
und fordert dringend Beseitigung. — Eine Klärung thut unbedingt
uoth. Es ist nicht bekannt, ob der k. k. oberste Gerichtshof den
Rechtssatz, dass die Kirche in Oesterreich processunfahig ist, nicht
nur in sein Spruchrepertorium, sondern auch bereits in sein Judi-
cateubuch eingetragen hat. Die Möglichkeit einer Wendung der
bisherigen Judicatur muss zugegeben werden, entzieht sich aber
selbstverständlich jeder Berechnung. Sicher ist, dass durch die Auf-
nahme des einen diesbezüglichen Erkenntnisses in die Eingangs dieses
Capitels erwähnte Sammlung demselben eine Publicität gegeben wurde,
welche die Praxis der sämmtlichen Unter- und Obergerichte Oester-
reichs in dem angedeuteteu Sinne zu einer ziemlich einheitlichen ge-
stalten wird. Die Kirchen werden von der Wohlthat einer freien
Processführung durchweg ausgeschlossen sein.
Die Forderung des politischen Streitconsenses, die Behauptung
der Processunfähigkeit der kirchlichen Institute ist im österreichi-
schen Rechte nicht begründet. Das dürfte als Resultat der bisherigen
Darstellung sich ergeben haben. Das Missverständniss, welches das
Gegentheil behaupten Hess, hat allem Anscheine nach seinen Ur-
sprung in einer irrigen Auffassung des Finanz- Ministerial-Erlasses
vom 28. October 1875 Z. 18876, dessen declaratorischer Charakter
oben (S. 27) klargelegt wurde. Ebendort wurde die nicht zur Sache
gehörende Begründung des Erlasses als eine schillernde und nicht
4 *
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52 Scherer, Processfähigkeil der kirchlichen Institute.
glückliche gekennzeichnet. Sie sollte geradezu verhängnisvoll wer-
den. Jener Erlass ist nicht Gesetz, und wäre er es, so eignet der
dort gegebenen Argumentation keine Gesetzeskraft. Es mag pein-
lich sein, an dieser Stelle wiederholen zu müssen, dass nur der
dispositive Theil der Gesetze Gesetz ist. Vor dem Erscheinen des ge-
nannten Erlasses nahmen die österreichischen Gerichte aller Instanzen
die Processfähigkeit der kirchlichen Institute anzuerkennen keinen
Anstand. Das bezeichnete Missverständnis muss beseitigt werden.
Dazu bedarf es keines Gesetzes, da die Gesetze eben von einer sol-
chen Beschränkung der kirchlichen Eigenberechtigung nichts wissen.
Auch eine authentische Interpretation, als welche zu geben im Wir-
kungskreise der k. k. Ministerien gelegen ist, erscheint als nicht
nöthig. Es genügt, ist aber andererseits ebenso nothwendig, dass
ein Erlass des k. k. Justiz- Ministeriums im Einverständnisse anit dem
Ministerium der Finanzen und des Ministeriums für Cultus und Unter-
richt erkläre: dass die Vertretung der kirchlichen Institute seitens
der Finanz-Procuraturen keineswegs eine obligatorische sei, sondern
wie aus Gründen verweigert auch nicht nothwendig immer ange-
sucht werden müsse, ferner dass das Institut des Streitconsenses in
der bestehenden Gesetzgebung nicht begründet ist, daher um einen
solchen anzusuchen die kirchlichen Organe ebensowenig verpflichtet
sind, als die politischen Länderstellen einen solchen zu ertheiten oder
zu verweigern berechtiget sind.
Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich in etwas dazu
beigetragen hätte, dass die Anschauungen über den in Rede stehen-
den Punct geklärt werden. Die praktischen Conscquenzeu hieraus
zu ziehen, die Eigenberechtigung und Selbstständigkeit der Kirche
in Bezug auf ihre privatrechtliche Stellung in Oesterreich zu wahren
und derselben zur unangefochtenen Geltung zu verhelfen, steht An-
deren zu.
Graz, am 26. Juli 1881.
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53
II.
Erkenntniss des kgl. bayer. Oberlandesgerichts München
vom 9. April 1881,
die Hand- und Spanndienste der Kirchengemeinden zu Cultusbauten
in den ehemal. fürst-bischöflich Freising’ sehen Gebietstheilen betr.
Mitgetheilt von Metropolitancapitular Frhrn. v. Oberkamp zu München.
(In den genannten Gebietstheilen besteht keine allgemeine Concurrenz-
pflicht der Gemeinden zu Cultusbauten mittels Hand- und Spanndienste. Die
Anmerkungen zum Codex Maximil. bezeugen das entgegengesetzte Gewohnheits-
recht nur für das zur Zeit seiner Publication im Jahre 1756 zum Churfürsten-
thume Bayern gehörende Gebiet. Durch das fürstbischöfl. Patent vom Jahre
1758 können dio erst später in Bayern erlassenen Gesetze, speciell das Concur-
renzmandat vom 4. October 1780, nicht als im Fiirstbisthum Freising recipirt
betrachtet werden.)
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern.
Das Kgl. Oberlandesgericht München bat im III. Civilsenate,
gebildet durch
in der Streitsache
Isen Pfarrgemeinde und
Mntzl Pfarrer in Isen, Kläger und Berufungsbeklagte, vertreten
durch den kgl. Advocaten und Rechtsanwalt Dittcrich ,
gegen
den kgl. Fiscus , Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch den
kgl. Advocaten und Rechtsanwalt Vorbrugg ,
wegen kircklicher Bau last
auf Grund der in der Sitzung vom 5. April d. J. gepflogenen
Verhandlungen folgendes '
Definitiv- ürtheil
erlassen :
Die Berufung des Beklagten gegen das ürtheil des könig-
lichen Landgerichts München II. vom dritten November
achtzehnhundert und achtzig wird verworfen und fallen dem-
selben die hiedurch veranlassten Kosten zur Last.
Thatbestand.
Durch ürtheil des königlichen Landgerichts München II. vom
3. November 1880 war ausgesprochen:
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54 Kgl. Bayer. Oberlande sgerichl vom 9. April 1881:
Der Beklagte ist schuldig, die Verpflichtung zur unent-
geltlichen Leistung der Hand- und Spanndienste bezüglich
der Pfarroekonomiegebäude in Isen anzuerkennen, demgemäss
auch diese Dienste bei Wiederaufbau des abgebrannten Ge-
bäudes zu übernehmen und die Kosten des Rechtsstreites zu
tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen zu ersetzen.
Dieses Urtheil, auf dessen Thatbestandsdarstellung und Ent-
scheidungsgründe hier Bezug genommen wird, wurde dem kgl. Ad-
vocaten und Rechtsanwälte Vorbrugg als Vertreter des Beklagten
am 20. November 1880 zugestellt.
Hiegegen legte der genannte Anwalt für den Beklagten das
Rechtsmittel der Berufung ein. Berufnngsact mit Ladung der Klag-
partei zur Verhandlung hierüber in die Sitzung des III. Civilsenates
des kgl. Oberlandesgerichtes München vom 12. Februar 1881 wurde
dem kgl. Advocaten und Rechtsanwälte Qirisch als Processbevoll-
mächtigten der Klagspartei in der ersten Instanz am 20. December
1880 zugestellt.
In der Sitzung vom 12. Februar 1881 erschien für die Klags-
partei der kgl. Advocat Girisch tür den kgl. Advocaten Ditterich
laut Vertretungsvollmacht vom 11. desselben Monats, für den Be-
klagten der kgl. Advocat Vorbrugg und wurde die Verhandlung der
Sache in die Sitzung vom 5. April 1881 vertagt.
Schon unterm 20. December 1880 hatte der kgl. Advocat
Vorbrugg einen vorbereitenden Schriftsatz eingereicht, dessen Inhalt
hieher in Bezug genommen wird, und worin die in dem Berufungs-
act vom 18. December 1880 enthaltenen Bitte
unter Abänderung des gravirlichen Urtheils vom 3. No-
vember 1880 die gegen den kgl. Fiscus erhobene Klage
kostenfällig abzuweisen,
begründet wird.
Advocat Ditterich hatte unterm 11. Februar 1881 eine Be-
rufungsbeantwortung abgegeben, worin um Verwerfung der Berufung
und Verurtheilung des Beklagten in die Kosten zweiter Instanz ge-
beten ist.
Unterm 30. März 1881 kam von dem kgl. Advocaten Vorbrugg
ein weiterer vorbereitender Schriftsatz ein.
Dieser sowie die Berufungsbeantwortung der Klagpartei vom
11. Februar 1881 wurde wörtlich hieher bezogen.
In der Sitzung vom 5. April 1881 erschienen die oben bereits
aufgeführten kgl. Advocaten Girisch und Vorbrugg , stellten die vor-
erwähnten Bitten und begründeten sie nach Massgabe ihrer vorbe-
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Hand- u. Spanndienste zu Cultusbauten im Freisinn’ sehen Gebiete. 55
reitenden Schriftsätze, wobei aus den adhibirteu Acten des kgl.
Generaleommissariats Freising die Pfarrei Isen betr. d.. 1803 und
1804 und der Landesdirection in Bayern Wendung der Baufälle bei
der Pfarrei Isen 1805 bis 1807,
der Acten der kgl. Regierung vou Oberbayern Kammer der
Finanzen den Zehentstadel in Isen ,
der Acten der Regierung des Isarkreises Schul- und Armen-
fond und andere milde Stiftungen zu Isen betr.,
die von den beiden Anwälten schon in erster Instanz auge-
zogenen, zum Theil abschriftlich zu den Acten übergebenen Producte
sowie das Publieationspatent des Fürstbischofs Johann Theodor von
Freising vom 18. August 1758, aus den erholten Acten des kgl.
Obersteu Landesgerichts die Sammlung der Statutar- und Provinzial-
rechte des Königreichs Bayern Band I. 1. II. b. und die vom Kreis-
archive von Oberbayern herübergegebeue , fürstbischöfliche Frei-
sing’sche Hofrathsordnung vom 12. März 1789
verlesen wurden.
Schlüsslich wurde die Sache zur Urtheilsverkündung in die
Sitzung vom Samstag den 9. April 1881 vertagt.
Entscheidungsgründe.
Die erhobene Berufung richtet sich gegen ein Definitivurtheil ;
hei Erhebung derselben sind die Vorschriften der §§. 477 und 479.
der Civil-Process-Ordnung gewahrt, sie ist daher formell zulässig,
materiell jedoch nicht begründet. Präjudiziell für die Entscheidung
des vorwürfigen Rechtsstreites ist die Frage, welches Gesetz zur An-
wendung za bringen ist.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass das churbayerische soge-
nannte Concurreuzedict vom 4. October 1780 zur Anwendung zu
kommen hat, während die Klagspartei die Anwendbarkeit desselben
bestreitet, wobei Seitens des Beklagten auf das Publieationspatent
des Fürstbischofs Johann Theodor von Freising vom 18. August 1758
und die fürstbischöflich Freising’sche Hofrathsordnung vom 12. März
1789 Bezug genommen wird.
Nach dem vorerwähnten Publieationspatent wurde lediglich die
unter Churfürst Maximilian Josef codificirte Gesetzgebung nämlich
der bayerische Criminal- und Civilprocess , das bayerische Landrecht
und das bayerische Strafgesetzbuch eingeführt, und darin keineswegs
ausgesprochen, dass damit auch alle später noch zu diesen Gesetz-
büchern zu erlassenden bayerischen Gesetze und Verordnungen im Ge-
biete des Fürstbisthums Freising Geltung haben sollten.
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56
Kgl. Bayer. Oberlivi'Iesgerichl vom 9. April 1891:
Es ergibt sich dieses unzweifelhaft aus der Einleitung des
Patentes, welches dahin lautet:
»Es ist ohnehin allen Unsern Unterthanen wissend und be-
kannt , welcher gestalten Unseres Freundgeliebtesten Herrn
Vötters Churfürst Maximilian iu Bayern Liebd. mit grosser
Mühe und Fleiss sowohl den Crirainal- als Civilprocess in
eine bessere Ordnung und vollständige Richtigkeit, nicht
weniger auch die bayerischen Lmd-Statuta , und Gewohn-
heiten in eine leichtere und begreiflichere Gestalt bringen,
und unter dato 7. September 1751, 14. December 1753 und
2. Januar 1756 in dem Laude publicireu lassen,« im Zusam-
menhalte mit dem weiteren Inhalte:
»Als haben Wir aus tragender Landesväterlicher Sorgfalt
mit reiflicher Sach-Ueberlegung, so erwähnte Churbayerische
Land-Statute sowohl in der Criminal- und Civil- und Gant
als auch Landrechtordnung, damit sich sämmtliche Beamte
und Unterthanen sicher danach zu richten und zu verhalten
wissen, nach allem ihrem Inhalt und Begriff anzunehmen und
zu recipiren Uns entschlossen. Setzen und verordnen demnach,
dass solche Civil-, Criminal- und Landesordnungen in sämmt-
lichen Unsern ohnmittelbaren Hochstift Freising’schen Herr-
schaften und Ländereien genau beachtet, sowohl bei Hoch-
ais bei niedern Gerichten, in denneu vorfallenden Streit-
Händeln darauf gesprochen und erkannt werden solle.«
Wenn auch in diesem Punkte als Grund der Einführung gel-
tend gemacht wird, dass das fürstbischöflich Freising’sche Gebiet,
ganz von dem Churbayerischen Territorio umgeben und die viel-
fachen Beziehungen der beiderseitigen Unterthanen eine einheitliche
Gesetzgebung wünsch enBwerth machen, so kaun hieraus doch nicht,
wie Beklagter meinte , gefolgert werden , dass der Fürstbischof von
Freisiug sich seiner gesetzgebenden Gewalt wenigstens theilweise in-
soferne entäussert habe, dass von nun an — 1758 — alle in Bayern
erlassenen Gesetze und Verordnungen von selbst auch im Freising-
sehen Gebiet Geltung haben sollteu, weil : n diesem Patente ausdrück-
lich diejenigen Gesetze bezeichnet sind, welche cingeführt werden
wollten.
Es können mit der ei wähnten codificirten bayerischen Gesetz-
gebung nur diejenigen bayerischen Verordnungen zu der fraglichen
Gesetzgebung eingeführt betrachtet werden, welche bis zur, Publi-
cation des Patentes — 18. August 1758 — erschienen waren, weil es
jedenfalls Absicht des Fürstbischofes Johann Theodor war, diejenige
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Hand- u. Spanndienste au Cullusbaulen im Freisiny' sehen Gebiete. 57
bayerische Gesetzgebung in seinen Landen einzuführen , welche da-
mals in dem angrenzenden Churbayerischen Geltung hatten.
Wenn auch die künftig zu erlassenden Churbayerischen Ver-
ordnungen und Gesetze Geltung hätten haben sollen, so hätte dieses
ausdrücklich im Patente ausgesprochen sein müssen. Da dieses nicht
der Fall ist, so können auch alle spätem Gesetze nur Geltung haben,
weun sie ausdrücklich in Freising angenommen und daselbst publi-
cirt sind.
Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht auch der §. 27. der
Freising'schen Hofrathsordnung.
Dort heisst es nämlich : »dass die Hofräthe nach Vorschrift der
von Unserem höchsten und liochseligen Herrn Vorfahren angenom-
menen bayerischen Landesgesetzen zu Werke zu gehen haben.«
Hiernach ist es den Hofräthen nicht zur Pflicht gemacht, über-
haupt nach den in Bayern geltenden Gesetzen zu judiciren, sondern
nur nach jenen, welche von den Fürstbischöfen in Freising angenom-
men worden sind.
Nachdem ein Nachweis dafür nicht vorliegt, dass das Con-
currenz ;dict von 1780 in Freising speciell angenommen undpublicirt
wurde, auch in dem Besitzergreifungspatente bezüglich des Fürstbis-
thuraes Freising vom 20. November 1802 die Gesetzgebung und die
Gesetzesanwendung mit keiner Silbe erwähnt ist, so erscheint die An-
wendung des mehrerwähnten Concurrenzedictes im vorliegenden Falle
ausgeschlossen , weil Isen unbestrittenermassen zum Fürstbisthum
Freising gehörte, und mit diesem erst 1802 an die Krone
Bayern kam.
Es führt zwar Eoth Bd. I. S. 31. an, dass die Einführung des
bayerischen Rechts in den voraufgeführten Gebietstheilen, wozu auch
Freising gezählt ist, auch die für dasselbe seit 1756 erlassenen No-
vellen umfasst; allein diese Ansicht kann in dieser Allgemeinheit
als richtig nicht anerkannt werden, soweit es das ehemalig fürst-
bischöflich Freising’sche Gebiet betrifft.
Es ergibt sich dieses aus den Allegat; Roth beruft sich näm-
lich auf ein Urtheil des obersten Gerichtshofes, abgedruckt im Band
XXII. der Blätter für Rechtsanwendung S. 567.
In dem hier berührten Falle handelt es sich um die Einführung
der bayerischen Gesetze im Herzogthum Neuburg, welche durch Patent
vom 2. December 1778 erfolgte, und hier geht die Ansicht des
obersten Gerichtshofes dahin, dass alle Novellen, die bis zum Ein-
führungsterraine erschienen waren, Geltung haben sollten, weil die
Absicht der Regierung jedenfalls dahinging, das Landrecht in ihren
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58 Kgl. Bayer. Oberlandesgerichl vom 9. April 1881:
neuen Gebietstheilen so einzuführen, wie es in den übrigen Gebiets-
theilen Geltung hatte und dann weil diese Novellen unter dem
bayerischen Rechte mit verstanden werden müssen.
Nun wurde das bayerische Landrecht, wie bereits obeu erwähnt,
nicht durch eine Verfügung der bayerischen Regierung bei Accep-
tatiou des Freising'schen Gebietes eingeführt, sondern dasselbe kam
in Folge specieller Einführung eines Fürstbischofes von Freising zur
Geltung, wobei noch zu bemerken ist, dass Roth von dem Publi-
cationspatent von 1758 gar keine Kenntniss hatte, sondern nur die Hof-
rathsordnung von 1789 anführt, die nur im Zusammenhalte mit dem
Publicationspatent richtig aufgefasst werden kann.
Wenn das Untergericht zur Begründung der Ansicht, dass das
Concurrenzedict zur Anwendung zu kommen hat, sich auf v. Völdern-
dorff Gesetzesstatistik beruft, so liegt hier ein Missverständniss dieses
Autors vor, da derselbe sich ganz im Sinne des vorerwähnten oberst-
richterlichen Urtheils ausspricht, also bei späterer Einführung des
Landrecbtes für alle bis dahin erschienenen Novellen gesetzliche
Geltung vindicirt.
Es fragt sich hierauf weiter, ob das bayerische Landrecht selbst
eine Bestimmung enthält, dass bei allen Cultusbauten die Pfarrge-
meinde Hand- und Spanndienste zu leisten habe.
Der Gesetzestext enthält hierüber gar keine Bestimmung. Nur
die Aumerkungen sprechen in Thl. I. cap. VII. §. 42. davon.
In Ziffer 7. heisst es, dass die Kirchen zunächst aus eigenen
Mitteln unterhalten werden müssen ; fehlen die dazu nöthigen Mittel,
so kommt es bei Pfarr-Gotteshäusern auf die Concurrenz an, also
und dergestalten, dass vi Concil. Trid. zuvörderst den Kirchen-
patron und alle Jene, welche von den Kircheneinkünften participiren,
sodann aber auch Die von der Pfarrgemeinde das Ihrige mit beizu-
tragen haben.
Bezüglich der Letzteren heisst es weiter: »es pflegt ferner die
Pfarrgemeinde auf dem Laude selten oder gar nicht mit Geld, son-
dern nur mit Hand- und Ross-Scharwerk zu concurriren« und dann
ist bezüglich der Pfarrhöfe gesagt, dass es mit denselben dieselbe
Beschaffenheit hat, wie mit den Pfarrkirchen selbst, es sei denn,
dass der Pfarrer oder Beneficiat selbst im Stande wäre, von den
eigenen Einkünften seiner Pfarre oder Pfründe die nöthige Baurepa-
ration salva congrua wohl bestreiten zu können.
Es mag dahin gestellt bleiben, ob hiernach die Verpflichtung
der Pfarrgemeinde zu Hand- und Spanndiensten bei allen Baufällen
angenommen werden kann, oder aber nur dann, wenn die Pfarrge-
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Hand- u. Spanndienste zu Cultushauten im Freising' sehen Gebiete. 59
|
meinde in einem Falle als concurrenzpflichtig erscheint: so viel steht
fest, dass durch die Einführung des bayerischen Landrechts im
Förstenthum Freisiug eine Bestimmung über die kirchliche Baulast
und namentlich über die Verpflichtung der Pfarrgemeinden zu Hand-
und Spanndiensten nicht getroffen wurde, da, wie bemerkt, der Ge-
setzestext hierüber schweigt und die Anmerkungen mit Gesetzeskraft
nicht versehen sind.
Freilich lässt sich nicht verkennen , dass bezüglich der Hand-
und Spanndienste in den Anmerkungen ein Gewohnheitsrecht con-
statirt ist, aber nur für die damaligen churbayerischen Länder.
Dass ein gleiches Recht auch im Fürstenthum Freising be-
stand, können die Aumerkungen zum bayerischen Landrecht nicht
feststellen, da ihr Verfasser als churbayerischer Kanzler sich nur be-
rufen fühlen konnte, zu constatiren, was in seinem Lande Rechtens war.
Es meint zwar der Vertreter des Berufungsklägers, dass ein
gleiches Gewohnheitsrecht als im Fürstenthume Freising geltend
angenommen werden müsse, weil dieses zum bayerischen Kreise
gehörte.
Es mag ununtersucht bleiben, ob letztere Aufstellung richtig
ist ode,r nicht ; denn die Kreiseintheilung im alten deutschen Reiche
hatte nur in staatsrechtlichen Fragen Bedeutung, schuf aber keines-
wegs auf dem Gebiete des Privatrechts eine Gemeinschaftlichkeit,
wie dieses z. B. die mannigfaltige Gesetzgebung im ehemaligen schwä-
bischen Kreise zur Genüge zeigt. .
Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass die Frage, ob
die Pfarrgemeide Isen bei den Pfarrgebäuden Hand- und Spann-
pflichtig ist, nach gemeinem deutschen Rechte zu entscheiden ist.
Als positives Recht bezüglich der kirchlichen Baulast hat hier
das Conc. Trid. zu gelten, welches in sess. XXL cap. VII. bestimmt,
dass zur Herstellung der kirchlichen Bauten zunächst das Kirchen-
vermögen, wenn kein solches vorhanden, der Patron und alle Jene,
welche irgend Einkünfte aus dem Kirchenvermögen beziehen und
erst wenn auch solche fehlen sollten , die Kirchengemeinde beizu-
ziehen sind, ohne dass hiebei irgend ein Theil der Baukosten aus-
geschieden wäre, vielmehr die ganze Baulast in obiger Weise vertheilt.
Nach diesen positiven gesetzlichen Bestimmungen ist also eine
Verpflichtung der Gemeinden zu Hand- und Spanndiensten, wenn
die primäre oder sekundäre Baupflicht anzurufen ist, nicht gegeben.
Es kann sich nur fragen, ob sich nicht in dieser Beziehung eine
allgemeine deutsche Rechtsgewohnheit gebildet hat und diese Frage
ist zu verneinen.
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60
Kgl. Bayer. Oberlandesgericht vom 9. April 1831.
Von Bedeutung ist, dass die Kirchenrechtslehrer in dieser Frage
nicht übereinstimraen ; und wenn auch vielfach constatirt ist, dass
bei den Cultusbauten die Gemeinden mit Hand- und Spanndiensten
concurrirten, so fehlen doch positive Anhaltspunkte dafür, dass und
ob diese Leistungen auch in der Meinung vorgenommen wurden, einer
Verpflichtung nachzukoramen.
Auf der andern Seite lassen sich noch viele Gründe für derar-
tige Leistungen anführen.
Zunächst kann den Einzelnen sein religiöses Gefühl ein Werk
zur Ehre Gottes zu fördern, zu derartigen Leistungen bestimmt haben ;
in anderen Fällen könuen Grundbarkeitsverhältnisse gegenüber dem
Baupflichtigen Veranlassung zu den gemachten Leistungen gegeben
haben.
So lange es nicht möglich ist, den Grund derartiger Leistungen
zu bestimmen, kann auch die Existenz eines Gewohnheitsrechtes nicht
festgestellt werden.
Gegen die Annahme eines solchen spricht aber vor Allem der
Umstand, dass man die Frage bald in oder auf dem Wege der posi-
tiven Gesetzgebung zu regeln gezwangen war, wozu keine Veran-
lassung gegeben gewesen wäre, wenn ein allgemeiugültiges Gewohn-
heitsrecht bestanden hätte.
In diesem Sinn hat sich auch der oberste Gerichtshof in einem
Plenarbeschlüsse vom 12. November 1855 ausgesprochen.
Nachdem im vorliegenden Falle die Baupflicht des kgl. Fiscus,
sei es als primäre, sei es als secundäre, unbestritten feststeht und in
diesem Falle gemäss des zur Anwendung kommenden gemeinen
deutschen Rechtes ihm die Bestreitung sämmtlicher Baukosten ob-
liegt, also die Pfarrgemeinde als Hand- und Spanndienstpflichtig
nicht erachtet werden kann, erweist sich das untergerichtliche Urtheil
gerechtfertigt, und musste daher die hiegegen eingelegte Berufung
verworfen werden, in Folge dessen dem Berufungskläger nach §. 92.
der C. P. 0. die Kosten dieses ohne Erfolg eingewendeten Rechts-
mittels zur Last fallen.
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61
III.
Erkenntniss des kgl. bayer. Verwaltungsgerichtshofes
vom 5. August 1881,
die Bauconcurrenepflicht von Kirchenstiftungen zu gemeinschaftlichen
Schul- und Messnerhäusern heir.
Mitgcthcilt von Metropolitan«, opitular Frhrn. v. Oberkamp zu München.
(Die Kirchenstiftung ist nicht concurrenzpflichtig zu einem für den Schul-
zweck bestimmten Anbau an ein gemeinschaftliches Schul- und Messnerhaus;
die Churfürstl. Geistliche Rathsordnung vom 25. April 1783 ist hier nicht
massgebend.)
Im Namen Seiner Majestät dcß Königs von Bayern.
In der Sache, betreffend die Erweiterung des Schul- und Mess-
nerhauses in Gündlkofen, hier Bauconcurrenz der Kirchenstiftung
dortselbst, beschliesst der kgl. Verwaltungsgeriehtshof auf Grund der
in öffentlicher Sitzung vom 22. Juli 1881 gepflogenen Verhandlung
in III. Instanz:
1. Auf die Beschwerde der Kirchenverwaltung Gündlkofen vom
19. November v. J. sei die Entschliessung der kgl. Regierung von
Niederbayern, Kammer des Innern, vom 2. dess. Mts. dahin abzu-
ändern, dass die Kirchenstiftung Gündlkofen nicht schuldig sei, zu
den Kosten für den .projectirten Schulhausan&a« dortselbst zu con-
curriren.
2. Die Gemeinde Tondorf habe die Gebühren für das Ver-
fahren dieser Instanz zu tragen und sei die Gebühr für gegenwär-
tigen Bescheid auf zwanzig Mark festzusetzen.
Die Kosten der Parteivertretung seien den Betheiligten zur
Selbsttragung zu überweisen.
Entscheidungsgründe.
Das Schul- und Messnerhans in Gündlkofen wurde im Jahre
1855 neuerbaut. Von den Baukosten wurde damals dio Hälfte von
dem Schulsprengel, welcher aus den Gemeinden Gündlkofen und
Tondorf , dann der Ortschaft Hiddersdorf, Gemeinde gleichen Na-
mens, und der Ortschaft Gündlkoferau , Gemeinde Münchnerau , be-
steht, übernommen, die andere Hälfte aber wegen Insufficienz der
Kirchenstiftung Gündlkofen aus der Diöcesanstiftungsconcurrenzkasse
gedeckt.
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62 Kgl. Bayer. Verwaltung sger ichUhof vom S./6. August 1881:
Das vorhandene Lehrzimmer reicht nun für die grosse Kinder-
zahl nicht mehr aus und beantragte deshalb die Schulsprengelver-
tretung, das zum Schulhause gehörige Nebengebäude abzubrechen
und auf dem dadurch gewonnenen Platze an das bisherige Schul-
haus, das möglichst zu verbessern und zweckdienlich einzurichten
wäre, einen Anbau zu führen, der zu ebener Erde die Oeconomie-
räume und über einer Stiege einen zweiten Lehrsaal für hundert
Kinder und zwei Zimmer für einen Schulgehilfen enthalten solle.
Mit Entschliessung der kgl. Regierung von Niederbayern, Kam-
mer des Innern, vom 10. April 1880 wurde das bezügliche Bauob-
ject schulaufsichtlich genehmigt und dabei hinsichtlich die Kosten-
frage bemerkt:
>Das Schulgebäude in Gündlkofen ist zugleich Schul- und
Mossnerhaus und steht im gemeinschaftlichen Eigenthum der Kirchen-
stiftung und Schulgemeinde. Die Concurrenzpflieht zu den Bau-
kosten hat sifch daher gemäss Ziff. 9. der geistlichen Rathsinstruction
vom 25. April 1783 zu bemessen, wonach diese Kosten je zur Hälfte
von der Schulgemeinde und der Kirchenstiftung, im Palle ihrer Un-
vermöglichkeit aber von der Kirchengemeinde subsidiär zu decken
sind.«
Die Kosten sind veranschlagt auf 8000 M. in Baarem und
1400 M. für Hand- und Spanndienste. Von vorbezeichneter Re-
gierungsentschliessung in Keuntniss gesetzt, erklärte die Kirchen-
verwaltung Gündlkofen mit Eingabe vom 19. April v. J. und zu
amtlichem Protocolle vom 8. Juni v. J., das3 die geistliche Raths-
instruction von 1783 auf den vorwürfigen Pall, in welchem lediglich
zu Sch ulzwecken , nämlich zur Gewinnung eines weiteren Lehrsaales
und einer Wohnung für eine zweite Lehrkraft gebaut werden solle,
keine Anwendung finden könne, dass die Kirchenverwaltung über die
beabsichtigten baulichen Aenderungen noch gar nicht einvernommen
worden sei und eventuell auf Grund des Miteigenthumsrechtes, wel-
ches der Kirchenstiftung am Schul- und Messnerhause, sowie des
alleinigen Eigenthums, welches derselben an dem in Folge der Er-
weiterung des Hauses zu überbauenden Gartengrund zustehe, gegen
den vorhablichen Bau protestire, und dass endlich die Kirchen-
stiftnng auch die Mittel nicht habe, irgend welche Concurrenz zu
leisten, die Sache desshalb eigentlich die Kirchengemeinde angehe.
Die Kirchengemeinde Gündlkofen ist mit dem Schulsprengel
nicht congruent, sie besteht vielmehr aus den zum Schulsprengel ge-
hörigen Ortschaften mit Ausnahme der einen eigenen Pfarrsprengel
bildenden Gemeinde Tondorf , dann aus den Ortschaften Beichersdorf,
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Beitr. von KirchenaUftungen für Schul - und Mesmerhäusern. 63
Vridgried und Kehlhof, von der Gemeinde Attenhausen und Wendlöd
von der Gemeinde Widdersdorf. Als Vertreterin der Kirchenge-
meinde machte die Kirchenverwaltung Gündlkofen in Uebereinstim-
mung mit den Beschlüssen der einzelnen eingepfarrten Gemeinden
und Ortschaften zu amtlichem Protocolle vom 8. Juni 1880 geltend,
dass der projectirte Erweiterungsbau ausschliesslich für Bedürfnisse
der Schule erforderlich sei, das Schul- und Messnerhaus in seinem
gegenwärtigen Stande den Bedürfnissen des Messners vollständig ge-
nüge und dass daher weder ein Rechts- noch ein Billigkeitsgrund
bestehe, die Kirchengemeiude zur Beitragsleislung in Anspruch zu
nehmen.
Die Gemeinde Tondorf besteht dagegen inhaltlich desselben
Protocolls auf der bereits in der Regierungsentschliessung vom
10. April v. J. ausgesprochenen Concurrenzpflicht der Kirchenstiftung
und subsidiär der Kirchengemeinde Gündlkofen.
Ein in dem mehrbezeichneten Protocolle vom 8. Juni v. J. nie-
dergelegter Vorschlag der Kirchenverwaltung Gündlkofen, dem Schulbe-
dürfui3se durch einen besonderen Bau gerecht zu werden, erhielt die
Billigung der kgl. Regierung nicht, vielmehr inhärirte letztere mit
Entschliessung vom 1. August v. J. ihrer früheren Entschliessung
vom 10. April v. J.
Am 16. August v. J. erliess das kgl. Bezirksamt Landshut Be-
schluss dahin, dass die Kirchengemeinde Gündlkofen schuldig sei, zu
den Kosten für die Erweiterung des Schul- und Messnerhauses dort-
selbst im Anschläge von 9,400 M. die Hälfte beizutragen. Das
kgl. Bezirksamt gründete hiebei seine Zuständigkeit auf Art. 10.
Ziff. 19. des Gesetzes über den Verwaltungsgerichtshof vom 8. August
1878 und §. 50. der Allerh. Formationsverordnung vom 17. December
1825 und ging sachlich von der Erwägung aus, dass die angeordnete
Erweiterung des Schul- und Messnerhauses in Gündlkofen nicht aus-
schliesslich durch das Bedürfniss der Schule nothwendig geworden
sei, vielmehr durch dieselbe auch die bisherige höchst ungenügende
Wohnung des Lehrers und Messners eine Vergrösserung finde , dass
hiernach die geistliche Rathsinstruction vom 25. April 1783 aller-
dings anwendbar erscheine, dass ferner die Kirchenstiftung Gündl-
kofen notorisch nicht im Stande sei, die sie treffende Kostenhälfte
aufzubringen und demzufolge die Kirchengemeinde für die Verbind-
lichkeit der Kirchenstiftung einstehen müsse.
Gegen den bezirksamtlichen Beschluss, welcher der Kirchen-
verwaltung Gündlkofen am 21. August v. J. zugestellt wurde, erhob
letztere für die Kirchenstiftung und die Kirchengemeinde unter dem
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64 Kgl. Bayer. Xerwaltungsgerichtshof vom 5.16. August 1881:
2. praes. 3. September v. J. Beschwerde zur kgl. Regierung von
Niederbayern, Kammer des Innern, mit der Bitte, den erstinstanziellen
Beschluss aufzuheben und die Kirche und Kirchengemeinde Gündl-
kofen von der Concurrenz zu dem Erweiterungsbaue zu befreien und
beziehungsweise frei zu erhalten. Zur Begründung der Beschwerde
ist geltend gemacht, dass einmal die Kirchenverwaltung ihre Zu-
stimmung zur Verwendung des bisherigen Schulhauses und des der
Kirchenstiftung gehörigen Gartens zu einem Erweiterungsbau ver-
weigert habe und noch verweigere, soferne nicht Kirche und Kirchen-
gemeinde concurrenzfrei bleiben, solche Verwendung daher eine Ver-
gewaltigung des Kirchengutes in sich schliessen würde, und dass
ferner die Wohnung des Lehrers und Messners in Gündlkofen, welche
erst 1855 neu erbaut worden sei , durchaus entsprechend und ge-
nügend erscheine, der Erweiterungsbau aber lediglich durch die Be-
dürfnisse der Schule veranlasst sei.
Mit der hierauf erfolgten Entschliessung der genannten Kreis-
stelle vom 2. November v. J. wurde nun die Beschwerde der Kirchen-
verwaltung Gündlkofen, insoweit damit die Freisprechung der Kirchen-
stiftung von der Concurrenz zu den Kosten der dortigen Schul- und
Messuerbauserweiterung bezweckt wird, als begründet nicht erachtet
und desshalb unter Bestätigung der bezüglichen Entscheidung des
angefochtenen erstinstanziellen Beschlusses abgewiesen, dagegen dieser
Beschluss, insoweit sich derselbe mit der subsidiären Baupflicht der
Kirchengemeinde Gündlkofen befasst und solche als ausschliessend
zu Recht bestehend . erkannt hat, ausser Wirksamkeit gesetzt. In
den Entscheidung8gründeu dieser Entschliessung ist angeführt: das
Schulgebäude in Gündlkofen, welches als Eigenthum der dortigen
Kirchenstiftung und Schulgemeinde anerkannt sei, diene dem Zwecke
des Unterrichts und der Wohnung des Lehrers und Pfarrmessners
und sei somit als Schul- und Messnerhaus im Sinne der Bestim-
mungen in Ziff. 8 — 10. der geistlichen Rathsin3truction vom 25. April
1783 zu erachten. Diesen Bestimmungen zufolge, welchen für die
älteren Landestheile des Königreichs die Kraft öffentlichrechtlicher Vor-
schriften zukomme, seien die Kirchenstiftungen verpflichtet, die Bau-
last bei Schul- nnd Messnerhäusern zur Hälfte zu bestreiten , und
zwar ohne Unterschied, durch welchen Anlass im einzelnen Palle
das Baubedürfniss hervorgerufen werde. Ueber die Nothwendigkeit
der Erweiterung des Schul- und Messnerhauses in Gündlkofen und
über die Art der Ausführung habe die kgl. Regierung bereits rechts-
kräftig entschieden. Die Erweiterung diene auch nicht den Seliul-
zwecken allein, sondern gewähre auch Abhilfe hinsichtlich der sehr
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Beitr. von Kirchenstiftungen für Schul- und, Messnerhäusern. 65
beschränkten Wohnung des Lehrers und Messners. Die Kirchen-
stiftung Gündlkofen könne sich also der Verpflichtung zur Baucon-
currenz nicht entschlagen. Was dagegen die Baupflicht der Kirchen-
geraeiude betreffe, so komme in Betracht, dass für die secundäre
Baupflicht an Schul- und Messnerhäusern die für Kirchen und Pfarr-
hofbauten massgebenden Concurrenzvorschriften gelten und dass diese
subsidiäre Baupflicht an Cultusgebäuden im Allgemeinen und nach
ihrem ganzen Umfange civilrechtlicher Natur sei.
Die bezügliche ßegierungsentschliessung wurde der Kirchen Ver-
waltung und Schulsprengelvertretung Gündlkofen am 9. November
v. J. zugestellt. Am 19. dess. Mts. erhob nun die Kircher.ver-
waltung Gündlkofen Beschwerde au den kgl. Verwaltungsgerichtshof,
welche am 21. ejusd. in den Einlauf der mehrgenannten Kreisre-
gierung gelangte uud in welcher unter Wiederholung der in der Be-
schwerde vom 2. September v. J. geltend gemachten Gründe ge-
beten wird, die Abweisung des Recurses gegen die I. Instanz sammt
der dabei zweitinstanziell bestätigten Entschliessung der I. Instanz
zu kassiren und die Pfarrkirchenstiftuug Gündlkofen von der Con-
currenz zum Erweiterungsbaue des Schul- und Messnerhauses dort-
selbst freizusprecheu mit allen Consequenzen dieser Freisprechung.
Eine weitere Ausführung der Beschwerde vom 27. Januar 1. J. ge-
langte am 4. Februar 1. J. unmittelbar in den Einlauf des kgl. Ver-
waltungsgerichtshofes. In der ötfeutlicen Sitzung vom 22. Juli 1. J.
kam die Sache zum Aufrufe. Von deu nachweislich geladenen Be-
theiligten hatten sich für die Kirchenverwaltung Gündlkofen der
dortige Pfarrer Ludwig Bensen unter Beistandschaft des kgl. Ad-
vocaten Dr. Hermannseder von hier und für die Gemeindeverwaltung
Tondorf der mit Vollmacht versehene Bauer Simon Schober von
Unterlenghart eingefuuden. Nachdem der bestellte Referent, Rath
Dr. Groh über die Actenlage Bericht erstattet hatte, führte der vor-
genannte kgl. Rechtsanwalt zur Begründung der Beschwerde Fol-
gendes aus: Die geistliche Rathsinstruction von 1783 spreche in
ihrer Ziffer 9. nur eine Verpflichtung der Gemeinde aus und habe
keinesfalls eiue neue Belastung der Kirche schaffen wollen.
Zur Zeit des Erlasses der geistlichen Rathsinstruction habe
sicli die Benützung der Messnerbäuser zu Schulzwecken entweder auf
ein precarium oder eine Servitut oder Miteigenthum gestützt. Die
geistliche Rathsinstruction habe diese Verhältnisse ordnen wollen
und die Hälfte der Kosten den Gemeinden überbürdet. Dieselbe habe
damit lediglich eiue Entlastung, keine Belastung des Kirchenver-
mögeus beabsichtigt.
Archiv Uir Kirchenrecht XI.V1I.
5
66 Kgl. Bayer. Verwaltungsgerichtshof vom 5.j6. August 1881:
TJebrigens sei damals schon nach den Bestimmungen des bayeri-
schen Landrechts eine Veräusserung des Kirchenvermögens ohne Con-
senz der geistlichen Obrigkeit unzulässig gewesen; schon desshalb
könne dem Gesetzgeber keine solche Absicht imputirt werden. Wäre
die geistliche Rathsinstruction in dem Sinne der Regierung auszu-
legen , so würde man nicht unterlassen haben, im Schuldotationsge-
setze von 1861 eine entsprechende Bestimmung zu treffen. Die
geistliche Rathsinstruction handle ferner nur von der Unterhaltung
der Schul- und Messnerhäuser. Ein Erweiterungsbau sei aber keine
Reparatur mehr, sondern ein Neubau.
Jedenfalls könnte von einer Beitragsleistung der Kirchenstiftung
nur dann die Rede sein, wenn die Erweiterung auch für das Mess-
nerhaus nothwendig wäre. Dies stehe noch nicht fest. Insbeson-
dere könne die Regierungsentschliessung vom 10. April 1880 der
Kirchenstiftung gegenüber keine Rechtskraft äussern, denn diese sei
vor Erlass der Entschliessung nicht gehört; auch sei ihr die Ent-
schliessung nicht zugestellt worden. Die Erweiterung für den Schul-
gehilfen könne nicht als Erweiterung dos Messnerhauses in Betracht
kommen, da jener nicht Messner sei. Jedenfalls könnte der Schul-
saal nie als Messnerhaus betrachtet werden und es würde daher
äussersten Falls die Hälfte der Kosten für die Schulgehilfenwohnung
in Frage kommen.
Selbst wenn die geistliche Rathsinstruction in dem von der
Regierung angenommenen Sinne erlassen wäre, würde sie doch durch
das Concordat und die II. Verfassungsbeilage, mit welchen Gesetzen
sie in Widerspruch stehe, wieder aufgehoben worden sein. Auch
aus der Gemeinschaftlichkeit des Gebrauches könne keine Baupflicht
der Kirchenstiftung abgeleitet werden, ob mau ein precarium, eine
Servitut oder ein Miteigenthum annehme. Wer könne die Kirchen-
stiftung hindern, ihren Antheil einfach zu derelinquiren ?
Bei der Erweiterung des Schul- und Messnerhauses werde ein
Grund mitverwendet, an dem der Kirchenstiftung unbestritten das
Alleineigenthura zustehe. Diese Verwendung würde eine Expropria-
tion involviren. Die Kirchenverwaltuug habe zwar erklärt, diesen
Grund abzulassen, aber nur unter der Bedingung, dass sie von den
Kosten des Baues befreit bleibe. Abgesehen von der Nichterfüllung
der Bedingung, habe diese Erklärung im Hinblicke auf Art. 14. des
Notariatsgesetzes keine rechtliche Giltigkeit. Im Uebrigen beziehe
er sich auf die im »Archive für katholisches Kirchenrecht« im ersten
Hefte dieses Jahrgangs über die hier einschlägigen Fragen er-
schienene Abhandlung und stelle den Antrag, die Entscheidung der
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Beilr. von Kirchenstiftungen für Schul- und Messnerhausern. 67
kgl. Regierung aufzuheben und auszusprechen , dass die Kirchen-
stiftung Gündlkofen nicht schuldig sei, an den Kosten des Erweiter-
ungsbaues zu participiren. Pfarrer Bensen betonte hierauf wieder-
holt, dass die Regierungsentschliessung vom 10. April der Kirchen-
verwaltung nicht zugestellt worden sei und daher nicht habe rechts-
kräftig werden können. Der Vertreter der Gemeinde Tondorf machte
geltend, dass die Regierungsentschliessung vom 2. November der
Gemeinde Tondorf nicht eröffnet worden sei und beantragte, die
Beschwerde zu verwerfen.
Der kgl. Oberstaatsanwalt gab sodann folgendes Gutachten ab :
Sein Gutachten stimme zwar mit dem Anträge des Vertreters
der Kirchenverwaltung Gündlkofen überein. Aber den Argumenta-
tionen desselben könne er nicht unbedingt beitreten; insbesondere
bezüglich der Auseinanderhaltuug von Neu- und Unterhaltungsbauteu,
denn der Wiederaufbau eines baufälligen Gebäudes gehöre auch zur
Unterhaltung; ebenso, dass bei zulässigen Expropriationen immer ein
notarieller Vertrag noth wendig sei.
Ueber die Frage, ob das Messnerhaus eine Erweiterung erfor-
dere, sei keine Instruction gepflogen worden und müssten aus diesem
formellen Grande die beiden Entscheidungen aufgehoben werden.
Allein hiezu werde es gar nicht kommen. Es drehe sich um
die Errichtung einer zweiten Schulstelle und da könne nicht die
geistliche Rathsinstruction in Anwendung gebracht werden , sondern
nur das Schuldotationsgesetz.
Wenn die geistliche Rathsinstruction den Gemeinden die Hälfte
der Baukosten für Schul- und Messnerhäuser überbürdet habe, könne
daraus nicht gefolgert werden, dass die Kirchenstiftung verpflichtet
sei, zu allen Schulzwecken beizutragen, wenn das Schulhaus zugleich
Messnerhaus sei. Vielmehr haben hier lediglich die Gemeinden nach
dem Schuldotationsgesetze einzutreten. Nicht der Kirche sei durch
jene Bestimmung der geistlichen Rathsinstruction eine Verpflichtung
für Schulzwecke auferlegt worden, sondern der Gemeinde für die
Messnerhäuser, wenn in denselben zugleich Schulzwecke verfolgt wer-
den. Er begutachte desshalb, definitiv dahin zu erkennen, dass die
Kirchenstiftung Gündlkofen von der Beitragsleistung zum Erwei-
terungsbau des Schul- und Messnerhauses zu entbinden sei.
Der von der kgl. Regierung ausgesprochene Vorbehalt des Ci-
vilrechtsweges hätte nur eine Bedeutung, wenn ausser der Kirchen-
stiftung und Kirchengemeinde andere Baupflichtige, wie Dezimatoren
vorhanden wären. Dagegen sei die Verpflichtung der Kirchenge-
5*
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68
Kgl. Bayer. Verusallungsgerichlshof vom 5.16. August 1881:
raeinde, für die Kirchenstiftung einzutreten, wenn kein Kirchenver-
mögen da sei, rein administrativer Natur.
Die Würdigung der Sache führt zu Nachstehendem:
1. Die Kirchenverwaltung Gündlkofen hat Beschwerde erhoben,
weil der dortigen Kirchenstiftung durch die angefochtene Regierungs-
entschliessung vom 2. November v. J. vom öffentlich-rechtlichen Ge-
sichtspunkte aus die Verbindlichkeit auferlegt worden ist, zu den
Kosten der Schul- und Messnerhaus-Erweiterung in Gündlkofen zu
concurriren. Der Gegenstand der Beschwerdeführung ist somit eine
Angelegenheit, deren letztinstanzielle Würdigung gemäss Art. 10.
Ziff. 19. des Gesetzes vom 8. August 1878, die Errichtung eines
Verwaltungsgerichtshofes etc. betreffend, in die Zuständigkeit dieses
Gerichtshofes fällt.
• 2. Zur Aufbringung des Bedarfes für die deutschen Schulen
und insbesondere auch für die Beschaffung ausreichender Schul-
locale sind der Regel nach gemäss Art. 1. und 7. des Schuldota-
tfousgesetzes vom 10. November 1861 die politischen Gemeinden
und beziehungsweise Schulsprengel verpflichtet. Abweichend von
dieser gesetzlichen Regel beansprucht nun in vorwürfigem Falle, in
dem die Erweiterung de3 Schulhauses in Gündlkofen in Frage steht,
die zum Schulsprengel Gündlkofen gehörige Gemeinde Tondorf eine
theilweise Befreiung des Schulsprengels von der ihm obliegenden
Verpflichtung mit der Behauptung, dass das Schulbaus in Gündl-
kofen zugleich Messnerhaus und desshalb nach den Bestimmungen
in den §§. 8 und 9. der Instruction für den vormaligen churfürst-
lichen geistlichen Rath vom 25. April 1783 die Kirchenstiftung
und eventuell Kircbengemeinde Gündlkofen schuldig sei, die Hälfte
der Erweiterungskosten zu übernehmen. Der Anspruch der Gemeinde
Tondorf wurde Seitens der Kirchenverwaltung Gündlkofen als Ver-
treterin der dortigen Kirchenstiftung und Kirchengemeinde abge-
lehnt, von der Vorinstauz jedoch in der Richtung gegen die Kirchen-
stiftung vom öffentlich rechtlichen Gesichtspunkte aus für begründet
erkannt.
3. Es steht unbestritten fest, dass mit dem Schuldienste in
Gündlkofen der Messnerdienst verbunden und das dortige Schulhaus
zugleich Messnerhaus ist.
Messnerhäuser sind nun, wie dies vom obersten Gerichtshöfe an-
erkannt ist
— Vergleiche Erkenntniss vom 9. December 1868, Blätter
für Rechtsanwendung II. Ergänzungsbaud S. 369 —
auch nach bayerischem Rechte als Accessorien der Kirchen, zu wel-
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Deitr. von Kirchenstiftungen für Schul- und Messnerhäusern. 69
eben sie gehören, zu betrachten und sind demzufolge für die Unter-
haltung der Messnerhäuser dieselben Grundsätze massgebend, wie
für die Unterhaltung der Kirchen selbst. Wenn daher die oben an-
geführte geistliche Rathsinstruction in ihren §§. 8 und 9. bestimmt:
»blosse Messnerhäuser werden vom Kirchenvermögen alleinig unter-
halten, bei Schul- und Messnerhäusern zugleich haben die Gemein-
den die halben Unkosten in Ansehung der Schule beizutragen,« hat
sie nicht eine neue Baupflicht des Kirchenvermögens geschaffen,
sondern vielmehr lediglich die Concurrenzpflicht der Gemeinde in
B‘>zug auf die Schule statuirt und im Wege öffentlich-rechtlicher
Norm das Concurrenzverhältniss zwischen Kirchenvermögen und Ge-
meinde für den Pall geregelt, dass das Messnerhaus zugleich Schul-
haus ist. Der bezüglichen Bestimmung liegt offenbar der Gedanke
zn Grunde, dass der Schullehrer als solcher der Gemeinde und wenn
er zugleich - Messner ist, auch der Kirche Dienste leiste und
dass desshalb auch Gemeiude und Kirche zugleich für Herstellung
der Wohnung des Lehrers und der Schulstube zu sorgen haben.
Das Schul- und Messnerhaus in Gündlkofen dient nnn zwar in
angedeuteter Weise den Zwecken der Kirche und Gemeinde dort-
selbst; allein es darf nicht übersehen werden, dass es sich im vor-
würfigen Falle — von geringen Verbesserungen der Lehrerswohnung
abgesehen — gar nicht um die Unterhaltung dieses Schul- und
Messnerhauses handelt, sondern um einen Bau, der lediglich die
Beschaffung eines zweiten Schulzimmers und einer Wohnung für
einen zweiten Lehrer bezielt, somit ausschliesslich Zwecken der
Schule , der Gemeinde dient. Würde dieser Bau getrennt vom bis-
herigen Schul- und Messnerhause aufgeführt werden, so müssten
zweifellos die Kosten desselben gemäss der Normativentschliessung
vom 22. Juni 1815
(. Döllingcr V. 0. S. Band 11. S. 1403)
und dem Schuldotationsgesetze vom 10. November 1861 von der
Schulgemeinde allein aufgebracht werden, und es ist in der That
nicht abzusehen, warum diese Verpflichtung der Schulgemeinde durch
den Umstand alterirt werden sollte, dass statt eines getrennten
Baues ein Anbau an das dermalige Schul- und Messnerhaus geführt
werden will.
Aus Vorstehendem ergibt sich aber, dass die geistliche Raths-
instruction vom 25. April 1783 für den projectirten Anbau überhaupt
nicht massgebend sein, also auch auf Grund derselben die Kirchen-
stiftung Gündlkofen nicht verhalten werden kann, zu den Kosten des
Anbaues zu concurriren.
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70 Kgl. Bayer. Verte altungsy er ichlshof vom 5.16. August 1881.
Es war desshalb in der Hauptsache zu beschliessen , wie ge-
schehen, ohne dass es veranlasst war, auf die weiteren Ausführungen
des Rechtsbeistandes der beschwerdeführenden Kirchenverwaltung in
dieser Sache des Näheren einzugehen.
Selbstverständlich bleibt durch diese Entscheidung die vou der
Kirchenverwaltung selbst nicht bestrittene Concurrenz zu jenem Auf-
wands , welcher durch die gleichzeitig projectirte Verbesserung der
Lehrerwohnung etwa veranlasst ist, unberührt.
Der Ausspruch im Kostenpunkte erfolgte gemäss den Bestim-
mungen der Art. 189, 162 — 164 und 260. des bayer. Gebührenge-
setzes vom 8. August 1879 und in der Erwägung, dass einerseits
die Gemeinde Tondorf allein auf der Concurrenzleistung der Kirchen-
stiftung Gündlkofen bestand, andererseits aber dieser Gemeinde Streit-
muthwille nicht zur Last fällt und auch ein Antrag auf Ueber-
bürdung der Parteikosten auf dieselbe nicht gestellt wurde.
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71
IV.
Zur Kapitalrentensteuer der Kirchenstiftungen in Bayern.
(Eichstätter Pastoral-Blatt.)
Nach Artikel 5. des Kapitalrentensteuer-Gesetzes vom 19. Mai
1881 dürfen an der steuerbarer! Kapitalrente »die durch besondere
Titel nachweislich auferlegten privatrechtlichen Lasten in ihrem
jährlichen Geldbeträge in Abzug gebracht werden.«
Der Grund dieser Gesetzesbestimmung liegt augenscheinlich
darin, dass die Steuer nicht auf dem Kapitale, sondern auf dessen
Renteu ruht, und dass daher der Eigentbümer eines Kapitals jene
Renten nicht zu versteuern hat, über welche ihm kein freies Dispo-
sitionsrecht zusteht, sondern die er auf einen privatrechtlichen Titel
hin an einen Dritten abzutreten verpflichtet ist.
Auf diese Rechtsbasis fussend hat eine Kirchenverwaltung
unserer Diöcese bei Angabe ihrer Kapitalrenten die sämmtlichen an
den Pfarrer und au das Kirchenpersonal hinauszubezahlenden Ce-
lebrationsgebühren der gestifteten Gottesdienste in Abzug gebracht
und wir stehen bei der Wichtigkeit der Angelegenheit nicht an, die
Gründe, durch welche genannte Kirchenverwaltung hiezu bestimmt
wurde, dem Diöcesanklerus hiemit zur Kenntniss zu bringen.
Es wird nämlich kaum geläugnet werden können, dass die
durch die Confirmations-Urkunde festgesetzten Celebrationsgebühren
zu den »einem steuerbaren Kapitalrentenbezuge durch besondere Titel
nachweislich auferlegten privatrechtlichen Lasten« gehören, wie sie
Art. 5. der Rentensteuer aufführt; denn die Kirchenstiftung ist zur
Auszahlung dieser Gebühren nachweislich verpflichtet und der Pfarrer
kann auf deren Bezug einen privatrechtlichen Anspruch machen.
Die Kirche ist daher wohl Eigenthümerin des Kapitales, kann aber
über dessen Zinsen, soweit sie zu Celebrationsgebühren bestimmt sind,
nie frei verfügen.
Würde nun die Stiftung diese Gebühren bei Angabe ihrer
Kapitalrenten nicht in Abzug bringen dürfen, so würde die Folge
sein, dass sie gegen die Intention des Gesetzes und in ganz unge-
rechter Weise gezwungen würde, mit ihrem anderweitigen Einkom-
men jene Renten zu besteuern, in deren Besitz sie nie eintritt, weil
sie dieselben in Folge eines privatrechtlichen Bezugstitels Anderen
abtreten muss.
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72 Zur Kapitalrentensteuer der Kirchenstiftungen in Bayern.
Diese Interpretation würde wohl keinen Schwierigkeiten be-
gegnen, wenn nicht die weitere Bestimmung desselben Artikels, »dass
Lasten, die bei Stiftungen zu den Ausgaben* für Stiftungszwecke ge-
hören, nicht in Abzug gebracht werden dürfen,« zu der anderartigen
Auffassung Anlass geben könnte, dass unter diesen »Ausgaben« auch
die Celebrationsgebühren gestifteter Gottesdienste verstanden seien.
Dem ist aber nicht so; denn die angeführte Gesetzesstelle kann offen-
bar nur jene »Ausgaben« im Auge haben, für deren Deckung bei
der Oonfirmation der Stiftung die eine Hälfte der Zinsen ausge-
schieden wird, und welche die Kirchen Verwaltung für Stiftungszwecke
z. B. Wein, Beleuchtung und Paramente macht.
Es ist nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen den bei-
den bei der Oonfirmation ausgeschiedenen Hälften der Stiftungsrente.
Ueber die eine für obengenannte »Ausgaben« bestimmte Hälfte steht
der Kirchenverwaltung das Eigenthums- und Dispositionsrecht zu,
wesshalb sie dieselbe zu besteuern hat, während die andere Hälfte
als Celebrationsgebühren gleichsam unberührt durch die Hand der
Verwaltung geht und wohl den Charakter einer »Last,« eines »Iteich-
nisses,« nicht aber einer eigentlichen »Ausgabe« hat.
Wenn daher die Celebrationsgebühren der gestifteten Gottes-
dienste mit einer Steuer belegt werden , so müsste wohl nach dem
Grundsätze, dass die Steuer nicht auf dem Kapitale, sondern auf der
Rente ruht, dieselbe von den Percipienten d. h. vom Pfarrer und
dem Kirchenpersonale gefordert werden. Diese aber sind nicht zur
Zahlung der Kapitalrcnten-Stmer , sondern der Einkommen-Steuer
von diesen Gebühren verpflichtet. Man könnte daher diese Hälfte
der Stiftnngskapitalien , deren Renten aus privatrechtlichem Titel
nicht der Kirchenstiftung zufliessen, auf gleiche Stufe stellen mit
»den zum Stammvermögen einer geistlichen Pfründe gehörigen Ka-
pitalien,« welche ebenfalls (nach Art. 4. Nr. 5.) von jeder Kapital-
rentensteuer befreit sind, da sie als Einkommen des Pfründebesitzers
bereits mit der Einkommensteuer belegt sind.
Das Gesagte dürfte die Vorstände unserer Kirchenverwaltungen
veranlassen, der angeregten Frage ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden
und sie zu bestimmen, falls sie der vorstehenden Erörterung bei-
pflichten, entweder 3chou hei der Fatirung von den steuerpflichtigen
Renten der Kirchenstiftungskapitalien die Celebrationsgebühren und
Bezüge der Kirchendiener zu kürzen, beziehungsweise nur die Hälfte
der Renten als kapitalrcntensteuerpflichtiges Object zu behandeln,
oder falls sie die Fassionslisten bereits eiugereicht haben, gegen die
Einrechnung dieser Beträge in die steuerpflichtige Kapitalrcnten-
summe zunächst bei dem Steuerausschuss, eventuell bei der, resp.
Kreisregierung zu reclamiren.
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73
V.
Zur Rechtsprechung des Leipziger Reichsgerichts.
Von Franz Recklingh, Mitglied des katholischen Juristen Vereins.
(Vergl. Archiv, Bd. 46. S. 30 ff.)
B. Rechtsprechung in Strafsachen.
9) Urtheil vom 23. Februar 1881 (Rechtsp. Strafs. III. S. 70):
Eine strafbare »Störung des Gottesdienstes« kann auch
von Jemanden begangen werden, der sich nicht in der
Kirche befindet.
Der Angeklagte, ein in einer Armenanstalt eingesperrter Trunken-
bold, hatte den in der Anstalt abgehaltenen Gottesdienst vorsätzlich
dadurch gestört, dass er mit den Stiefelabsätzen gegen die Thür der
Arrestzelle schlug. — Der §. 167. St.-G.-B. bestimmt: »Wer . . . in
»einer Kirche durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottes-
»dienst vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängniss bis zu
»drei Jahren bestraft.« Der erste Richter sprach den Angeklagten
frei, weil die Störung nicht in der Kirche geschehen. Das Reichs-
gericht aber sagt: die Fassung des Gesetzes gestatte sprachlich auch
die Beziehung des Orts auf die gottesdienstliche Handlung, und das
Gesetz würde illusorisch sein, wenn z. B. das Schlagen gegen die
Kirchenthüren von aussen straflos wäre, und hat deshalb die Re-
vision für begründet erachtet. — Das Urtheil kann für begründet
nicht erachtet werden. Die beispielsweise Heranziehung anderer
Fälle (Schlagen gegen die Kirchenthür) beweist nur die Schwäche
der Beweisführung. Sprachlich ist die Interpretation des Reichsge-
richts unmöglich. Das Gesetz sagt nicht: »wer den Gottesdienst in
einer Kirche verhindert oder stört . . .« sondern: »wer in einer
Kirche den Gottesdienst verhindert oder stört.« Der Störenfried
muss also in der Kirche sein. Man mag diese »liberale« Fassung des
Gesetzes bedauern. Aber ein rechtsgelehrtes Gericht darf sich nicht
darüber hinwegsetzen. Das müssen wir vielleicht den Schöffen der
Zukunft überlassen ; vorausgesetzt , dass die bezahlten Richter in
allen Instanzen durch die Schöffeu verdrängt werden.
10) Urtheil vom 26. März 1881 (Rechtspr. Strafs. III. S. 167):
Die in einem öffentlichen Omnibus vor den gerade an-
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74 Reckdngh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881). 1
wesenden Fahrgästen ausgesprochene Gotteslästerung ist
als eine öffentliche anzusehen.
Nach §. 166. St.-G.-B. wird mit Gefängniss bis zu drei Jahren
bestraft, »wer dadurch, dass er öffentlich in beschimpfenden A ens-
»serungen Gott lästert, ein Aergerniss gibt.« Der Begriff der
Oeffentlichkeit ist im St.-G.-B. nicht definirt, sondern nach den Mo-
tiven zu §. 110. soll es der Beurtheilung des Richters überlassen
sein, nach der Art des Verbrechens oder den Umständen die Oeffent-
lichkeit anzunehmen. Insbesondere soll das Merkmal des »öffent-
lichen Ortes« nicht mehr wie im früheren preuss. St.-G.-B. §§. 36,
135. für den Begriff der Oeffentlichkeit entscheidend sein und »eine
»nur für die Wahrnehmung gewisser Personen bestimmte und, von
»Zufälligkeiten abgesehen, auch nur von diesen bemerkbare Hand-
»lung nicht als öffentliche anzusehen sein.« * Als den Grund der
Strafbestimmung bezeichnen die Motive: die Verletzung des religiösen
Gefühls Anderer, das »Aergerniss,« also eine Injurie gegen Menschen,
nicht wie das frühere preuss. St.-G.-B. die Gotteslästerung selbst,
die Injurie gegen Gott. — Im vorliegenden Fall hatte der Ange-
klagte in dem zwischen E. und D. fahrenden, mit Fahrgästen voll
besetzten Omnibus eine gotteslästerliche Aeusserung gethan; und
zwar war in dem Urtheil des Landgerichts nicht festgestellt, dass
die Aeusserung etwa zu einer Privatunterhaltung gehört habe, welche
der Angeklagte mit bestimmten andern Individuen führte und nur
diesen galt, vielmehr thatsächlich erwogen, sie sei »den zufällig in
»einem Omnibus versammelten Fahrgästen gegenüber,« also dem in
einem öffentlichen Fuhrwerk versammelten Publikum schlechthin
gegenüber gefallen. — Das Reichsgericht erachtet mit Recht durch
diese Feststellung den Begriff der Oeffentlichkeit für gegeben, und
den zufälligen Umstand, dass die Zahl der im Wagen anwesenden
Fahrgäste eine räumlich begrenzte war und dass der Wagen sich
gerade im Fahren befand, so dass die Aeusserung nur von den In-
sassen gehört werden konnte, für den Begriff der Oeffentlichkeit un-
erheblich.
11) Urtheil vom 27. Mai 1881 (Rechtspr. Strafs. III'. S. 333):
Ein protestantischer Pfarrer, welcher eine Sonntagsschule
leitet, handelt in Ausübung seines Berufes. Das ihm Vor-
gesetzte Consistorium kann also für ihn.wegen Beleidigung
Strafantrag stellen.
Ein protestantischer Pfarrer war von dem Angeklagten in Be-
ziehung auf seine Thätigkeit als Leiter einer Sonntagsschule belei-
digt worden, weshalb nach §. 196. St.-G.-B. das Consistorium der
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Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881). 75
Provinz Brandenburg Strafantrag stellte. Das Landgericht B. stellte
aber das Verfahren ein, weil das Consistorium zum Strafantrag nicht
befugt sei, da als Leiter oder Lehrer von Sonntagsschulen auch Per-
sonen fungiren können, welche nicht protestantische Pfarrer sind.
Das Reichsgericht aber hält die von der Staatsanwaltschaft einge-
legte Revision für begründet und hebt das erste Urtheil auf, weil
.der Oberkirchenrath und das Consistorium in einer Menge von
Rundschreiben den sämmtlichen Geistlichen die Sonntagsschule als
eine für das evangelische Gemeindeleben segensreiche Einrichtung
empfohlen hätten und diese Rundschreiben in die Competenz des
Oberkirchenraths und Consistoriums fielen; hieraus folge, dass der
beleidigte Pfarrer bei der Schule in seiner Eigenschaft als Religions-
diener tbätig und auch in dieser Thätigkeit dem Consistorium als
seiner Vorgesetzten Behörde unterstellt sei. — Das Urtheil erscheint
nicht richtig. — Nach dem westfälischen Frieden war zwar die
Schule ein annexum religionis. Aber nach der Lage der heutigen
Gesetzgebung in Preussen wird doch wohl Niemand behaupten wol-
len, dass das Schulwesen zum Amtsbereich der Religionsdiener ge-
höre. Die Sonntagsschuleu machen hievon keine Ausnahme. Nach
der Auskunft der Minister des Innern und des Cultus sind die unter
dem Namen Sonntagsschulen eingerichteten Kindergottesdienste als
Vereinigungen zu religiösen Uebungen anzusehen, und begründet die
Uebernahme der Function als Leiter oder Lehrer einer Sonntags-
schule für sich allein nicht die Eigenschaft als Religionsdiener oder
Beamter im Sinne der §§. 196, 359. St.-G.-B. Das Reichsgericht
gesteht hinsichtlich der Lehrer an der Sonntagsschule auch ausdrück-
lich zu, dass sie die Thätigkeit nicht als Beamte oder als Religions-
diener übernommen haben. Worin liegt denn aber der begriffliche
Unterschied von den Leitern ? Müssen dies nothwendig Pfarrer sein ?
Nein! Oder muss jeder Pfarrer eine Sonntagschule halten? Aber-
mals nein ! Dann fällt dieselbe auch nicht in ihren Amtskreis. Den
hohen Reichsrichtern würde dies vermuthlich klar geworden seiu,
wenn es sich um einen katholischen Geistlichen gehandelt hätte.
Wenn derselbe z. B. einen Gesellenverein leitet und die Gesellen zu
religiösen Uebungen vereinigt, übt er damit ein Amt aus?
12) Urtheil vom 27. Mai 1881 (Rechtspr. Strafs. III. S. 336):
Der Trauungs-Geistliche kann sich den Nachweis der vor-
hergegangenen bürgerlichen Eheschliessung nicht blos
durch Bescheinigung des Standesbeamten, sondern auch
durch mündliche Versicherung beliebiger anderer Personen
erbringen lassen.
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76 Rechlingh. Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881).
Der Angeklagte hatte die kirchliche. Einsegnung einer Ehe
vollzogen, ohne dass dieselbe zuvor vor dem Standesbeamten ge-
schlossen war und ohne dass ihm eine nach §. 54. Reichsges. vom
6. Febr. 1875 von dem Standesbeamten auszustellende Bescheinigung
vorlag. Deshalb nach §. 67. cit. Ges. strafrechtlich verfolgt, berief
er sich daranf, dass die Verlobte und eine Zeugin ihm versichert
hätten: die Ehe sei bereits vor dem Standesamt geschlossen und der
junge Ehemann habe nur vergessen, den ihm darüber ausgestellten
Schein mitzubringen. Das Landgericht sprach in der That den An-
geklagten frei, weil nicht nachgewiesen, dass er in dem Betcussiseiv
gehandelt, der zu verlangende Nachweis sei überhaupt nicht oder
nicht in zureichender Weise geliefert. Dagegen Revision des Staats-
anwalts. Das Reichsgericht verwirft die Revision und belässt es bei
der Freisprechung, weil sich aus der Entstehungsgeschichte des Per-
sonenstands-Gesetzes ergebe, dass die bürgerliche Eheschliessung nicht
erst, wie früher in Prenssen, durch Eintragung in das Heirathsre-
gister (Literalform), sondern durch den Akt selbst (§. 52.) erfolge,
so dass der Eintrag in das Heirathsregister und die Ausstellung einer
Bescheinigung (§. 54.) nicht mehr die Eheschliessung selbst ent-
halten (sic!), sondern nur die Beurkundnngsmittel der Eheschliessung
sind. Dieser gelehrten Ausführung folgt dann noch die Bemerkung,
dass culpose Dienstvergehen in den Reichsgesetzen nur ausnahms-
weise bestraft werden, und der §. 67. cit. nicht ausdrücklich fahr-
lässiges Handeln des Geistlichen bedrohe. — Das Urtheil kann für
richtig nicht erachtet werden. Ob die Ehen in Preussen früher durch
Eintragung in das Heirathsregister geschlossen -wurden, wie der hohe
Reichsrichter sagt, wollen wir dahin gestellt sein lassen. Bisher
nahm man an, dass sie durch Consensus der Contrahenten geschlossen
würden. Doch lassen wir diese Abschweifungen ebenso bei Seite, wie
die über dolus und culpa. Denn es kommt lediglich auf die Frage
an , durch welche Beweismittel dem Geistlichen nachzuweisen ist,
dass die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen worden. Hierüber
ergeben die Motive und die Reichstagsverhandlungen nichts. Im
Gesetz aber ist kein anderes Beweismittel erwähnt, als die nach
§. 54. von dem Standesbeamten auszustellende Bescheinigung. An-
dere Beweismittel (Zeugen, Urkunden, Eid) sind durch die Natur
der Sache ausgeschlossen, weil dem Geistlichen die Qualität fehlt,
diese Beweismittel zu erheben. Oder soll er wie ein Richter die
Zeugen vereiden, die Urkunden würdigen und Parteieneide zulassen?
Soll seine freie Beweiswürdigung sogar soweit gehen, dass er unbe-
eidete Zeugnisse für wahr annehmen darf? Letztere Monstruosität
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Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881). 77
wird in der That vom Reichsgericht behauptet. Dass hiebei der
Zweck des Gesetzes, die obligatorische Civilehe (§§. 1 und 41.) nicht
bestehen kann, liegt auf der Hand. Ob es sich im vorliegenden
Pall um einen katholischen oder protestantischen Geistlichen gehan-
delt hat, wird nicht gesagt. Vermuthlich um einen protestantischen.
13) Urtheil vom 2. Juni 1881 (Rechtspr. Strafs. III. S. 365):
Der Charfreitag ist in Bayern kein allgemeiner Feiertag
im Sinne des §. 43. Abs. 2. Str.-Proc.-O.
Der Angeklagte, ein Katholik, hatte gegen das ihn verurtei-
lende Urtheil des bayerischen Landgerichts T. vom 8. April 1881
am 16. April ejd. Revision eingelegt, also einen Tag nach der in
§. 381. Str.-Pr.-O. bestimmten einwöchentlichen Frist. Das Land-
gericht T. wies die Revisionsanmeldung als verspätet und deshalb
unzulässig zurück. Hiegegen erfolgte Beschwerde des Angeklagten
an da9 Revisionsgericht, das Leipziger Reichsgericht, welche sich
darauf gründete, dass der 15. April Charfreitag ein »allgemeiner
Feiertag« im Sinne des §. 43. Abs. 2. Str.-Pr.-O. gewesen, daher
die Frist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages abgelaufen
sei; insbesondere machte der Angeklagte geltend, dass der Postver-
kehr an seinem Wohnort am Charfreitag laut Anordnung der Post-
behörde geruht habe, so dass er seine Revisionsanmeldung an diesem
Tage nicht habe expediren köunen. — Das Reichsgericht verwirft
die Beschwerde, indem es ausführt: Die »allgemeinen Feiertage«
seien reichsgesetzlich nicht bestimmt und also nach landesrechtlichen
Vorschriften zu entscheiden. Man verstehe darunter nicht allein die
als allgemeine Feiertage von den drei in Bayern recipirten christ-
lichen Confessiouen gleicherweise gefeierten und durch Gesetz oder
Verordnung anerkannten, sondern auch alle diejenigen Tage, an wel-
clieu an einem bestimmten Ort in den öffentlichen und bürgerlichen
Angelegenheiten zufolge staatlicher Anordnung oder Gestattung Ge-
achäftsruhe herrscht. Hiezu gehöre aber der Charfreitag im Bezirk
des Landgerichts T. nicht. Denn derselbe habe eine weitaus über-
wiegende katholische Einwohnerschaft, und nach Auskunft des Land-
gerichts ruhen dort am Charfreitag die Gerichtsgeschäfte nicht. Die
für den Postverkehr getroffene Anordnung sei für die Berechnung
der bei den Gerichten wahrzunehmenden Fristen nicht massgebend.
Auch die bayerische Verfassungsurkunde ergebe kein anderes Re-
sultat ; denn daraus, das3 die im Königreich Bayern bestehenden drei
christlichen Kirchengesellschaften gleiche bürgerliche und politische
Rechte geniessen, folge keineswegs, dass die Feiertage der einen
Confession von der andern mitgehalten werden müssen, zumal das
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78 Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881).
Religionsedict (Beilage II. der Verfassungsurkunde) in §§. 80. 82. das
Gegentheil ergebe. Am wenigsten könne Angeklagter als Katholik
in einem katholischen Gerichtsbezirk sich auf den Charfreitag als
besonderen Feiertag seiner Confession berufen. — Wir freuen uns,
hier endlich ein Urtheil gefunden zu haben, welches der Kritik
Stand hält. - -
14) Urtheil vom 2. Nov. 1880 (Entsch. Reicbsger. Strafs. II.
S. 398): Der Tag Epiphanias (h. drei Könige 6. Januar)
ist in der Provinz Westpreussen kein allgemeiner Feier-
tag im Sinne des §. 681. Civ.-Pr.-O. An diesem Tage
dürfen dort also Zwangsvollstreckungen stattfinden.
Im Bezirk des Amtsgerichts Marienburg (Westpreuseen) hatte
der Angeklagte gegen die von einem Gerichtsvollzieher am 6. Januar
1880, dem katholischen Feiertag Epiphanias, vollstreckte Mobiliar-
execution Widerstand geleistet (Vergehen nach §. 113. St.-G.-B.).
Deshalb vor Gericht gestellt, machte der Angeklagte zu seiner Yer-
theidigung geltend, dass der Gerichtsvollzieher sich nicht in der
rechtmässigen Ausübung seines Amtes befunden habe, weil die Voll-
streckung an gedachtem Tage ohne besondere Erlaubniss des Amts-
richters gesetzwidrig gewesen sei. Der erste Richter constatirte,
dass die Bevölkerung der Grünhagener Gegend, wo die Execution
stattfand, überwiegend katholisch, daher dort der katholische Feier-
tag Epiphanias ein »allgemeiner Feiertag« sei, an welchem nach
§. 681. Civ.-Pr.-O. keine Execution erfolgen durfte, und sprach den
Angeklagten frei. — Das Reichsgericht dagegen hat das erste Ur-
theil aufgehoben, weil das Fest Epiphanias kein »allgemeiner Feier-
tag« gewesen sei. Die Bedeutung dieses Ausdrucks sei aus dem
Landrecht zu entnehmen und bestehe darin, dass in den öffentlichen
und bürgerlichen Angelegenheiten Geschäftsruhe herrsche. Wegen
dieser das Gemeinwesen wie auch Privatrechte berührenden Wirkung
sei die staatliche Anordnung oder Anerkennung erforderlich , wie
§. 35. II. 11 A. L. R. ausdrücklich bestimme. Der Tag Epiphanias
aber sei weder für Wechselrecht noch für die zumeist von Katho-
liken bewohnte Rheinprovinz (sic !) als allgemeiner Feiertag aner-
kannt. Allerdings sei durch Verf. des Oberland.-Ger.-Präs. zu Ma-
rienwerder vom 20. April 1880 den Gerichten des Bezirks das
Justizmiu. Rescr. vom 12. Mai 1843 in Erinnerung gebracht, wonach
jn Westpreussen an den bezeichnten sieben gebotenen katholischen
Feiertagen, darunter auch am Epiphaniastag, keine Termine für
Katholiken anberaumt und an rein katholischen Orten von den Ge-
richtsbehörden womöglich Geschäftsruhe beobachtet, besonders aber
Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881). 79
keine öffentliche Licitation abgehalten werden sollen. Aber dieses
Rescript sei lediglich eine Geschäftsiustruction und bringe gerade
deutlich zum Ausdruck, dass der Epiphaniastag kein allgemeiner
Feiertag sei. In demselben Sinne bestimme auch das Just.-Min.-
Rescr. vom 12. April 1850, dass in allen Provinzen, wo die Verord-
nung vom 3. Januar 1849 Geltung habe, an den gedachten sieben
katholischen Feiertagen keine öffentlichen Sitzungen oder Licitationen
abgehalten werden sollen; und in demselben Rescript werde aus-
drücklich ausgesprochen, dass diese sieben katholischen Feiertage
nicht zu den gesetzlichen Feiertagen zu rechnen seien. — Das Reichsge-
richt ist sich über den Punkt, auf den es ankommt, offenbar nicht klar
und schwankt zwischen den Ausdrücken »allgemeiner« und »gesetz-
licher« Feiertag hin und her. Gesetzliche Feiertage gibt es in Preussen
überhaupt nicht, weil es an einer Convention mit dem päpstlichen Stuhl
darüber fehlt. In Frankreich besteht eine solche vom 29. germinal X.
und hat vier Feiertage: Weihnachten, Ascension, Assumption und Aller-
heiligen festgesetzt. Der Staat kann keinen Gottesdienst halten,
also auch keinen Feiertag einführen. Beim Mangel einer Convention
aber hat man in Preussen das Bedürfniss gefühlt, in katholischen
Gegenden den Gewohnheiten der Bevölkerung Rechnung zu tragen,
und das ist der Sinn des Just.-Min.-Rescr. vom 12. Mai 1843 und
12. April 1850, sowie der Oberlandesger.-Verf. vom 20. April 1880.
Ein »allgemeiner« Feiertag ist in diesep katholischen Gegenden der
von der Bevölkerung allgemein gehaltene und von der Kirche ge-
botene Feiertag. Dass hie2u in der Grünhagener Gegend auch der
Epiphaniastag gehört, kann nach der Auskunft des ersten Richters
nicht zweifelhaft sein. Das ürtheil des Reichsgerichts ist also un-
richtig. Die Verhältnisse der Rheinprovinz sind ganz unpassend
herangezogen. Es zeigt sich bei diesem ürtheil wieder, wie bei so
vielen anderen, dass dem Reichsgericht das Verständniss für katho-
lische und überhaupt religiöse Angelegenheiten fehlt.
15) ürtheil vom 20. Januar 1881 (Entsch. Reichsger. Strafe.
III. S. 258) : Ein maigesetzlich angestellter Rendant einer
katholischen Pfarrgemeinde ist ein mittelbarer Staatsbe-
amter.
Der Angeklagte hatte als maigesetzlich angestellter Rendant der
kath. Pfarrkirche zu M. in den J. 1879 und 1880 600 M. Kirchengelder
aus der Sparkasse entnommen und für sich verwendet. Deshalb wegen
Unterschlagung von in amtlicher Eigenschaft in seiner Gewahrsam be-
findlichen Geldern angeklagt (§. 350. St.-G.-B.) war er vom Landge-
richt Aachen nur wegen einfacher Unterschlagung (§. 246. St.-G.-B.)
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80 Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881).
bestraft worden. Das Landgericht erklärte, ihn nicht als Staatsbe-
amten betrachten zu können, weil er Kirchenve rmögen zu verwalten
gehabt habe, welches lediglich kirchlichen Zwecken diene, und weil
Staatszwecke weder dadurch gefördert noch dabei in Betracht ge-
zogen würden; auch aus dem Oberaufsichtsrecht des Staates nach
preuss. Ges. vom 20. Juni 1875 über die Vermögensverwaltung in
den katholischen Kircbengemeinden folge nicht, das3 der Rendant
Staatsbeamter sei. — Da3 Reichsgericht verwirft diese Ansicht und
führt aus: als mittelbare Staatsbeamte stellen sich in Preussen die-
jenigen Personen dar, welche im Dienste einer Gemeinheit stehen,
welche, weil organisch in die Verfassung des Staates eingreifend , der
staatlichen Aufsicht uud Controle unterliegen. Schon das preussische
A. L. R. II. 10. §. 09; 11. §§. 113, 156, 161, 217, 618, 627 habe
eine Oberaufsicht des Staates über die Einkünfte der Kirchen ge-
kannt. Nachdem aber durch Ges. vom 18. Juni 1875 die Art. 15
und 18. der preuss. Verfassung aufgehoben seien, habe das Ges. vom
20. Juni 1875 eine neue Organisation der katholischen Pfarrge-
meinden in vermögensrechtlicher Beziehung geschaffen und die des-
halbigen staatlichen Aufsichtsrechte geregelt. Das Reichsgericht
kennzeichnet sodann aus den Motiven des Gesetzes die geungsam be-
kannte Tendenz desselben gegen die s. g. Uebergriffe des katholi-
schen Klerus und erwähnt, dass nach §. 10. ein nicht zum Kirchen-
vorstand gehöriger Rendant zu den Kirchendienern im Sinne des
Gesetzes vom 12. Mai 1873 gehöre; sogar könnten nach §. 42. Ge-
schäftsanweisungen vom Oberpräsidenten «im Einvernehmen mit dem
Bischof oder an dessen Stelle mit dem bestellten Staatscommissar
erlassen werden ; uud ferner sei nach §§. 50. 52. die staatliche Auf-
sichtsbehörde berechtigt, Einsicht vom Etat zu nehmen und einzelne
Posten zu beanstanden, aucli müsse ihr die Jahresrechnung zur
Prüfung mitgetheilt werden. — Wir haben schon in einem ähnlichen
Falle (vgl. Archiv Bd. 46. S. 36) unsere Ansicht dargelegt und die
in Leipzig herrschende Begriffsverwirrung beklagt. Vom staatsrecht-
lichen Standpunkt aus sind die Kirchengesellschaften principiell nur
Gesellschaften mit Privatrechten oder, wenn der Staat ihnen Cor-
porationsrechte verleiht, wie den katholischen Pfarrgemeinden in
Preussen, privilegirte öffentlich-rechtliche Corporationeu , auf deren
Vermögensverwaltung der Staat vermöge seiner s. g. Kircheuhoheit
(jus circa sacra) vielfachen Einfluss ausübt. Aber dadurch, dass der
Staat sich in diese Verwaltung von Kirchengut eiumischt, wird letz-
teres noch immer kein Staatsgut und wird die Verwaltung noch im-
mer keine Staatsverwaltung; gerade so wenig, wie wenn der Staat
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Recklingh, Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts (1881). 81
aus polizeilichen Rücksichten sich in eine Privateisenbahn-Verwaltung
mischt, dies dadurch eine Staatsverwaltung und die Eisenbahn eine
Staatseisenbahn wird. Allerdings kann der Staat — er hat ja die
physische Gewalt — das Kirchengut confiscireti. Aber so weit gehen
die s. g. Maigesetze in Preussen nicht. Bei diesen Gesetzen handelte
es sich nur um Ausdehnung der Kirchen -Hoheit, der jura circa sacra,
also um Eingriffe in ein dem Staat fremdes Gebiet, nicht um eine
»organisch in die Verfassung des Staates eingreifende Gemeinheit.«
Das Reichsgericht wird durch den Gang des kirchenpolitischen Kampfes
in Deutschland vielleicht einmal eines Besseren belehrt werden. Vor-
läufig ist den Protestanten der Begriff der Kirche verloren gegangen,
und darf man sich daher nicht wundern, dass sie Kirche und Staat
nicht mehr zu unterscheiden wissen, und also auch die Kirchendiener
über einen Kamm mit den Staatsdieneru 8cheeren. Das vorliegende
Urtheil ist leider abermals unrichtig.
Archiv für Kirchenrech». XLVII.
G
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82
VI.
Oesterr. staatskirchliche Erlasse und Entscheidungen.
1. Verordnung der Minister für Cultus und Unterricht und der
Finanzen vom 3. April 1879, betreffend die behördliche Genehmigung
jener Bauführungen, wegen welcher ein Anspruch auf Herabmin-
derung des Religionsfondsbeitragcs gestellt teird.
(Reichsges.-Bl. 1879, Stück XXII. Nr. 55.)
Ballführungen , auf Grund deren ein Anspruch auf Herabmin-
derung des Religionsfondsbeitrages im Sinne der §§. 11 und 12 des
Gesetzes vom 7. Mai 1874 (R. G. Bl. Nr. 51), dann der §§. 4, 9.
Alinea 5 und 34 der Ministerialverordnung vom 25. März 1875
(R. G. Bl. Nr. 39) gestellt werden soll, sind vor der Inangriffnahme
der zur Bemessung des Beitrages zuständigen Landesbehörde , in
Fällen dringlicher Art aber der politischen Bezirksbehörde, in deren
Sprengel das Bauobject liegt, zur Genehmigung anzuzeigen.
Ausgenommen hiervon sind nur jene Baufälle, in denen nach-
gewiesen werden kann, dass die Nothweudigkeit des Baues und die
Kostenziffer bereits durch ein anderweitiges behördliches Erkenntniss
festgestellt worden ist.
In diesem Falle verbleibt es hinsichtlich der Frist zur Anzeige
bei der Ministerial- Verordnung vom 4. Januar 1878 (R. G. Bl. Nr. 7).
Die Landes- resp. die politische Bezirksbehörde hat die Ge-
nehmigung nur dann auszusprechen , wenn die Bauführung zur Er-
haltung der Vermögenssubstanz oder zum rationellen Betriebe der
Wirtschaft erforderlich erscheint. Ist dieselbe durch ein Verschul-
den des beitragspflichtigen Subjectes notwendig geworden , so hat
die Genehmigung nur mit dem Vorbehalte zu erfolgen, dass für die-
selbe in erster Linie das freie Einkommen des schuldtragenden kirch-
lichen Besitzers aufzukomraen hat.
In allen Fällen, wo durch die Genehmigung eine Abschreibung
an dem gesetzlich bemessenen Religionsfondsbeitrage herbeigeführt
werden kann, welche die in dem Ministerialerlasse vom 4. December
1878, Z. 18526 bezeichnete Summe übersteigt, sind die Acten vor
der Genehmigung, in dringenden Fällen aber unmittelbar nach der-
selben dem Ministerium für Cultus und Unterricht zur Entscheidung
vorzulegen.
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Verordnung des Min. für Cultus und Unterricht v. 15. April 1S79. 83
Wurde die Genehmigung nicht erwirkt, so geht dadurch jeder
Anspruch auf Berücksichtigung des betreffenden Aufwandes bei Be-
messung des Religionsfondsbeitrages verloren.
Stremayr m. p.
2. Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 15. April
1879, wodurch das Ucbereinkommen zwischen der h. k. österr. und
der kgl. sächsischen Regierung, hctr. die Regelung des Pcrsonalstandes,
dann der kirchlichen und SchulverhäUnisse auf kgl. sächsischem Ge-
biete in Verwendung stehenden österreichischen Zoll- und Eisenbahn-
Bediensteten, kundgemacht wird.
(Rciclisgcs.-Bl. 1879, Stück XXII, Nr. 57.)
Die k. k. österr. und die kgl. sächs. Regierung sind mittelst
Austausches gleichlautender Ministerialerklärungen dd. 21. Januar,
bezüglich 5. Februar 1879, wegen Regelung der Personalstandes-,
dann der kirchlichen und Schulverhältnisse der auf kgl. sächs. Ge-
biete in Verwendung stehenden österreichischen Zoll- und Eisenbahn-
Bediensteten über nachstehende Punkte übereiugekommen :
1. Form der Eheschliessung.
Für die Form der Eheschliessuug der bezeichneten Angestellten
und der mit ihnen gemeinschaftlich lebenden Angehörigen siud nur
die im Königreiche Sachsen geltenden Staatsgesetze massgebend.
2. Erfordernisse der Eheschliessung.
Bei der Beurtheilung der gesetzlichen Befähigung der betref-
fenden Angestellten zur Eheschliessung sind in erster Linie die-
jenigen Bestimmungen der im Königreiche Sachsen geltenden Staats-
gesetze, welche Verbote absolut zwingender Natur enthalten, zu be-
rücksichtigen. Hiervon abgesehen, sind die hierbei in Betracht kom-
menden bürgerlichen (einschliesslich der dienstlichen und polizei-
lichen) Vorschriften des Landes zur Richtschnur zu nehmen, dem
der Angestellte angehört.
Es ist von den bezeichneten Angestellten dann, wenn sie im
Königreiche Sachsen mit einer Sächsin oder anderen Reichsangehöri-
gen oder Ausländerin eine Ehe schliessen wollen, der Nachweis zu
erbringen, dass die beabsichtigte Eheschliessuug mit den bürger-
lichen und den polizeilichen Vorschriften des im österreichischen
Reichsrathes vertretenen Landes, dem sie angehören, im Einklänge
steht und soweit es im einzelnen Falle einer dienstlichen Ehebewil-
ligung überhaupt bedarf, auch von ihrer Dienstbehörde genehmigt
worden ist.
6 *
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84 Verordnung dea Min. für Cultus und Unterricht v. 15. April 1619.
3. Beurkundungen der Eheschliessungen, Geburten und Sterbefälle.
Für die Beurkundung der Eheschliessung, Geburten und Sterbe-
fälle sind die im Königreiche Sachsen geltenden Staatsgesetze mass-
gebend.
Die im Königreiche Sachsen bestehende Einrichtung, nach
welcher
a) die königl. sächsischen Standesbeamten, wenn in ihrem Standes-
amtsbezirke Personen, welche nicht dem sächsischen Staate
angehören, ohne Hinterlassung von in Sachsen lebenden Leibes-
erben verstorben sind, innerhalb vier Wochen nach Eintritt des
Todesfalles eine Sterbeurkunde kostenfrei auszufertigen und an
die Vorgesetzte Aufsichtsbehörde einzureichen haben und
!>) dieser Todtenschein nach vorgängiger Beglaubigung durch die
dein Standesbeamten Vorgesetzte Behörde an das kgl. sächsische
Ministerium des Innern einzureichen und durch dasselbe an das
kgl. sächsische Ministerium des Auswärtigen zur Weiterbe-
förderung an die Regierung des betreffenden Heimathsstaates
abzugeben ist,
wird in der Voraussetzung der Reciprocität hierdurch auf die stempel-
und gebührenfreie Ausstellung und Mittheilung von Matrikelscheinen
über die innerhalb des Königreiches Sachsen erfolgenden Ehe-
schliessungen und Geburten der bezeichneten Angestellten und deren
Kinder erstreckt.
4. Taufe, Trauung, Beerdigung und sonstige pastorale Functionen.
Zur Vornahme dieser Acte ist der parochus domicilii der be-
treffenden Confession berechtigt.
5. Parochial-Verpflichtungen.
Bezüglich der parochialen Verpflichtungen der mehrfach be-
zeichneten Angestellten sind die Bestimmungen massgebend, welche
an dem jeweiligen Aufenthaltsorte der betreffenden Angestellten
hierüber gelten.
6. Leichentransporte.
Es wird unter Voraussetzung der Reciprocität von der königl.
sächsischen Regierung das Verführen der Leichen der betreffenden
Angestellten und der mit ihnen zusammenwohnenden Angehörigen
bis an die Staatsgrenze gebührenfrei (einschliesslich der stempelfreien
Ausfertigung der Leichenpässe) in den Fällen gestattet, in welchen
a) durch ein von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes, bei dem
Leichentransporte zur Legitimirung dienendes Zeugniss bestä-
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Oesl. Reichsger., 20. April 1880: Relig.-Ueb. n. anerk. Rel.-Ges. 85
tigt wird, dass der Tod nicht in Folge oder im Geleite einer
ansteckenden Krankheit stattfand und der Zustand der Leiche
nach dem Befunde des die Leichenbeschau vornehmenden Arztes
keine besonderen sanitätspolizeilichen Vorkehrungen rücksicht-
lich der Versargung, die jedoch stets in einem gut verpichten
Sarge aus hartem Holze oder aus Metall zu bewerkstelligen
ist, erfordert und in welchen
b) die Wegestrecke, welche der Leichentransport bis zur Staats-
grenze zurückzulegen hat, unter 15 Kilometer beträgt.
7. Schulpflicht.
Die königl. sächsische Regierung ertheilt unter der Voraus-
setzung der Reciprocität, im Voraus ein für alle mal die Genehmigung
dazu, dass die Kinder der hier in Rede stehenden Angestellten,
welche in Grenzbezirken wohnhaft und iu Schulen des Königreiches
Sachsen gehörig sind, ohne besondere Zustimmung der obersten
Schulbehörde benachbarte, nicht sächsische Schulen besuchen.
Die königl. sächsische Regierung wird auch , ebenfalls unter
der Voraussetzung der Reciprocität, die mebrbezeichneten Angestellten
rücksichtlich des Privatunterrichtes ganz wie Inländer behandeln,
ihnen also die nämlichen Vergünstigungen zugestehen, welche für die
Inländer §. 4. der Ausführungsverordnung zum Volksschulgesetze vom
25. August 1874 enthält.
Stremayr m. p.
3. Reichsgerichtliche Entscheidung vom 20. April 1880 über die Un-
zulässigkeit der Theilnahme schulpflichtiger, einer gesetzlich aner-
kannten Rcligionsgenossenschaft angehörigen Kinder an den häus-
lichen Religionsübungen einer gesetzlich nicht anerkannten Reli-
gionsgenossenschaft.
(Wiener Diöcesan-Blatt 1881 Nr. 9.)
Das k. k. Reichsgericht hat über die Beschwerde des Franz N.,
Colporteur in P. , im eigenen und im Namen seiner minderjährigen
Kinder Alois und Wenzel vom 15. Februar d. J. Z. 33 R. G. und
die darin gestellte Bitte um Erkenntniss : »durch den Erlass des k.
k. Ministeriums für Cultus und (Jnterricht vom 8. December v. J.
'L. 13169, insoferne durch denselben verfügt wird, dass von den
durch Franz N. zu veranstaltenden, auf die Familie des Veranstal-
ters und auf die von ihm hiezu speciell geladenen Gäste beschränkten
häuslichen Religionsübungen , schulpflichtige einer gesetzlich aner-
kannten Kirche oder Religionsgenossenschaft angehörige Kinder aus-
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86 Oest. Reichsger., 20. April 1880: Relig.-Ueb. n. anerk. Rel.-Ges.
geschlossen bleiben , habe eine Verletzung der dem Franz N. durch
das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 über die allgemeinen
Hechte der Staatsbürger (Nr. 142 R.-G.-Bl.) gewährleisteten poli-
tischen Rechte, namentlich
1. in der Freiheit der Person (Art. VIII. St.-G.-G. vom 21. De-
cember 1867 Z. 142 R.-G.-Bl.);
2. in dem Rechte, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen
Schranken frei zu äussern (Art. XIII. St.-G.-G. vom 21. December
1867 Z. 142 R.-G.-Bl.);
3. in der vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. XIV.
St.-G.-G. vom 21. December 1867 Z. 142. R.-G.-Bl.); und
4. in dem den Anhängern eines gesetzlich anerkannten Reli-
gionsbekenntnisses gewährleisteten Rechte der häuslichen Religions-
übung, insofernc dieselbe weder gesetzwidrig noch sitten verletzend
ist (Art. XVI. des St.-G.-G. vom 21. December 1867 Z. 142 R.-G.-Bl.)
und eine Verletzung der den minderjährigen Alois und Wenzel N.
durch das Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 Z. 142 R.-G.-B1.
gewährleisteten Rechte, namentlich
1. der Freiheit der Person (Art. VIII. St.-G.-G. vom 21. De-
cember 1867 Z. 12 R.-G.-Bl.) ;
2. in dem Rechte, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen
Schranken frei zu äussern (Art. XIII. St.-G.-G. vom 21. December
1867 Z. 142 R.-G.-Bl.); und
3. in der vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. XIV.
St.-G.-G. vom 21. December 1867 Z. 142 R.-G.-B1.) — stattge-
funden,« nach Anhörung des Advocaten Herrn Dr. 0. als Vertreter
des Beschwerdeführers und des Herrn Ministerial-Secretärs Dr. Ritter
von Sp. in Vertretung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unter-
richt zu Recht erkannt: durch Erlass des k. k. Ministeriums für
Cultus und Unterricht vom 8. December 1879 Z. 13169 hat eine
Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter politischer Rechte des
Beschwerdeführers oder seiner minderjährigen Kinder Alois und
Wenzel N. nicht stattgefunden.
Gründe: Der Beschwerdeführer hält sich durch die mit dem
Erlasse des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 8. De-
cember 1879 Z. 13169 im Einverständnisse mit dem k. k. Mini-
sterium des Innern verfügte Ausschliessung von schulpflichtigen,
einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgenossenschaft an-
gehörigen Kindern von den durch ihn zu veranstaltenden häuslichen
Andachtsübungen einer gesetzlich nicht anerkannten Glaubensge-
nossenschaft angehörigen oder dazu speciell geladenen anderen Per-
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Gest. Reichsger., 20. April 1880: Relig.-Veb. n. anerk. Rel.-Ges. 87
sonen in den durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Staats-
bürgerrechte vom 21. December 1867 Nr. 142 R.-G.-Bl. in den
Art. VIII, XIII, XIV und XVI. verfassungsmässig anerkannten
liechten und nicht minder seine beiden schulpflichtigen Kinder Alois
und Wenzel N. in den durch das gedachte St.-G.-G. Art. VIII, XIII
und XIV. anerkannten Rechten für verletzt.
Es bedarf zuvörderst keiner eingehenderen Auseinandersetzung,
dass die Art. VIII, XIII und XIV. des bezogenen Staatsgrundge-
setzes mit der angefochtenen Ministerial-Entscheidung nichts zu
thun haben.
Denn was den Art. VIII. anbelangt, so geht sowohl aus dem
Wortlaute desselben als aus dem, für einen Bestandteil dieses Ar-
tikels erklärten Gesetze vom 27. October 1862 Nr. 87 R.-G.-BI. her-
vor, dass sich derselbe lediglich auf die physische Freiheit der Per-
son, keineswegs aber auf die durch eine blosse Untersagung herbei-
geführte moralische Beschränkung der Handlungsfreiheit bezieht.
Wäre Letzteres der Fall — was freilich eine ganz andere Fassung
des betreffenden Artikels heischen würde — so wäre der grössere
Theil der übrigen Artikel des angerufenen Staatsgrundgesetzes ganz
überflüssig.
Ebensowenig findet Art. XIII. desselben im vorliegenden Falle
Anwendung, da nicht abzusehen ist, wieso der Beschwerdeführer oder
dessen beide Kinder durch den beanständeten Ministerial-Erlass in
ihrer freien Meinungsäusserung beschränkt worden wären.
Gleiches gilt von der im Art. XIV. gewährleisteten Glaubeus-
und Gewissensfreiheit.
Zwar behauptet der Beschwerdeführer, dass sich die Glaubens-
freiheit eben auch in der Theilnahme an den häuslichen Andachts-
übungen äussern könne.
Dieses Argument findet zunächst auf den Beschwerdeführer
selbst keine Anwendung, der ja durch den Ministerial-Erlass in der
persönlichen Theilnahme an den häuslichen Andachtsübungen, ja in
der Veranstaltung derselben in keiner Weise' behindert ist.
Was aber die beiden Kinder des Beschwerdeführers betrifft, so
mag hier davon abgesehen werden, inwieferne die allgemeinen Staats-
bürgerrechte überhaupt von Kindern und Unmündigen in Anspruch
genommen werden können, und inwieferne diess insbesondere von der
Glaubensfreiheit in Hinblick auf das Gesetz vom 25. Mai 1868
Nr. 49 R.-G.-Bl. gilt.
Allein die Frage, welchen Personen ein verfassungsmässig ge-
währleistetes Recht zur Theilnahme an den religiösen Versammlungen
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88 Nied.-öslerr. Statth., 18. Sept. 1880: Accordprot. bei Kirchenbau
gesetzlich nicht anerkannter lidigionsgenossenschaften zusteht, kann
überhaupt nicht aus dem allgemeinen und verschiedener Interpre-
tation fähigen Grundsätze der Glaubens- und Gewissensfreiheit, son-
dern nur aus dem Art. XVI. des in Rede stehenden Staatsgrundge-
setzes, als der lex specialis, erlediget werden.
Durch diesen Artikel ist aber ein verfassungsmässiges Recht
der Theilnahme an der häuslichen Religionsübung nur dm Anhängern
des betreffenden gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses,
den Glaubensgmossm und nicht auch dritten, diesem Bekenntnisse
nicht angehörigen Personen eingeräumt. Mag daher eine solche Be-
fugniss immerhin aus allgemeinen Principien, wie etwa, dass erlaubt
sei, was nicht verboten ist — abgeleitet werden: ein verfassungs-
mässig gewährleistetes Recht anderer Personen als der betreffenden
Glaubensgenossen zur Theilnahme an der häuslichen Religionsübung
ist durch das angerufene Staatsgrundgesetz nicht statuirt, woraus
folgt, dass in der Einschränkung jener Befugniss eine Verletzung
verfassungsmässig gewährleisteter Rechte nicht liegen kann.
Was aber insbesondere schulpflichtige Rinder anbelangt, also
Kinder, die sich in einem Alter befinden, in welchem der Wechsel
des Religionsbekenntnisses ausgeschlossen und der Unterricht in ihrem
Bekenntnisse gesetzlich vorgeschrieben und unter öffentliche Ueber-
wachung gestellt ist; so kann das Recht der obersten Leitung des
Unterrichts Wesens , dafür zu sorgen, dass religiöse Beirrung von
ihnm abgehaltm werde, nicht in Zweifel gezogen werden. Demnach
musste die Beschwerde abgewiesen werden.
4. Accordprotocolle bei Kirchen- und Pfarrhofbaidichkeitm in Nieder-
österreich.
(Wiener Diöcesan-Blatt 1880 Nr. 19.)
Die k. k. n. ö. Statthalterei hat am 18. September 1880
Z. 29931 an die k. k. Bezirkshauptmaunschaften in Niederösterreich
(mit Ausnahme von Horn) folgenden Erlass gerichtet:
»Aus Anlass eines speciellen Falles wird der k. k. Bezirks-
hauptmannschaft zur genauen Darnachachtung bekannt gegeben, in
Hinkunft bei eigener Verantwortung dafür Sorge zu treffen, dass in
die anlässlich der Kirchen- und Pfarrhofbaulichkeiten aufzunehmen-
den Accordprotocolle, bei welchen das öffentliche Patronat b.otheiligt
ist, jederzeit, bei Privatpatronaten aber, sobald die Intervention der
politischen Behörde angesucht wird, nachfolgende Bestimmung aus-
genommen werde : »Sollte der Bauunternehmer den ihm contractlich
obliegenden oder aber ihm anlässlich des Collaudirungsactes, welcher
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utn^ilin.-Erl . , 31. März 1881: rel. Erzieh, der Kinder v. Ausl. 89
gegenüber dem Unternehmer als vollen Beweis machende Urkunde
zu gelten hat, aufgetragenen Verpflichtungen nicht rechtzeitig oder
nicht in gehöriger Weise nachkommen, so steht der bauführenden
Kirchenvoretehung das Recht zu, die contractlich bedungene und bis
nun unvollendete Arbeit, beziehungsweise die durch das Collaudirungs-
protocoll festgestellten Nachherstellungen durch wen immer, um was
immer welchen Preis auf seine, des Bauunternehmers Kosten aus-
führen zu lassen und sich rücksichtlich des ihr diessfalls zuge-
flossenen Schadens aus der vom Bauunternehmer erlegten Kaution,
beziehungsweise dessen etwa rückbehaltenen Verdienstbeträgen zahl-
haft zu machen, wobei letzterer die von der k. k. Rechnungsbehörde
ausgestellten Verrechnungsausweise als wider ihn vollkommen Be-
weis machende Urkunden anerkennt.«
»Der Bauunternehmer haftet überdiess in Ansehung des durch
die Kaution , resp. der Verdienstbeträge eventuell nicht gedeckten
Schadenbetrages mit seinem gesammten übrigen Vermögen.«
Die specielle Stipulation, dass der Bauunternehmer für die
durch sein Verschulden nothwendig gewordenen amtlichen Erhebungen
erwachsenen Commissionskosten aus Eigenem aufzukommen hat, ist
in das Accordprotocoll nicht aufzunehmeo, weil sich diese Verpflich-
tung bei Aufnahme der obigen Bestimmung und nach den Bestim-
mungen der Verordnung des h. k. k. Ministeriums für Cultus und
Unterricht ddto. 25. Mai 1859, Nr. 99 R.-G.-Bl. von selbst ergibt,
In jedem Falle wird aber dafür Vorsorge zu treffen sein, dass
der Bauunternehmer zu solchen Erhebungen, um gegen ihn beweis-
machend zu sein, rechtseitig zum Erscheinen eingeladen werde.
5. Das Recht der Ausländer in Bezug auf die confessionelle Er-
ziehung ihrer Kinder.
(Aus den juridischen Blättern.)
Die der israelitischen Religionsgenossenschaft angehörigen, in
Wien domicilirenden Ehegatten A. brachten bei dem Magistrate
Wien ein Gesuch ein, in welchem sie den Austritt ihrer beiden in
Wien geborenen und in der Geburtsmatrik der israelitischen Cultus-
gemeinde Wien eingetragenen, zwei und acht Jahre alten Kinder aus
der israelitischen Religionsgenossenschaft und deren Eintritt in die
evangelische Kirche A. C. mit dem Begehren um Kenntnissnahme
und Verständigung der Seelsorge der israelitischen Cultusgemeinde
in Wien zur Anzeige brachten.
Gestützt wurde dieses Gesuch auf den Nachweis der preussi-
schen Staatsbürgerschaft der Eltern und daher auch der Kinder und
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90 Cult.~yiin.~Erl., 31. März 1881: rel. Erzieh, der Kinder v. Ansl.
weiters auf eine Bestätigung des preussischen Justizministeriums
über die Geltung und den Wortlaut der §§. 74, 75, 78 und 84,
Theil II, Titel 2, des allgemeinen Landrechtes ').
Vom Magistrate Wien wurde das Gesuch mit Bescheid vom
3. October 1880, Z. 240648, abgewiesen, weil »nach den Bestim-
mungen des Gesetzes vom 25. Mai 1868, li.-G.-Bl. Nr. 49, Art. 1,
Alinea 1 , eheliche Kinder der Religion der Eltern zu folgen haben
und nur bei gemischten Ehen den Eltern das Recht zusteht, für die
noch unter sieben Jahren stehenden Kinder das Religionsbekenntuiss
zu ändern.«
Der Grund, warum der Magistrat das österreichische Recht und
nicht das im Gesuche allein berufene preussische Landrecht als mass-
gebend erachtete, wurde im Bescheide nicht bekanntgegeben.
Die n. ö. Statthalterei bestätigte über Recurs mit Erlass vom
4. November 1880, Z. 40054, die Entscheidung des Magistrates aus
dessen Gründen »und in Erwägung, dass nach §. 2. der Ministerial-
Verordnung vom 13. Januar 1869, R.-G.-Bl. Nr. 13, das Gesetz
vom 25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 49, auch auf Ausländer Anwen-
dung findet.«
Dem wider letzteren Erlass eingebrachten Ministerialrecurse gab
das Ministerium für Cultus und Unterricht mit Erlass vom 31. März
1881, Z. 2045, statt, und zwar mit folgender Begründung:
»Die Recurrenten sind preussische Staatsangehörige und ihre per-
sönliche Fähigkeit zu Handlungen und Geschäften ist sonach gemäss
§. 37. im Zusammenhalte mit §. 4. allg. bgl. Gesetzb. nach preuss. Rechte
zu beurtheilen. Die Wahl des Religionsbekenntnisses für die minder-
jährigen Kinder erscheint aber als ein Act der persönlichen Hand-
lungsfähigkeit, bezw. als ein Ausfluss der elterlichen, insbesondere
der väterlichen Gewalt und es sind daher im vorliegenden Falle die
bezüglichen Vorschriften des preussischen Gesetzes und nicht die
1) Theil II. Titel 2.
§. 74. Die Anordnung der Art, wie das Kind erzogen werden soll,
kommt hauptsächlich dein Vater zu.
§. 75. Dieser muss vorzüglich dafür sorgen , dass das Kind in der
Religion und nützlichen Kenntnissen den nöthigen Unterricht nach
seinem Stande und Umständen erhalte.
§. 78. So lange jedoch Eltern über den ihren Kindern zu ertheilen-
den Religionsunterricht einig sind, hat kein Dritter das Recht, ihnen
zu widersprechen.
§. 84. Nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre hingegen steht es
lediglich in der Wahl der Kinder, zu welcher Religionspartei sie sich
bekennen wollen.
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Cult. -Min.- Erl., 31. März 1381: rel. Ersieh, der Kinder v. Ausl. 91
materiell rechtlichen Bestimmungen des die interconfessionellen Ver-
hältnisse der österreichischen Staatsbürger regelnden Gesetzes vom
25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 49, in Anwendung zu bringen. Hieran
kann auch durch die Beziehung des §. 2. der Ministerial-Verordnung
vom 18. Januar 1869, R.-G.-BI. Nr. 13, wonach die Competenz der
Behörde zur Entgegennahme der Austrittserklärung nicht durch die
österreichische Staatsbürgerschaft bedingt ist, nichts geändert werden,
weil diese Verordnung, abgesehen davon, dass selbe ausdrücklich nur
zur Ausführung der mit dem vorliegenden Falle in gar keinem Zu-
sammenhang stehenden Artikeln 4, 5 und 6. des citirten Gesetzes
erlassen wurde, lediglich Formalbestimmungen hinsichtlich des Ueber-
trittes normirt, welchen auch alle in Oesterreich lebenden Fremden,
ohne Beeinträchtigung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit, schon
aus dem Grundsätze locus regit actum unterworfen erscheinen, und
weil hievon abgesehen der bezogene Paragraph überhaupt nur eine
Competenzbestimmung enthält, welche als solche ganz ungeeignet
erscheint, bei der Entscheidung materieller Rechtsfragen hereinge-
zogen zu werden. Da nun die Recurrenten in Betreff der Ausübung
der aus der väterlichen Gewalt entspringenden Befugnisse, speciell
der religiösen Erziehung ihrer Kinder, nach den bezüglichen Bestim-
mungen des preussischen Rechtes zu beurtheilen sind und durch die
von ihnen beigebrachte Bestätigung des königlich preussischen Justiz-
ministeriums vom 20. September 1880 über die volle Rechtswirk-
samkeit der §§. 74, 75, 78 und 84. des zweiten Theiles, Titel 11.
des allgemeinen Landrechtes für die preussischen Staaten, nachge-
wiesen erscheint, dass nach diesen Bestimmungen des hier in An-
wendung kommenden ausländischen Gesetzes den dem preussischen
Staatsverbande angehörenden Eltern, solange dieselben über den ihren
Kindern zu ertheilenden Religionsunterricht einig sind, keinerlei Be-
schränkung in dieser Hinsicht auferlegt ist; und da ferner aus den
gemeinschaftlichen Eingaben der Recurrenten die Uebereinstimmung
ihres Willens in Betreff der Erziehung ihrer Kinder in der evangeli-
schen Religion ganz unzweifelhaft hervorgeht, so können dieselben in
der Ausführung dieses ihres Willens, resp. in der Erziehung ihrer
Kinder in der evangelischen Religion, obgleich beide Eltern selbst der
israelitischen Religionsgenossenschaft angehören, nicht behindert
werden.«
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92
VII.
Ueber das Verhältniss des Pfarrers und Cooperators in Bezug
auf den katechetischen Unterricht in Oesterreich.
Von Dr. Theodor Kohn, Wcltpriester der Erzdiöcese Olmütz.
Die österreichische Volksschulgesetzgebung überlässt im Allge-
meinen den Religionsunterricht den einzelnen Confessioneu.
Das Sehnl-Gesetz vom 25. Mai 1868 R. G. B. Nr. 48. vin-
dicirt die oberste Leitung und Aufsicht über das gesummte Unter-
richts- und Erziehungswesen dem Staate, der dieselbe durch seine
Organe ausübeu lässt.
Diese Organe sind: der Landesschulrath, der Bezirks- und der
Ortsschulrath.
Wer in dem Bezirks- und Ortsschulratbe Sitz und Stimme
haben solle, wurde der Landesgesetzgebnng überlassen.
Nach dem für die Markgrafschaft Mähren sanctionirten Gesetze
vom 12. Januar 1870 soll unter Anderen nach §. 3. lit. b. der
Ortsschulratb bestehen: »aus je einem Religionslehrer der in der
Schulgemeinde vertretenen christlichen Religionsgenossenschaften und
für israelitische oder andere vom Staate anerkannten Religionsge-
sellschaften aus dem von der Cultusgemeinde gewählten Vertreter.«
Da der katechetische Unterricht dort, wo mehrere Priester in
der Seelsorge thätig sind, vielfach von den Cooperatoreu ertheilt
wird, entstand die Frage, ob der Pfarrer der Gemeinde ohne Aus-
nahme, oder aber sein Cooperator dort, wo er den katechetischen
Unterricht ertheilt, als Mitglied des Ortsschulrathes anzusehen sei?
Hervorgerufen ward der Zweifel durch den Umstand, weil mau
über die missio des Cooperators bezüglich der Ertheilung des kate-
chetischen Unterrichtes nicht im Klaren war.
Wir wollen nun untersuchen, ob die Erthoilung des katecheti-
schen Unterrichtes ein ausschliessliches Recht des Pfarrers sei , und
ob der Cooperator nur im Namen des Pfarrers, als einfacher Stell-
vertreter desselben, den katechetischen Unterricht ertheile.
Vor Allem ist es noth wendig, die Gesetzesstellen zu kennen,
die über die Ertheilung des katechetischen Unterrichtes handeln.
Dieselben sind doppelter Art: allgemeine und besondere. Zu
den ersleren gehören:
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Kohn, Verh. der Seelsorg. bezg. des katech. Unterrichts in Oesterr. 93
a. Das Concil von Trient , Sess. 5. cap. 2. und Sess. 24. cap. 4.
de ref. »Quicunque parocbiales — heisst es an erster Stelle — vel
alias curam animarum habentes ecclesias quocunque modo obtinent,
per se vel alios idoneos, si legitime impediti fuerint, diebus saltem
dominicis et festis solemnibus, plebes sibi commissas pro sua et
earam capacitate pascant salutaribus verbis ; docendo quae scire om-
nibus necessarium est ad salutem annunciandoque eis cum brevitate
sermonis vitia, quae eos declinare et virtutes, quas sectari oporteat,
ut poenam aeternam evadere et coelestem gloriam consequi valeant.«
Und in zweiter Stelle heisst es: »lidera etiam — nempe Episcopi —
saltem dominicis et aliis festivis diebus pueros in singulis parochiis
fidei rudimenta et obedientiam erga Deum et parentes diligenter ab
iis, ad quos spectabit doceri curabunt, et si opus sit etiam per
censuras ecclesiasticas compellent, non obstantibus privilegiis et con-
suetudinibus.«
b. Constitutionen römischer Päpste und zwar: Pius V. »Ex
debito pastoralis officii« de dto. 6. Octobris 1572 •) des Inhaltes,
dass die einzelnen Ordinarien durch zuverlässige Priester den kate-
chetischen Unterricht ertheilen lassen; Innocenz XIII. »Non sine
gravi« de dto. 23. Maji 1723 2 ), worin es wörtlich heisst: »Districte
praecipimus Episcopis, ut omnino efficiant, quod omnes, qui anima-
rum curam gerunt, munia praedicta — scilicet instructionem puero-
rum in scholis — per se ipsos, vel si legitime impediti fuerint, per
alios idoneos diligenter exequantur;« Benedict XIII. »In supremo
majestatis« de dto. 13. Septembris 1724 3 ) und Benedict XIV. »Etsi
minime« de dto. 7. Februarii 1742 desselben Inhaltes.
c. Entscheidungen der Concüs-Congregation und zwar ältere
und neuere — Zamboni führt in seiner Collection verb. Canonici
§. C. n. 86. folgende am 25. September 1762 in Civitatis Castellanae
erflossene an: »Canonici Collegiatae ecclesiae terrae Stabiae primam
missam sub aurora celebrantes, principaliora fidei mysteria edocere,
ita ut decretum ab Episcopo, occasione visitationis editum, sustineri
debeat, tenentur.«
Eine andere Entscheidung der Concils-Congregation ist die in
Ugentina, Visitationis sanctorum Liminum vom 2. März 1861. Es
war in der Diöcesan-Synode verordnet, dass an Sonn- und Feiertagen
während der ersten hl. Messe, mochte sie von wem immer gelesen
worden sein, in allen Kirchen und öffentlichen Oratorien ohne Aus-
1) Barbosa, de off. et potest, parochi P. I. cap. XV. pg. 118.
2) Bullar. rom. tom. XIII. pg. 62. Ed. Luihg.
3) Mühtbauer, Thesar. Res. Cong. Conc. Tom. III. pg. 881.
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94 Kohn, Verh. der Seelsorg. bezg. des katech. Unterrichts in öesterr.
nähme der katechetische Unterricht ertheilt werde. — Hiegegen re-
monstrirten die Ordensconvente und riefen so eine Entscheidung der
s. Congregatio hervor. — Auf die vorgelegten zwei Fragen : I. An
Regulares teneantur Statutum, de quo agitur, servare in suis ecclesiis
ex vi legis synodalis in casu? II. An cogi ad id possint ab Episcopo
uti Delegato Sedis Apostolicae in casu? erfolgte die Antwort: Ad I.
et II. »In proposito casu servetur mandatum Episcopi.*
Beachtenswerth ist die Entscheidung der Concils-Congregation,
die zu Anfänge dieses Jahres gefällt worden ist.
Der Ordinarius einer Diöcese verordnete nach einer canonischen
Visitations-Reise, dass in allen Kirchen und öffentlichen Oratorien
an Sonn- und gebotenen Feiertagen von den Priestern nach der
hl. Messe der Katechismus gelehrt werde und wollte, dass die Säumi-
gen in die Suspension ipso facto verfallen — damit ja nicht ein
Zweifel entstehe, welchen Priestern er die Verpflichtung zur Er-
theilung des katechetischen Unterrichtes auferlegt wissen wollte,
fügte er bei : »se hac ordinatione obligare velle omnes dioeceseos
Sacerdotes cujuscunque gradus aut dignitatis, haud exceptis Vicariis
foraneis, Canonicis aut Dignitatibus.* Diese bischöfliche Verordnung
stiess sowohl bei dem Cathedral-Capitel , als auch bei den Ordens-
conventen, ja selbst bei dem Weltclerus auf heftigen Widerstand. —
Das Cardinals-Collegium, dem die Streitfrage zur Entscheidung vor-
gelegt wurde, antwortete am 29. Januar 1881 auf die zwei Fragen:
I. An Canonici Ecclesiae cathedralis missam celebrantes, teneantur
legere doctrinam Christianam sub poena suspensionis? II. An sacer-
dotes missam celebrantes pro confratribus iu ecclesiis idem servare
teneantur sub poena suspensionis, wie folgt: Ad I. et II. attentis
peculiaribus circumstantiis, Episcopus curet, ut in prima et ultima
missa tradatur doctrina christiaua, dempta suspensione J ).
Wenn wir die angeführten Gesetzesstellen überblicken, so finden
wir, dass weder das Concil von Trient, noch die erwähnten Consti-
tutionen der römischen Päpste, die ex professo über die Ertheilung
des katechetischen Unterrichtes handeln und noch weniger die citirten
Congregations-Entscbeidungen die Ertheilung des katechetischen Un-
terrichtes als ausschliessliches Recht des Pfarrers aussprechen.
Allerdings sagt das Concil von Trient in der 5. Sitzung, dass
die Ertheilung des katechetischen Unterrichtes eine persönliche Pflicht
des Curaten sei; allein dadurch ist nicht gesagt, dass jeder andere
Priester hievon ausgeschlossen sei. Im Gegentheile ertheilen in der
1) Acta S. Sedis Vol. XIII. pg. 513.
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Kohn, Verh. der Seelsorg. bezg. des katech. Unterrichts in Oesterr. 95
24. Sitzung die Väter des Concils den Bischöfen die Mahnung, den
katechetischen Unterricht »ad quos spectabit« ertheilen zu lassen.
Ganz deutlich sprechen es aber die von uns anggfuhrten Con-
stitutionen aus. Wenn Innocenz XIII. zur Ertheilung des kateehe-
tischen Unterrichtes »omnes qui animarum curam gerunt« verpflich-
tet, so kann man unmöglich sagen, dass darunter der Pfarrer allein
gemeint sei. Es hiesse den Ausdruck »curam animarum gere« gänz-
lich missverstehen, wenn man das Gegentheil behaupten wollte.
Durch die oben citirten Congregations-Entscheidungen wird
jeder Zweifel hierüber behoben. Wenn die Ertheilung des kateche-
tischen Unterrichtes ein ausschliessliches Kocht des Pfarrers wäre,
dann könnte die Concils- Congrega tion unmöglich entscheiden, dass
die Verfügungen der Bischöfe , wornach selbst auch Regularen , ja
Canonici an Cathedral- und Collegiat-Capiteln ohne Unterschied zur
Ertheilung desselben verpflichtet sind, in Kraft bleiben müssen.
Wir wollen nun sehen, was die Particular-Gesetzgebung und
insbesondere, was das geltende Diöcesau-Recht der Olinützer Erz-
diöcese hierüber feststellt.
•
Die Instructio pro parochis aus dem 14. Jahrhunderte verordnet
in Cap. XVIII: Et ne parvuli panem petant nec sit, qui frangat eis,
parochis aliisque sacerdotibus incumbit, catechisticam doctrinam et
rudimenta articulosque Christianae fidei juventuti singulis diebus
dominicis dillucidare ac explanare.
Im Pastoralschreiben des Bischofes Leopold Wilhelm de dto.
4. November 1653 heisst es : Tandem, cum multum intersit, qualiter
quisque ab ineunte aetate formetur, cumque soleant homines tenere
cursum vitae, quem a teneris annis didicerunt, catechisticas doctrinas
singulis dominicis et festivis diebus opportuno tempore in suis ec-
clesiis, prouti parochorum aliorumque ministrorum exigit officium,
juventuti diligenter proponant.
Das Diöcesan-Statut vom 8. November 1764 sagt sub n. II:
Scholas omni hebdomada seu per se, seu per Capellanos aut Coope-
ratores visitent, profectum juventutis explorent et compertum defec-
tum scholiarchae corrigant.
Dasselbe mit fast gleichen Worten spricht die Diöcesan- Ver-
ordnung vom 2. März 1775 sub num. 4. aus.
Das Pastoralschreiben des Erzbischofs Chotek vom 13. Mai 1832
sagt unter Anderen: Omnes autem vos, qui exercendae curae anima-
rum adscripti estis, et quidem severissime jubemus imo obtestamur,
ut praecipuarum partium vestrarum esse existimetis, in educationem
96 Kohn, Verh. der Seelsorg. bezg. des katech. Unterrichts in Oesterr.
juventutis tara in schola quam extra illam, viDi quam maxime pro-
ficuam exercere.
Aus den angeführten Belegen ist ersichtlich, dass das Particular-
Recht der Eftdiöcese Olmütz bis auf die Gegenwart die Ertheilung
des katechetisehen Unterrichtes nie als ein Recht des Pfarrers an-
sah. Ueberall heisst es, dass nicht nur der Pfarrer, sondern auch
andere, in der Seelsorge angestellte Priester den katechetisehen Un-
terricht zu ertheilen haben.
Dies beweisen zur Evidenz die Jurisdictions-Decrete, die sowohl
den Pfarrern als auch den Cooperatoren bei dem Amtsantritte ein-
gehändigt zu werden pflegen. Die Verpflichtung zur Ertheilung des
katechetisehen Unterrichtes wird sowohl dem Pfarrer als auch dem
Cooperator mit folgenden Worten übertragen: »juventutis in litteris
et pietate institutionem pro viribus promoveas.«
Somit ist der Cooperator eines Pfarrers vollkommen befähigt,
als Mitglied des Ortsschulrathes einzutreten und es ist die Ansicht
derer, die den Cooperator den katechetisehen Unterricht nur im
Namen des Pfarrers ertheilen lassen, ganz und gar unhaltbar; vor-
ausgesetzt , dass der Diöcesanbischof nicht etwas Anderes be-
stimmt hat.
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97
VIII.
Oer griech.- Orient, staatskirchliche Streit in Serbien (1881).
I. In Serbien wurden durch ein Gesetz vom 30. September
(12. Oct.) 1862 für jede griechisch-orientalische Diöcese Consistorien
für die Handhabung der Ehe- und kirchlichen Disciplinar-Gerichts-
barkeit und die Verwaltung der Kirchengüter eingesetzt. Unter dem
24. October 1881 wurde von dort gemeldet, der Cultusminister No-
vakovid bereite eine auf gänzliche Aufhebung der Consistorien ge-
richtete Vorlage für die (voraussichtlich im Januar 1882 zusammen-
tretendef Skupschtina vor.
H. Nach einer Meldung der »Polit. Corresp.« aus Belgrad
vom 18. November 1881 bereitet der serbische Cultus- und Unter-
richtsminister Novakovid für die Skupschtina auch einen Gesetzentwurf
vor, welcher die genaue Präcisirung des Wirkungskreises und der
Befugnisse des serbischen Episcopats zum ZwecJce hat. Die serbische
Regierung wünscht durch diese Vorlage jede Gefahr eines Conflictes
zwischen Staat und Kirche in Serbien für alle Zukunft auszuschliessen.
Veranlassung dazu gab der Conflict der Regierung mit dem Metro-
politen Michailo wegen des Taxengesetzes, worüber wir weiter unten
die Acten, soweit sie uns zugänglich waren, folgen lassen. In den
Kreisen der Skupschtinamajorität erörtert man vielfach den Gedanken
eines dem Cabiuete Pirotschanac gleich im Sessionsbeginne zu er-
theilenden Vertrauensvotums, in welchem der Dank der Skupschtina
für die vom Cabinete im Conflicte mit dem Metropoliten Michailo
an den Tag gelegte Haltung zum Ausdrucke zu bringen wäre.
III. Der Conflict des Metropoliten Michael mit der Regierung
hatte seinen Grund darin, dass der Metropolit das von der Skupschtina
angenommene und von der Krone sanctionirte Staatsgesetz, wornach
von jedem Kleriker bei der Ertheilung der Weihe oder Verleihung
eines geistlichen Amtes gewisse Taxen erhoben werden sollen, voll-
ständig missachtete, ja erklärte, dass ihn dieses Gesetz nicht binde
und er es als nicht vorhanden betrachte. In Folge dessen
wurde der genannte Metropolit von Belgrad auf den Antrag des
Ministerrathes durch fürstlichen Ukas vom 30. October 1881 seiner
Functionen als Erzbischof und Metropolit enthoben. Ob an den Ge-
rüchten etwas Wahres sei, dass der Entsetzung des Metropoliten
Archiv für Kirchenrecht XLVII. 7
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98 Vering, Griech. -Orient. staatskirchl. Streit in Serbien (1881).
Michael die Entdeckung grosser Umtriebe und Agitationen gegen die
fürstliche Regierung vorausgegangen sei, deren Fäden theilweise auf
die Person des Metropoliten zurückgeführt hätten, ob an diesen von der
Polit. Corr. vom Ende October aus Belgrad gemeldeten Gerüchten
etwas Wahres sei, vermögen wir aus der Ferne nicht zu beurtheilen.
Eine gewisse Bestätigung erhielten diese Gerüchte durch folgende
Thatsachen. Es erschien eine politische Commission in dem Palais
des Metropoliten, um ihn zur Uebergabe der Kanzlei aufzufordern
und seine Delogirung zu veranlassen , der Metropolit aber erklärte,
dass er nur der Gewalt weichen werde. Es fand nun bei dieser Ge-
legenheit auch eiue Hausdurchsuchung durch diese Commission statt,
gegen welche der Metropolit unter Berufung anf die serbische Ver-
fassung protestirte. Bei dieser Hausdurchsuchung legte die politische
Commission auf Correspondenzen des Metropoliten mit dem General
Ignatiev, mit dem Fürsten Galytzin, mit dem Redacteur General
Komarov, mit dem Professor Maikov, mit Aksakov und General
Tschernajev Beschlag. Ausserdem nahm sie die Protocolle der einige
Tage vorher abgehaltenen 'bischöflichen Synode an sich , in welcher
gegen das Taxengesetz Protest erhoben war. Zu seinem Namens-
tage erhielt der abgesetzte Metropolit aus Russland zahlreiche Glück-
wünsche, darunter namentlich auch von den Mitgliedern der russi-
schen h. Synode und dem russischen Cultusminister. Die russische
Regierung vermied es übrigens, öffentlich für den abgesetzten Me-
tropoliten einzutreten, obschon die russische Presse in diesem Sinne
zu wirken suchte. Der Metropolit Michailo hatte vergeblich den
Czaren Alexander III., den Patriarchen von Constantinopel und sämmt-
liche autokephalen Oberhäupter der orthodoxen orientalischen Kirche
angerufen, aber ohne dadurch an der Thatsache seiner Enthebung
etwas zu ändern. In dem orientalischen Staat3kirchenrechte ist die
Absetzung eines Bischofs durch die Staatsgewalt allerdings nichts
Neues; auch gibt es bereits einen Präcedenzfall dafür in der neuen
Geschichte des Fürstenthums Serbien. Nach der im Jahre 1858 er-
folgten Restauration der Dynastie Obrenoviö bestand nämlich einer
der ersten Acte des Fürsten Milos Obreuovic I. in der Absetzung des
damaligen Metropoliten, dem der Bischof von Schabatz Michael zum
Nachfolger gegeben wurde.
Uebor den bisherigen Verlauf des derzeitigen Conflictes geben
die folgenden Actenstücke (die wir nach der »Polit. Corr.« theils
im Wortlaute, theils im Auszüge mittheilen) näheren Aufschluss:
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Vv ring, Gricch.-orient. staalskirchl. Streit in Serbien (1881). 99
1. Schreiben des Metropoliten Michael vom 12.124. Mai 1881
an den Cultusminisler Novakovic.
Mein Herr! »Das Taxengesetz überraschte uns sowohl durch
sein Inslebentreten im Allgemeinen, als auch ganz besonders durch
die dasselbe auszeichnende Incorrectheit, Rücksichtslosigkeit und den
Widerspruch, in welchem es sich zu dem Geiste der heiligen Kirche
und ihrer Satzungen befindet. Es ist incorrect, dass der Staat An-
ordnungen in Betreff der Kirche erlässt, ohne vorher sich mit der
Kirchenbehörde zu verständigen. Den Staaten im Osten sind Grenzen
gezogen worden, über welche sie nicht hinausgehen dürfen. Der
Staat darf Nichts zur Gesetzeskraft erheben, was die Kirche schä-
digen kann, — die Kirche, welche ihre eigenen Gesetze besitzt, die
der Staat nicht zu ändern vermag. Die gegenseitigen Verhältnisse
zwischen Staat und Kirche wurden bei uns bis jetzt mit Klugheit
und im Geiste der Gesetzlichkeit geregelt. Man hat ohne Anhörung
der Bischöfe keine, die Geistlichkeit und die Kirche berührenden
Gesetze geschaffen. Das in Rede stehende Gesetz dagegen ist weder
uns, noch der Bischofs-Synode zur vorhergehenden Aeusserung Vorge-
legen. Dieses Verfahren ist daher incorrect. Durch die Inaugurirung
einer solchen Praxis würde eine Kluft zwischen Staat und Kirche
entstehen, die die normale Entwicklung und den Frieden der Kirche
und des Staates hemmen würde. Es würden Reibungen, Misstrauen
und Uebergriffe auf der einen, und Ohnmacht auf der anderen Seite
hervorgerufen werden. Denn in diesem Falle würde die Kirche ihrer-
seits keine Nöt’tigung haben, bei ihren , aus den apostolischen Vor-
schriften fliessenden Functionen eine Verständigung mit dem Staate
zu sucheu. Dieser darf nicht die Entrichtung von Taxen deu Geist-
lichen auferlegen und so in das innere Leben der Kirche eingreifen.
Die Kirche steht hoch über den rechtlichen Bewegungen und Ver-
änderungen im Staatsleben, sie kann sich diesen nicht accomodiren.
Sie bleibt sich gleich, sie ist immer die apostolische, christliche,
aber keine moderne, keine mit Reformen geflickte.
Die Belegung der geistlichen Aemter mit Taxen ist eine Ver-
letzung des inneren unabhängigen kirchlichen Lebens. Wie darf der
Staat für ein Amt Abgaben fordern, das er nicht verleiht, und von
einem Beamten abfordern, den er nicht anstellt? Mit gleichem
Rechte könnte man solche Taxen von Gemeinde- und Privatdienern
abfordern, was doch durch das Gesetz nicht geschah. Die Kirche
kann überdiess desshalb nicht dulden, dass solche Taxen entrichtet
werden, weil sie die Sünde der Simonie begründen würden. Sodann
ist die Höhe der Taxen eine unerschwingliche. Ein Mönch könnte
7 *
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100 Vering, Griech.-orient. ataatakirchl. Streit in Serbien (1881).
nicht 250 Frcs. zahlen. Wer sein Leben Gott weiht, soll noch
dafür dem Staate einen Tribut entrichten? Damit würde die Exi-
stens der Mönche überhaupt in der Wurzel angegriffen werden.
Die Kirche kann aber dieses nöthigen und werthen Organes nicht
entbehren. Die Weltgeistlichen sind nicht minder hart besteuert
worden. Nach all dem muss man zur Ueberzeugung gelangen, dass
die Urheber des Taxengesetzes nicht einmal die Grundelemente der
orthodoxen Kirche und des Christenthums kannten, dass sie sich
nicht von einem christlichen Herzen und jener Pietät leiten Hessen,
welche wir für die Kirche hegen müssen , in deren Schosse wir ge-
boren und erzogen wurden. Die serbische Geistlichkeit beider Ord-
nungen hat einen solchen Lohn für ihren, dem Volke geleisteten
Dienste nicht verdient. Es ist unbegreiflich , wie die Staatsgewalt
sich dazu hergeben konnte, die Kirche zu erniedrigen, die Achtung
für deren Satzungen zu untergraben, die durch Jahrhunderte be-
stehen. Vielleicht trägt der, in andern Ländern sich breitmachende
und auch zu uns eindringende Materialismus die Schuld daran. In
den massgebenden Kreisen kann aber der Zug zum Materialismus
nur von schädlicher Wirkung sein. Ich finde, dass dieses Gesetz
nachtheilig ist, Alles aber, was dem orthodoxen Glauben in Serbien
Schaden zufügen kann, ist durch Art. 31. der Verfassung verpönt.
Durch den vor Gott und der Kirche geleisteten Eid halten wir uns
daher verpflichtet, gegen das oft erwähnte Gesetz zu protestiren.
Erzbischof von Belgrad und Metropolit von Serbien
Nr. 758. Michael .«
Belgrad, 12./24. Mai 1881.
2. Antwort des Cultusministers.
Seiner Eminenz dem Herrn Metropoliten.
»Euere Eminenz! Ich muss gestehen, dass mich sowohl der
eigenthümliche Ton Ihres Schreibens als auch der Appell in Er-
staunen setzen, den Sie an die Verfassung und die die Functionen
der Kirchenbehörde regelnden Gesetze erliessen. Diese enthalten
Bestimmungen, die Ihren Behauptungen diametral zuwiderlaufen.
Art. 120. der Verfassung vindicirt der Bischofs-Synode das Recht,
»die innern Glaubensangelegenheiten« zu verwalten, und könnte das
Taxengesetz nur dann dem Art. 31. der Verfassung zuwiderlaufen,
wenn es die Propaganda gegen die orthodoxe Kirche gestatten, oder
doch bedeuten würde, was von diesem Gesetz gewiss niemals gesagt
werden kann. Das die Kirchenverwaltung regelnde Gesetz (§. 75.)
bestimmt, »dass die Bischofs-Synode die Kirche und die Hierarchie
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Vering, Griech.-orient. alaulnkirchl. Streit in Serbien (1881). 101
im Sinne der Satzungen der orthodoxen Kirche leiten und ent-
sprechende Verfügungen treffen wird;« ja §. 77. besagt ausdrück-
lich, dass die »Bischofs-Synode durch Vermittlung des Cultusministers
alle Anordnungen der Regierung empfange, welche diese entweder
auf Autrag der Synode, oder aus eigener Initiative erlassen würde.
Von einer Verpflichtung des Staates, über alles, die Kirche und
deren Diener Betreffende sich vorher mit den Bischöfen zu verstän-
digen, ist nirgends die Rede. Da also das Taxengesetz in eorrecter
Weise entstand und da es nirgends in die innere Kirchenverwaltung
eingreift, so fehlt mir jedes Verständniss für den Ton, den Sie in
Ihrem Schreiben anschlagen. Wovon man allenfalls unangenehm
berührt sein könnte, das wäre die Höhe der Taxen, die ich in der
Skupschtina energisch, aber leider erfolglos bekämpfte. Die Ursache
dieser Erscheinung Hegt in dem Verfalle der Autorität der Kirche
und ihrer Organe, in den häufig wiederkehrenden Verletzungen des
moralischen Gefühles des Volkes seitens der Geistlichkeit, im Mangel
einer gehörigen Disciplin und der geringen Voibereitung der Kleriker
für ihren Beruf. Das ist die Anschauung der besten Männer aus
dem Volke und das ist der Grund, warum die Volksvertretung die
unverhältnissmässig hohen Taxen acceptirte. Euere Eminenz mögen •
diesen Anschauungen der Skupschtina Ihre Aufmerksamkeit schenken.
Ich weise feierlichst die auf uncorrecter Auffassung der Verfassung
beruhenden Anklagen zurück und verwahre die Regierung Seiner
Hoheit gegen die Supposition, als stände sie nicht auf jener Höhe,
auf welcher eine jede Regierung in der Gesetzgebung und in der
Erfüllung aller ihrer Pflichten stehen muss. Gleichzeitig beehre ich
mich zu erklären, dass die Regierung Seiner Hoheit mit Recht er-
wartet, dass Euere Eminenz in Ihrer Correspondenz in Betreff der
Gesetzgebung mit der Staatsverwaltung fernerhin jenen Ton an-
schlagen werden, welcher der Stellung des höchsten Würdenträgers
der vaterländischen Kirche entsprechen würde.«
Nr. 716. Cultus- und Unterrichtsrainister
21. Juli, (2. August) 1881. St. Novakmii.
3. Bericht des Ministerialsecretärs Popoviö.
»Herr Minister! Im Aufträge des Herrn Ministers vom 16. /28.
d. M. Nr. 980 verfügte ich mich am selben Tage um ll 8 / 4 Uhr
Vormittags in die Kanzlei des Consistoriums der Belgrader Diöcese,
um einen Theil des Diariums der Casse und des Geschäfts- Protoeolles
zu prüfen. Darauf erhielt ich gegen eine Empfangsbestätigung die
Actenstücke unter den Nummern: 1128, 1223, 1231, 1286, 1124,
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102 Vering, Griech.-orient. n laatshirchl . Streit in Serbien (1831).
•4337 und 4338 ausgefolgt. I)a man mir die die Ernennung des
Herrn Teofil zum Prior betreffenden Acten nicht herausgeben konnte,
weil sie beim Herrn Metropoliten sich befanden, versprach der Herr
Präsident des Consistoriums, mir dieselben zu schicken, was auch ge-
schah. Wie aus den Acten ersichtlich, wird das Taxengesetz nur
bei Ertheilung von Heirathsconsenseu befolgt. Was die Taxen be-
trifft, die von den zn Popen eingeweihten Klerikern zu erheben sind,
so ist davon in den Protocollen keine Spur vorhanden, auch ver-
sicherte der Präsident, dass keine Taxengebühren gefordert werden.
Belgrad, 15./27. September 1881. Ministerial-Secretär
Stefan D. Popovid.
4. Erlass des Cult.-Min. an das Belgrader Consistorium.
An das Belgrader Consistorium.
»Aus dem, dem Ministerium durch den Herrn Secretär, Stefan
Popovid, überreichten Referate gebt hervor, dass die Taxen in der
Höhe von 300 Dinars vom Herrn Prior Teofil nicht abgefordert
wurden. Da diese Thatsache im Widerspruche mit dem Gesetze und
den über dessen Vollziehung erlassenen Verfügungen steht, so habe
ich auf Grund des Art. 22. desselben Gesetzes die Entrichtung einer
sechsfachen Steuer, d. h. von 1800 Dinars, als eines Pönales durch
den Metropoliten angeordnet. Das Consistorium hat die Pflicht, diese
Anordnung zu vollziehen, nnd gleichzeitig eine Erklärung für das
gesetzwidrige Vorgehen abzugeben.
Nr. 991. Cultus- und Unterrichtsminister
19. September (1. October) 1881. St. Novakovid.
5. Antwort des Consistoriums an den Cultus- Minister.
An den Herrn Cultus- und Unterrichtsminister!
Das unter Nr. 991 an das Consistorium gerichtete Schriftstück
wurde dem Herrn Metropoliten mitgeheilt, welcher erklärte, eine
directo Erwiderung dem Herrn Minister schicken zu wollen. Das
Consistorium seinerseits beehrt sich zu erwidern, dass 1. die Ernen-
nung Teofils zum Prior vor dem Erlasse des Ministers erfolgte, mit
dem das Consistorium angewiesen wurde, derartige Taxen einzutreibeu;
dass 2. das Consistorium von der Annahme ausging , das3 darüber
bereits eine Verständigung zwischen der kirchlichen und Staatsge-
walt erzielt worden sei ; dass 3. Teofil auch früher in directem Ver-
kehre mit dem Metropoliten stand und das Consistorium daher mit
einer Forderung an den Prior sich nicht wenden konnte.
Nr. 4490. Präsident des Consistoriums
Secretär: Georgievid. Lima Petrovid.
22. September (4. October) 1881.
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Vcring, Griech.-orient. staalskirchl. Sh ell in Serbien (1881). 103
6. Abermaliger Erlass des Cult.-Min. an das Consistorium.
An das Belgrader Consistorium.
Das Consistorium hat die Frage: warum es den Minister von
dev Nichtvollziehung des Gesetzes nicht benachrichtigte, unbeant-
wortet gelassen. Der Ernennung ging die Einweihung in den Rang
eines Priors voraus, ein Act, für den die gesetzlichen Taxen unbe-
dingt entrichtet werden mussten. Es wird daher neuerdings die Ver-
haltung des Metropoliten zur Zahlung der Strafgelder anempfohlen.
Gleichzeitig wird das Consistorium aufgefordert zu erklären, warum
es das Ministerium von der Missachtung des Gesetzes nicht in Kennt-
niss gesetzt hat.
Nr. 1027. Cultns- und Unterrichtsminister
24. September (6. October) 1881. St. Novakovic.
♦
7. Auszug aus dem Protocolle der Sitzungen der Bischofs -Synode
vom 6. October und den folgenden Tagen.
Seine Eminenz der Metropolit hat der Bischofs-Synode die in
Betreff des Taxengesetzes mit dem Herrn Cultus- und Unterrichts-
minister geführte Correspondenz vorgelegt und erklärt, dass dieses
Gesetz, abgeeehen davon, dass es ohne vorhergehende Verständigung
mit der kirchlichen Autorität zu Stande kam, im Widerspruche mit
den Canonen der heiligen orthodoxen Kirche steht. Die Synode, der
die Pflicht obliegt, die Orthodoxie unversehrt zu erhalten, hat das
Gesetz mit den Canonen verglichen und gefunden , dass es diesen
nicht entspricht. Die Synode fordert daher, dass das Gesetz eine
entsprechende Aenderung erfahre, und bedauert, dass es ohne Ein-
verstäudniss mit der Bischofs-Synode iu’s Leben gerufen wurde.
Erzbischof von Belgrad und Metropolit von Serbien
Michael.
8. Schreiben des Metropoliten Michael an den Cultus-Minister.
»Mein Herr! Ihre Erwiderung auf unsere Bemerkungen, die
zu dem Zwecke gemacht wurden, um diesen wichtigen Gegenstand
der Synode unterbreiten zu können, haben wir erhalten. Wir suchten
Ihre Aufmerksamkeit auf den Weg zu lenken, den solche Gesetze
einschlagen müssen, um in einem Staate, in welchem die orthodoxe
Kirche die herrschende ist, rechtliche Giltigkeit und verbindliche
Kraft für die Geistlichen und die Bischöfe zu erhalten. Der Herr
Minister gab zu, dass durch dieses Gesetz der Geistlichkeit Unrecht
zugefügt worden ist, ein Umstand, der genügt, um die Vollziehung
desselben durch die Kirchenbehörden fraglich zu machen. Was den
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104 Vering, Griech.-orient. staatskirchl. Streit in Serbien (1881).
Ton betrifft, dessen wir uns bedienten, so trachteten wir denjenigen
beiznbehalten, der unsern Vorgängern in ihren Beziehungen zu der
Staatsgewalt eigen war. Seit wir durch Gottes Gnaden auf die erz-
bischöfliche Kanzel traten, waren wir stets begeistert für die heilige
Kirche, für das erhabene Herrscherhaus und die orthodoxe serbische
Nation, dabei kamen wir stets den Intentionen der Regierung ent-
gegen, wann immer man uns von den einschlägigen Gesetzen vor-
hergehende Kenntniss gab. Indem wir verpflichtet sind, die Ortho-
doxie und dadurch die Zusammengehörigkeit mit allen orthodoxen
Kirchen zu wahren, mussten wir auch ferner auf dem, in Betreff des
Taxengesetzes eingenommenen Standpunkte beharren. Die Unter-
werfung des geistlichen Amtes unter was immer für Taxen tangirf
die innere Verwaltung und das Heiligthum der Kirche. Die Geist-
lichkeit ist laut Art. 123. der Verfassung nur in ihren bürgerlichen
Beziehungen und in ihrem Privatvermögen den Landesbehörden
unterworfen. Die Weihung in kirchliche Aemter ist aber ein Act,
der sich der Staatsgewalt entzieht. Aus dem §. 77. des die Kirchen-
behörden betreffenden Gesetzes geht hervor, dass die Bischofs-Synode
das Recht hat, Bemerkungen gegen Alles, was mit den Canonen
collidirt , zu machen und zu verlangen, dass die Gesetze in Einklang
mit dem Geiste "der orthodoxen Kirche gebracht werden. Indessen
konnte man nicht voraussetzen, dass eine orthodoxe Regierung zur
Verletzung der kirchlichen Institutionen etwas beitragen würde. Der
Regierung steht der Weg, auf dem sie die Ansichten der Synode
erfahren kann, stets offen. Die Bischofs-Synode, der wir die mit
Ihnen geführte Correspondenz vorgelegt haben, hat, wie aus dem bei-
folgenden Auszuge aus dem Protocoll ersichtlich, erklärt, dass die
vaterländischen Bischöfe nicht in der Lage sind, das Taxengesetz in
seiner gegenwärtigen Redaction anzuerkennen, und dass dieses Gesetz,
da es ohne Einverständniss mit der Kirchenbehörde in’s Leben ge-
rufen worden war, incorrect sei.
Erzbischof von Belgrad und Metropolit von Serbien
1487 Michael.*
Belgrad, 10./22. October 1881.
Da die Erklärung des Metropoliten, dass »die vaterländischen
Bischöfe das Taxengesetz nicht annehmen können« in dem beige-
fügten (unter 7 mitgetheilten) Protocolle keine Bestätigung fand,
verfügte der Minister, dass die Bischöfe protocollarisch vernommen
werden sollen. Der Bischof von Nisch, Viktor , erklärte (am 15. /27. Oc-
tober), dass in der Sitzung der Synode die Nichtannahme und der
Nichtvollzug des Gesetzes nickt beschlossen worden sind. Bischof
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Vtring , Uriech.-orient. stnatskirchl. Streit in Serbien (1881). 105
Moyses gab zu Protocoll, dass es nicht beschlossen wurde, das Ge-
setz zurückzuweisen und dessen Vollziehung zu verweigern. Eine
gleichlautende Erklärung gaben die Bischöfe von Uziza: Vicenli
und von Schabatz: Jeronim ab.
9. Schreiben des Metropoliten an den Ministerpräsidenten.
Dem Herrn Milan S. Pirotschanac , Ministerpräsidenten, Mini-
ster des Auswärtigen.
»Mein Herr! Gestern am 15./27. October kamen der Herr
Minister Novakoviö und sein Secretär (Herr Stefan D. Popovid) in
die Metropolie und unterzogen jedes Mitglied der Synode einzeln
einem Verhöre, obschon der Präsident anwesend war. Wollen Sie
beurtheilen, ob erstens dieses Verfahren gesetzlich ist, und zweitens,
ob jemand Anderer als wir competent ist, unsere Worte zu deuten.
Bei Gelegenheit der Mittheiluug des Beschlusses der Synode an den
Cultusminister haben wir auch des Ministers Schreiben vom 21. Juli
(2. August) dahin beantwortet, dass die vaterländischen Bischöfe das
Taxengesetz nicht annohmen könnten. Es steht im Widerspruch
mit den Canonen und würde dem Gewissen der Bischöfe Gewalt au-
thun. Durfte in Folge dessen ein Schritt geschehen, der, wie der
gestern vom Minister unternommene , widergesetzlich , incorrect und
für die Kirche erniedrigend ist? Ueberdiess muss man sich erin-
nern, dass in Serbien Niemand ungehört verurtheilt wird, während
Herr Novakoviö den Metropoliten ungehört verurtheilt hat. Die
Synode kann das Gesetz in seiner gegenwärtigen Redaction nicht an-
nehmen und eine Aenderung desselben ist nothwendig, was auch der
Cultusminister anerkannt hat. Es ist unbegreiflich, warum Schritte
geschehen, die geeignet sind, die Frage nur noch mehr zu verwirren.
Indem ich auf Ew. Hoheit Unparteilichkeit rechne, bitte ich Sie,
einen des Staates wie der Kirche würdigen Modus ausfindig zu
machen, wie die Frage weise, unparteiisch und gerecht gelöst wer-
den könne.
Erzbischof von Belgrad und Metropolit von Serbien
Michael.*.
Belgrad, 16./28. October 1881.
10. Protestschreiben des Metropoliten Michailo an den Fürsten Milan.
Hoheit ! Die Enthebung meiner Person von dem Posten eines
Administrators der Erzdiöcese von Belgrad und Metropolie von Serbien
und die gleichzeitige Ernennung des Bischofs Moyses von Negotin
zum Verweser dieses Posteus ist eine grenzenlose Gesetz Verletzung
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106
Vertut/, Griech.-vrient. staalakirchl. Streit in Serbien (78811.
sowohl gegenüber der serbischen Verfassung, ab auch gegenüber der
orthodoxen Kirche. Die orthodoie Kirche ist in Serbien durch die
Verfassung als die Staatskirche des Fürstenthums Serbien anerkannt,
und nach den Grundsätzen der orthodoxen Kirche ist dieselbe nur
ausschliesslich von dein Patriarchen in Constantinopel , als dem
Haupte der orientalischen Kirche, abhängig. Meine bischöfliche
Würde und mein öffentlicher und feierlicher Eid, die Heiligkeit des
Glaubens und die Unverletzlichkeit der kirchlichen Hechte zu ver-
theidigen, verpflichten mich, als Chef der serbischen Kirche, in
meiner Residenz zu verbleiben und den Act der weltlichen Anord-
nung, kraft dessen ich entsetzt und der Bischof Moyses zur Ver-
tretung ernannt wurde, als einen Gewaltact gegen die bestehenden
Kirche ngesetze mit meinem Anathema zu belegen. Die Entscheidung
über lagine Person werden die competenten Factoren treffen, nämlich
der Patriarch in Constantinopel, als Haupt der orientalischen Synode,
der russische Czar als Oberhaupt der russischen Staatskirche, der
Patriarch von Aetbiopien, der Patriarch von Jerusalem, der Patriarch
von Alexandrien, der Metropolit von Montenegro, der Metropolit von
Rumänien und der Metropolit von Griechenland. An diese Mitglie-
der und Oberhäupter der katholischen Kirche habe ich appellirt,
und nur die Synoden der orthodoxen Kirchen können mich entsetzen,
aber nie ein Ministerrath , welcher in kirchlichen Angelegenheiten
nicht befugt ist, etwas eu entscheiden. Als serbischer Staatsbürger
und als Staatsdiener seit achtundzwanzig Jahren berufe ich mich
ausserdem auf den Art. 26. der serbischen Verfassung, nach wel-
chem jeder Bürger vor Gericht gestellt werden muss und Niemaud
früher verurtheilt werden darf, bevor er nicht über die Anklage ver-
nommen wurde, um sich gegen dieselbe zu vertheidigen. Ich bin
weder angeklagt, noch vor das competente Gericht gestellt. Das
Verfahren Ihres Ministeriums ist über alle Massen gesetzwidrig, der
Uhas null und nichtig. Ich habe durch die Verweigerung der reli-
giösen Finanztaxen nur meine Pflicht und Schuldigkeit gethan, die-
selben sind eine Simonie gegenüber der orthodoxen Kirche, und da
weder die bischöfliche Synode nocli ich vor der Einführung derselben
befragt wurden, so hat die Synode dieselben abgelehnt, und durch
die Unterschriften der Bischöfe Nisch, Vicenti und Uzica, Moyses
von Negotin und Jeronim von Schabatz wurden dieselben ausser
Kraft gesetzt. Die Gefahr eines Schismas in der serbischen Kirche
vermag ich nicht zu verantworten.
Belgrad, 20. October (1. November) 1881.
Der Chef der serb. Kirche und Metropolit von Serbien.
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Vcriag t Griech.-urienl. staatskircM. Streit in Serbien (1881). 107
11 . Am 5. November 1881 richteten, wie man der »Neuen
Freien Presse« aus Belgrad schrieb, die Bischöfe Victor von Nisch,
Moyses vou Negotin, Vicenti von Uzica und Jeronim von Sehabatz
an den Fürsten Milan ein Protestschreiben, in welchem sie als Mit-
glieder der serbischen Synode gegen die Absetzung des Metropoliten
Michailo Einsprache erheben und den Fürsten Milan ersuchen, das
Oberhaupt der serbischen Kirche durch einen neuen Ukas in seiner
Würde und seine Functionen als Erzbischof von Belgrad und Metro-
polit von Serbien wieder einzusetzen, widrigenfalls sie als solidarisch
mit dem Metropoliten in der Verteidigung der kirchlichen Gesetze
ihre Demission als Kirchenfürsten in Serbien zu geben gezwungen
wären, da sie keine Verantwortung für ein Schisma in der ortho-
doxen Kirche auf ihre Schultern nehmen wollten. Weder die Regierung,
noch der Fürst seien befugt, das Oberhaupt der serbischen Kirche
abzusetzen , und daher sei es im Interesse der Dynastie Obrenovifs
und der Ruhe des Landes, den begangenen Fehler rasch zu ver-
bessern.
12 . Nach späteren Nachrichten (der Norddeutsch. Allg. Ztg.
vom 11. November 1881) haben aber die serbischen Bischöfe ihren
Protest gegen das Taxengesetz zurückgenommen und zugegeben,
dass der von der Regierung zum intermistischen Administrator der
Metropolie ernannte Bischof Moisije (Moyses) von Negotin, der älteste
der vier Bischöfe des Landes, die intermistische Verwaltung der
Metropolie übernehme. Dass der Bischof Moyses das ihm vom
Staate angetragene Amt trotz des Anathems mit dem ihm der
Metropolit Michailo drohte, annahm und bereit ist, die serbische
griechisch -orientalische Kirche der von den Aposteln verur-
theilten Simonie zu überliefern, war von demselben übrigens zu
erwarten. Es soll ihm nämlich im Jahre 1875 die kleine
Unannehmlichkeit begegnet sein , als Bischof von Schabatz vom
dortigen Gerichte, wegen seiner Manipulation mit dem Kireheu-
vermögeu verurtheilt zu werden, worauf seine Absetzung durch die
Synode erfolgte. Erst vor einigen Monaten hatte ihn das Mini-
sterium Pirotschanac rehabilitirt und zum Bischof von Negotin er-
nannt. Die Wahl eines neuen Metropoliten durch die Synode, falls
cs dazu kommen wird, dürfte muthmasslich auf den Bischof Vicenti
von Uzica fallen.
13 . Der Metropolit Michael verliess schliesslich , nachdem
die Regierung an seiner Absetzung festhielt, das erzbischöfliche
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108
Vering, Gritch. -Orient, staatskirchl. Streit in Serbien (1881).
Palais, welches darauf von dem Administrator Moisije bezogen
wurde. Als aber der Rector und die Professoren des Belgrader
Priesterseminar8 sich dem Metropolitanadministrator Bischof Moisije
vorstellten (so berichtetet die Nordd. Allgem. Ztg. aus Belgrad
19. November), ersuchte dieser die Mitglieder der Deputation, sie
möchten ihn eifrigst unterstützen, in seinem Streben, dass der Me-
tropolit Michael bald wieder in seine Würde eingesetzt, sein hohes
Amt wieder selbst verwalte. Diese Anrede hat im Cultusraini-
sterium sehr verstimmt, indem man dort begreiflicher Weise die
offene Parteinahme für den abgesetzten Metropoliten von Seite des
Metropolieverwesers nicht billigt.
14 . Anfangs December 1881 verlautete aus Belgrad, der serbische
Finanzminister habe eine Commission eingesetzt, welche das Taxen-
gesetz revidiren solle, aber nicht etwa in der Richtung, um die durch
das Gesetz angeordnete Simonie zu beseitigen, sondern vielmehr um
die aus derselben fliessenden Einnahmen zu vergrössern.
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109
IX.
Zur Lehre von dem Ehehindernisse der Clandestinität
Von P. R. Mittermüller zu Metten.
Das Concil von Trient hat in der 24. Sitzung (cap. 1. de
reforra. matrim.) jede Ehe für ungiltig erklärt, die nicht vor dem
eigenen Pfarrer und vor zwei oder drei Zeugen geschlossen wird.
Nebenbei setzte es aber fest, dass dieses Decret speciell in jeder
einzelnen Pfarrei müsse bekannt gemacht werden, und dass dessen
Geltung erst dann eintrete, wenn dreissig Tage seit der Veröffent-
lichung verflossen sind.
Zum Verständnisse dieses Decrets ist nothwendig, den Begriff
von »Pfarrei« richtig zu stellen. Die Canonisten verstehen einstim-
mig unter Pfarrei einen bestimmten, räumlich abgegrenzten Bezirk
(District, Sprengel), in welchem ein Priester über alle darin wohnen-
den Christen (Getaufte) die ordentliche Seelsorge ständig ausübt.
Nach dem Rechte der katholischen Kirche, heisst es in Dr. Verings
Lehrb. des Kirchenrechtes (§. 129. der 1. Aufl.), gehören eigentlich alle
Getauften zur Kirche, also auch zur Parochie. — Es ist nicht der
mindeste Grund vorhanden, anzunehmen, dass die Tridentinischen
Concilsväter von der übereinstimmenden Begriffsbestimmung der
katholischen Canonisten ab weichen wollten, als sie die Verkündigung
des Trauungsdecretes in den einzelnen Pfarreien anordneten. Im
Sinne der Canonisten verstanden also die Concilsväter unter Pfarrei
nichts Anderes, als den geographischen Yterxbezirk, innerhalb dessen
das Trauungsdecret Geltung erhalten sollte, und in demselben Sinne
betrachteten sie alle Protestanten, welche innerhalb eines solchen
katholischen Pfarrbezirkes wohnen, als zur katholischen Pfarrei
gehörig.
Ein Pfarr bezirk aber, wie ihn das Concil im Auge hatte, ist
nicht identisch mit Ytsxxgemeinde ; denn diese beiden Begriffe decken
sich nicht ganz. Einerseits findet man oft in einem einzigen Pfarr-
bezirke zugleich eine katholische , lutherische und vielleicht auch
noch kalvinische , mithin drei Pfarrgemeinden , und andrerseits hat
manche katholische Vhxxgemeinde auch ausserhalb ihres Pfarr bczirkes
in entfernten protestantischen Pfarr bezirken, und manche protestan-
tische ?ixixxgemeinde in entfernten katholischen Pfarr bezirken mehrere
Pfarr< 7 <?fnewdeglieder (sogenannte Eingepfarrte).
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110 Mittermüller, Ehehindernisse der Clandest. bei gemischten Ehen .
Haben die Concilsväter alle Protestanten, welche innerhalb
eines katholischen Pfarrbezirkes wohnen, als Angehörige der katho-
lischen Pfarrei und als Untergebene des katholischen Pfarrers ange-
sehen, so hat diese ihre Anschauung keine Aenderung erlitten durch
den Umstand , dass diese Protestanten vielleicht schon vorher sich
zu einer eigenen Pfarrgemeinde vereinigt hatten; denn zufolge des
Begriffes von katholischer Pfarrei kann für die katholische Kirche
eine protestantische Pfarrgemeinde als kirchliche Körperschaft inner-
halb eines katholischen Pfarrbezirkes rechtlich nicht entstehen und
nicht eristiren, und werden daher die Glieder der protestantischen
Pfarrgemeinde von den Katholiken immerhin nur als vereinzelte In-
dividuen angesehen und behandelt werden 1 ).
Ans der Annahme, dass die Concilsväter bei Abfassung des
Trauungsdecretes unter Pfarrei den bestimmten, begrenzten Seelsorgs-
bezirk mit Einschluss aller darin wohnenden Katholiken und Pro-
testanten (mochten letztere vereinzelt oder Glieder einer protestanti-
schen Pfarrgemeinde sein) verstanden haben, folgt von selbst erstens,
dass nur jene Christen, welche in diesem beschränkten Raume, in
welchem die Publication geschah , wohnten , vom Decrete berührt
wurden, nicht aber jene, welche zwar zu einer Pfarr gemeinde dieses
Bezirkes gehörten, aber in andern Pfanbezirken wohnten — und
folgt zweitens, dass alle Christen (Getauften) ohne Ausnahme, welche
in diesem Raume oder Bezirke wohnten, also auch die in eigene
Pfarrgemeinden vereinigten Protestanten dem Trauungsdecrete unter-
worfen wurden, weil der katholische Pfarrer es für den ganzen Pfarr-
bezirk verkündete und die Protestanten dem katholischen Pfarrer de
jure unterworfen waren 2 ). Nur jene Protestanten (und Katholiken)
waren vom Decrete frei, welche zur Zeit der Verkündigung in Pfarr-
bezirken wohnten, denen kein katholischer Priester mehr als Pfarrer
Vorstand, sei es dass der katholische Pfarrer mit seiner ganzen Ge-
meinde abgefallen war, sei es dass die weltlichen Machthaber keinen
katholischen Geistlichen mehr duldeten oder dass aus andern Ur-
sachen sich keiner mehr halten konnte. Doch auch diese Pro-
1) Haeretici peculiarem pscudoparochiam (de jure) non possunt constituere,
ne asseratur, haereticos posse ab ecclesiasticis legibus sese indirecte subducere
ac liberare contra juris principia (Canones et decreta Concilii Trid. ed. Richter
p. 320).
Parochus haereticus parochialis beneficii titulo destitutus est (1. c. p. 300),
2) Nullum esse contractum coram parocho haeretico, si decretum Concilii
publicatum luerit in parochia (Congreg. Concilii a. 1572).
Esse sub tali parocho , non ei eo provenit , quia parochialem ecclesiam
quis adeat, sed quia hubital in tuli loco (Canones Trid. ed. Richter p. 320).
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Milterm&ller, Ehehindernisse der Ctandeat. bei gemischten Ehen. 111
testanten waren nicht deshalb und dann frei, weil oder wann sie
etwa eine organisirte Yfangemcinde bildeten, sondern weil in diesen
ehemals katholischen Pfarrbezirken das Tridentinische Decret eben
nicht publicirt wurde. Aus diesem Grunde waren die daselbst zer-
streut wohnenden Katholiken ebenfalls frei zum klaren Beweise, dass
die Befreiung vom Decrete nicht von einer vorhergehenden Geroeiude-
bildung abhängig war, sondern nur von der Thatsache der Unter-
lassung der Publication in dem Yfarrbnzirke , in welchem man
wohnte. . ■ . . ' ,
Diese theoretischen Sätze, welche ich für richtig halte, sind
mir der Massstab zur Beurtheilung einiger Stellen, welche ich in
Dr. Silbernagls Lehrbuche des kathol. Kirchenrechts (§. 145. S. 477)
lese. Dem Herrn Verfasser ist es ausgemacht, dass die von Pro-
testanten ohne Beobachtung der Tridentinischen Trauungsform ge-
schlossenen Ehen auch an jenen Orten, wo das betreffende Concils-
decret publicirt wurde, für gültig angesehen werden, wenn nur dort
die Protestanten, bevor das Concilsdecret Geltung erhielt, eiue eigene
Yhxxgemeinde gebildet haben. Herr Prof. Silbernagl behauptet so-
gar, die Goncilsväter hätten die Absicht gehabt, den Protestanten
Gelegenheit zu geben, sich durch Gründung eigener Pfarreien ‘) dieser
Bestimmung des Coucils zu entziehen. Ich kann diesen Aufstel-
lungen nicht beistimmen; .denn das Concil unterscheidet durchaus
nicht zwischen protestantischen Y fangemeinden, welche vor dem
Decrete und denen, welche nach dem Decrete gebildet wurden, noch
auch zwischen einzelnen protestantischen Personen und zwischen pro-
testantischen Pfarrverbänden oder Yfarrgcmeinden, sondern schliesst
einfach Alle in die Wirkung des Decretes ein, welche innerhalb des
Yimbezirkes wohnen, sie mögen katholisch oder protestantisch ver-
einzelt oder in Gemeinden vereinigt sein. Alle stehen sie unter
dem katholischen Pfarrer. Auch in den Declarationen zum Decret
begegnet man nie der erwähnten Unterscheidung, stets heisst es nur
einfach : »Haeretici, in quorum parochia (PfarrfiftenVÄ) dictum decre-
tum fuit publicatum, tenentur praescriptam fermam observare.*
Allerdings bat das Concil, wie Pallavicini bemerkt, bei Ab-
fassung jenes Decretes auf die Protestanten Rücksicht genommen,
aber nicht in jener Absicht, welche Herr Dr. Silbernagl ihm zu-
schreibt, denn diese Absicht konnte nach katholischen Grundsätzen
durch blosse Bildung von Pfarr gemeinden innerhalb eines katho-
lischen Yfartbczirkes nicht erreicht werden, sondern nur insoferne
1) Nach des Verfassers Anschauung und in seinem Sinne sind Pfarr-
gtmeinden zu verstehen.
/ Google
112 Miitermüller, Ehehindernisse der Clandest. bei gemischten Ehen.
nahm es Rücksicht, als es voraussah, es werde in den protestanti-
schen Pfarr bezirken, in welchen kein katholischer Pfarrer mehr vor-
handen war, die Publication unterbleiben und die Bewohner solcher
Bezirke vom Gesetze nicht berührt werden, sonach werde eine Menge
von Ehen der Protestanten giltig sein *). Ich sagte, die von Herrn
Dr. Silbernagl vorausgesetzte Absicht des Concils wäre durch blosse
Bildung von Yfarrgemeindcn , die aber innerhalb eines katholischen
Ptarrbeeirkes ligen, nicht erreicht worden; denn der katholische
Pfarrer hätte das Decret für den ganzen Pfarr bezirlc verkündet und
nach 30 Tagen wären alle darin wohnenden Christen demselben
unterworfen gewesen. Um dem Gesetze zu entkommen, hätten die
Protestanten bewirken müssen, dass kein katholischer Pfarrer mehr
in ihren Pfarr&mr&e» vorhanden war, und dass folglich die Vor-
lesung des Decretes unterblieb.
Hienach berichtiget sich auch der weitere Satz des Herrn
Dr. Silbernagl, worin er zwar zugesteht, dass die Protestanten, wenn
sie an solchen Orten erst, nachdem das Concilsdecret bereits zur
Geltung gelangt war, zur Organisation eigener Pfarreien geschritten,
ebenso wie jene, welche vereinzelt in katholischen Pfarreien wohnen,
an die Tridentinische Trauungsform für gebunden erachtet werden,
aber die Ursache davon in einem ganz zufälligen, äusseren Umstande
sucht, nämlich darin, dass sie erst nach .Executiruug des Decrets die
Bildung einer Pfarrgemeinde vorgenommen haben, während der eigent-
liche Grund darin liegt, dass sie als Getaufte innerhalb der katho-
lischen Pfarrei wohnen und dem katholischen Pfarrer untergeben
sind. Aus der selbst von der Gegenseite anerkannten Gewissheit,
dass die Concilsväter auf den nach Verkündigung des Decrets er-
folgten , protestantischen Pfarrw&and keine Rücksicht nehmen,
schliesst man mit Recht, dass sie auch auf den der Verkündigung
vorhergegangenen Verband keine Rücksicht genommen haben. Das
fordert die Consequenz, die man den Concilsvätern Zutrauen muss.
Was hätte sie auch bestimmen können, der vorausgehenden Bildung
protestantischer Pfarrverbände ein Privilegium zu ertheilen, das
sie der nachfolgenden Bildung vorenthielten ? Jedenfalls müsste
1) »Evitabatur id, quod Lainius et alii monuerant, nimirum inter haere-
ticos, qui huic decreto non parerent, nullum matrimonium in posterum verum
fore nullamque prolem legitimam. Huic sane incommodo occurebatur, quoniam
illi in suis regionibus (in protestantischen Pfarrbezirken , in denen kein katho-
lischer Pfarrer mehr war) decreti promulgationem haud permisissent, adeoque
non fuisset expleta conditio, sub qua synodus imperabat, ut illud cunctos
obstringeret.« Pallavicini, lib. 22. c. 8. num. 10.
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Mtttermüller, Ehehindernisse der Clandest. bei gemischten Ehen. 113
das irgendwo im Decret ausdrücklich gesagt sein; man liest aber
nichts davon.
Es ist damit ein weiteres Bedenken erlediget, welches Herr
Dr. Silbernagl von Dr. Ferd. Walter entlehnt, als ob nämlich die
katholische Kirche wegen Inconsequenz zu tadeln wäre, weil sic die
Protestanten, wenn sie erst nach Verkündigung des Tridentinischen
Decrets zur Organisation eigener Pfarrgemeinden geschritten, an das
Decret gebunden erachte, während sie die protestantischen Pfarr-
gcmeinden, welche vorher organisirt wurden, für frei erkläre.
Letzteres ist, wie ich oben gezeigt zu haben glaube, eben nicht
richtig und wird nur von unserem Verfasser und einigen Gelehrten
ohne Grund angenommen, denn da die Concilsväter unter Pfarreien
nicht blosse Pfarrt verbände, sondern selbstständige, bestimmt abge-
grenzte Yfarrbezirke verstanden , ' so wollten und glaubten sie , dass
nicht nur vereinzelte Protestanten, sondern auch alle Glieder einer
innerhalb eines katholischen Pfarrbezirkes vor der Durchführung des
Trauungsactes organisirten, protestantischen Vt&rrgemeinde durch die
Execution des Decretes verpflichtet werden, und dass nur diejenigen
frei bleiben, welche zur Zeit der Publication in keinem katholischen
Pfarrbezirke mehr wohnen. Die Kirche hat also weder vorher-
gehende, noch nachfolgende Organisationen protestantischer Pfarrge-
meinden anerkannt, geschweige approbirt.
Zu einem Tadel oder einer Klage wegen Inconsequenz der
katholischen Kirche im fraglichen Betreffe fehlt also jeglicher Grund.
Archiv für Kirclienrecht. XLVII.
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X.
Instructio
ad condendum auctoritate ordinaria processum super immemorabili
cultu.
(Mitgethcilt von Monsignore Dr. Jacnlt /, Rector der Anima zu Rom.)
Antequam acta tradantur in hujusmodi processu adimplenda,
nonnulla praenotanda sunt.
1. Postulator causae legitime constitutus (ex. gr. a Capitulo
Ecclesiae Cathedralis) priusquam Praessui admoveatur manus, debet
exquirere singula cultus documenta et monumenta , quae deinde in
processu inserenda erunt, post tertium scilicet examen. Advertendum
est autem quod documenta hujusmodi fidem facere debent: propterea
si agatur de historiis a viris fidei dignis conscriptis, vel de actis in
aliquo archivio aut alibi asservatis, necesse est ut quae desumuntur
apographa seu exempla debita legalitate munita sint, qua scilicet
constet de concordia exempli cum originali. Si vero agatur de
vetustis codicibus vel de picturis aliisque monumentis oportet ut
peritorum judicio liqueat de monumentorum aetate, quod judicium
emisso prius juramento periti in scriptis tradere debent.
2. Testes examini subjiciendi 1. constituti esse debent saltem
in aetate annorum 54. quia cum opus sit ut 40 annorum uniformem
observantiam testentur in eo quod pertinet ad possessionem cultus,
de hac nequirent deponere nisi incipiendo a 14. aetatis anno. 2. De-
bent non abfuisse longo tempore a loco vel civitate ubi cultus viget.
3. Ruferre debent singula cultus adjuncta necessaria ad constituendum
immemorabile, se s|e referentes ad ea quae vel ipsi viderunt, vel
audierunt a patribus vel avis aliisque majoribus.
3. Quoniam duo saltem testes officio vocandi sunt, Causae
Postulator non omnes informatos producet, sed ante inductionem
conveniet cum Promotore Fiscali de duobus ei relinquendis.
4. Ut testes ante examen cognoscant quid agendum sit, re-
vocentque in mentem singula factorum adjuncta, necesse est ut
Causae Postulator eis exhibeat articulos, qui deinde iu processu af-
ferendi sunt. Articuli hujusmodi continere debent relationem eorum
omnium quae pertinent ad cultum Servo Dei . . . huc usque exhi-
bitum , incipiendo ab ipso obitu. Formula qua ipsi solent exatari
haec est »Qualmente la verita su ed 4 ehe il Servo di Dio ecc. mori
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 115
nell’ anno ecc. con fama di Santitä per l’eroiche virtü ecc. Dopo la
sua morte eominciö ad essere publicameute venerato ecc. Come de-
porranno i testimonii di pubblica voce e fama.« Et ita de singulis
articulis.
5. Testes inducendi sunt et juramento subjiciendi pridie saltem
examinis. Jurare autem debent de veritate dicendo et secreto ser-
vando. Secretum hoc non solvitur nisi publicato processu. Igitur
ante publicationem neque cum extraneis, neque cum aliis testibus
loqui possunt de interrogatoriis sibi factis et de propriis deposi-
tionibus, sed tantum cum Judice Promotore ac Notario actuario.
6. Unusquisque ex inductis testibus primo citandus est et ju-
ramento subjiciendus, deinde interrogandus juxta interrogatoria a
Promotore Fiscali exhibita, quorum schema claritatis ergo in fine hujus
instructionis tradetur. Post interrogatoria prosequitur examen super
artichlis ; si autem testis dicat se omnia in interrogatoriis explicasse,
absolvi poterit integra depositio hac ratione. »Et completo examine
dicti testes super interrogatoriis deventum est ad articulos, super
quibus ei lectis didit se tautum scire quantum supra deposuit in
interrogatoriis ad quae se retulit.«
7. Examina peragenda sunt super secreto, praesentibus dum-
taxat Judice, Promotore et Notario actuario, januis clausis, in loco
sacro ubi missa celebrari possit, adeoque sive in templis, sive in
Sacello Episcopi. Aegri examinandi erint in cubiculo ubi jacent,
moniales vero ad crates collocutorii , vel ad locum ubi SS. Euchari-
stiam accipiunt, nisi sint ex iis quae clausurae lege non detinentur-
Pro hisce tamen et pro quocumque regulari exhibenda erit a Postu-
latore et inserenda in processu veuia Praelati qua iis potestas emit-
tendi juramenti et examinis subeundi.
8. Sessiones habendae non erunt diebus festis, neque ante
solis ortum, vel post ejus occasum, iisque semper interesse debebunt
Judex, Promoter et Actuarius, qui semper unicuique sessioni se de-
bebunt subscribere.
9. Nemo ex testibus in deponendo se referat ad acta, vel ad
attestationes extrajudiciales , neque concise respondeat. »Verum est
interrogatorium, verus est articulus« sed omnia quae novit diserte
ac enucleate exponat addendo scientiae causam.
10. Sedulo cavendum est ne inter testes contradictiones orian-
tur. Quocirca is qui interrogat habeat prae oculis antecedentes de-
positiones, ut si quid dissidii eruperit, valeat per prudentes interro-
gationes distinctiorem factorum memoriam in deponentem revocare,
illumque ita ad concordiam cum aliis reducere. Quod si is rerum
8 *
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116 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
bene conscius in sua sententia perstet, atque ita praecedentes potius
testes errasse, tunc Judex et Promotor ex officio revocent ad examen
testes qui antea deposuerunt, omnemque adhibeant diligentiam ut
dissidia tollantur, quin tamen aliorum depositiones vel nomina
pandant.
11. Testis depositio dictanda erit a Judice, vel a Promotore,
et excipienda ac excribenda a Notario. Completa vero depositione
legenda erit testi, facta ei potestate corrigendi, vel demendi. Deinde
testis ipse sese subscribet, vel si nesciat scribere apponat crucis
signum, quod etiam praestabitur in fine cujuslibet sessionis, ubi sci-
licet abrumpitur depositio.
12. Exceptae depositiones et interrogatoria fiscalia extra actum
examinis servanda semper erunt clausa et obsignata usque ad pro-
cessus publicationem. Ut autem constet de hac clausura, ueque non
de secreto in examinibus servato, in principio cujusque sessionis me-
moranda erit a Notario exclusio Postulatoris, et cujuscunque, clau-
sura ostii, aperitio plici, in fine vero sessionis plici ejusdem clausura.
Hisce praehabitis acta tradimus, quibus juxta S. R. C. praxim
ordinarius processus solet instaurari. Oportet ergo ut Episcopus
(rogatus per supplicem libellum a Postulatore) speciali rescripto de-
signet Judicem et Notarium qui ab actis excipiendis Actuarius nun-
cupatur. Item alterum Notarium qui fidem faciat in prima sessione
de deputatione et juramento Actuarii, Cursorem seu Nuncium ad
exhibendas citationes, iisque omnes priori sessioni interesse debebunt
una cum Episcopo, Promotore Fiscali Curiae Episcopalis et causae
postulatore. Juris certe episcopalis est actis praeesse tamquam judex.
Hoc in casu inutilis est Judicis deputatio. Quod si Episcopus actis
interesse nolit, opportunum erit ut juramentum praestet. Cum enim
secreti lex urgeat eos qui processum conficiunt, si aliquid perplexum
et anceps occurrat quod Episcopo significari debeat, id fieri nequiret
obstanti secreti lege. Nos itaque acta trademus ac si Episcopus ju-
raverit simulque deputaverit Judicem. Statuto itaque die omnes in
aulam episcopalem convenient, et is qui in Notarium adjunctum de-
putatus fuit (non actuarius) acta sic reddet.
Sessio I.
In Nomine Dei. Amen.
Anno a salutifera D. N. Jesu Christi Nativitate millesimo
octingentesimo etc. Indictione Romana . . . die . . . hora . . . Pon-
tificatus autem Ssmi D. N. Pii Papae IX. feliciter regnantis anno
. . . Coram Illmo et Rmo . . . Episcopo . . . pro tribunali äedente
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Instructio . ad condendum processutn de immemorabili cultu. 117
in Aula Palatii Episcopalis, praesentibus . . . Judice deputato . . .
Promotore Fiscali, . . . Notario in Actuarium electo, ac . . . in
Cursorem deputato, omnibus praecedenter per me monitis testibusque
infrascriptis praesentibus, comparuit . . . Postulator constitutus spe-
cialiter a . . . prout docuit per litteras patentes Mandati Procurao
in sui personam factas inferins registraudas , atque humillime expo-
suit praefatum Servum Dei . . . cum magna sanctitatis fama demor-
tuum, a Christifidelibus publico cultu ab ipso obitu, (vel ab imme-
morabili tempore) honoratum fuisse, atque hunc cultum ad haec
usque tempora perseverare. Propterea petiit ut Illmus et Rmus
Episcopus vel per se vel per Judicem deputatum devenire dignetur
ad constructionem praessus super hujusmodi immemorabili cultu
praedicto Servo Dei . . . exhibito. Hinc rogavit Illraum et Rmura
Episcopum ut juramentum prius exhibere dignetur, illudque deferat
Judici, Promotori Fiscali, Notario Actuario, et Cursori praestandum,
ac simul loca et loca locorum deputet, praesigens dies et horas tam
pro audientiis et actis publicis praesentis processus, quam pro exa-
minibus testium recipiendis ad formam Decretorum generalium S. R.
C. et actum ad decretum aliud quodcumque necessarium et oppor-
tunum fiat et interponatur in forma omni etc. Ea tunc Illmus et
Rmus D. Episcopus iis visis et auditis primum inspexit procurae
Mandatum ac inspiciendum tradidit Promotori Fiscali qui illud ad-
misit. legitimum atque authenticum declarans. Deinde deputavit de
novo pro confectione hujus processuse ... In Judicem, in Promo-
torem Fiscalem . . ., in Notarium Actualem ... in Cursorem . . .
Qui omnes collatum munus ea qua par est reverentia et obsequio
acceptarunt. Post hac dominatio sua Illma et Rma stans et tacto
pectore more episcopali juravit dicens: Ego . . . Episcopus . . . tacto
pectore juro et promitto munus meum fideliter implere circa fabri-
cationem processus super cultu cultu ab immemorabili praestito Servo
Dei . . . nec non fideliter servare secretum nec alicui penitus reve-
lare tam contenta in interrogatoriis per R. P. D. Promotorem fisca-
lem dandis, quam depositiones testium super iisdem et super arti-
culis, nec de iis loqui cum aliquo persona, exceptis D. D. Judice,
Promotore Fiscali, Actuario, sub poena perjurii et excommunicationis
latae sententiae, a qua nonnisi a Summo Pontifice, excluso etiam ma-
jori poenitentiario, praeterquam iu mortis articulo absolvi possim.
Et ita promitto et juro, sic me Deus adjuvet.
.... Episcopus ....
Hoc praestito juramento Illmus et Rmus Episcopus illud de-
tulit officialibus deputatis ad construendum processum, quod unus
post alium praestiterunt ut infra.
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118 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
Ego . . . Judex deputatus tactis hisce Sacrosanctis Dei Evan-
geliis coram me positis, juro et promitto ete. Scribatur formula
juramenti ut supra, mutatis mutandis, et in conclusione dicatur »Si
me Deus adjuvet et haec Sancta ejus Evnngelia.
.... Judex deputatus.
Eadem ratione, mutatis mutandis, jusjurandum praestabit Pro-
motor Fiscalis.
Deinde ... in Notarium Actuarium deputatus, sui Notariatus
privilegium exhibens milii traditum ad effectum illud registrandi in
fine sessionis, jusjurandum praestitit ut sequitur. Ego ... in No-
tarium Actuarium deputatus in causa confirmationis cultus Servi Dei.
. . . tactis hisce Sacrosanctis Dei Evangeliis coram me positis juro
et promitto etc. ut supra.
Notarius in Actuarium deputatus.
Immediate . . . Cursor deputatus praestitit juramentum ut infra.
Ego . . . Cursor seu nuncius deputatus, tactis hisce Sacro-
sanctis Dei Evangeliis coram me positis, juro et promitto fideliter
adimplere munus mihi commissum circa fabricationem Processus or-
dinarii super cultu ab immemorabili exhibito Servo Dei . . . Sic me
Deus adjuvet et haec Sancta ejus Evangelia. . . . Cursor deputatus
Hujusmodi juramentis expletis, instante eodem causae Postu-
latore pro deputatione loci et loci locorum, tam pro actis publicis
praesentis Processus, quam pro juramentis et examinibus testium, ac
pro constitutione dierum et horarunf, nec non pro relaxatione cita-
tionis contra Promotorem Fiscalem ad dicendum contra jura et arti-
culos, videndum, testes induci ac jurare, dandum interrogatoria,
dictus It. D. . . . Promotor Fiscalis protestatus est, nihil fieri nisi
in sua praesentia, et nisi prius . . . Postulator compareus juret de
calumnia, et quoad testium examen , nisi autem exhibitis opportunis
interrogatoriis, quae omnino dare intendit. Quocirca idem . . . Causae
postulator huic protestationi inhaerendo stati m calumniae juramentum
emisit, quod genuflexus ad Sacra Dei Evangelia praestitit, ut sequi-
tur. Ego . . . infrascriptus , tactis hisce Sanctis Dei Evangeliis
coram me positis, juro et promitto, me non accedere neque accessisse,
nec accessurum ad hanc Causam et confectionem Processus, neque
ad aliquem illius actum, odio, amore, timore, seu alio quovis re-
spectu humano, sed solum zelo honoris et gloriae Dei, qui glorificatur
in Sanctis suis, et in animam meam juro sub omnibus clausulis in
simili calumniae juramento latius expressis et contentis, sic me Deus
adjuvet, et haec S. ejus Evangelia.
Postulator in Causa specialiter constitutus.
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 119
Hoc autem praestito juramento Illmus et Rmus Dmus Episco-
pus sedens etc. una cum Delegato Judice, omnes simul communi
sentcutia deputarunt pro loco et loco loci audientiarum et actorum
publicorum praesentis Causae, (designetur locus magis idoneus) ac
pro loce et loco loci juramentorum et examinum Testium (designetur
locus sacer) pro testibus infirmis aut alio impedimento detentis eorum
domus et cubiculum in quo jacent infirmi, pro Monialibus earum
Monasteria et crates ipsarum Collocutorii sive fenestram, unde ipsae
Sacram Eucharistiam suscipiunt. Pro diebus et horis destinarunt
omnes dies in posterum decurrendos, exceptis feriatis in honorem Dei
et Sanctorum, de mane ab hora . . . usque ad horam opportunam
et vespere a meridie usque ad solis occasum, reservata sibi facultate
praedicta loca, dies et horas variandi toties quoties opus fuerit, nec
non decreverunt futuram sessionem habendam die . . . hora ... et
ideo relaxarunt petitam citationem contra D. Promotorem Fiscalem
ad comparendum die dicta in Sacello . . . mandantes mihi ut illam
extendam et exequendam tradam Cursori deputato, et postquam in
fine praesentis Sessionis registraverim tenorem privilegio Notariates
Actuali deputati, ac etiam Notariatus mei ipsius de praemissis rogati
omnia acta originalia hucusque gesta tradam, et consignem D . . .
Notario ut supra in Actuarium Deputato, prout me facturum pro-
misi, et tandem injuncto mihi, ut de omnibus in praesenti Sessione
gestis publicum instrumentum conficiam , se se una cum Promotern
Fiscali subscripserunt ut sequitur.
Episcopus.
Judex deputatus.
Promotor Fiscalis deputatus.
Notarius in Actuarium deputatus.
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Super quibus omnibus et singulis uti supra gestis ego infra-
scriptus ad praemissa vocatus hoc praesens publicum instrumentum
confeci.
Actum . . . die . . mense et anno ac Pontificatu quibus supra,
praesentibus . . . et . . . Testibus ad praemissa specialiter habitis
atque rogatis.
Ita est Notarius publicus ecclesiasticus.
(Locus signi).
Post haec inserantur tenor supplicis libelli Postulatoris pro
confectione Processus , una cum. rescripto Episcopi. Item tenor
mandati procurae a Postulatore exhibiti, neque non tenor privi-
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120 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
legii notariatur tum Notarii Actuarii tum Notarii de praemissis
rogati.
Receptio actorum antecedentis sessionis facienda a Notario
Actuario, heic inserenda erit, eadem vero concipi poterit uti se-
quitur :
Ego . . . Notarius publicus in Actuarium Deputatus ad con-
scribendum processum auctoritate ordinaria super cultu Servo Dei
. . . ab immemorabili praestito recepi a . . . notario publico eccle-
siastico omnia et singula processus acta primordialia ab eo hactenus
rogata, una cum mandato procurae, de quibus ei acceptum feci prae-
sentibus . . . et . . . Testibus vocatis.
In fidem etc. me subscripsi hac die . . . anno . . .
Notarius Actnarius manus propria.
Citatio contra Promotorem fiscalem ut in futura Sessione com-
pareat exaranda erit uti sequitur; advertendum est tamen quod ejus
tenor in fine sequentis Sessionis inserendus erit.
De mandato . . . Judicis Deputati, qui ab Illmo et Rmo Epi-
scopo . . . electus est ad constructionem processus ordinarii super
immemoriali cultu Servo Dei . . . exhibito, citetur . . . Promotor
fiscalis ad comparendum coram Dominatione sua die . . . hora . . .
in . . . pro Audientiis et actte publicis praesentis causae et pro-
cessus specialiter deputatis etc. Nec non dicendum contra jura et
Articulos, illosque videndum ad probandum admitti, nec non induci
testes in Causa examinandos, eisque juramentum deferri, dandum
interrogatoria, super quibus iidem testes examinari debeant, alias etc.
assistendumque juramentis et examinibus praefatorum testium et
Actum ac Decretum aliud quodeumque desuper necessarium et op-
portunum fieri et interponi ad dictam diem et horam.
Instante Postulatore.
Ego infra8criptus Cursor sive Nuncius publicus et in praesenti
Causa specialiter Deputatus, refero ac testor sub hesterna die per-
sonaliter citasse . . . Promotorem Fiscalem ad contenta in praesenti
citatione cujus copiam, ostenso prius originali in propriis ejus mani-
bus reliqui, et ita refero et testor.
Hac die .... *.
.... Cursor et iu Causa specialiter Deputatus, manu propria.
Sess io II.
In Nomine Dei. Arnen.
Anno a salutifera D. N. Jesu Christi Nativitate Millesimo
octingentesimo . . . Indictione romana ... die vero . . . hora . . .
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r*"- "
Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 121
Pontificatus autem Ssmi in Xto patris et D. N. dierna providentia
Pii Papae IX. anno . . . coram Judice ab Illino et ltmo D. Episcopo
deputato in praesenti Causa confirmationis cultus Servi Dei ... pro
Tribunali sedente in . . . pro Audientiis et Actis publicis praesentis
Causae et Processus specialiter uti loco et loco loci destinato, prae-
sentibus . . . Promotore Fiscali, Testibus infrascriptis specialiter
vocatis, meque Notario Actuario pariter infrascripto comparuit . . .
Cursor in Causa deputatus et retulit in scriptis se sub hesterna die
personaliter citasse . . . Promotorem Fiscalem ad comparendum his
die et hora et loco et videndum fieri prout in originali Citatione
continetur, cujus copiam in ejus manibus reliquit et modo origina-
liter reproducit, una cum relatione executiouis in casu tenoris in-
ferius registrandi. Itelatione facta comparuit . . . Postulator et re-
petita citatione jam supra per Nuncium reproducta una cum rela-
tione legitimae illius executionis in illius termino produxit Positiones
seu Articulos super quibus Testes examinari debent, instititque pro
eoruin admissione, nec non eodem tempore exhibuit aliud separatum
folium seu notulam continentem nomina et cognomina Testium, quos
tacto induxit petiitque quod illis juramentum deferatur et successive
examinentur super dictis possitionibus sive Articulis, salvo jure, ac
reservata facultate alios Articulos et alios Testes, quatenus opus
fuerit, aut sibi placuerit producendi et inducendi, non se tamen ad-
stringens ad omnes et singulos Testes inductos, aut denuo inducendos,
examinandum etiam in casu quo juramentum ab illis praestitum
fuerit, de quo expresse et solemniter protestatus fuit et protestatur
non solum praemisso, sed et omni alio meliori modo etc. Statim
vero dictus Postulator tradidit mihi Notario Actuario nonnulla folia
continentia dictas positiones et articulos, nominaque et cognomina
testium inductorum, et in Causa examinandorum tenoris pariter in-
ferius registrandi. Petiit insuper Postulator antedictus Dnura Pro-
motorem Fiscalem ad comparendum in Sacello ... uti loco et loco
loci ad recipienda juramenta et examina testium specialiter prout in
Actis destinato et interessendum juramentis ab ipsis testibus prae-
standis, et successive dandum Interrogatoria, nec non interessendum
eornmdem testium examinibus, alias videndum etc. et citationem
decerni contra testes inductos ad comparendum in eodem loco et
praestandum juramentum, nec non perhibendum necessarium testi-
monium, sive se subjiciendum examini, et Actum et Decretum aliud
quodcumque desuper necessarium et opportunum fieri et interponi in
forma etc. Ex adverso dictus Dnu» Promotor contra asserta jura et
articulos dixit pro nunc generalia verba salve jure etc. quoad vero
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122 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
testes inductus, et alios quoscumque in posterum quomodolibet in-
ducendos protestatus fuit et protestatur non posse deveniri, nec esse
deveniendum ad receptionem juramentorum et examinum eorumdem,
nisi in sua praesentia, et insuper quod examen non fiat nisi cum
interrogatoriis ab ipso dandis, et in reliquis nihil fieri nisi reser-
vata forma Decretorum generalium atque novissimorum Sacrae Con-
gregationis Rituum, aliisque de jure, stylo et consuetudine reservandis,
alias protestatur de nullitate non solum etc. Sed et omni etc.
Ex tunc praefata Dominatio Sua Rma productos articulos et
Testes inductos admisit, si et in quantum, et deinde mandavit ut in
fine praesentis Sessionis, per me Notarium Actuarium registretur
tenor Citationis superius per Nuncium reproductae una cum relatione
illius executionis, atque etiam tenor tum articulorum per Postula-
torem supra productorum, tum etiam Notulae continentis nomina et
cognomina Testium inductorum et demum decrevit sequentem Sessio-
nem habendam esse die . . . hora ... ad quem effectum monuit
dictum Promotorem Fiscalem ut compareat in Sacello . . . loco et
loco loci pro juramentis et examinibus Testium inductorum specia-
liter destinato dictis die et hora, et adsistat Testium juramentis;
nec non citationem relaxavit contra Testes inductos ad praestandum
juramentum, et successive se subjiciendum examini, ac testimonium
veritatis perhibendum; alias cogendos et compellendos per censuras
et poenas ecclesiasticas arbitrio Dominationis Suae, mihique Notario
Actuario mandavit ut tandem Citationem extendam atque exequendam
tradam Nuncio sive Cursori Deputato. Demum injunxit pariter mihi
Notario Actuario ut de omnibus gestis in praesenti Sessione publicum
instrumentum conficiam in forma , ac se una cum Proraotore Fiscali
subscripsit ut infra.
Judex Delegatus.
Promoter Fiscalis.
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Super quibus omnibus et singulis hic ut supra gestis ego No-
tarius publicus et Actuarius specialiter Deputatus hoc praesens publi-
cum Instrumentum de mandato dicti Rmi Judicis N. N. confeci et
publicavi in forma, ideo in fidem hic me subcripsi, meumque solitum
Notariatus signum apposui requisitus. Datum . . . die, anno, Pon-
tificatu et loco supra praesentibus DD . . . et . . . Testibus ad prae-
missa specialiter adhibitis, vocatis atque rogatis.
Ita est Notarius Actuarius specialiter Deputatus.
(Locus signi).
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 123
Heic inseratur tenor Citationis contra Promotorem Fiscalem.
Deinde inserantur Articuli ac notula Testium qui a Postulatore
exhibiti fuerunt adjecta in fine. Notarii Actuarii subscriptione ut
de horum documentorum identitate liqueat. Citatio contra Testes a
Postulatore inductos ut in Sequenti Sessione compareant ad jura-
mentum praestandum concipienda erit ut sequitur. Nihilominus ad-
vertendum est quod ejus tenor in fine sequentis Sessionis inseren-
dus est.
De mandato . . . Judicis Deputati in praesenti Causa Confir-
mationis Cultus Servi Dei . . . citentur omnes et Singuli Testes
inferius nominandi ad comparendum coram Dominatione Sua die . . .
hora ... in Sacello . . . loco et loco loci ad recipienda eorum ju-
ramenta et examina specialiter ut in Actis destinato, et praestandum
juramentum et successive se subjiciendum examini, sive testimonium
veritatis perhibendum alias cogendi et compellendi per censuras
aliasque poenas ecclesiasticas «arbitrio Dominationis Suae, et actum
et Decretum quodeumque desuper necessarium et opportunum fieri et
interponi in forma ad dictam diem et horam.
Instante Postulatore.
Notarius specialiter deputatus.
Ego infrascriptus Cursor sive Nuncius publicus etc. Deputatus
refero ac testor sub hesterna die personaliter citasse ... nec non
• • . ad contenta in praesenti citatione cujus copiam, ostensa prius
originali, in propriis eorum manibus reliqui, et ita refero ac testor
hac die . . . anni . . . Cursor, sive Nuncius publicus et in Causa
specialiter Deputatus manu propria.
Ita est . . . Notarius publicus et actuarius specialiter deputatus.
Sessio III.
In Nomine Dei. Arnen.
Anno a salutifera D. N. Jesu Christi Nativitate millesimo
octingentesimo . . . Indictione Romana ... die vero . . . hora . . .
Pontificatus autem SSmi in Xto Patris et D. N. divina providentia
Pii Papae IX. anno . . . Coram Judice specialiter deputato ab lllmo
et Rmo D. Episcopo in praesenti Causa Confirmationis Cultus Servi
Dei . . . pro tribunali sedente in Sacello . . . loco et loco loci pro
juramentis et examinibus Testium in praesenta Causa examinandorum
specialiter destinato, praesentibus .... Promotore Fiscali pro his
die, hora et loco specialiter monito, Testibus infrascriptis specialiter
vocatis, meque Notario pariter infrascripto , comparuit . . . Nuncius
sive Cursor in Causa deputatus, et retulit in scriptis se sub hesterna dio
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124 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
persoualiter citasse omues et singulos Testes in calce originalis Ci-
tationes descriptos, et ostenso prius originali, in propriis inanibus
illius copiam reliquisse, quam quidem citationem una cura relatione
illius executionis hic facto reproduxit in forma tenoris inferius re-
gistraudi.
Relatione facta comparuit . . . Causae Postulator et repetita
citatione per Nuncium modo reproducta, ac relatione illius executionis
in illius termino sicut et in termino monitionis in praeterita Sessione
factae antedicto Dmo Promotori Fiscali reverenter petiit et institit
deferri Testibus inductis atque citatis juramentum de veritate di-
cenda et secreto servando, et successive destinari diem et horam pro
inchoando illorum examine, et ad hunc effectum moneri tum dictum
Dnum Promotorem Fiscalem quam Testem primo loco examinandum,
ut compareant in hoc eodem loco, die et hora destinandis, atque se
promotor Fiscalis producat. Interrogatoria, et idem Testis se sub-
jiciat examini, et actum et Decretum aliud quodcumque desuper
necessarium et opportunum fieri et interponi in forma etc. omni etc.
Ex adverso dictus D. Promotor Fiscalis hic praesens dixit nihil
fieri nisi ipso praesente, et ad Testium examen non deveniri nisi cum
interrogatoriis, quae ipse omnino dare intendit, in reliquis servari
formam Decretorum generalium et novissimorum Sacrae Congrega-
tionis Rituum, alias protestatus fuit et protestatur de nullitate om-
nium Actorum et agentorum non solum etc. sed et omni etc.
Ex tunc praefatus D. Judex deputatus visis et auditis praedictis,
mandavit mihi Notario ut in fine praesentis Sessionis registrem teno-
rem Citationis per Nuncium reproducta una cum relatione illius exe-
cutionis, et deinde testibus inductis juramentum detulit, quod illi
unus post alium separatim genibus flexis, et tactis Sanctis Dei
Evangeliis praestiterunt, ut infra sequitur. Et primo . . . Testis
inductus et citatus suum praestitit juramentum ut infra.
Ego infrascriptus . . . tactis SS. Dei Evangeliis coram me po-
sitis, juro et promitto dicere veritatem tam super interrogatoriis,
quam super articulis super quibus examinator in Causa Confirmationis
cultus Servi Dei . . . nec non juro et promitto religiose servare se-
cretum, nec alicui penitus revelare tam contenta in iisdem interro-
gatoriis quam responsiones et depositiones a me faciendas super iis-
dem et super articulis, nec de iis loqui cum aliqua persona, exceptis
Dominationibus Vestris Judice, R. D. Promotore Fiscali et Notario
Actuario ad Causam Deputato, sub poena periurii et excommunica-
tionis latae Sententiae, a qua nonnisi a Summo Pontifice (excluso
etiam Majori Poenitentiario) praeterquam in mortis articulo absolvi
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu, 125
possim. Ita promitto et juro, sic me Deus adjuvet et haec Sancta
ejus Evangelia.
Testis juro ut supra.
Eadem ratione Testes debent jurare, ita ut cujusque jusjurandum
per extensum heic loci inserendum sit. Quibus juramentis uti supra
praestitis ante dictus D. . . . Judex deputatus mandavit inchoari
Testium examen die . . . hora ... et ad hunc effectum monuit
dictum . . . Promotorem Fiscalem, ut compareat in hoc eodem loco
dictis die et hora, et assistat examini primi Testis, exibeatque inter-
rogatoria super quibus Testes examinari debeant, alias etc. et re-
spective monuit . . . Testem primo loco examinandum, ut compareat
et se examini subjiciat, et deinde injunxit mihi Notario Actuario, ut
de omibus gestis in praesenti Sessione publicum instrumentum con*
ficiam in forma, et tandem se una cum Promotore Fiscali subscrip-
serunt ut infra.
Judex Deputatus.
Promotor Fiscalis.
Testis vocatus.
' Testis vocatus.
Super quibus omnibus et singulis sic ut supra gestis ego
Notarius publicus et Actuarius specialiter deputatus hoc praesens
publicum Instrumentum de mandato Dominationis Suae . . . Judicis
confeci et publicavi in forma, ideo in fidem hic me subscripsi,
meumque solitum Notariatus signum apposui requisitus.
Actum die, mense, anno, Pontificatus et loco quibus supra,
praesentibus DD. . . . et . . . Testibus ad praemissa specialiter ha-
bitis, vocatis atque rogatis.
Ita est . . . Notarius publicus in Actuarium specialiter de-
putatus.
(Locus signi).
Heic inserendus est tenor citationis contra Testes a Postulatore
inductos.
Sessio IV.
In Nomine Dei. Arnen.
Anno salutifera D. N. Jesu Christi Nativitate millesimo oc-
tingentesimo . . . indictione romana ... die vero . . . hora Ponti-
ficatus autem SSmi in Xto Patris et D. N. divina providentia Pii
Papae IX. anno . . . Coram . . . Judice specialiter ab Illmo et Rmo
Episcopo deputato in praeseuti Causa Confirmationis Cultus Servi
Dei ... pro Tribunali sedente in Sacello, loco et loco loci pro jura-
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126 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
mentis et examinibus Testium in praesenti Causa examinandis spe-
cialiter destinata, praesentibus . . . Promotore Fiscali et . . . Teste
inducto et jurato primo loco examinando pro his die hora et loco
specialiter monitis comparuit . . . Postulator, et in termino moni-
tionis in praeterita Sessione factae reverenter petiit et institit in-
choari primi Testis examen, et actum, et Decretum aliud quodcumqne
desuper necessarium et opportunum fieri et interponi in forma
omni etc.
Ex adverso dictus Dnus Procurator Fiscalis ibidem praesens
facto exhibuit Plicum clausum et sigillatum continens interroga-
toria 1 ) super quibus petit et instat Testes omnes et singulos exami-
• 1) Haec interrogatoria sequenti poene modo concipi possunt. 1. Inter-
rogetur num sciat vel dici audierit ubi et quando S. D. obierit, et quo loco
fuerit scpultus: an post obitum venerationem obtinuerit et qua de causa. Si
testis affirmet, dicat ubinam haec veneratio inceperit, et an ad alia loca extensa
fuit, quando, quomodo, an unquam interrupta fuerit. Dicat etiam an quisquam huic
cultui contradixerit, allegando in omnibus scientiae causam. 2. Interrogetur
num sciat vel dici audierit quod corpus dicti S. D. semper jacuerit in sepulcro,
ubi humatura fuit post obitum, vel alio fuerit translatum. Si translatum dicat
differat quando id factum sit, et qua de causa; an locus ubi reconditum fuerit,
publicam nec no venerationem portenderit. Quod si testis affirmet, dicat an
ipse unquam S. D. exuvias sit veneratus, an alii etiam accesserint, et quinam,
afferendo singula adjuncta, et scientiae causam. 3. Interrogetur num sciat vel
dici audieret an altaria vel Cappellae S. D. dicatae fuerint, ubi, quando, quo-
modo. Si affirmet testis dicat an accesserit venia Ordinarii , aut saltem con-
sensus praesumptus, referat quoque an altaria haec vel cappellae adhuc existant :
an Sacrum in S. D. honorem celebratum sit vel celebretur, vel aliae piae preces
in honorem S. D. peractae sint vel peragantur. In omnibus autem referat
singula adjuncta et scientiae causam. 4. Interrogetur num sciat vel dici au-
diverit an aliquando fuerint imagines, statuae etc. S. D. pictae vel sculptae aut
aliter formatae. Si testis affirmet, dicat an radios circa caput vel splendores
habeant, aliavc sanctitatis indicia, an in loco sacro asserventur nec ne, ubi,
quomodo. Referat etiam au imagines hujusmodi vel simulacra antiquam nec ne
aetatem redoleant et quam. In omnibus adjuncta singula et scientiae causam
prodat. 5. Interrogetur num sciat vel dici audierit an in luco ubi jacent exu-
viae S. D. vel alio quovis loco appensae fuerint aut retentae votivae tabellae,
donaria, aut quaevis ejusdem generis donata fuerint. Si affirmet testis referat,-
ubi, quando, quomodo id evenerit; dicat etiam an adhuc donaria haec asser-
ventur, et ubinam. Afferatque de omnibus adjuncta et scientiae causam. 6. In-
terrogetur num sciat vel dici audiverit an Sancti vel Beati titulo S. D. fuerit,
cohonestatus. Si affirmet, referat an haec nffncupatio statiin ab obitu inceperit,
vel non: an quisquam eidem contradixit. Dicat etiam an Ecclesiastica aucto-
ritas hoc titulo eum compellaverit nec ne. In omnibus etc. 7. Interrogetur
num sciat vel dici audiverit an libri vel historiae fuerint editae quoad virtutes
S. D. an ipsae ab ordinariis recognitae et approbatae nec ne fuerint. Quod si
testes affirmet, dicat quinam sint hi libri et quid contineant, afferatque etc.
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 127
nari, priusquam examinentur super articulis, completo autem sive
suspenso cujuslibet Testis examine petit quod dictus plicus claudatur
et obsignetur, una cum depositionibus Testis eiaminati, non ape-
riendus nisi in actu futurae Sessionis seu examinis, similem clau-
suram et aperitionem respective in principio et fine cujuslibet sessionis
servandam et adhibendum esse dixit et ulterius institit quod ante
inchoationem examinis cujuslibet Testis denuo deferatur ipsi Testi
examinando juramentum alias praestitum , et in reliquis servetur
forma Decretorum generalium et novissimorum Sacrae Congregationis
Rituum aliaque adimpleantur de jure, stylo et consuetudine servanda
et adimplenda, alias protestatus fuit et protestatur de nullitate exa-
minum et totius Processus non solum ete., sed et omni etc.
Quibus visis et auditis praefatus R. D. Judex deputatus man-
davit inchoari examen . . . Testis inducti, citati atque jurati, cui
denuo detulit juramentum veritatis dicendae et secretum religiose
servandi quod ille iterum praestitit genibus flexis et manu imposita
super librum Evangeliorum repetendo eademmet praecisa verba alias
in Actis registrata dicens, ita promitto et juro, sic me Deus adjuvet
et haec SS. ejus Evangelia, et postea mandavit ex hoc loco discedere
Causae Postulatorem , prout ille statim recessit , et clausis foribus
jussit aperiri plicum interrogatoriorum clausum et sigillatum exhibi-
tum per dictum Dnum Promotorem Fiscalem. Quo quidem plico
statim per me Notarium de mandato etc. aperto deventura fuit ad
examen dicti Testis, qui ad interrogationes sibi factas a Judice De-
putato (vel a Promotore Fiscali; dixit et deposuit prout infra, et ego
Notarius Actuarius Testis responsiones de verbo ad verbum nihil
penitus addito, dempto, aut immutato, eodem quo ab ipso relatae
sunt idiomate descripsi et registravi ut infra videlicet. Juxta pri-
mum interrogatorium respondit.
Uti jam supra notatum examen vel a Judice vel a Promotore
Fiscali dictandum est Notario, ut illud per extensum scribat. Haec
autem serbari debent. I. In dictanda depositione testis cuique in-
terrogatoria facta non debet adhiberi tertia persona ex. gr. testis
fuit, vidit etc., sed prima ex. gr. ego fui, vide etc. ut scilicet ap-
pareat testem ipsum esse locutum. 2. Peculiares testis diceudi modi,
si fieri potest, servari debent. 3. Si testis ad aliquod interrogatorium
responsionem dare nequeat, tunc dicatur »Juxta interrogatorium . . .
testis respondit se nihil scire.«
Post interrogatoria prosequendum est examen super articulis a
Causae Postulatore datis, qui singillatiin testi legi debent, ut si quid
addendum habeat, illud exponat, si autem nil habeat addendum,
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128 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
tntic post ultimam responsionem postremo interrogatorio factam di-
catur »Expletis interrogatoriis deventum est ad examen super arti-
culis, super quibus . . . Tostis dixit se tautum scire quandum supra
deposuit super interrogatoriis.«
Absoluto examine legenda est testi integra ejus depositio, ut
eam approbet et confirmet per suam subscriptionem, atque ita clau-
ditur actus a Notario. > ' . . •• •
Et absoluto examine tam super interrogatoriis, quam super ar-
ticulis fuit per me Notarium de mandato Judicis Deputati alta et
intelligibili voce lecta eidem testi integra ejus depositio, nempe a
principio usque ad finem, impertita eidem facultate addendi, minuendi
seu corrigendi, quam depositionem per eum bene auditam et intel-
lectam de verbo ad verbum approbavit, ratificavit et confirmavit.
Demum ipsi testi injunctum fuit ut se subscriberet, prout illico fecit
videlicet.
Ita pro veritate deposui, approbo et confirmo . . . Testis.
Si autem testis - aliquid haberet addendum vel corrigendum,
post verba approbavit, ratificavit, confirmavit, dicatur: Addidit tamen
sequentia, quae ego Notarius Actuarius heic fideliter transcripsi vi-
delicet . . . Quibus additis et per me Notarium lectis et ab ipso
teste bene auditis et intellectis, approbatis et in omnibus ratificatis
et confirmatis, eidem testi injunctum fuit, ut se subscriberet, prout
illico accepto calamo fecit ut infra . . . Fiat testis subscriptio, ut supra.
Licentiato et abeunte praedicto teste, R. D. Judex Delegatus
priusquam e loco eiaminis discederet, mandavit perme Notarium
claudi et obsignari interrogatoria et testis depositionem, non aperienda
nisi* in actu futuri examinis alterius testis . ; . per me monendi ut
accedat ad . . . die . . . hora ... et examini se subjiciat, ad quem
effectum monuit etiam D. Promotorem Fiscalem, hic praesentem, ut
intorsit dictis die et hora examinis ipsius testis. Demum injuncto
mihi ut de omnibus et singulis huc usque gestis instrumentum con-
ficiam, se subscripsit una cum Promotore Fiscali uti sequitur.
Judex Deputatus.
..... Promotor Fiscalis.
Super quibus omnibus et singulis sic ut supra gestis ego No-
tarius publicus et Actuarius specialiter deputatus qui de praemissis
me rogavi, hoc praesens instrumentum de mandato R. D. Judicis
Deputati confeci in forma. Ideo in fidem hic me subscripsi meumque
solitum Notariatus signum apposui requisitus . . . Actum . . . die,
mense, anno, Pontificatus et loco quibus supra.
Ita est . . . Notarius in Actuarium specialiter deputatus.
(Locus signi).
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 129
Eadem ratione peragentnr aliorum testium examina. Adver-
tendum est tandem quod in clausura actorum facienda post examen
cujusque testis loco dicendi »testis depositionem« dici debet »testium
depositiones huc usque receptas.«
Expleto examine testium a Postulatore inductorum, post sub-
scriptionem postremi testis prosequendi erunt acta processus per
examen testium qui a Promotore Fiscali ex officio induci debent uti
sequitur.
Dimisso et licentiato praedicto teste coram eodem R. D. Judice
comparuit . . . Causae Postulator dixit atque declaravit, se non
habere nec velle aliqs Testes inducere et examinari, ideoque cum
jam absolutum fuerit examen testium a se inductorum institit procedi
ad ulteriora in publicatione et exemplatione Processus et Decre-
tum etc. omni etc.
Ex adverso dictus R. D. Promotor Fiscalis dixit et protestatus
fuit non posse ad ulteriora procedi nisi prius ad formam Decret.
Congreg. Sacr. Rit. alii testes ex officio examinentur. Et tunc Do-
minatio Sua Rma sequentes Testes ex officio induxit, videlicet . . .
et . . . Quocirca R. D. Promotor Fiscalis, inhaerendo protestationibus
omnibus alias emissis petiit et institit dictis Testibus, ut supra ex
officio vocatis deferri juramentum de veritate dicenda et de secreto
servando ad formam Decretorum S. R. C. et postea illos examinari
pro diebus et horis certis intimandis, ac nihil fieri, nisi ipso semper
praesente, alias de nullitate etc. Exinde praefatus R. D. Judex pro
Tribunali sedens etc. dictis Testibus ut supra ex officio nominatis
mandavit deferri juramentum antedictum, ideoque decrevit novam
sessionem habendam, die . . . hora ... in Sacello ... et deinde
post receptionem dictorum juramentorum mandavit ipsos examinari,
ideoque relaxat Citationes necessarias et opportunas contra eosdem
Testes ad comparendum die et hora praefixis in Supradicto loco,
eorurnque juramentum praestandum, nec non monuit R. D. . . .
Promotorem Fiscalem, ut die et hora praedictis intersit, mihique
Notario commisit ut citationes ipsas extendam Cursorique Deputato
exequendas tradam. Demum mandaverunt per me Notarium Ac-
tuarium claudi et obsignari etc.
Judex Deputatus.
Promotor Fiscalis.
Super quibus omnibus et siugulis ut supra gestis . . . etc.
Actum . . . die, hora, anno, mense et Pontificatu quibus supra.
Ita est . . . Notarius in Actuarium Deputatus.
(Locus signi).
Archiv für Kirchenrecht. XL VII. 9
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130
Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
Citatio contra Testes ex officio ejusdem tenoris est ac illa contra
Testes a Postulatore inductos. Loco dicendi »instante . , . Postu-
latore specialiter constituto« dici debet »instante R. D. . . . Pro-
motore Fiscali« Advertendum est autem quod ejus tenor in fine se-
quentis sessionis erit inserendus.
Sessio . . .
In Nomine Dei. Amen.
Anno . . . Indictione romana ... die ... Pontificatus . . .
Coram . . . pro tribunali sedente in Sacello . . . praesentibus R. D.
. . . Promotore Fiscali, testibus infrascriptis, meque Notario Actuario
pariter infrascripto.
Comparuit . . . Nuncius, sive Cursor Deputatus et retulit in
scriptis se sub die . . . personaliter citasse . . . et . . ., et ostenso
prius originali, in propriis manibus illius copiam reliquisse, quam-
quidem citationem una cum relatione illius exeeutionis hic facto re-
produxit in forma tenoris inferius registrandi.
Relatione facta, dictus R. D. Promotor Fiscalis hic praesens
repetita citatione per Nuncium mox supro producta, ex relatione
illius exeeutionis in illius termino, sicut et in termino monitionis in
praeterita sessione factae, institit ut dictis Testibus ex officio de-
feratur juramentum de veritate diceuda et de secreto servando, et
successive destinari diem et horam pro inchoando illorum examine,
et ad hunc effectum moneri primum Testem examinandum, ut com-
pareat in hoc eodem loco, die et hora destinandis, ut se subjiciat
examini et actum ac Decretum aliud quodeumque desuper necessarium
et opportunum fieri et interponi in forma omni etc.
Et tunc praefatus R. D. Judex Deputatus, visis et auditis
praedictis, mandavit mihi Notario ut in fine praesentis sessionis re-
gistrem tenorem citationis superius per Nuncium productae una cum
relatione illius exeeutionis, et deinde Testibus ex officio citatis jura-
mentum detulit quod ipsi genibus flexis et tactis Sacrosanctis Dei
Evangeliis unus post alium praestiterunt ut infra sequitur, videlicet
sequentia verba recitando.
Et primo ego infrascriptus Testis ex officio vocatus, tactis hisce
Sacrosanctis Dei Evangeliis etc. Ego . . . Testis cx officio juravi
ut supra . . . Quibus juramentis ut supra praestitis . . . Judex, in-
stante . . . Promotore Fiscali mandavit inchoari examen Testium ex
officio a dicto Promotore Fiscali inductorum et juratorum, die . . .
hora ... et ad hunc effectum monuit tam dictum R. D. . . . Pro-
motorem Fiscalem, quam . . . Testem ex officio primo loco exami-
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 131
nandam ut compaveant in hoc eodem loco dictis die et hora, et
assistat examini dicti Testis tam super interrogatoriis, quam super
articulis, et deinde injunxit mihi Notario actuario, ut de omnibus
gestis in praesenti Sessione publicum instrumentum conficiam in forma,
et tandem se subscripserunt ut infra.
Judex Deputatus.
Promoter Fiscalis.
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Actum etc. . . . Ita est . . . Notarius in Actuarium specialiter
Deputatus.
(Locus signi).
Hic inserendus est tenor citationis contra Testes ex officio una
cum relatione illius executionis a Cursore factae.
Sessio . . .
In Nomine Dei. Arnen.
Anno . . . inductione . . . die . . . Pontificatus . . . Coram
. . . pro tribunali sedente in Sacello . . . praesentibus . . . Promo-
tore Fiscali meque Notario Actuario etc. ad instantiam dicti . . .
Promotoris Fiscalis inchoatum fuit examen . . . Testis ex officio
primo loco examinandi, citati, jurati, cui iterum delatum fuit jura-
mentum, quod ille praestitit, tactis SS. Dei Evangeliis juxta eamdem
verborum formam alias in actis registratam, dicens haec praecisa
verba — Ita promitto et juro , sic me Deus adjuvet , et haec SS. ejus
Evangelia — et interrogatus praefatus Testis juxta Interrogatoria,
aperto prius per me de mandato R. D. Judicis plico interrogatorio-
rum ac Testium depositionum adhuc usque clauso penes me asservato
juxta illa dixit et deposuit prout infra.
Ego autem Notarius Actuarius Testis respousiones descripsi de
verbo ad verbum, nihil penitus addito, dempto aut immutato, eodem
quo ab ipso relatae sunt ideomate descripsi et registravi ut infra
sequitur videlicet.
Juxtra primum interrogatorium . . . respondit . . .
Absoluto examine dicti Testis ex officio etiam super articulis,
de mandato R. D. Judicis Deputati fuit per me Notarium Actuarium
eidem Testi lecta integra ejus depositio, quae per ipsum bene audita
et intellecta eam approbavit, ratificavit et in omnibus confirmavit,
acceptoque calamo se subscripsit ut infra.
Ita pro veritate deposui . . . Testis ex officio.
Reliqua Sessionis acta peragi debent ut in examine aliorum
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
Testium. Absoluto vero examine postremi Testis ex officio , ac
eodem licentiato ac dimisso, accerfiri debet a Notario Actuario Causae
Postulator, ut si quae habeat documenta in processu compulsari
possint. Propterea actum absolvi poterit ut sequitur.
Dimisso et licentiato ipso Teste, de mandato ejusdem R. D.
Judicis deputati, fuit per me Notarium Actuarium accersitus . . .
Causae Postulator, qui habita nolitia completura jam fuisse examen
Testium ex officio, petiit et institit pro compulsatione nonnullorum
documentorum, queis probare intendit immemorialem cultum Servo
Dei ... ad haec usque tempora exhibitum , ac reverenter petiit et
institit ea singula admitti ac in actis registrari.
Ex adverso dictus R. D. Promotor Fiscalis dixit et protestatus
fuit non esse admittenda ea documenta neque compulsanda, nisi
prius eorum recognita legalitate, alias se de nullitate etc. Ex tunc
R. D. Judex prae manibus habens producta documenta, singula at-
tente inspexit et consideravit, eaque K. D. Promotori Fiscali consi-
deranda tradens, ipso consentiente, authentica, integra, nullaque in
parte vitiata declaravit, proptereaque mihi Notario jussit ut ea re-
ciperem et in actis compulsarem, eorumque tenorem in fine hujus
Sessionis registrarem prout me facturum promisi.
Deinde dictus Dnus . . . Postulator exposuit locum esse prose-
cutioni ceterorum actuum, proptereaque petiit et institit destinari
diem et horam ad effectura visitandi Ecclesiam ... ubi maxima
veneratione colitür Corpus Servi Dei . . . et ad hunc effectum de-
cerni et relaxari citationem contra R. D. ... Promotorem Fiscalem,
petens ut dictos Promotor adsistat praedictae Ecclesiae visitationi,
die et hora designandis ad videndum fieri, et quodcumque actum et
decretum desuper necessarium et opportunum fieri et interponi in
forma omni a jure praescripta. „
Tunc R. D. Judex deputatus decrevit supra dictam visitatio-
nem, pro qua exequenda designavit diem . . . mensis . . . horam . . .
pro qua die et hora mandavit citari R. D. . . . Promotorem Fisca-
lem, injunxitque mihi Notario Actuario ut hanc citationem extendam
et ad exequendam Cursori specialiter deputati eam tradam. Demum
R. D. Judex deputatus mandavit mihi Notario ut claudam et ob-
signem in plico interrogatoria et testium depositiones, et de omnibus
et singulis huc usque gestis publicum instrumentum conficiam, quae
omnia me facturum promisi, actumque complevit sese cum promotore
Fiscali subscribens ut infra.
Ponantur subscriptiones et fiat rogitus uti supra in aliis ses-
sionibus.
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 133
,r _ Tenor documentorum quae per . . . Causae Postulatorem exhi-
bita fuerunt, est uti sequitur k . . Primo etc.
Citatio contra Promotorem Fiscalem (cujus tenor in tine alte-
rius Sessionis inserendus est) concipi potest uti sequitur.
‘ ’ De mandato R. D. Judicis deputati citetur Ii D. . . . Pro-
moter Fiscalis ad interessendum die . . . mensis . . . hora . . . ac-
Cessus ad Ecclesiam . . . ubi maxima veneratione a Fidelibus colitur
corpus Servi Dei ... aliaque videndum fieri necessaria et opportuna,
et decretum quodcumque necessarium et opportunum fieri et inter-
poni in forma ad dictam diem ot horam.
Instante . . . Postulatore . . . Notarius Actuarius specialiter
deputatus.
Ego infrascriptus Cursor seu Nuncius publicus et in praesenti
processu specialiter deputatus refero ac testor sub die , . . mensis
. . . personaliter citasse R. D. . . . Promotorem Fiscalem ad con-
tenta in praesenti citatione, cujus copiam, ostenso prius originali in
propriis ejus manibus reliqui, et ita refero ac testor sub hac ipsa
die . . . mensis . . . anni . . .
Cursor specialiter deputatus manu propria.
Ita est Notarius Actuarius specialiter deputatus.
••- i • - ■... .• , .. • . ...
Sessio . . .
In Nomine Dei. Arnen.
Anno a salutifera D. N. Jesu Christi Nativitate ... die vero
. . . mensis . . . hora . . . Pontificatus autem SSmi in Christo Patris,
et Dni Nostri N. N. Papae . . . anno . . . R. D. Judex deputatus cum
R. D. . . . Promotore Fiscali, Testibusque infrascriptis personaliter
accesserunt ad Ecclesiam ... ubi singolari veneratione colitur a
Fidelibus corpus Servi Dei ... et illuc iis perventis post brevem
orationem peractam coram SSmo Sacramento, ad Sacellum . . . ejus-
dem Ecclesiae, in quo pro tribunali sedentibus coram iisdem com-
paruit . . . Cursor, qui reproduxit citationem ab eo personaliter
exequutam coram R. D. ... Promotore Fiscali, cum relatione
illius exequutionis tenoris inferius registrandi.
Facta reproductione ante dicta comparuit R. R. N. N. Postu-
lator, qui repetita eodem citatione petiit et institit prout in ipsa
continetur, fieri scilicet exterius visitationem Ecclesiae ac praecipue
altaris ubi requiescit corpus Servi Dei . . .
Ex tunc R. D. Judex ad majorem certitudinem et notitiam hac
super re hauriendam mandavit vocari Sacristam . . . annorum . . .
neque non . . . annorum . . . famulatusi ecclesiae praefatae addic-
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134 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
tum, quibus separatius coram se vocatis detulerunt juramentum de
veritate dicenda, quod idem Sacrista statim praestitit flexis genibus
et tactis SS. Dei Evaiigeliis ut infra — Ego . . . tactis hisce SS.
Dei Evaugeliis juro dicturum veritatem super omnibus illis de qui-
bus intorrogabor sub poena perjurii et excommunicationis latae sen-
tentiae, a qua nonnisi a Summo Pontifice (excluso etiam majori
Poenitentiario) praeterquam in mortis articulo absolvi possim. Et
ita promitto et juro, sic me Deus adjuvet et haec SS. ejus
Evangelia.
Ego juro uti supra.
Quo praestito juramento, interrogatus fuit a Judice deputato
num sciat an in hac Ecclesia reperiatur corpus Servi Dei . . . quando,
quomodo, ubinam reconditum fuerit, an publicam venerationem ob-
tineat et quam: afferendo in omnibus scientiae causam.
Cui interrogationi responsum dedit dicens . . . His auditis
RR. DD. Judices mandarunt ut se subscriberet, prout fecit hac
ratione.
Ego . . . deposui ut supra juxta veritatem.
Successive R. D. Judex, praesente Promotore Fiscali mandavit
vocari alium Testem ... cui statim detulit juramentum uti sequitur.
Scribatur juramenti formula, atque omnia peragantur, prout
actum est relate ad I. Testem.
Quibus auditis R. D. Judex mandavit mihi Notario describere
formam ecclesiae, prout exequutus sum sequenti modo, videlicet — In-
seratur heic accurata descriptio Ecclesiae. —
Hac descriptione peracta R. D. Judex una cum Promotore
Fiscali, meque Notario Actuario sese contulerunt ad locum a testi-
bus indicatum, in quo dicitur requiescere corpus Servi Dei . . . atque
illuc adventi mandaverunt mihi Notario ut exteriorem formam de-
scriberem prout egi sequenti forma — Iuseratur descriptio Altaris
seu Sacelli ubi requiescit corpus Servi Dei. —
Completa hujusmodi descriptione R. D. Judex deputatus una
cum Promotore Fiscali visitaverunt totam Ecclesiam praedictam, in-
spiciendo singulas partes ac praesertim Altare seu Sacellum ubi re-
quiescit corpus Servi Dei et diligenter observaverunt et recognoverunt,
et ipso Promotor Fiscalis aliique omnes praesentes viderunt et re-
cognoverunt corpus praedicti Servi Dei publicam venerationem ob-
tinere. Hac inspectione absoluta comparuit R. D. Postulator, qui
cum jano expleta fuerint testium examina et visitatio Ecclesiae ubi
requiescit Servi Dei corpus supplicavit Dominationes suas in Causa
concludi, et pro hujusmodi effectu decerni relaxandam esse citationem
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Instructio ud condendum processum de immemorabili cultu. 135
contra dictura R. D. . . . Promotore Fiscalem, ad dicendum contra
jura, et actura et Decretum aliud quodcumque necessarium et op-
portunum fieri et interponi in forma omni a jure praescripta.
Ex adverso R. D. Promotor Fiscalis dixit nihil fieri nisi ipso
praesente ac nisi servata fuerint in omnibus decreta generalia S. R. C.
alias de nullitate tam actorum quam totius processus protestans, sicut
protestatus fuit non solum in isto, sed in omni meliori modo. Qui-
bus auditis R. D. Judex mandavit mihi Notario Actuario, ut expe-
diam citationem contra . . . Promotorem Fiscalem pro futura sessione
habenda in hoc eodem loco die . . . hora ... ad audiendam sen-
tendiam definitivam in causa qua de agitur. Postea injunxit ut in-
terrogatoria est testium depositiones claudam et obsignem in plico,
non aperiendo nisi in actu publicationis processus prout me futurum
promisi. Denique R. D. Judex una cum R. D. Promotore Fiscali
sese subscripsit, ut sequitur.
Judex Delegatus.
Promotor Fiscalis.
Super quibus omnibus et singulis ut supra gestis, ego Notarius
publicus Actuarius specialiter Deputatus hac praesens instrumentum
confeci in forma de mandato etc.
Actum
(Locus signi).
Citatio contra Promotorem Fiscalem in futurae Sessionis fine
erit registranda. Ejus tenor erit ut infra. De mandato . . . Judicis
deputati ab Ulmo et Rmo Episcopo ... in Causa confirmationis
Cultu Ven. Servi Dei . . . citetur . . . Promotor Fiscalis ad com-
parendum coram Dominatione Sua in Sacello . . . die . . . hora . . .
ad audiendam definitivam Sententiam in Causa, alias videndum fieri
necessaria et opportuna, et decretum quodcumque desuper necessarium
et opportunum fieri et interponi in forma ad dictam diem et horam.
Instante . . . Postulatore.
Ego infrascriptus Cursor etc. refero ac testor sub hesterna die
personaliter citasse . . . Promotorem Fiscalem ad contenta in prae-
citatione, cujus copiam, ostenso prius originali, in ejus manibus re-
liqui, et ita refero ac testor. . . . Cursor deputatus manu propria.
Sessio . . .
In Nomine Dei. Amen.
Anno . . .. Indictione romana . . . Pontificatus . . . Coram
. . . comparuit . . . Nuncius in praesenti Causa specialiter deputatus,
ac reproduxit citationem ad sententiam relaxatam contra . . . Pro-
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136 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
motorem Fiscalem, et ab eodem exequutam uua cum relatione illius
executionis. Facta reproductione antedicta eomparuit ... Postu-
lator, qui repetita dicta citatione petiit et institit pro reiteratione
terminorum substantialium quodque a Dominatione Sua Rma pro-
feratur defiuitiva sententia super immemoriali cultu Servo Dei . . .
praestito, seu super paritione Decretis sa. me. Urbani P. P. VIII. non
solum etc. sed et omni etc. Ex adverso dictus R. D. Promotor
Fiscalis dixit et protestatus fuit nihil fieri nisi ipso praesente, ac
nisi servata forma tum decretorum sa. me. Urbani P. P. VIII. tum
novissimorum, quoad ea quae circa hunc processura disponant, alias
de nullitate etc. omni etc.
Ex tunc R. D. Judex deputatus, visis auditisque praemissis,
citationem ad calcem praesentis sessionis registrari mandavit, et
successive R. D. Promotorem Fiscalem admisit ad recitationem ter-
minorum substantialium , eosque pro rite et recte servatis haberi
voluit ac declaravit, prout vult et declarat et pronunciat sententiam
definitivam, prout in schedula quam prae manibus habeus, vidit legit
et diligenter consideravit, eamque .propria manu subscriptam mihi
Notario Actuario tradidit ad effectum illam legendi, publicandi et
inserendi in processu, cujus schedulae tenor est infrascriptus, videlicet-
Ego . . . Judex deputatus ab Ulmo et Rmo Episcopo ... ad
conficiendum processum ordinarium super cultu ab immemoriali tem-
pore exhibito Servo Dei . . . Christi nomine invocato, pro tribunali
sedens et solum Deum prae oculis habens, per hanc definitivam sen-
tentiam, qam de jurisperitorum consilio in his scriptis fero in Causa
confirmationis cultus Servi Dei . . . quae coram nobis primo et in
prima vertitur instantia inter . . . Postulatorem specialiter consti-
tutum ex una et . . . Promotorem Fiscalem ex altera parte, de et
super paritione Decretis sa. me. Urbani VIII. super cultu ab im-
memoriali tempore exhibito Servis Dei, qui cum magna Sanctitatis
opinione obierunt, visis omnibus et singulis actis processus in hac
causa constructi, visis videndis, consideratis considerandis, definitiva
Sententia pronuncio ac declaro a tempore immemoriali, atque ante
annum 1534 quo centenarium Urbanianum initium habet, Servum
Dei cultu publico ecclesiastico in hac praesertim Dioecesi potitum
fuisse, atque hunc cultum nunquam interruptum aut imminutum ad
nostram usque aetatem feliciter esse deductum, ideoque nil obstare
quominus accensendus sit inter casus exceptos a Decretis sa. me.
Urbani Papae VIII. Ita pronunciavi ego . . . Judex delegatus.
Lecta, lata et publicata fuit ista Sententia in Sacello ... et
per me Notarium Actuarium promulgata, citato praesente et inte-
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Inslruclio ad condendum processum de immemorabili cullu. 137
ressente R. D. Promotore Fiscali hac die . . . et ibidem praesenti-
bus ... et .. . testibus ad praemissa specialiter voeatis, babitis
ac rogatis. . •
Et ego . . . Notarius Actuarius de hisce omnibus fidem facio.
* (Locus signi). . « ••«..
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Promulgata Sententia antequam Sessio claudatur, Postulator
instare debet pro publicatione processus ut infra. Deinde dictus . . .
Causae Postulator petiit et institit penes Dominationem Suam pro
publicatione processus, nec nou mandari confici illius exemplum sive
transumptum mittendum Romam ad S. R. Congregationem, et ad
hujusmodi effectum relaxari citationem contra R. D. Promotorcm
Fiscalem pro die et hora Dominationi Suae magis bene visis ad vi-
dendum fieri publicationem processus, eligique Scriptorem qui illius
transumptum conficiat, nec non Notarium adjunctum pro collatione
et quodcumque decretum fieri et interponi in forma. Demum institit
at R. D. Promoter Fiscalis proferat si quid habet contra acta jam
gesta et quatenus etc. ad libellandum, et alia facienda necessaria et
opportuna omni etc., non solum etc., sed et omni etc.
Ex adverso R. D. Promoter Fiscalis contra acta dixit generalia
verba salvo jure etc. et reservata sibi facultate in posterum deducendi
in reliquis' protestatus fuit non posse deveniri ad assertam publica-
tionem Processus et electionem Scriptoris, nisi ipso praesente, et nisi
servata forma Decretorum S. R. C. tam generalium, quam novissi-
morum, alias de nullitate etc. non solum etc. sed et omni etc.
Quibus auditis R. D. Judex decrevit alteram Sessionem pro
publicando Processu et eligendo Scriptore, qui illius transumptum
conficiat, habendam die . . . hora ... in ... ad quem effectura
relaxavit citationem contra . . . Promotorem Fiscalem, ut compareat
dicta die et hora in antedicto loco etc.
Quibus peractis dicti R. R. D. D. Judex et Adjuncti una cura
R. D. Promotore Fiscali, meque Notario etc. in fine praesentis
Sessionis sese subscripserunt ut infra.
..... Judex Deputatus.
Promoter Fiscales.
Super quibus omnibus et singulis ut supra gestis ego Notarius
publicus Actuarius specialiter deputatus hoc praesens instrumentum
confeci et stipulavi in forma de mandato etc. Actum . . .
Ita est .... . Notarius Actuarius Deputatus.
(Locns signi).
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138 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
In fine sequentis Sessionis inserenda est citatio contra Promo-
torem Fiscalem cujus tenor idem erit ac praecedentium, mutatis
mutandis.
Sessio . . .
In Nomine Dei. Arnen.
Anno . . . Indictione romana . . . Pontificatus . . . Coram . . .
pro tribunali sedente, praesente R. D. Promotore Fiscali, testibusque
infrascriptis meque Notario etc. in Sacello . . . comparuit . . . Causae
Postulator in praesenti Causa specialiter constitutus, qui repetita
dicta citatione, petiit et institit per R. D. Judicem deveniri ad publi-
cationem processus, nec non eligi et deputari Scriptorem pro confi-
ciendo illius exemplo aliaque necessaria ot opportuna fieri prout in
dicta citatione etc. omni etc.
Ex adverso R. D. Promotor Fiscalis dixit et protestatus fuit
non esse deveniendum ad petitam publicationem processus et Scrip-
toris deputationem, nisi ipso in quolibet actu praesente, servatisque
in omnibus decretis generalibus et novissimis S. R. C. quae respi-
ciunt praesentem Processum, omnibusque aliis et singulis de jure,
stylo et consuetudine servandis et adimplendis, alias protestatus fuit,
de nullitate non solum etc. et omni etc. Ex tunc R. D. Judex
mandavit mihi Notario, ut registrem citationem supra reproductara
cum relatione illius executionis, nec non publicavit et publicat pro-
cessum praesentem omni etc. mandavitque et mandat aperiri plicum
Interrogatorium et depositionum Testium ad effectum, ut eadem
Interrogatoria per me etc. registrentur in fine praesentis Sessionis
prout ego Notarius etc. parendo mandatis praesente . . . Promotore
Fiscali plicum Interrogatorium et depositionum aperui et disigillavi.
Successive idem R. D. Judex mandavit fieri exemplum sive tran-
sumptum integri Processus, at ad hunc effectum deputavit et deputat
D. ... in Scriptorem ibidem praesentem, et munus mihi commissum
libenter acceptantem, cui statim detulit juramentum de fideliter
adimplendo munere sibi commisso, prout dictus Scriptor in genua
provolutus ad contactum SS. Evangeliorum juravit per haec praecisa
verba, videlicet.
Ego . . . Scriptor deputatus tactis his Sacrosanctis Dei Evan-
geliis coram me positis, juro et promitto, fideliter exercere officium
mihi commissum in transcribendo et exemplando Processu in hac
Civitate constructo super immeraorali cultu Servo Dei . . . exhibito
sub poena perjurii et excommunicationis latae sententiae, a qua non-
nisi a Summo Pontifice, excluso etiam Majori Poenitentiario , prae-
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 139
tcrquam in mortis articulo, absolvi possim, et ita juro et promitto,
sic me Deus adjuvet et haec Sancta ejus Evaugelia.
Ego Scriba deputatus juravi ut supra.
Successive in Notarium Adjunctum pro auscultatione et colla-
tione facienda deputavit et deputat D. . . . Notarium ecclesiasticum
specialiter electum, qui idem statim accersitus, commissum munus
sibi notificatum acceptavit, suique Notariate privilegium in fine
praesentis Sessionis registrandum exhibuit, et genuflexus Sanctaque
Dei Evangelia manibus tangens suum praestitit juramentum, videlicet.
Ego infrascriptus Notarius Adjunctus ad collationandum et
auscultandum Processum ordin. auctor, constructu super immemorali
cultu Servo Dei . . . praestito tactis hisce SS. Dei Evangeliis coram
me positis, juro et promitto fideliter implere munus mihi commissum
in collatione dicti Processus sub poena perjurii et excommunicationis
latae Sententiae, a qua nonnisi a Summo Pontifice, excluso etiam
Majori Poenitentiario, praeterquam in mortis articulo absolvi possim ;
et ita promitto et juro , sic me Deus adjuvet et haec Sancta ejus
Evangelia. Ego Notarius Adjunctus juravi ut supra.
Post haec R. D. Judex mandavit mihi Notario Actuario, ut
registratis prius in fine praesentis Sessionis tam citationi contra R.
D. Promotorem Fiscalem ut supra executa et reproducta, quam prae-
dictis interrogatoriis et privilegio Notariate dicti Notarii in adjunc-
tum deputati, consignem Scribae deputato atque jurato omnia Acta
praesentis Processus ut illa exemplet et transumptet; nec non de-
crevit et decernit novam Sessionem habendam in . . . die et hora
destinandis postquam exemplata et absoluta fuerit praedicta copia.
Quapropter relaxavit et relaxat citationem contra R. D. . . . Promo-
torem Fiscalem ad comparendum et interessendum in eodem loco die
et hora uti supra designandis, mihique Notario Actuario eam com-
miserunt juxta stylum extendendam prout me facturum promisi.
Quibus omnibus decretis R. D. Judex ad actus complementum in
fine praesentis Sessionis ut infra se subscripsit una cum R. D. Pro-
motore Fiscali, meque Notario etc. Demum praesens antedictus Pro-
cessus fuit traditus et consignatus dicto D. . . . Scriptori ut supra
deputato ad effectum transcribendi et exemplandi, qui promisit illum
reportare una cum illius copia omni etc.
Judex Deputatus.
Promotor Fiscalis.
Notarius Adjunctus.
Super quibus omuibus et singulis, ut supra gestis . . . etc.
Actum ... etc. Ita est .... . Notarius Deputatus.
(Locus signi).
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140 Instructio ad condendum processum de iinmenwraUili cultu.
Post insertam citationem contra Promotorem Fiscalem , re-
gistrentur tenor privilegii Notarii adjuncti, neque non tenor interro-
gatorium, quae per extensum exeribenda sunt ‘).
Sessio ...
In Nomine Dei. Arnen.
Anno . . . Indictione romana . . . Pontificatus . . . Coram . . .
Comparuit D. . . . Scriba deputatus, et exposuit se absolvisse
exemplum sive transumptum Processus, ideoque illud una cum Actis
originalibus reportavit et mihi Notario Actuario consignavit declarans,
se in illo faciendo omnem possibilem diligentiam adhibuisse et ita etc.
omni etc r: w. » , • .. . •
Illico et incontinenti coram Dominatione Sua respective com-
paruit . . . Causae Postulator, et in termino monitionis de mandato
ejusdem Dominationis Suae oretenus factae reverenter petiit inchoari
collationem, et successive continuari et absolvi, et Actum ac decretum
aliud quodeumque desuper necessarium et opportunum fieri et inter-
poni ia forma etc. Ex adverso R. D. Promoter Fiscalis dixit nihil
fieri nisi ipso praesente, et nisi servandis ad formam protestationum,
alias ab ipso factarum, secus de nullitate etc, sed et omui etc.
Ex tunc R. D. Judex mandavit statim inchoari collationem et
auscultationem praedicti transumpti, prout statim ego Notarius Ao-
tuarius et alter Notarius in adjunctura deputatus ipsam collationem
inchoavimus, legente me Notario Actuario alta et intelligibili voce
exemplar seu transumptum per Scribam factum et praedicto Dno
Notario Adjuncto acta originalia sub oculis habente.
Dicta autem collatio et auscultatio facta a folio primo usque
ad folium . . . attenta tarditate horae de mandato Dominationum
suarum suspensa et intermissa est. Ipsae autem Dominationes Suae
destinaverunt diem . . . horam ... ad eam reassumendam et pro-
sequendam, ad quem effectum monuerunt dictoo R. D. Promotorem
Fiscalem et D. . . . Notarium adjunctum ut compareaut in hoc
eodem loco dictis die et hora, et intersint continuationi dictae
collationis et auscultationis. Demum decreverunt, ut tam Sessionis
hujus, quam subsequentium acta usque ad exitum iu exemplo seu in
transumpto excribantur, quo horum etiam actorum sensim cum
Actis originalibus collatio fiat. Postea injuncto mihi Notario Ao-
1) Sono gl’ Interrogatori me desirai gia esibiti dal Promotore Fiscale, dei
qnali si e fatta menzione nella Sessione . . . pag. . . .
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 141
tnario, ut de omnibus gestis in praesenti Sessione publicum In-
strumentum conficiam in forma se subscripserunt ut sequitur*
. . .1 Jeder deputatus.
J. U. D. Adjunctus deputatus.
. S. T. M. Adjunctus deputatus.
Promotor Fiscalis.
Notarius adjunctus.
..... Testis vocatus.
Testis vocatus.
Sn per quibus omnibus et singulis sic ut supra gestis ego No-
tarius publicus et Actuarius specialiter deputatus, qui de praemisis
me rogavi, hoc praesens publicum Instrumentum de mandato Rmorum
D. D. Judicis et Adjunctorum Deputatorum confeci et publicavi in
forma. Ideo in fidem hic me subscripsi meumque solitum Notariatus
signum apposui requisitus. Actum . . . die, mense, anno, Pontificatu
et loco quibus supra praesentibus . . . et . . . Testibus vocatis
atque rogatis. ■ • • >
(Locus signi).
Inseratur heic loci citatio contra Promotorem Fiscalem relaxata
in praecedenti Sessione. In collactione exequenda additiones, si quae
sint, in margine fieri debent adjecta adprobatione utriusque Notarii,
si vero aliquod verbum vel aliqua verba delenda sint, ea circumscri-
benda sunt linea, adjecta etiam ibi adprobatione utriusque Notarii.
Sessio ...
In Nomine Dei. Arnen.
Anno . . . Indictione romana . . . Pontificatus . . . Coram . . .
pro tribunali sedentibus in . . . loco et loco loci pro audientiis et
Actis publicis praesentis Cau9ae et Processus specialiter destinato,
praesentibus R. D. Promotore Fiscali, Testibus infrascriptis specia-
liter vocatis, et Notario in adjunctum deputato, meque Notario Ac-
tuario pariter infrascripto. Comparnit . . . Causae Postulator, et in
termino monitionis in praeterita Sessione factae institit et petiit, quod
reassumuntur continuetur collatio et auscultatio Processus et De-
cretum aliquodeumque desuper necessarium et opportunum fieri et
interponi in forma omni etc.
Ex adverso . . . Promotor Fiscalis dixit nihil fieri, nisi ipso
praesente, et nisi servatis de jure servandis ad formam protestationum
alias ab ipso factarum, secus de nullitate etc., sed et omni etc.
Ex tunc ante dicti Rmi D. D. Judex et adjuncti deputati man-
daverunt reassumi et continuari collationem et auscultationem prae-
fatam, prout statim ego Notarius Actuarius et D. . . . alter Notarius
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142 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
in adjunctum deputatus praedictam collationem et auscultationem
prosequuti sumus a folio . . . usque ad folium . . . attenta tarditate
horae de mandato Dnum Suarum suspensa et intermissa est. Ipsae
autem Dominationes Suae destinaverunt diem ' . . horam ... pro ea
reassumenda et prosequenda, ad quem effectum monuerunt dictos R.
D. Promotorem Fiscalem et D. . . . Notarium adjunctum ut eom-
pareant in hoc eodem loco dictis die et hora, et intersint continua-
tioni et prosecutioni dictae collationis et auscultationis; et postea
injuncto mihi Notario Actuario, ut de omnibus gestis in praesenti
Sessione publicum Instrumentum conficiam, in forma se subscripserunt.
Judex Deputatus.
J. M. D. Adjunctus Deputatus.
• S. T. Mag. Adjunctus Deputatus.
Promoter Fiscalis.
Notarius Adjunctus.
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Super quibus omnibus et singulis sic ut supra gestis, ego No-
tarius publicus et Actuarius specialiter deputatus, qui de praemissis
rogavi, hoc praesens publicum Instrumentum de mandato dictorum
Rmorum DD. Judicis et adjunctorum deputatorum confeci et publi-
cavi in forma. Ideo in fidem hic me subscripsi meumque solitum
Notariatus Signum apposui requisitus. Actum . . . die, mense, anno,
Pontificatu et loco quibus supra, praesentibus . . . et . . . Testibus
ad praemissa specialiter habitis, vocatis atque rogatis.
Ita est . . . Notarius publicus et Actuarius specialiter deputatus.
(Locus signi).
Hac ratione prosequenda sunt acta, usque dum completa fuerit
collatio. Hac vero absoluta, sessio claudetur, ut infra. Ex tunc
antedicti Rmi D. D. . . . Judex, atque . . . Adjuncti deputati man-
daverunt rea8sumi et continuari collationem et auscultationem prae-
fatam, prout statim ego Notarius Actuarius, et D. . . . Notarius in
adjunctum deputatus praedictam collationem et auscultationem pro-
sequuti sumus a folio ... ubi fuerat intermissa , usque ad folium
qui est ultimus et postremus totius exemplaris, atque emendatis et
approbatis omnibus calami erroribus, qui inventi fuerunt, expleta fuit
collactio. Absoluta praedicta collatione et auscultatione integri
exempli seu transumpti cum actis originalibus, R. R. D. D. Judex
et adjuncti mandaverunt, ut Acta quoque praesentis sessionis huc
usque gesta transcribantur in dicto exemplari seu transumpto, prout
exequatum fuit. Collatis autem per me Notarium Actuarium et per
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 143
D. . . . Notarium Adjunctum etiam hujusce Sessionis actis in exem-
plari seu transumpto transcriptis, cum Actis originalibus, successive
demandarunt milii ipsi et D. . . . alteri Notario in Adjunctum de-
putato, ut per nos fiat publica attestatio de collatione et ausculta-
tione rite ac recte a principio ad finem peracta, nostro respective
charactere firmata, signisque nostri Notariatus munita, quo constet
revera in omni parte exemplum seu transumptum cum Actis ori-
ginalibus concordare , et ab iisdem nullo prorsus modo discrepare.
Cum autem id consonum sit veritati , ideo promptos paratosque Nos
exhibuimus ad petitam attestationem laciendam prout revera fecimus
ut sequitur: Fidem facimus atque testamur nos Notarii publici in-
frascripti, (exprimi debet si apostolici sint vel ecclesiatici) fuisse per
nos coram Ulmis et Rmis . . . Judice delegato, et . , . et . . . Ad-
junctis deputatis ab Illmo et Rmo Episcopo ... ad effectum con-
struendi ordinaria auctoritate in Civitate . . . Processura super . .
praesente et bene intelligente R. D. Promotore Fiscali, integre col-
lationem et auscultationem peractam exempli seu transumpti ante dicti
processus cura actis originalibus a principio usque ad finem. Idcirco
fidem facimus et verbo veritatis testamur praefatem exemplum seu
transumptum, bene per nos collatum et auscultatum, additis verbis
ac litteris per errorem praetermissis, aliisque vero per errorem ap-
positis deletis, et per nos Notarium Adjunctum et Actuarium ap-
probatis singillatim omnibus correctionibus atque lituris, quas in
collatione explenda offendimus, iu omnibus et per omnia concordare
cum actis originalibus a principio usque ad finem, salvo semper etc.
In quorum fidem etc. hic nos subscripsimus, utrisque tabellionatus
signa apposuimus. Datura die . . . anno . . . indictione . . .
Ita est in Notarium Adjunctum deputatus.
Ita est .... . in Notarium Actuarium deputatus.
Causae Postulatores sequens decretum pronunciarunt ... Ex
tunc Ulmi et Rmi D. D. . . . Judex et . . . Adjuncti pro tribunali
sedentes declaraverunt et declarant auscultationem et approbationem
exempli seu transumpti supradicti Processus hic . . . confecto auc-
toritate ordinaria super . . . coram Dbus suis Illmis ac Rmis, cum
interventu ac praesentia Illmi Dni . . . Promotoris Fiscalis per me . . .
publicum Notarium in Actuarium deputatum, et per D. . . . pariter
auctoritate Apostolica (vel ecclesiastica) rogatum Notarium , et pro
hac collatione explenda specialiter electum, diebus et horis intimatis
fuisse et esse rite, recte, valide et legitime peractam, et transumptum
seu exemplum una cum nonnullis Apostillis marginalibus et lituris
per ii'* Notarium Actuarium et adjunctum approbatis, in omnibus
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144 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
et per omnia cum suo propria originali concordare, salvo semperetc.
eidemque exemplo, seu transumpto praefati processus adhibendam
fore et esse plenam et indubiam fidem. Super quibus omnibus et
singulis praemissis praefati Illmi ac Rmi D. D. Judex et adjuncti
deputati suum interponendum fore et esse decretum dixerunt, prout
solemniter interposuerunt et interponunt, supplendo et sanando omnes
et singulos tam juris quam facti defectus, si qui forsan in praedictis
intervenerint, aut intervenire quodammodo potuerint. Subinde iidem
Rmi D. D. Judices deputati mandarunt mihi Notario Actuario, ut
reliqua Acta praesentis Sessionis registrentur et transcribantur in
eodem exemplo seu transumpto; atque ut eadem transcriptione peracta,
tam autographum, quam exempla praedicti processus exhiberem lllmo
et Rmo Dno Episcopo, neque non Judicibus ipsis in Sessione habenda
coram eodem lllmo et Rmo Episcopo die, hora et loco legitime in-
timandis, praesente R. D. Promotore Fiscali, qui citandus est ad
dicendum et apponendum quidquid vult et potest contra dictum Pro-
cessum ac illius exemplar, antequam utrumqnc subscribatur a Rmo
D. Episcopo, a Judice et conjudicibus, et exemplar idem clausura et
sigillis obsignatum ad S. R. Congregationem transmittatur. Quocirca
mihi notario pariter commiserunt, ut hac de re citationem contra
dictum Promotorem Fiscalem juxta stylum extendam, Cursoriqne
deputato exeqnendam tradam, quo ipso loco, die, et hora legitime
indicendis intersit, prout' me facturum promisi. Demum in fidem
omnium praemissorum antedicti Rmi Dni Judex et Adjuncti deputati
una cura R. D. Promotore Fiscali, meque Notario Actuario, ac D.
. . . Notario Adjuncto et Testibus ad praedicta vocatis se subscrip-
serunt ut infra
Judex deputatus.
Grad, in Jure Can. Adjunctus deputatus.
S. T. M. Adjunctus deputatus.
Prorootor Fiscalis.
Notarius Actuarius.
Notarius ad collationem praesentis processus
deputatus.
Testis interfui.
Testis interfui.
Super quibus omnibus et singulis tamquam rite recte et valide
gestis rogatus fui ut boc publicum Instrumentum conficerem, prout
confeci de mandato. Actum die . . . anno ... et hora . . . prae-
sentibus testibus infrascriptis ad praemissa vocatis habitis atque ro-
gatis. Ita est . . . Notarius Actuarius Tenor citationis contrq Pro-
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instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 145
motorem Fiscalem in corpore Sequentis Sessionis, habetur urbi inse-
renda erit.
Sessio ...
In Nomine Dei. Amen.
Anno a Nativitate Dui Nni Jesu Christi . . . indictione . . .
die . . . Pontificatus . . . hora . . . legitime intimatis. In Causa
. . confirmationis cultus Servi Dei . . . Coram Illmo ac Rmo Dno
. . . Episcopo . . . nec non Illmis Dnis Judice, et . . . Gr. J. C.,
et . . . S. T. M. Adjunctis Deputatis ad construendum Auctoritate
ordinaria in hac Civitate . . . Processum super . . . sedentibus pro
tribunali in aula audientiae ipsius Illmi et Rmi Dni Episcopi loco,
et loco loci pro hac sessione ab eodem Rmo Episcopo destinato,
praesente R. D. . . . Promotore Fiscali, meque Notario, ac Testibus
infrascriptis comparuit Cursor deputatus qui reproduxit citationem
per ipsum sub die . . . personaliter exequutam contra R. D. . . .
Promotorem Fiscalem, prout ex illius relatione facta in Calce ejus-
dem citationis, quam mihi Notario originaliter tradidit et hic alli-
gatur tenoris sequentis — Illmo ac Rmo Duo Episcopo ... nec non
Rmis D. D. Judice et adjunctis deputatis. . . . Confirmationis cultus
Servi Dei . . . Citetur Rdus Dnus . . . Promotor Fiscalis ad com-
parendum die . . . hora . . . coram eodem Rmo Episcopo, ac prae-
fatis Judicibus deputandis in ... et dicendum, deducendum et ap-
ponendum quidquid voluerit, ac possit contra Processum in hac Ci-
vitate ordinaria auctoritate constructum super . . . praefati Servi
Dei, et contra illius authenticum exemplar sive transumptum Illmi
et Rmi Dni Episcopi legalitate muniendum neque non contra elec-
tionem Portitoris per eosdem Judices nominandi; cui exemplar idem
tradatur, adhuc ut ipsum Romam transferat, ac demum super prae-
missis Decretum quodcumque necessarium et opportunum fieri et
interponi ad dictos diem et horam. Instante Postulatore, sive etc.
. . . Notaris Actuarius personaliter contra dictum Rmum Dnuru
Promotorem Fiscalem. — Qua citatione ut supra reproducta, ego
Notarius Actuarius, ut in mandatis habueram a Rmis Conjudicibus
exhibui Illmo et Rmo Dno Episcopo tam acta originalia, quam
exemplar seu transumptum Processus ab eisdem constructi. Quibus
acceptis, Dominatio Sua Illma et Rma interrogavit Rdum D. Pro -
motorem Fiscalem, ut si quid contra utrumque vel alterutrum obji-
ciendum esset, aperiret. Cum igitur idem Rrous D. Promotor Fiscalis
nil obiecerit, nisi generalia contra, idem Illmus et Rmus Episcopus,
viso decreto Rmorum D. D. Judicis et Adjuuctorum pro hoc processu
Archiv fur Kircheurecht. XLV11. 10
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146 Insttmctio ad condendum processum de immemorabili cultu.
Deputatorum, omnibusque aliis a Dominatione Sua Illma et Rma
visis et apprime expensis, tam autographum Processum, quam ejus
exemplar, seu transumptum integrum et authenticum declaravit.
Post haec coram eadem Dominat. Sua Illma et Kma, aliisque Ju-
dicibus Deputatis comparuit . . . Causae Postulator, ae reverenter
petiit et institit deputari Portitorem, qui praefati Processus tran-
sumptum ad S. R. Congregationem deferat. Ex adverso R. D. Pro-
motor Fiscalis protestatus fuit et protestatur non esse tradendum
idem transumptum nominando Portitore, nisi prius delato ipsi jura-
mento de fideliter exequendo munere; ac nonnisi servatis Decretis
S. R. C. aliisque de jure servandis. Ex tunc Ulmus et Rmus D.
Episcopus aliique Rmi D. D. Judices Deputati ad effectum deferendi
Romam eumdem transumptum Processus de quo agitur, elegerunt
et eligunt ... in Portitorem, ad formam supradictae citationis, qui
cum praesens adesset, ac munus sibi commissum libeuter acceptaret,
ei statim detulerunt juramentum, quod ipse genuflexus, tactisqueSS.
Dei Evangeliis, praestitit coram Dominatione Sua Illma et Rma,
aliisque Judicibus, ac Promotore Fiscali uti sequitur. Ego . . .
tactis SS. Dei Evangeliis coram me positis jure et promitto me
fideliter et diligenter exeeuturum munus mihi commissura, deferendi
Romam transumptum Processus Auctoritate Ordinaria in hac Civitate
constructi super . . . illumque S. R. Congr. sive ejus R. P. D. Se-
cretario exhibendi una cum Plico litterarum mihi tradendo ad for-
mam Deputationis Dominationis Suae Rraae ad aliorum Judicum
deputatorum. Ita promitto et juro, sic me Deus adjuvet et haec
SS. Ejus Evangelia. — Ego . . . Portitor deputatus — Quo jura-
mento praestito, Rmus Episcopus, aliique Judices Delegati mandarunt
mihi Notario Actuario, ut de omnibus gestis in praesenti Sessione
publicum Instrumentum conficiam in forma, prout me futurum pro-
misi. Deinde injunxerunt et iujunguut, ut postquam dictum tran-
sumptura in omnibus et per omnia completum, et tam hoc quam
autographum seu originale ab Illmo et Rmo Dno Episcopo et aliis
Judicibus subscriptum, propriisque eorum sigillis interius munitum
fuerit, per me Notarium Actuarium fiat recognitio dictorum subscrip-
tionum, et sigillorum. Mandaverunt item , ut apposita ad calcem ,
legalitate Ulmi et Rmi Episcopi super mei Notarii subscriptione, et
sigillo ipsius firmata , . atque eodem transumpto clauso , et sigillo
tantum ipsius Rmi Episcopi a parte exteriori munito, eidem tran-
sumpto per mei Notarium Actuarium apponatur subscriptio cum de-
bita legalitate. Injunxerunt quoque et transumptum hoc una cuui
supradictis Plicis litterarum tradam Portitori et de hac traditione
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 147
conficiam separat™ instrumentum publicum in forma, et hoc etiam
Instrumentum eidem Portitori tradam. Hujusmodi autem instrumenti
publici tenorem jusserunt et jubent registrari in Originali Processu
in fine praesentis Sessionis; ac denique Processum ipsum seu Acta
originalia pense ipsam Dominationem suam Rmam, aliosque Judices
Delegatos remanere ad effectum ea adsportandi in Arehivium hujus
Curiae Archiepiscopalis , ibique ad perpetuam rei memoriam asser-
vandi et custodiendi. Demum antequam se subscriberet mandaverunt
ut Acta quoque omnia praesentis Sessionis transcriberentur in exem-
plari seu transumpto, quod illico factum est. Quae peracta tran-
scriptione jusserunt, ut quae usque ad praesens, post collationem
factam a me cum Notario adjuncto ex originali in transumpto seu
exemplari transcripta sunt accurate conferrentur. Quod cum sedulo
gestum esset, tunc Illustrissimus et Rraux Dnus Episcopus una cum
Judicibus Delegatis, dicto Promoture Fiscali, Portitore electo, ac
Testibus rogatis, tam in originali, quam in transumpto sese subscrip-
serunt, uti sequitur.
Episcopus
(Locus signi).
Judex deputatus.
(Locus signi).
Promotor Fiscalis.
(Locus signi).
..... Portitor deputatus.
Testis vocatus.
Testis vocatus.
Super quibus omnibus et singulis . . . Actum . . . anno, mense,
.die, hora et Pontificatu quibus supra, praesentis supradictis Testibus
ad praemissa specialiter vocatis et rogatis.
Ita est Notarius Actuarius deputatus.
(Locus signi).
Notandum est 1. Praedictae subscriptiones ac signa Judicium
et Promotoris Fiscalis ponenda sunt tum jn transumpto Romam mit-
tendo, tura in processu originali, adiici tamen debet legalitas Notarii
qui fidem faciat de singulis subscriptionibus, neque non describat
signa Episcopi, Judicum et Promotoris Fiscalis. 2. Tum in tran-
sumptu tum in processu originali necesse est ut in fine adsit lega-
litas Episcopi , qui testetur Actuarium esse Notarium publicum,
eique omnem ab omnibus adhiberi fidem. 3. In transumpto Romam
mittendo transcribi debent acta omnia de quibus huc usque mentio
facta est. 4. Transumptum claudi debet in Plico qui eiterius plu-
10 *
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148 Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu.
ribus in locis obsignari debet sigillo Episcopi in cera hispanica, et
cui apponenda erit haec superscriptio — Sacrae Rituum Congrega-
tioni. Exemplum sive transumptum publicum et authenticum integri
processus auctoritate ordinaria in Civitate . . . constructi a Rmis
D. D. . . . Judice et . . . Adjunctis, ab Illmo et Rmo Episcopo
deputatis in Causa confirmationis cultus Servi Dei . . . ab i m memo-
riali tempore exhibito praesentandum et exhibeudum eidem S. Con-
gregationi, vel ejus R. P. D. Secretario, et nonnisi de mandato ejus-
dem S. R. C. aperiendum. — Romam.
Ita est . . . Notarius in Actuarium deputatus.
(Locus signi).
Apponenda est legalitas Episcopi qui testetur esse Notarium
publicum, atque omnem mereri fidem. Quod pertinet ad instrumentum
clausurae ac traditionis transumpti portitori factae illud exarari postet
ut infra. Animadvertendum est tamen quod ejus tenor registrandus
est in fine originalis processus, non autem in transumpto seu exemplo
ejusdem, siquidem ut inferius videbitur, in plico separato Romam
mittendum est. In Nomine Dei. Amen.
Cunctis ubique pateat et notum sit quod anno a Nativitate D.
N. Jesu Christi . . . Indictione . . . die . . . mensis . . . Pontifi-
catus autem Smi Dni Nri . . . anno . . . Coram Illmo et Rmo D.
Episcopo in causa . . . omnibus pro tribunali sedentibus in Aula
Audientiae ipsius Illmi et Rmi Dni, praesente Rno D. . . Promo-
ters Fiscali et Testibus infrascriptis , ego Notarius Actuarius de
Mandato Dominationis Suae Illmae et Rmae, ac dictorum Dnorum
Judicum clausi et obseravi Processum Auctoritate Ordinaria in hac
Civitate . . . constructum, eique ab extra apposui sequentem supra-
scriptionera, videlicet ... et ita clausum, obseratum, inscriptum et
obsignatum pluribus in locis sigille Illmi et Rmi Dni Episcopi . . .
ad hoc mihi tradito, una cum litteris ipsius Dominationis Suae
Illmae et Rmae et D. D. Judicum Deputatorum , neque non Dni
Promotoris Fiscalis in , plico praesentis Instrumenti inclusis tradidi
. . . Portitori specialiter electo ibidem praesenti, et e manibus mei
Notarii Actuarii infrascriptura dictum transumptum, dictumque plicum
separatum recipienti et promittenti se omnia delaturum Romam, et
ibi exhibiturum S. Rituum Congr. sive ejus R. P. D. Secretario aut cui
de jure exhiberi debet. — Super quibus omnibus et singulis de Man-
dato ipsius Illmi et Rmi Episcopi, ac dictorum D. D. Judicum hoc prae-
sens Instrumentum confeci in forma. Actum . . . die, mense et loco qui-
bus supra praesentibus . . . et . . . Testibus ad praedicta specialiter ha-
bitis atque rogato. Ita est Notarius in Actuarium deputatus.
(Locus signi).
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Instructio ad condendum processum de immemorabili cultu. 149
Adjiciatur postea legalitas Episcopi, qui testitur . . . Esse No-
tarium publicum, cui ab omnibus fides praestatur. Porro Instru-
mentum hocco clausurae et traditionis transumpti in plico speciali
reponendum est una cum litteris Episcopi, Judicum et Prorootoris
qui singillatim sacrae Rituum Congregationi significare debent Pro-
cessum super immeraorali cultu . . . rite ac legitime confectum fuisse,
adeo ut solemnia omnia expleta fuerint quae requiruntur a Decretis
et Constitutionibus tum Romanorum Pontificum, tum S. Rituum Congr.
Supra Plicum Sigillo Episcopi in cera hispanica obsignatum, sequens
apponi peterit superscripio — Sacrae Rituum Congregationi. —
Plicu8 litterarum Illmi et Rmi D. Episcopi ... et Rmorum
Judicum delegatorum ac Promotoris Fiscalis, neque non instrumenti
traditionis earumdem litterarum , et clausurae et traditionis tran-
sumpti Processus Auctoritate Ordinaria in Civitate . . . constructi in
Causa Beatificationis.
Romam
Ita est Notarius publicus in Actuarium Deputatus.
(Locus signi).
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150
XI.
Decrete der Congr. Episcoporum et Congr. Concilii.
lieber die Appellation im kirchlichen Strafverfahren und die suspensio
ex informata conscientia.
(Vergi. Archiv Bd. 46. S. 3 ff.)
1. Decretum s. Congr. Epp. d. 1. Ang. 1851.
Encyclica,
qua curiis episcopalibus dantur instruc-
tiones pro causis criminalibus.
Illustre e molto Rev. Monsig.
corae Fratello !
La S. S. di Pio VII. nella
sua costituzione Post diuturnas
in data 30. Ottobre 1800 nel
titolo »De jurisdictionibus Tri-
bunalium et Judicum crimina-
lium, judiciorum forma et ordine
etc.« al §.24. prescrisse: »Siosser-
vino per 1’avenire tanto in Roma
ehe nei Tribunali di tuttolo Stato
Ecclesiastico le abbreviazioni di
formole, ehe nel Governo di Roma
gisl si trovano in osservanza.«
Queste formole e specialmente
quelle della legitimazione dei
processi, la quale b assolutamente
necessaria negli incarti, ehe si
compilano dalle Curie Ecclesia-
stiche secondo l’antica procedura
da osservarsi a forma dei decreto
di questa Sagra Congregazione
dei Vescovi e Regolari in data
dei 18. Decembre 1835 ‘) per le
Rundschreiben ,
wodurch den bischöflichen Gerichten In-
structionen zur Behandlung von Criminal-
Sachen gegeben werden.
Erlauchter und hochwürdigster
Herr und Bruder!
Seine Heiligkeit Papst Pius VII.
verordnete in seiner Constitution
Post diuturnas vom 30. October
1800 im Titel »dejurisdictionibustri-
bunalium et Judicum criminalium,
judiciorum forma et ordine« in dem
§. 24. Folgendes: »Künftig gelangen
in Rom wie bei den Gerichten des
ganzen Kirchenstaates die Abkür-
zungen der Formeln zur Anwendung,
wie sie bereits bei der Verwaltung
der Stadt Rom in Gebrauch waren.«
Diese Formeln, und insbesondere
diejenigen für die Legitimation in
den Processen, welche durchaus für
die Processacten erlord erlich ist,
welche die bischöflichen Gerichte
nach Massgabe des alten Process-
verfahrens und auf Grund der von
der Congregation der Bischöfe
und Regularen am 18. December
1835 *) für Criminalsachen er-
1) Die deutsche Uebersetzung dieses aas Cardinal IHzzarri, (Collectanea
in usum Secretariae s. Congr. et Regul. p. 186—188 (einem im Buchhandel ver-
griffenen Werke) entnommenen Actenstückes ist von Herrn Domvicar Dr. Beiles-
heim zu Köln gefertigt.
2) Man findet dieses Decret im Archiv Bd. 46. S. 9 f.
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Congr. Epp. 1. Äug. 1851 de appell. in causis crimin. eccl. 151
cause criminali, non sono a cog-
nizione di alcuni Cancellieri di
dette Curie, siccome questa sa-
gra Congregazione ha dovuto ri-
levare in piü cause giudicate in
prima istanza dai Tribunali Ve-
scovili, essendosi pure taluno
permesso di discutere le cause
in udienza formale, ossia in se-
duta, come fanno i Tribunali
laici nelle cause maggiori, contro
il 8istema e lo stile dei Tribu-
nali Ecclesiastici. Si e pertanto
ravvisato utile di far nuovamente
imprimere le formole sopra in-
dicate, e diramarle agli Ordi-
nari, affinche ogni cancelleria da
loro dipendente ne siaprovveduta.
A tal’ effetto ne transmetto a
V. S. Nr. . . . eseraplari.
Inoltre le invio ancora Nr. . . .
stampe dei richiamato normale
decreto dei 18. Decembre 1835
per tenersi affisso nelle cancellerie
medesime, e per la corrispondente
esecuzione.
Ne pu6 questa Sacra Congre-
gazione dissimulare che taluni
Ordinari nella composizione dei
loro Tribunale criminale quanto
al numero dei giudici con voto
decisivo non hanno presente il
disposto dell’ Appendice al Re-
golamento organico e di proce-
dure criminale per norma delle
Curie Ecclesiastiche emanato
dalla sa. me. di Gregorio XVI.
per mezzo della Segreteria di
lassenen Instruction anfertigen, sind
einigen bischöflichen Kanzlern nicht
bekannt geworden, wie die h. Con-
gregation aus mehreren in erster
Instanz bei den bischöflichen Ge-
richten abgeurtheilten Criminal-
saclieu entnommen hat. Aus diesen
geht nämlich hervor, dass sich
einige Kanzler herausgenommen
haben, die Strafsachen in feier-
licher Audienz, oder Sitzung abzu-
urtheilen nach dem Vorgänge der
weltlichen Gerichte erster Instanz
und entgegen dem bei den kirch-
lichenGerichten üblichen Gebrauche.
Aus diesem Grunde schien es dien-
lich, diese Formulare von Neuem
drucken und den Ordinariaten zu-
gehen zu lassen, damit jede bischöf-
liche Kanzlei mit einem Exemplar
versehen sein möchte. In der An-
lage beehre ich mich Ihnen ein
solches zu übermitteln.
Zugleich übersende ich ihnen eine
Abschrift des Decretes vom 18. De-
cember 1835, damit dasselbe in der
Kanzlei zu pünktlicher Beobachtung
angeheftet werde.
Ebensowenig kann sich die h.
Congregation verhehlen, dass einige
Ordinarien in der Zusammensetzung
ihres Criminalgerichtes die Be-
stimmungen des Nachtrages zum
Regolamento organico und des Cri-
minalverfahrens für die bischöf-
lichen Curien, welche Gregor XVI.
durch die Staatssecretarie vom 5.
November 1831 erlassen und die
nachherige erläuternde Circular-
verfügung der Staatssecretarie vom
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152 Congr. Epp. 1. Aug. 1851 de appell. in causis crimin. eccl.
Stato li 5. Novembre 1831 con
la posteriore declaratoris risul-
tante dalla circolare della stessa
Segreteria di stato dei 14. Aprile
1832. Siccome questa legge pro-
segue ad essere nel suo pieno
vigore, e la inosservanza offre
motivo ai difensori di reclamare
la nullitä della sentenza in prima
instanza quando si propone la
causa in grado di appello^; cosl
a togliere in appresso questa
eccezione defensionale, si ravvisa
necessario di ricbiamare a me-
moria le sudette pontificie dispo-
sizioni, alle quali sono coerenti
le istruzioni date alla evenienza
de’ casi anche dalla S. Congre-
gazione dell' Immuni tä Eccle-
siastica. A questo fine Bi acclu-
dono a V. S. Nr. ... eseroplari
in istampa delle citate disposi-
zioni.
Affinche poi non* s'ignorino
gli oneri ehe incombono agl'
istigatori o aderenti al Pisco al-
lorquando essi credendosi gravati
dal giudizio di prima istanza in-
terpongono 1’ appello a questa S.
Congregazione, si porta a notizia
della di Lei Curia la risoluzione
presa nella generale aduuanza dei
22. Febrajo 1839, accludendosene
Nr. . . . esemplari in istampa.
Per accelerare finalmente il
disbrigo delle cause che in grado
di appello si deferiscono a questa
Sagra Congregazione, interesso V.
S. a far conoscere ai ministri di
cotesta Curia, che allorquando nei
dieci giorni utili dopo la inti-
14. April 1832, insofern sich diese
auf die Zahl der Richter mit ent-
scheidender Stimme beziehen, nicht
beobachtet haben. Da dieses Ge-
setz annoch in voller Kraft besteht
uud dessen Nichtbeobachtung den
Advocaten Gelegenheit bietet, das
ürtheil erster Instanz in der Ap-
pellation anzufechten, so werden
jene päpstlichen Bestimmungen
hiermit wieder eingeschärft. Mit
den letzteren stehen in engster Ver-
bindung die von der Congregation
der kirchlichen Immunitäten bei
mehrfachen Anlässen ergangenen
Bestimmungen. Auch von den
letzteren liegen Exemplare bei.
Damit übrigens die Pflichten
nicht unbekannt seien, welche den
Vertretern des Fiscus in dem Falle
obliegen, wenn sie sich gezwungen
sehen, von der ersten Instanz Be-
rufung an diese h. Congregation
einzulegen, so folgt anbei für Ihre
Curie ein Exemplar des in der
General-Congregation vom 22. Fe-
bruar 1839 gefassten Beschlusses.
Um endlich die Erledigung der iu
der Appellinstanz bei dieser h. Con-
gregation anhängigen Sachen zu
beschleunigen , so veranlasse ich
Sie, den Mitgliedern Ihrer Curie
davon Kenntniss zu geben, dass,
wenn der Verurtheilte binnen der
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Congr. Epp. 1. Aug. 1851 de appell. in causis crlmin. eccl. 153
mazione della sentenxa il con-
dannato interponga 1’ appello a
questa Sagra Congregazione e
dalla medesima sia stato am-
messo e partecipata 1’ ammissione
all’ Ordinario colla consueta in-
giunzione di doversi proseguire
dentro il termine peremptorio di
giorni venti, dovrä dei Ministri
della Curia intimarsi agli appel-
lanti per atto cursorile che vo-
lendo proseguire gli atti di ap-
pello e necessario che nel peren-
torio termine di venti giorni de-
pnti in questa dominante un
Avvocato o Procuratore appro-
vato nella Curia Romana, assi-
cnrandosi che il difensore da lui
scelto ne assuma effettivamente
il patrocinio e previo il solito
deposito, ritiri dal Giudice rela-
tore il processo, seorso il quäl
termine inutilmente s’ intenderä
ch’ esso abbia rinunziato al bene-
fizio dell’ appello, ed in con-
seguenza da questa Sagra Con-
gregazione verrä dichiarato pe-
rento. Qualora poi appellasse
l’istigatore o aderente al Fisco,
e parimenti 1’ appello medesimo
sia stato ammesso dalla Sagra
Congregazione e partecipata 1’ am-
missione all’ Ordinario, in questo
caso 1’ appello rendendosi cornu ne
anche all’ appellato, dovrä noti-
ficarsi a quest’ ultimo 1’ appel-
lazione dal primo iuterposta ed
ammessa dalla Sagra Congrega-
zione ed ordinarglisi che se nel
perentorio termine di venti gi-
orni non avrä deputato il suo
vom Gesetz gewährten Frist von
zehn Tagen, welche von der In-
sinuation des Urtbeils zu laufen
beginnen, Berufung an diese h. Con-
gregation einlegt, diese von der
Congregation zugelassen und die
Zulassung dem Bischof mit der
Anweisung, binnen der peremptori-
schen Frist von zwanzig Tagen das
Weitere zu veranlassen, notificirt
wird, die Mitglieder der Curie ver-
pflichtet sind , den Appellanten
durch den Gerichtsdiener zu eröff-
nen, dass sie, wenn sie die Be-
rufung durchführen wollen, inner-
halb des peremptorischen Terrains
von zwanzig Tagen einen von der
römischen Curie zugelassenen Ver-
theidiger zu bestellen, und sich
dabei zu vergewissern haben, dass
der Vertheidiger wirklich dieses
Amt übernehmen und nach Er-
legung der Succumbenzgelder beim
Richter, welchem das Referat zu-
gewiesen ist, die Acten sich erbitten
werde, dass aber, wenn der Ap-
pellant diese Frist unbenützt ver-
gehen lasse, angenommen werde,
er habe auf die Wohlthat der Be-
rufung verzichtet, worüber die Con-
gregation eine förmliche Erklärung
abgeben wird. Wenn dagegen der
Vertreter des Fiscus Berufung ein-
legt, diese von der Congrega-
tion angenommen und davon dem
Bischof Nachricht gegeben wird,
so hat der Appellat auch in die
Berufung miteinzutreten, wesshalb
auch ihm die Einlegung und sei-
tens der h. Congregation erfolgte
Annahme der Berufung mit der
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154
Congr. Epp. 1. A ug. 1861 de uppeU. in causia crimin. ec.cl.
difensore fra gli Avvocati , o
Procuratori della Roraana Curia
s’ intenderä che voglia astenersi
dall’ intervenire nel giudizio, e
ad istanza dell’ istigatore o ade-
rente al Fisco si proseguiranno
gli atti fino alia decisione della
causa inclusivamente , senza ul-
teriore interpellazione. Inoltre
all’ istigatore o aderente appel-
lante dovrk farsi quell’ intima-
zione, che si e di sopra stabilita
pel condannato che appella alla
Sagra Congregazione. Tali in-
tiraazioni munite della corrispon-
dente relazione del Cursore si
debbono trasmettere alia Sagra
Congregazione.
Si ricorda in fine, che gli atti
d’ intimazione della sentenza, e
di appello muniti parimenti della
relazione del cursore dovranno
inserirsi ed allegarsi nei rispet-
tivi processi, i quali a forma
dell’ articolo IV. del decreto dei
18. Decembre 1835 senza ritardo
corredati dell' judice eronologico
si debonno trasmettare a questa
Sagra Congregazione, col ristretto
e colle difese, non meno che colla
copia conforme della sentenza,
restando 1’ originale di questa
presso la rispettiva Curia, la
quale ne tiene apposito registro
nella cancelleria criminale.
Si compacierä V. S. accusarmi
Massgabe zu notificiren ist, dass,
wenn er binnen der peremptorischen
Frist von zwanzig Tagen keinen
Vertbcidiger aus der Zahl der
Advocaten der römischen Curie
bestellt, angenommen werde, er
wolle sich am Process nicht be-
tbeiligen, uud auf Anstehen des
Vertreters des Fiscus der Process
bis zum Richterspruch durchgeführt
werden solle mit Ausschluss aller
weiteren Berufung. Dem Vertreter
des Fiscus muss die nämliche No-
tification wie dem Verurtheilten,
wenn er Berufung an die h. Con-
gregation einlegt, gemacht werden.
Die Notificationen sarnmt dem
entsprechenden Vermerk des Ge-
richtsdieners sind der h. Congre-
gation vorzulegen.
Schliesslich ist zu beachten, dass
die Acten über die Mittheilung des
Urtheils und der Berufung, nach-
dem sie mit dem Vermerk des
Gerichtsdieners versehen worden,
den Processacten beizufügeu sind,
welche nach Massgabe des Arti-
kels IV. des Decretes vom 18. De-
cember 1835 unverzüglich mit
einem chronologischen Index zu
versehen und der h. Congregation
zu übersenden sind. Ihnen ist bei-
zulegen ein Auszug der Verhand-
lungen, nebst der Vertheidigung,
sowie eine genaue Abschrift des
Urtheils, dessen Original in den
Acten der betreffenden Curie zu-
rückbleibt, welche genaues Re-
gister in den Criminalacten dar-
über führt.
Euer Gnaden werden die Gefallig-
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Ctint/r. Cone. d. 20. Dee. 1873 isusp. ex informata comeientia. 155
ii ricevimento di questa Circolare,
e le auguro dal Signore ogni
prosperitä.
Roma, 1. Agosto 1851.
Corae Fratello
Fr. A. F. Card. Orioli, Prefetto.
D. Patriarca Di Costantinopoli Segr.
keit haben, mir den Empfang dieses
Circularschreibens zu bescheinigen.
Mit den besten Wünschen für Ihr
Wohlergehen bin ich Ihr
Cardinal Orioli , Präfect.
Der Patr. v. Constantinopel als Secr.
Rom, 1. August 1831.
2. Decretum s. Congr. Concilii d. 20. Dec. 1873 super causa
Bosniensi et Sirmicns. suspensionis ex informata conscientia 1 ).
Compendium facti. Sacerdos N. abbas infulatus et parochus
in quadatn H. civitate per anonymam delationem turpissimi accu-
satus criminis, ad laicum tribunal criminale raptus fuit. Cum ingens
hac de re esset in civitate rumor, ac violentiae et injuriae in pa-
rochum timerentur, episcopus eum a parochia abscedere et alibi com-
morari jussit, donec causa ad exitum perducta fuisset. Inquisitio in
longum abiit, sed tandem die 1. Maji 1869 tribunal decrevit: »ab
ulteriori causae prosecutione propter insufficientiam rationum de-
sistendum esse« facta parocho facultate intra 24 horarum spatium
aut appellandi, aut finalem causae pertractationem ad propriam in-
nocentiam evincendam exigendi. Qua tamen facultate ipse usus
non est.
Odium atque infamia in parochium excitata, causa fuit, ut
episcopus illum induceret ad parochiam sponte dimittendam, quod
ipse peregit, accepto habita annua sexcentorum fiorenorum pensione,
et insuper facultate commorandi in Seminario, ubi modicis expensis
vivere posset. Inibi cum moraretur, nova inquisitio in hunc paro-
chum ab auctoritate ecclesiastica instituta est, proptera quod puella
se turpia quaedam ab ipso passam fuisse narravit.
Ex novo hoc processu civium indignatione magis excitata, pa-
rochus aliam urbem petere coactus est.
Ei accusationis capita communicata fuerunt ab episcopali con-
sistorio, adsignato trium hebdomadarum termino ad jura sua dedu-
cenda. Quod ille quamvis intra praefinitum tempus praestiterit, die
tamen 4. Julii 1872 adversam sententiam retulit, a qua tempore
1) Wir entnehmen diese in der Instr. s. Congr. Epp. vom 11. Juni 1880
Nr. 9 (Archiv, Bd. 46. S. 5) über das Strafverfahren gegen Geistliche erwähnte
Entscheidung den Acta s. Sedis tom. VII. p. 569 — 575, nachdem wir auf unsere
Erkundigung die authentische Versicherung erhielten, dass dieses das betreffende
Bosnisch-Sirmienische Decret sei.
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156 Cungr. Cane. d. 20. Dee. 1873 stisp. ex informata conscientia.
utili, nempe die 10 ejusdem mensis appellationem ad raetropolitanum
forum interposuit.
Episcopus, qui dum sententia lata est, aberat, ad propria re-
versus, omne scandalum, quod ex diuturniore causae prosecutione
foveri poterat, compescendum existimavit die 11. Septembris ejusdem
anni per decretum ex informata, ut aiunt, conscientia, quo poenas in
parochum a suo Consistorio irrogatas confirmans declaravit »paro-
chum pro cura animarum gerenda absolute et in perpetuum ineptum
esse, eundemque ad statum deficientiae reponi, cum stricta obliga-
tione mansionem suam vigendi in claustro quodam et abstinendi ab
exercitio pontificalium. In pensionem ei adsignabantur 400 floreni,
si semet obedientera in omnibus episcopo exhibuisset.«
Hoc decreto perculsus parochus , humillimas obtulit preces
episcopo, ut illud revocare, atque acta appellationis ad tribunal me-
tropolitanum transmittere dignaretur eum in finem, ut coepta quaestio
quautocius definiri posset. Sed frustra. Episcopus enim has preces
rejecit. Quapropter parochus SSmo Dno. Nostro libellum porrexit,
expostulans revocationem decreti ex informata conscientia atque ab-
solutionem a censuris in eodem sibi inflictis, ut prosecutio causae in
gradu appellationis apud metropolitam agi posset.
Memoratae preces transmissae de more fuerunt ad episcopum,
ut super iisdem s. congregationem certiorem redderet, mentemque
suam aperiret. Ejus accepto responso, causa inter supplices libellos
proposita est.
Disceptatio synoptica.
Ea quae episcopi favore prostant. Dispositio Concilii Triden-
tini sess. 14. cap. 1. de refor. haec habet: »Cum honestius ac tutius
sit subjecto, debitam praepositis oboedientiam impendendo in infe-
riori ministerio deservire, quam cum praepositorum scandalo graduum
altiorum appetere dignitatem, ei, cui ascensus ad sacros ordines a
suo praelato ex quacumque causa etiam ob occultum crimen, quo-
modolibet etiam extrajudicialiter , fuerit interdictus, aut qui a suis
ordinibus seu gradibus vel dignitatibus ecclesiasticis suspensus, nulla
contra ipsius praelati voluntatem concessa licentia de se promoveri
faciendo, aut ad priores ordines, gradus, dignitates sive honores re-
stitutio suffragetur.«
His praemissis episcopus ineluctabilibus causis se motum asserit
ad praepediendam parocho appellationis prosecutionem. Enimvero de
materia agitur, quam Apostolus nec nominari permittit. Civium
concitatio de die in diem excrescebat. Una alteraque vice de iismet
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Congr. Cone. d. 20. Dee. 1813 susp. ex informata conscientia. 157
cjjminibus jam inquisitione expleta, ulterior processus conniventiam
saperet, ac in totius ordinis dedecus vergeret.
Mitem se exhibuisse prosequitur in poenis definiendis, quando-
quidem compertissimi juris est, de aliquo crimine diffamatum, ad
curam animarum inhabilem ipso facto existere. Jamvero ex ipsa
tacti specie quisque videt quanta infamia parochus, quode agimus,
laboret, et quam indignus sit usu Pontificalium, post ea quae in
processualibus tabulis continentur. In sustentationem ejus adsignati
remanent 400 floreni id est mille lirae romanae: dum Statutum
dioecesanum sacerdoti deficienti constituit pensionem florenorum 300,
cum jure in seminario leviori pretio victu et hospitio utendi. Ad
spiritualem vero ip3ius medelam et emolumentum exclusive pertinere
injunctionem morae in aliquo monasterio pro lubitu figendae.
Nec hilum facere autumat, quod delicta in themate sint notoria
et publica. Re namque vera gravis notae auctores ex illis Cone.
Trid. verbis: ex quacumque causa etiam ob occultum crimen, dedu-
cunt, episcopis factam esse facultatem, ex informata conscientia pro-
cedendi non minus super publicis, quam super occultis criminibus.
Praeterea omisso quod adhuc sub judice est quaenam facinora in
jure habeantur publica quaenam versa vice occulta, nequit asseri
cuncte flagitia a parocho patrata publicitate gaudere. At vero unum
tantum crimen satis est, ut decretum ex informata conscientia
sustineatur. Audi sane Pignat. tom. 9. Const. 8. nr. 5 (ibi): »Qua-
tenus censurae prolatae super pluribus delictis non sustineantur
super unoquoque illorum , satis tamen est , quod ex uno tantum
comprobarentur , cum unumquodque sufficiens sit ad illas incur-
rendas.«
Neque meliori omine, adversus parochus contendit duplicem
in ipsum Bententiam ab eodem tribunali super eodem crimine
lutam. Etenim sententia consistorii , juris ordine servato , lata
est absente et inscio episcopo, sententiam vero ex informata con-
scientia unus episcopus ferre potest. Monacell. part. tit. 2. formul. 6.
annot. 3.
Ea quae prostant favore parochi. Episcopus cum suo con-
sistorio unum idemque tribunal constituit, Garcias de Beneficiis
part. 5. cap. 8. Tomassin de Offic. Vicarii 7. num. 40. cap. 2. Ro-
mana de Appellat, in 6. 9. Ideoque episcopus in themate ferendo
alteram sententiam postquam primam per suum tribunal tolerat,
contra tactum proprium venisse videtur, quod prorsus in civile est.
Unde consequitur decretum ex informata conscientia tamquam atten-
tatum contra judicem, ad quem patet appellatio, mole sua ruere,
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158 Conyr. Cone. d. 20. Dee. 1873 suap. ex informata conscientia.
Leuren. for. Eccl. tit. 28. libr. 2. Decr. quae3t. 1134, Bouix du Ju-
diciis Eccl. p. 2. cap. 2. de appell. quaest. 2.
Verum est, his omissis, episcopus per decretum ex informata
couscientia appellationis prosecutionem parocho intercipit, quod cri-
mina publica respicere oppido patet. Ad haec ipsemet episcopus
fatetur ex indignatione civium a publicitate facinorum excitata se
adductum esse ad extrajudicialiter vi Cone. Trid. sess. 14. cap. 1.
de refor. procedendum. Atqui inconcussi juris est citatum caput
Coneil. Trid., quando agitur de privatione juris quaesiti super oc-
cultis, non vero publicis criminibus facultatem hanc episcopis tribuere.
Ke enim vera, quidquid disputent duo recentiores, episcopus mempo
Lucionen. in suo opere inscripto des sentences Episcopales dites de
conscicnce informde ; et D. Bouix de judiciis Ecclesiast. profecto
juridica ratio proclamat, ut quando crimen est publicum, per publi-
cam sententiam raulctetur, aliter enim turbatus justitiae ordo iu
pristinum minime restitueretur. Historica documenta commonstrant
episcopos nonnisi pro occultis delictis allato Cone. Trid. capite usos
fuisse. Unde factum est, ut talia decreta ex informata conscientia
nuueupeutur.
In hanc sententiam communi plausu descendunt Doctores, Bar-
bosa in jus Canon, lib. 1. in cap. ad aures n. 4, Pirhing in jus
Can. tom. 1. tract. 11. sect. 1. n. 15, Piynat. tom. 1. Consuit.
2G1. num. 1, Monacell. formnl. tom 1. Iit. 13, form. 3. n. 29,
Gaudentius , De Janua De Visitat. Praelat. tom. 1. dub. 8. sect. 6.
n. 39, Benedict. XIV. De Synod. libr. 11. cap. 8. n. 3. et seq. cl.
Lucidi (quem nuper e vivis ereptum deflemus) de Visitat. SS. LL
part. 1. ad §. 111. Benedictiuae Instruet, sect. VIII. n. 273. monent
episcopos, ut caveant, ne quod publicum et notorium jam perinde
ac esset occultum , falso sibi animo reputantes, suspensionem ex
informata couscientia decernant: hujusmodi enim decretum minime
sustinetur, prout evenit in S. Agatbae Gotli. suspens. irregul. et
privat. Benef. 2G. Februarii 1853.
Fastigium imponit Benedictus XIV. Apostolica Const. quae
incipit Ad militantis, diei 1. Aprilis 1742, qua recensens varios casus,
in quibus non datur appellatio , inter eos sententias adnumerat ex
informata conscientia his verbis — Item a denegatione Sacrorum
'Ordinum, vel ascensus ad alios majores; prout etiam adversus
suspensionem ab susceptis, ob occultum 'crimen sive ex in formata
conscientia, juxta dispositionem Sacri Cone. ss. 14. cap. 1. de ref.
— Hic ex mente Pontificis dictiones — ob occultum — et — ex
iulormuta conscientia — idem sonant. Nam particula — sive —
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Conyr. Cvnc. d. 20. Dec. 1873 snsp. ex informata conscientia. 159
quando ponitur inter duas dictiones, quae non contrariae sed similes
sint, vim habet explicativam et declarativam, et stat loco — id
est: — Barbosa dictiones usu frequentes dictio 363. n. 7. et dict.
375. n. 6.
Deinde plures poenc in casu ab episcopo irrogatae sunt, quam
quod cap. 1. sess. 14. de ref. episcopis concedat. Nara per caput
illud episcopis facta fuit facultas 1. interdicendi ascensus; 2. sus-
pendendi ab ordinibus, seu gradibus, vel dignitatibus ecclesiasticis.
Ulterius progredi unllimode licet, ne in vim quidem interpretationis,
quin cum res sit de poenis, quisque novit locum habere strictam in-
terpretationem.
Imo nec ipsae suspensiones vi citati cap. inflictae, perpetuae
esse possunt. Verum enim vero ex praxi S. Conci!. Congregationis,
recentiori saltem aevo, receptum est, quemadmodum observatur
in Lucioneu. suspensionis 8. Aprilis 1848 §. si autem, suspensiones
perpetuas et indefinitas, quae merae privationes dici possunt, minime
ferendas esse , nisi praemittantur monitiones , aliaeque solemnitates
sess. 21. cap. 6. de ref. praescriptae.
Speciem casui nostro adsimilem expendit S. Cone. Congregatio
in causa S. Agathae Gothorum 26. Febr. 1853. Episcopus enim
ex informata conscientia Archipresbyterum Curatum D’Ambrosio
suspenderat a dignitate Archipresbyterati, animarum cura, et sacro-
rum Ordinum exercitio, absque ulla temporis determinatione. Hujus
sententiae validatem duplici excapite impetebat D’Ambrosio 1. quod
delictum, propter quod lata fuerat, erat publicum; 2. quod poena
erat tempore indefinita. Proposito dubio — An constet de validitate
suspensionis in casu — responsum produit: Negative, salvo jure
episcopo procedeudi prout de jure.
Resolutio. S. Congregatio Concilii causa cognita die 20. Dec.
1873 rescribere ceusuit: Decretum ex informata conscientia in casu
non obstare quominus procedatur in causa appellationis prout, et
quatenus et coram quo de jure.
Ex quibus colliges:
1. Episcopum cum suo consistorio sive curia unum idemque
tribunal constituere. Ideoqne
2. veluti attentatura contra judicem, ad quem patet, ap-
pellatio, haberi non solum quidquid ab ipso Consistorio, verum
etiam quidquid ab episcopo circa sententiam a consistorio pro-
latam decernitur, appellatione vel appellationis jure pendente. Nec
proinde
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160 Congr. Cone. d. 20. Dee ■ 1873 ausp. ex informata conscientia.
3. licere episcopo per decretum ex informata conscientia ap-
pellationem vel appellationis prosecutionem contra sententiam a curia
prolatam intercipere.
4. Decretum suspensionis ex informata conscientia ob crimina
publica editum non sustineri. . - — *
5. Poenas additas suspensioni per decretum ex informata con-
scientia inflictae esse irritas.
6. Imo ipsam suspensionem extrajudicialiter irrogätam non
posse esse perpetuam.
7. Perpetuas censeri suspensiones sine ulla temporis determi-
natione latas.
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161
XII.
Preussische Cultus-Ministerial-Erlasse vom Jahre 1881,
betr. das kirchliche Vermögensrecht im »Ctdturkampfe.*
1. Der Pfarrer als Mitglied des Kirchenvorstands in Filialgemeinden.
Nach dem Gesetze vom 20. Juni 1875 über die Vermögens-
verwaltung in den katholischen Kirchengemeinden soll der Kirchen-
vorstand ausser den gewählten, resp. ernannten Kirchenvorsteheru
in Pfarrgemeinden aus dem Pfarrer, in Filialgemeinden aber, welche
eigene Geistliche haben, aus dem der Anstellung nach ältesten be-
stehen. In den Diöcesen Ermland und Kulm gibt es nun eine
grössere Anzahl von Filialkirchen, bei welchen ein Geistlicher nicht
residirt, und in welchen die Geistlichen der Pfarrkirchen an be-
stimmten Tagen Gottesdienst halten. Der frühere Cultusminister
Dr. Falk erliess unter dem 22. März 1876 ein Rescript, worin er
erklärte, dass ein Pfarrer nicht berechtigt sei, in den Kirchenvor-
stand einer zur Pfarrgemeinde gehörigen Filialgeraeinde einzutreten.
Diese im Gesetze nicht begründete Deutung des Dr. Falk ist von
dem derzeitigen Cultusminister v. Gossler beseitigt. Derselbe hat
nämlich, wie die »Erml. Ztg.« mittheilt, in Folge einer Vorstellung
des hochw. Herrn Bischofs von Kulm unter dem 14. October 1881
die Provinzialbehörden angewiesen, dem Eintritt des Pfarrers in den
Kirchenvorstand solcher Filial- und Kapellengemeinden fernerhin nicht
entgege.izutreten.
2. Pcrsonalzulagen der gesperrt geivesenen Geistlichen der Diöcese
Trier.
Die Germania Nr. 294 vom 13. December 1881 berichtete:
Nach einer jüngst seitens des Cultusministers an den Oberprä-
sidenten der Rheinprovinz erlassenen Verfügung sollen die »persön-
lichen Zulagen« zu den Gehältern der bis zum 1. Juli d. J. gesperrt
gewesenen Geistlichen der Diöcese Trier vom 1. Juli d. J. ab ge-
zahlt werden, jedoch zunächst nur bis zu Ende März 1886. Dazu
bemerkt die »Voss. Ztg.«: Auch den evangelischen Geistlichen sind
die Zulagen nur auf Zeit bewilligt worden und zwar mit Rücksicht
auf den rein staatlichen Charakter des Fondes zur Verbesserung der
äusseren Lage der Geistlichen. Schon während der Amtsführung des
Cultusministers Dr. Falk hat das Ministerium der geistlichen etc.
Arobiv für Kirchenrecht. XL VIL 1 1
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162 Preuss. Cu) /.-Min.- Erlasse von 1881, betr. kirchl. Vermögensrecht.
Angelegenheiten wiederholt darauf gewiesen, dass den Geistlichen ein
rechtlicher Anspruch auf die staatlichen Zulagen nicht zusteht, dass
vielmehr die letzteren jederzeit widerruflich sind und dass nament-
lich wegen etwaiger Weiterbewilligung der den früheren Amtsin-
habern gewährten Zulagen an die Nachfolger vor deren Bewerbung
um die neue . Stelle die Ministerialentscheidnng eingeholt werden
muss. Ferner ist miuisteriellerseits verfügt worden, dass für Fälle,
in welchen evangelische Geistliche unter Aufgabe ihrer bisherigen
Aemter, sich um Stellen mit niedrigerer Dotation in der Voraus-
setzung bewerben, dass die staatlichen Zulagen ihnen unter allen
Umständen zu Theil werden mussten, die Bewilligung von Staatszu-
schüssen nicht ohne Weiteres in Aussicht gestellt werden kann,
wenn derartige Versetzungen vornehmlich aus persönlichen Beweg-
gründen erstrebt werden.
Den fortschrittlichen Organen sollte nicht entgehen, dass in
der Widerruflichkeit despotische Hintergedanken stecken.
XIII.
Eine Entscheidung der Budapester k. ung. Gerichtstafel be-
züglich der Taufe von Kindern aus gemischter Ehe.
Von Dr. Stephan Böredy in Budapest.
Die Budapester k. Gerichtstafel hat als zweite und in Polizei-
strafsachen letzte lustanz in dem Archiv, Bd. 45. S. 163 angeführten
Falle am 28. December 1880 dahin entschieden, dass der §. 53. des
ung. Polizeistrafgesetzes, worin bestimmt wird, dass wer gegen die
Bestimmung des 53. Gesetzartikels vom Jahre 1868 ein minder-
jähriges Individuum in eine andere Religionsgenossenschaft auf-
nimmt, mit Haft bis zu zwei Monaten und einer Geldbusse bis
300 Gulden zu bestrafen sei, nur auf deu Fall beschränkt werden
muss, wenn ein minderjähriges Individuum vor dem Ablauf seines
18. Lebensjahres von einer (christlichen) Religionsgenossenschaft in
eine andere aufgenommen wurde, indem der Wortlaut des obigen
Strafparagraphen voraussetze, dass der Minderjährige bereits Mitglied
einer Religionsgesellschaft gewesen sei, was bei der Taufe ueuge-
borner Kinder nicht zutreffe. Die Entscheidung hat principielle Be-
deutung, insofern bei der gegentheiligen strengeren Auffassung, da
nach §. 12. des 53. Gesetzartikels vom Jahre 1868 in gemischten
Ehen die Söhne der Religion des Vaters und die Töchter der Re-
ligion der Mutter zu folgen haben, die katholische Taufe aller
Kinder aus gemischten Ehen ohne Verletzung des Strafgesetzes nicht
durchführbar wäre und somit ein katholischer Priester straffällig
würde, wenn er Kinder aus gemischten Ehen, die durch die bürger-
lichen Gesetze einer andern christlichen Confession zugetheilt wer-
den, vermittelst der h. Taufe in den Schoss der katholischen Kirche
aufnehmen würde.
11 *
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164
XIV.
Literatur.
1. Dic Socialpolitik der Kirche. Geschichte der socialen Ent-
wickelung im Abendlande ton J. Albertus. Regensburg , Friede.
Pustet , 1881. gr. 8. XII und 715 S.
Ein Hauptmerkmal und auch eine Wirkung der antiautoritären
oder, besser gesagt, revolutionären Richtung unserer Zeit ist un-
streitig der sg. Doctrinarismus auf allen Gebieten der Theorie und
Praxis. Unbekümmert nicht nur um die Lehre der göttlichen Offen-
barung, sondern auch um die Lehre der Vergangenheit und Ge-
schichte nimmt man willkürliche Lieblingsideen zum Ausgangspunkt
seiner Studien, baut darauf die verwegensten Systeme und bat nichts
eiligeres zu tbun, als für die rasche, praktische Durchführung dieser
oft aschgrauen Theorien Propaganda zu machen. Eine nothwendige
Folge hievon ist ein bunter Wirrwarr der verschiedensten sich gegen-
seitig bekämpfenden Parteimeinungen, die alle in ihrer Weise die
Gesellschaft zu retormiren und dadurch zu beglücken unternehmen.
Den scbliesslicben Schaden davon trägt natürlich die Gesellschaft,
welche es sich gefallen lassen muss, von den unzähligen Aerzten zu
Tode behandelt zu werden.
Diesem sg. Doctrinarismus gegenüber halten wir es für einen
äusser8t glücklichen Gedanken, den die vorliegende »Socialpolitik der
Kirche* verwirklichen will: die Beantwortung der brennenden so-
cialen Fragen auf dem historischen Wege zu versuchen. Doch damit
haben wir Zweck und Bedeutung der »Socialpolitik« noch nicht er-
schöpft. Auch in nichtkatholischen Kreisen beginnt man pietätvoller
auf die einst verachtete Vergangenheit zurückzublicken und bemüht
sich mit der socialen Organisation dort wieder anzuknüpfen, wo die
Revolution sie so rücksichtslos abgebrochen hat. Aber auch die
socialen Lehren der katholischen Vergangenheit wird nur derjenige
ganz und voll verstehen, der auf katholischem Standpunkte steht.
»Für die Christen,« sagt mit Recht der Verfasser (S. 4), »gibt es zur
Orientirung in der Vergangenheit und zur Herstellung einer festen
Basis für die Berechnung der Zukunft keinen andern Standpunkt als
jenen auf dem Kalvarienberge« auf den Felsen Petri .... Dieser
Standpunkt scheint zu keiner Zeit so sehr verlassen wie in iin3crn
Tagen .... Es bedünkt uns deshalb eine nützliche und verdienst-
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Albertus, Die Socialpolitik der Kirche.
165
liebe Aufgabe, diejenigen, die sich mit der Politik befassen — und
das ist heute fast Jedermann — wieder zurückzuweisen auf jene
christliche Hochwarte , und zwar nicht durch Raisonnement , und
auch nicht durch Eingreifen auf den Katechismus, sondern an der
Hand der Geschichte und durch den Beweis der Tliatsachen.«
Gewiss jeder Katholik glaubt, dass für die Menschheit auch in
socialer Beziehung nur in Christus Heil zu finden ist. Gott hat der
Menschheit einmal seinen eingeborenen Sohn zum Mittler und Er-
löser gegeben und will sie nur durch ihn für Zeit und Ewigkeit be-
glücken. Ohne Christus und seine Kirche werden desshalb alle Bau-
leute umsonst sich abmühen. Aber so fest wir Alle dieses glauben,
so ist es doch überaus wohlthuend, den Beweis für diese grund-
legende sociale Bedeutung auch aus der Geschichte erbracht zu
sehen. Diesen Beweis nun zu liefern, ist gerade der Hauptzweck des
vorliegenden Werkes. Und nach aufmerksamer Durchlesung dessel-
ben, glauben wir mit gutem Gewissen ausspreehen zu dürfen, dass
der Beweis siegreich erbracht ist. Mag es auch dem Leser scheinen,
hier und da werde einer Tbatsache eine Bedeutung und Tragweite
gegeben, die sie vielleicht nicht in dem Umfange hat, im Grossen und
Ganzen wird er sich bei vorurtheilsfreier Prüfung zu der vom Ver-
fasser vertheidigten These bekennen müssen.
Das ganze Werk zerfällt in drei Bücher. Das erste (S. 9—150)
behandelt das Alterthum bis zu Christi Ankunft und zeigt, wie die
von Gott abgefallene und sich selbst überlassene menschliche Ge-
sellschaft in den tiefsten Abgrund des Elendes und der Verkommen-
heit gerieth. Die Beweisführung, deren sich Gott in der Geschichte
vorzugsweise bedient, ist die deductio ad absurdum. Als eine solche
grossartige deductio ad absurdum muss die Geschichte der mensch-
lichen Gesellschaft bis zur Fülle der Zeiten angesehen werden. Trotz
alles Ringens und Strebens der begabtesten Völker des Alterthums,
besonders der Griechen und Römer, die in Kunst und Wissenschaft
das Höchste geleistet, und die gewaltigsten Staatsmänner und die
schärfsten Philosophen geboren haben, gerieth das Menschengeschlecht
in seiner übergrossen Mehrheit in entehrende Sclaverei, in Verarmung,
Lebensüberdruss und verzweiflungsvolle Trostlosigkeit, welche der
blendende, die Obere Zehntausend umgebende Glanz nicht zu ver-
hüllen vermochte. Das war das Werk der rein menschlichen Staats-
weisheit mit ihrer obersten, ja einzigen Triebfeder des Egoismus.
Sollte die Menschheit aus diesem Abgrunde des Elendes ge-
rettet werden, so musste ihr Gott seine rettende Hand reichen, sie
durch Armuth und Demuth von dem Irdischen losreissen und durch
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166
Literatur: Albertus, Die Socialpolitik der Kirche.
Erkenutniss und Liebe wieder mit sieh vereinigen. Diese grosse
vollständige Umgestaltung war die Aufgabe der Herabkunft Christi
uud der Stiftung der katholischen Kirche, deren Geist und Wesen
im zweiten Buche (S. 151—294) geschildert wird.
Während das zweite Buch das innere Heiligthum des Dogmas
der katholischen Kirche zum Gegenstände hat, behandelt das dritte
in zwei Abschnitten die kirchliche Organisation und deren sociale
und politische Bedeutung (S. 298 — 568) und die sociale Einwirkung
der Kirche auf die Entwickelung der Gesellschaft im christlichen
Abendlande (S. 569 — 698). Das Papstthum bildet wie billig den
Kernpunkt der gesammten Ausführungen. Wie um die Kirche selbst
sich die ganze Weltgeschichte gruppirt, so dreht sich die Geschichte
der Kirche um diejenige des Papstthums. Eingehend werden die
verschiedenen Phasen, die das Papstthum durchgemacht, besonders
die Gründung des Kirchenstaates, ferner sein Verhältuiss zum grie-
chischen Schisma, seine Kämpfe gegen den hereinbrechenden Jloha-
medanismus, ganz besonders aber seine sociale und politische Macht-
stellung im Abendlande seit dem Untergang des weströmischen Reiches
geschildert. Der Verfasser zeigt, dass immer und überall jene Herr-
scher, die im Interesse ihrer politischen Machtstellung die Kirche,
bez. den Primat sich unterthänig machen wollten, nicht nur die Kirche
tief schädigten , sondern auch den Grund zum Sturz und Ruin ihrer
eigenen Politik legten. Die Zeiten der Vergewaltigung der Kirche
waren immer auch Zeiten des Verfalls und der socialen Zerrüttung
der Staaten , sowie hinwiederum jene Perioden für die Staaten die
glänzendsten und glücklichsten waren, in denen die Kirche das
grösste Mass der Freiheit und die bereitwilligste Unterstützung von
Seiten der weltlichen Herrscher fand. Unter den der Kirche am
treuesten ergebenen Kaisern gelangte das hl. römische Reich zur
höchsten Blüthe. Diese Erscheinung darf nicht auffallen. Was eine
Nation wahrhaft gross und mächtig macht, ist der innere Geist, der
sie beseelt. Wo die Religion nicht ihren belebenden Hauch hin-
trägt, wird der Geist eines Volkes in kalten Egoismus, in niedriger
Habsucht und gewissenlosen Ehrgeiz ausarten. Nur die Religion
vermag die Menschen aus diesen Niederungen emporzuheben, sie
durch Liebe unter sich und mit Gott zu einer grossen Familie zu
verbinden und durch Opfersiun zu grossen Thaten zu befähigen. Nun
aber wird die Religion nur bei jenen Völkern wahrhaft blühen, wo
die von Gott zu ihrer Pflege eingesetzte und mit allen Gnadenmit-
telu ausgerüstete Gesellschaft, die katholische Kirche, frei und un-
gehemmt sich bewegen und ihre Thätigkeit entfalten kann. Die
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re
• Albertus, Die Svcial])Olilik der Kirche.
167
Freiheit ist die Lebensluft der Kirche. Diese Lehre steht mit Flam-
menzügen in der Kirchengeschichte verzeichnet und wir sind dem
geehrten Verfasser aufrichtig dankbar dafür, dass er uns dieselbe
durch sein gelehrtes und geistreiches Werk so überzeugend zum Be-
wusstsein gebracht hat. In der »Socialpolitikt haben wir in der
That eine vorzügliche Apologie der Kirche vom historischen Stand-
punkte vor uns. Ja wir möchten sie eine Art Philosophie der
Kirchengeschichte nennen, insofern sie die in der Kirchengeschichte
enthaltenden socialpolitischen Lehren zusammenfasst und an der Hand
der Thatsachen nachweist. Um hier nur auf eines aufmerksam zu
machen, so hebt H. Albertus mit gutem Grunde nachdrücklich her-
vor, dass die grossartige corporative Organisation, welehe die Gesell-
schaft im Mittelalter auszeichnete und ihr so dauernden Halt ver-
lieh, vor Allem ein Werk der Kirche ist, sich unter ihrem Einflüsse
spontan aus dem Innern der Gesellschaft selbst allmählich entwickelte
und ihr nicht von Aussen durch den Staat aufgedrängt wurde. Es
ist das eine überaus wichtige Lehre für die Gegenwart, deren Be-
achtung den Socialpolitikern nicht genug empfohlen werden kann.
Wir sind gewiss weit entfernt, die Mithilfe der Staatsgewalt zur so-
cialen Reorganisation abweisen zu wollen; aber glaube man doch
nicht durch ein Paar Gesetzesparagrapheu die ganze Gesellschaft
neu gestalten und dauernd beglücken zu können. Zur socialen Re-
form gehört vor allem als nothwendige Vorbedingung und Grundlage
die Neubelebung der Volksgeister durch wahre Religiosität und
Biederkeit. Upd wie kann man diese Neubelebung erwarben, wenn
man jene Anstalt planmässig niederhält, von der allein sie zu hoffen
ist. Auch vom Standpunkt einer gesunden volkswirtschaftlichen
Politik müssen wir desshalb dringend die Beseitigung des deutschen
Culturkampfes und damit die volle Freiheit der katholischen Kirche
verlangen.
Doch wir wollen hier nicht alle die nützlichen Lehren, welche
uns das treffliche Werk des H. Albertus entweder ausdrücklich vor-
legt oder wenigstens anregt, durchgehen. Wir möchteu den Leser
nur bestimmen , es selbst zur Hand zu nehmen. Wir sind gewiss,
er wird von der aufmerksamen Durchlesung, dieser immerhin eine
so staunenswerte Belesenheit bekundenden und dabei vom wärmsten
katholischen Hauche getragenen Buches den reichsten Lohn heim-
tragen. ;
Dr. Ignaz Tarnowski.
168 Liier.: Joh. a Luscu, Beitr. zur Ref.-Gesch. Polens , Deutschi. u. Engl.
2. Johannes a Lasco. Beitrag zur Reformationsgeschichte Polens,
Deutschlands und Englands von Hermann DaUon. Mit Portrait.
Gotha, F. A. Perthes, 1881. 577 S. (11 M.)
Ein Engländer, derzeit evangelischer Pastor in Petersburg, hat
es unternommen, durch eine ausführliche Lebensdarstellung dem
Superintendenten Laski ein Denkmal zu setzen. Im Städtchen Lask
des Königsreichs Polen geboren 1499 wurde Johannes am Hofe seines
Oheims, des Erzbisehofes von Gnesen, erzogen, zu seiner weiteren Aus-
bildung nach Rom und Bologna gesendet, 1521 zum Priester ge-
weiht; nach mehrjährigem innigen Verkehr mit hervorragenden Lei-
tern der Reformation fiel Laski 1588 von der katholischen Kirche
ab, heirathete, wirkte alsdann während des Zeitraumes von achtzehn
Jahren für die Verbreitung und Befestigung des Protestantismus iu
Ostfriesland, darauf in England (bes. London), Dänemark und ver-
schiedenen Städten Norddeutschlands, endlich in seinem Heimath-
lande Polen, wo er 1560 sein Leben beschloss. Die Lebensgeschichte
Laski’s bietet in zwei Dingen eine frappante Aehnlichkeit mit einem
andern Reformator, Amos Comenius, sowohl was die Strenge der
Kirchenzucht betrifft, welche beide Männer thatkräftig anstrebten,
als auch mit Rücksicht auf ihre Schicksale, indem sowohl Amos als
Laski unter den manigfaltigsten Beschwerden in fremden Ländern
ihre Wirksamkeit zn entfalten hatten. Was nun die vorliegende
Monographie anbelangt, so ist die Absicht, das Andenken von her-
vorragenden Persönlichkeiten der Nachwelt zu überliefern, gewiss
eine lobeoswerthe zu nennen und ist von diesem Standpunkte aus
nicht die geringste Einwendung dagegen zu erheben, wenn Männer,
welche für die sog. Reformation des 16. Jahrhunderts insbesondere thätig
waren, von ihren Glaubensgenossen in gebührender Weise gewürdiget
werdeu. Doch wie oft müssen wir die Erscheinung beklagen, dass
protestantische Schriftsteller glauben , ihre Heroen nicht anders
glänzend beleuchten zu können, als indem sie dabei die katholische
Kirche in Schatten stellen, mit Schmähungen und Vorwürfen über-
häufen. Leider bildet in besagter Hinsicht auch gegenwärtige Schrift
keine Ausnahme; dieselbe ist vom exclusiv protestantischen Partei-
standpunkte verfasst und vermissen wir in derselben an sehr vielen
Stellen diejenige Ruhe und leidenschaftslose Objectivität, welche die
Haupteigenschaft eines jeden unparteiischen Biographen und Histo-
rikers überhaupt bilden soll. Wir verweisen beispielshalber nur auf
S. IX. X. 10. 11. 18. 25. 33. 79. 195—196. 275. 353. 414 494.
517. Die Juden sollen von Rom bedrängt worden sein (S. 12); es
dürfte schwer halten, diese Behauptung zu beweisen. Dass die
V
Soeder, Begriff der Katholicitäl der Kirche. 160
Katholiken im Jahre 1548 in England oder 1870 in Frankreich sich
mit dem Pläne befasst hätten, dnrch inficirte Kleider die Seuche
unter die Feinde einzuschmuggeln (S. 335), oder dass ein römischer
Papst Karl V. den polnischen König Sigismund anfgefordert
habe, protestantische Fürsten oder andere Adelige binrichten zu
lassen (S. 518), — diess wird doch der H. Verfasser nicht im Ernste
geglaubt haben ? Sollte er wirklich derartige Nachrichten für baare
Münze annehmen, dann wäre unser Respect vor der Criticität des
Historikers Dalton in gewaltigem Masse erschüttert und müssten wir
nur auf’s tiefste bedauern, dass der Verfasser unter den 177 Werken,
die er benützte, keine sorgfältigere Auswahl zu treffen wusste!
Uebrigens hätte derselbe von den citirten Werken dann und wann
eine neuere Ausgabe anstatt der älteren benützen sollen ; so ist
Savigny , Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter vom Jahre
1816 angeführt, während eine zweito vermehrte Auflage des Werkes
1834 — 1857 erschienen ist. Ausserdem können wir nicht umhin
hervorzuheben, dass ungeachtet des reichen Qnellenmaterials dennoch
vom Verfasser auf Grund unsicherer Prämissen, blosser Verrauthungen
gar oft ganz bestimmte Schlussfolgerungen aufgebaut werden, was
uns nicht berechtiget erscheint. In einer Beziehung bietet aber
Dalton’s Buch viel Lehrreiches; es bringt nämlich zahlreiche, aber
dabei ganz eigenthümliche Proben jener rührenden Einheit und
Toleranz, welche unter den Neuerern des 16. Jahrhunderts herrschte;
es möge hinreichen, auf die Namen eines Westfal (S. 467) und
Verger (522) anstatt vieler andern hingewiesen zu haben.
Prag. Prof. Dr. Borovy.
3. Der Begriff der Katholicität der Kirche und des Glaubens nach
seiner geschichtlichen Entwicklung dargestellt von Dr. llud.
Soeder, Assist, im bischöflichen Klerikalseminar zu Würzburg.
Würzburg 1881. Leo Woerl. X u. 231 S. (3 M.)
Es ist dieses die Deberarbeitung einer vor zehn Jahren von
der theol. Facultät zu Würzburg gekrönten Bearbeitung einer Preis-
frage und enthält eine gründliche dogmengeschichtliche Entwicklung
des Begriffes der Katholicität der Kirche und des Glaubens. Die
einschlägige reichhaltige Literatur ist allseitig und sorgfältig be-
nutzt, die Darstellung ist im Ganzen klar und verständlich. Eine
Einleitung bietet eine geschichtlich-sprachliche Voruntersuchung über
Geschichte des neunten Glaubensartikels und über die Worte »katho-
lisch« und »IxxXifata.« In einem ersten Theil wird sodann der Plan
der katholischen Kirche nach der h. Schrift, in einem zweiten Theile
das patristische Zeitalter vom 2.-7. Jahrhundert, und das
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170
Liter.: Nillea, Kulend. manuate utriusque eccl. Orient, et occident.
frühere und spätere Mittelalter mit seinen Zeugnissen über den
Katholieitätsbegriff betrachtet und darnach die Neuzeit mit ihren
katholischen Erklärungen des Katholicitätsbegriffes. In demselben
Abschnitte (anstatt, was wohl besser gewesen wäre, in einem be-
sonderen, neuen Theile) werden hierauf die akatholischen Erklärungen
des Katholicitätsbegriffes der Kirche, die der Griechen, Anglikaner
und Protestanten des Festlandes erörtert. Der Verfasser stellt hier-
auf die Ergebnisse seiner dogmengeschichtlichen Untersuchung zu-
sammen (S. 192), wobei der Punkt 3. sofort etwas fasslicher hätte
ausgedrückt werden können, obschon später (S. 210 ff.) eine nähere
Erläuterung dieses Punktes, nämlich der zeitlichen Allgemeinheit
der Kirche folgt. Der dritte Theil der Schrift beschäftigt sich über-
haupt mit der dogmatischen Feststellung des Katholicitätsbegriffes
und zwar zuerst der Katholicität der Kirche im Allgemeinen und
sodann der Katholicität als Merkmal der Kirche. Ausser dem In-
haltsverzeichniss ist der fleissigeu Schrift auch ein Namen- und
Sachregister beigefügt.
4. Kalendarium manuale utriusque ecclesiae orientalis et occiden-
talis academiis clericorum accomodatum. Auctore Nicolao Nilles
S. J. S. theol. et. cun. Doctore et prof. publ. ord. Tom. 11.
Ocniponte Typis ct sumptibus Felie. Rauch 1881. XXXVII et
814 pp.
Ueber den ersten Band dieses gediegenen, sehr beifällig aufge-
nommenen und vortrefflich ausgestatteten Werkes s. in. Archiv
Bd. 44. S. 191. Der vorliegende Bd. 2. behandelt die beweglichen
Feste des Kirchenjahres unter näherer Darlegung der Eigenheiten
und Abweichungen der verschiedenen Riten und mit vielen erläu-
ternden Bemerkungen. In einem Anhänge sind noch eine Reihe
werthroller und interessanter Abhandlungen und Mittheilung ent-
halten, nämlich über das Kalenderjahr der Armenier, Kopten, Syrer
und Chaldäer, über die von Leo XIIT. 1881 mit Rücksicht auf die
Syrer, Chaldäer, Melchiten, Kopten, Armenier und andere Orientalen
zu Berytus in Syrien errichtete katholische Universität, über die
Unterrichtsanstalten der Jesuiten im Orient. Auch die Bulle »Grande
mnnus« Leo’s XIII. über das Fest der slavischen Apostel Cyrillus
und Methodius ist in dem Anhänge mitgetheilt, unter Beifügung
einiger Acteustücke über den kirchengesetzlich erlaubten Gebrauch
der slavischen Sprache in gewissen Kirchen des lateinischen Ritus
in Oesterreich-Ungarn, über die heutige Mischung der lateinischen
und slavischen Sprachen in Dalmatien, über die Sorgfalt des päpst-
lichen Stuhles für die Aufrechthaltang der orientalischen Riten.
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Nilles, Kalend. manuale utriusque eccl. Orient, et occident 171
Augehängt ist auch eine Uebersicht der unirteu und nicht unirteu
orientalischen Diöcesen und Pfarr- und Klosterbezirke in Oesterreich-
Ungarn. Kurz registrirt (in einer Anmerkung S. 696) die gegen die
erwähnte Bulle Leo’s XIII. von den Dalmatiner griechisch-orientali-
schen Bischöfen Petranoviö und Knezevic gerichteten, blos alte oft
widerlegte Angriffe und Schmähungen enthaltenden Erlasse, sowie
auch die als objectiv gerühmte Erwiederung katholischerseits von
Dr. Anton Frankl. Mit Bedauern wird ferner erwähnt, dass auch
der orientalische Metropolit von Nicomedien Philotheus Vryennius,
eiu hervorragendes Mitglied der h. Synode des Patriarchen von Con-
stanti nopel, anlässlich der erwähnten Bulle Leo’s XIU. die Be.
liauptungen einiger Neueren wiederholte, dass der h. Petrus nicht
Bischof von Rom gewesen sei und dass die Lehre vom Primate der
römischen Kirche erst späteren Ursprungs sei. Obschon diese Irr-
thürner schon in tausend katholischen Schriften des Abendlandes
widerlegt sind, erscheint es doch bemerkenswert!! , dass auch unter
den Griechen selbst jene Behauptungen von Neuem, wenn auch nicht
mit neuen Gründen widerlegt worden sind, und zum Schluss theilt Prof.
JViUes in griechischer Sprache drei Artikel des griechischen Blattes
»'AvatoXij« vom Jahre 1881 mit, worin von dem Diaconen Isaias
Pappadopulos die Behauptungen des Metropoliten Philotheus ein-
gehend widerlegt werden.
Die wichtigeren zum eigentlichen Thema des Werkes gehören-
den griechischen Actenstücke sind auch in nebenstehender lateini-
scher Uebersetzung wiedergegeben; bei den einzelnen Festen sind
stets auch die Bezeichnungen der verschiedenen Völker des Orients
angegeben; aber der Sprachforscher kann überhaupt die mannigfal-
tigsten Studien in den orientalischen Sprachen, namentlich auch an
verschiedenen im arabischen und syrischen Texte mitgetheilten Acten-
stückeu machen. <.
Dem vorliegenden zweiten Band ist ein ausführliches General-
register zu Band 1. und 2. des Werkes beigefügt.
Ein Supplementsband soll noch folgen, welcher ausser mehreren
für verloren gehaltenen Schriften über die Union, insbesondere viele
Documente über die Geschichte des rumänischen, ruthenischen, serbi-
schen und armenischen Ritus in Oesterreich-Ungarn mittheilen wird.
Von mehreren früheren Schriften des Herrn Prof. Nilles sind
nach einer Anzeige auf dem letzten Blatte des vorliegenden Buches
neue Auflagen im Erscheinen begriffen, darunter auch eine dritte
Auflage der Abhandlung , welche die zur Zeit in Passau und
München praktisch gewordene, jetzt zu Rom anhängig gemachte
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T
172 Literatur: Schmidt, Jus primae noctis.
Frage de libertate clericorum (etiam invitis episcopis) statum reli-
giosum suscipiendi ausführlich behandelt.
5. Jus primae noctis. Eine geschichtliche Untersuchung von Dr.
Karl Schmidt , Oberlandesgerichtsrath zu Colmar i. E. Frei-
burg i. B , Herder , 1881 , XL1I1 n. 397 S.
Das Archiv brachte bereits im Bd. 40. S. 256 ff. eine in-
teressante Abhandlung desselben Verfassers über die »Streitigkeiten
zwischen den Bewohnern der Städte Amiens und Abbevillc und dem
Bischof von Amiens über das Recht der ersten Nacht, vor dem Par-
lament zu Paris.« Auch registrirten wir im Archiv Bd. 43 S. 171 f.
eine Abhandlung des Herrn Dr. Schmidt in dem Archiv für Anthro-
pologie Bd. 12. S. 265 ff. über das Thema seiner vorliegenden Schrift
als Entgegnung gegen eine Abhandlung von Kulischer in derselben
Zeitschrift. Wir glauben kaum, dass je ein einzelnes Thema mit
grösserer Gelehrsamkeit und Sorgfalt, mit solchem Aufwande von
urkundlichen Nachrichten und unter einer so vielseitigen Benutzung
von Literatur aus allen Ländern und fast aller Sprachen der Welt
untersucht und klargestellt worden ist, als wie in der vorliegenden
Schrift. Dabei befleissigt sich der Verfasser der grössteu Objectivität-
Er schildert zuerst die verschiedenen und einander selbst vielfach
widersprechenden modernen Theorien über das jus primae noctis und
die dafür vorgebrachten Gründe, prüft sodann die einzelnen Nach-
richten über das jus primae noctis aus dem Alterthum, dem Mittel-
alter und der Neuzeit und stellt dann in eiuem Rückblick die Gründe
für das von ihm gewonnene Resultat zusammen.
Das Ergebniss der so umfassenden, gründlichen Untersuchungen
ist (vgl. S. 379) : »dass die Sage von einem jus primae noctis in der
heute bekannten Bedeutung dieses Ausdruckes sich gegen Ausgang des
fünfzehnten oder Anfang des sechszehnten Jahrhunderts ausgebildet
hat. Zur Entwicklung dieser modernen Sage kann gedient haben:
erstens die V erbreitung älterer Sagen über einige Tyrannen des Alter-
thums, die ihre Gewaltthätigkeiten bis zu einer gewohnheitsmässigen
Schändung der Bräute ausdehnteu , dafür jedoch die gerechte Strafe
fanden ; die Verbreitung der Reiseberichte über einige Völkerschaften
verschiedener Welttheile, von denen man erzählte, dass ihre Jung-
frauen vor oder bei der Heirath einem Priester zur Defloration über-
geben oder dem Häuptling zur vorgängigen Geschlechtsgemein-
schaft angeboten würden; drittens die Unkenntniss über die geschicht-
liche Entwicklung derjenigen Hörigkeitsverhältnisse, aus denen das
Recht der Grundherren auf Heirathäabgabeu der Hörigen entstanden
war. Die seit dem sechszehnten Jahrhundert verbreitete Vorstellung,
»sie
T> t- '
Schmidt, Jus primae noctis. 173
das jus primae noctis habe in alten heidnischen Zeiten bestanden
und sei in christlicher Zeit abgelöst worden , verwandelte sich all-
mählich in die Lehre, dass jenes empörende Recht im historischen
Mittelalter in den meisten oder in allen europäischen Ländern ge-
herrscht habe. Insofern, als diese Lehre, ohne eine ernstliche Prüfung
der Beweisgründe, von modernen Gelehrten festgehalten und verbreitet
wird, kennzeichnet sich dieselbe als ein gelehrter Aberglaube.«
Dr. Schmidt hat bei seiner Arbeit au 600 Druckwerke und
beinahe 500 Urkunden benutzt und auch noch die Belehrungen von
mehr als 30 Fachgelehrten aus den verschiedensten Ländern einge-
holt P. XXII— XLIII. gibt er ein alphabetisches Verzeichniss der
Titel der benutzten Bücher mit Angabe der Lebenszeit ihrer Ver-
fasser. Seite 381 f. findet sich ein Urkundenregister und 383—397
ein Namen- und Sachregister. Mit vollem Rechte durfte der Ver-
fasser in der Vorrede (p. IV.) sagen, die Fülle des benutzteil Ma-
terials scheine ihm eine ausreichende Gewähr dafür zu bieten, dass
eine weitere Forschung schwerlich zur Erschütterung des Schluss-
ergebnisses, sondern nur zur etwaigen Berichtigung von Einzelheiten
führen würde. Jedoch wendet er sich zugleich (p. V f.) unter Auf-
führung der einzelnen Namen an alle die Gelehrten der verschiedenen
Länder der Gegenwart, deren Lehren oder Meinungen bezüglich des
jus primae noctis von ihm bekämpft sind, mit der dringenden Bitte,
um strenge Prüfung der beiderseitigen Ausicht unter Berücksichtigung
des in dem vorliegenden Werke nunmehr vorgebrachten Materials.
Die Gründlichkeit und Vielseitigkeit der Untersuchungen brachte es
mit sich, dass der Verfasser sich auch ausführlich über verschiedene
andere Punkte aus dem Eherechte der verschiedenen Völker und
Staaten aller Welttheile aus der alten, mittleren und neueren Zeit
verbreitete und so überhaupt ein werthvolles Stück internationaler
Rechtsgeschichte lieferte. So finden wir namentlich eine sehr ein-
gehende Darstellung der Heirathsabgahen (S. 64 — 162), ebenso eine
Erörterung der da und dort vorgekommenen erbrechtlichen Vorzüge
des zweiten oder jüngsten Sohnes oder des Schwestersohnes (S. 24 — 36).
6. Revue catholique des institutione et du droit par une socicte de
jurisconsultes. IX. Annee 1881. Paris , (Jüdin fr er es, Grenoble,
Baratier et Dardalet.
Ein Verein französischer Juristen lässt seit neun Jahren eine
Monatsschrift erscheinen, in welcher überhaupt juristische Fragen
und Literatur erörtert und mitgetheilt, insbesondere aber die
brennenden staatskirchlichen Fragen Frankreichs und mitunter auch
anderer Länder besprochen werden. An der Spitze des Redactious-
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m Literatur: Revue cathoiique des institutions et du droit.
comitds steht der auch im katholischen Deutschland wohlbekannte
Advocat vom Appellhof zu Lyon , Lucicn Brun. Unter den mehr
oder weniger auch kirchenrechtlich in Betracht kommenden Abhand-
lungen erwähnen wir aus dem Jahrgang 1881 folgende: Henri
Beamte , L’enseignement du droit romain et !a papautd (1—41);
A. Gavouyere , Note sur l’arret du tribunal des conflits dans l’affaire
des peres Jdsuites de Lille (41 — 54); A. Trouillard, Les principes
de la Separation des pouvoirs et l'institution des conflits (54 — 76;
IG 1 — 1 75) ; G.D., Un mot sur la propriete ecclesiastique (111 — 115);
Ch. de Lajudie, Des proces contre les cadavres ou contre la mdmoire
des defunts dans l’ancien droit franfais (125— 152); Gustave Thcry ,
L’amendement brisson, irapöt sur le associations religienses et autres
(225 — 245); Gilbert Boucaud, Le clergd et le service militaire
(258—269); G. Desjardins , Des articles organiques (297—318;
104 — 125); Daniel Touzaud, Des biens des congregations religieuses
non autorisees (318 — 339); Charles Attzias-Turcnnc , L’interdiction
des processions (419—429); De Lattaignant , Des pretendus droits
de Fe'tat sur les biens des Congrdgations religieuses (429 — 441);
Ch. De Lajudie L'eglise chrdtienne et l’esclavage dans l’empire ro-
main (35—62). Die Abhandlungen zeichnen sich durchweg durch
gewandte und streng wissenschaftliche Darstellung aus.
An den Tagen vom 30., 31. August und 1. September 1881
fand zu Lyon eine Versammlung katholischer Juristen statt, auf
welcher man über die brennenden staatskirchlichen Fragen Frank-
reichs und der übrigen Länder verhandelte. Die dort gehaltenen
Vorträge sind im October-, November- und Decemberhefte der Zeit-
schrift mitgetheilt, aber auch als besonderes Werk (für 2 1 /* fr. zu
beziehen von Grenoble, bureaux de la Revue cathoiique des insti-
tutions et du droit, Grand’ rne 4, Paris, Oudin, dditeur, rue Bona-
parte 51; Lyon, Briday , libraire, avenue de l’archevechd). Die uns
bis jetzt vorliegenden Hefte der Zeitschrift vom October und No-
vember bringen ausser einem kurzen Bericht über den Verlauf der
zahlreich besuchten Versammlung, die Eröffnungsrede des Vorsitzen-
den, des erwähnten Herrn Senator Luden Brun und die Vorträge
von Robinet de Cliry sur la Franc-Ma< ( ‘onnerie et le caractere in-
ternational que preud la persdeution; Claudio Jannet sur le carac-
tere particulier que la persöcution universell revet dans les diffdrents
pays; Bresson sur la pers^cution fiscale; de Kernaeret sur les deux
sociötös; l’abb£ Chere, sur l’dglise et l’etat ; G. Thery sur la Situa-
tion juridiqne de l’eglise dans les principaux pays ; R. P. Ramiere
sur les libertds de l’dglise, au point de vue de la mission et des
Revue cathotique des institutions et du droit. 175
int^rets de l’etat; Brac de la Periere snr la liberte du gouveruement
de l’eglise; Pillet sur les droits de l’eglise dans renseignement.
Eine erschöpfende Erörterung der genannten staaatskirchlichen Fragen
darf man freilich in jenen Vorträgen nicht suchen, aber dieselben
bieten doch im Ganzen ein treffendes Bild der kirchenpolitischen
Verhältnisse der Gegenwart, welches auch ausserhalb Frankreichs in
katholischen Kreisen vielfaches Interesse finden wird. Wir wiederholen
desshalb, dass unter dem Titel: »L’dglise et l'etat, la lutte, la doc-
trine compte rendu du congres de juris consultes catholiques tenu ä
Lyon les 30, 31 aout et 1. sept. 1881« ein Separatabdruck jener Ver-
handlungen erschienen ist. Ebenso erschienen auch von zwei vortreff-
licheren, freilich nicht canonistischen Abhandlungen des Advocat-
Anwalt Dr. Just de Bernon des Jahrg. 1881 der in Rede stehenden
Revue catholique besondere Abdrücke. Es sind dieses die beiden
gut geschriebenen, eine für einen Franzosen erstaunliche Vertrautheit
mit den staatsrechtlichen und socialen Verhältnissen in Deutschland
und Oesterreich bekundenden Schriften des genannten Verfassers :
7. Les assemblees politigues en Allemagne. Paris. Societe bib-
liographigue Paris, rue de Grendlc 35. Grenoble , Baratier et
Dardalet. 1881. 154 pp.
8. Les classes laborieuses de VAllemagne au XV. siccle. Ebendas.
1881, 26 pp. Vering.
9. Ddama, Tractatus de justitia et jure etc. Tridenti, typis
T. B. Monauri editoris, 1881. Editio altera emendata et aucta.
XII et 296 pp.
Der Inhalt des angezeigten Werkes ist derselbe, wie er in ähn-
lichen gleichnamigen Werken vorzukommen pflegt; nur ist dasselbe
mehr für den praktischen Gebrauch bestimmt, daher zwar reichhaltig,
aber in knapper Form verfasst, indem das ganze Werk nur 296 Seiten
enthält. Delama bespricht im ersten Theile seines Werkes die Prin-
cipien des Rechtes und der Gerechtigkeit im Allgemeinen und im
Einzelnen, im zweiten die Verletzung der Gerechtigkeit, im dritten
Theile die Wiederherstellung des verletzten Rechtes, Alles dieses mit
besonderer Rücksicht auf das österreichische Civilrecht. Aus dem Ge-
biete der Theologie wählte der Verfasser zu Gewährsmännern die
tüchtigsten Autoren älterer und neuerer Zeit, unter denen dem
hl. Alphons die hervorragendste Stellung eingeräumt wird. Einer
relativ sehr eingehenden und gründlichen Besprechung wird die
Wucherfrage unterzogen; D. sucht nämlich folgende Thesis zu be-
weisen: »Praestatio pecuniae, attentis peculiaribus nostri temporis in
re oeconomica adjunctis, non est mutuum, ideoque lucrum moderatum
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176
IAteratur: Delama, Tractatus de justitia et jure.
inde perceptum non est usura.« Nur mit Annahme dieses Satzes
dürfte sich der Conflict, welcher zwischen der gegenwärtigen Praxis
und dem alten Zinsenverbot obwaltet, moralwissenschaftlich ent-
scheiden lassen.
Noch einige Bemerkungen wollen wir uns erlauben. Bei der
Frage des Eigenthumsrechtes wäre es angezeigt gewesen, nicht blos
die Doctrin des crassen Communismus, sondern auch die dos mo-
dernen Socialismus mit seinem Gesellschaftseigenthum (Collectiveigen-
thum) zu erwähnen; die communistische Doctrin ist ohnehin zu ab-
surd, als dass sie ernstliche Vertreter finden könnte, die nämlich, welche
das Eigenthum schlechthin und in jeder Form abschaffen wollen ; viel
bestehender ist dagegen die ei wähnte Eigenthumstheorie des modernen
Socialismus. Bezüglich der formlosen Contracte ist Delama der, wie
uns scheint, besser begründeten Ansicht, dass dergleichen Verträge
vor der richterlichen Sentenz giltig zu betrachten seien : Probabilior
et in praxi tenenda sententia, hujusmodi contractus esse validos,
antequam a judice irriti declarentur, quia urget obligatio naturalis;«
aber mit Unrecht beruft er sich auf den hl. Alphons (4, 711), der
in solchen streitigen Fällen vielmehr den Besitzstand als massgebend
betrachtet nach dem Princip: » melior est conditio possidentis;« der
Besitzstand spricht aber nicht immer zu Gunsten des Vertrages.
Ebenso unrichtig ist die Berufung auf den hl. Kirchenlehrer S. 278,
wo von der Restitution in Folge eines begangenen Mordes die Rede
ist und der Verfasser lehrt, dass der tödtlich Verwundete die Pflicht
der Restitution an die hinterlassene Familie nicht erlassen könne.
Der hl. Alphons lehrt aber als »communis sententia« das Gegentheil
(4, 630); nur unterscheidet er scharf zwischen Verzeihung und Re-
stitutionserlassung: »Facta autem remissione injuriae, non intelligitur
facta remissio damnorum.« Nicht genügend begründet scheint uns
der Unterschied zu sein, den Delama S. 286 zwischen der Grund-
steuer und den übrigen Steuergattungen macht, wenn er von der
ersteren behauptet, dass dieselbe ganz sicher im Gewissen verpflichtet,
bezüglich der andern Arten aber die Probabilität einer »lex mere
poenalis« zulässt, obschon er auch hier das Gegentheil wahrschein-
licher hält. Da übrigens Delama’s Werk im Allgemeinen zur
Orientirnng und Entscheidung schwieriger Fälle auf dem Gebiete des
Rechtslebens recht brauchbar ist, kann es den Beichtvätern und Seel-
sorgern gute Dienste leisten und daher auch bestens empfohlen werden.
Dr. Benedict Walter.
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177
XV.
Handschriftlich-kritische Untersuchungen Ober eine Gruppe
von Briefen Papst Nicolaus I.
Von Dr. Mux Sdralek za Breslau.
Inhalt.
Vorbemerkung. • ■ ‘ .
§. 1. Der erste Brief P. Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mainz (Ja ff/!
Nr. 2045). — Die Handschriften.
A. Die Handschriften <ler kürzeren Recension.
B. Die Handschriften der längeren Receusion nebst fünf Re-
sponsioncn an Bischof Salomo von Constanz.
§. 2. Fortsetzung. — Unechtheit und Tendenz des Briefes.
§. 3. Der zweite Brief P. Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mainz (Jaffi
Nr. 2046). — Die Handschriften.
§. 4. Fortsetzung. — llnechtheit und Tendenz des Briefes.
§. 5. Zeit der Abfassung beider Fälschungen. — Verhältnis der beiden Re-
ceusionen des ersten Briefes zn einander und zum zweiten Briefe.
§. 6. Ein Brief Nicolaus I. an Erzbischof Liutbert von Mainz, der vorigen
Fälschungen Nachbild.
§. 7. Der Brief Nicolaus I. an Bischof Ratold von Strassburg (Jaffi Nr. 2159),
der drei Fälschungen Rückhalt.
Unterstützt durch ein Stipendium, welches mir das königlich
preuss. Cultusministerium aus dem Staatshaushaltsposten für »Privat-
Docenten und ändere, jüngere, für die Universitätslaufbahn voraus-
sichtlich geeignete Gelehrte« auf Vermittlung der kath. theol. Facultät
Breslaus verliehen hat, habe ich vorzüglich, wenn auch nicht aus-
schliesslich, für die mir von meinem verehrten Lehrer Professor
Dr. Laemmer überkommene Aufgabe, eine Monographie über den
Pontificat des ersten Nicolaus vorzubereiten, im Sommer-Semester
1881 die Handschriften der Bibliotheken zu Wien, Budapest, Kloster-
neuburg, Göttweig, Melk, St. Florian, Kremsmünster, Lambach,
Admont, Salzburg und München ausgebeutet, Nachrichten über die
wichtigeren Bibliotheken der ungarischen Monarchie von dem General-
secretär der k. ung. Aeaderaie der Wissenschaften, Herrn tr. Fraknoi
in Budapest erhalten, über andere (z. B. Bibliothek und Archiv von
St. Martinsberg) brieflich Mittheilungen erbeten. Indem ich über
die Ergebnisse meiner Reise Rechenschaft ablege, kann ich gegen-
wärtig dafür nicht mehr die Form allgemeiner und kurzer Nach-
Arcbiv für Kirchenrecht. XLVII. 12
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178 Sdralek , Hantlsr.hr . -Urit . Untersuch, über Briefe Papst Nicolaus F
richten über die Handschriften der genannten Bibliotheken wählen;
denn ein Theil derselben besitzt bereits gedruckte Cataloge, welche
in vielen Fällen mehr als eine vorläufige Orientirung zu gewähren
vermögen; die Beschreibung der Handschriften anderer ist bereits
in Angriff genommen und wird demnächst dem Druck übergeben
werden 1 ); endlich bieten die Nachrichten über die wiederholten,
nach verschiedenen Richtungen hin unternommenen Explorationen der
genannten Bibliotheken Wegweiser für die Erforschung und Kennt-
niss ihrer Schätze ; grade die Bekanntschaft mit den letzt genannten
Hilfsmitteln musste die Hoffuung auf Funde grösserer Bedeutung
für die Papstgeschichte schwinden lassen. Wenn daher Nachrichten
über Handschriften der Briefe Nicolaus I. auf Beachtung Anspruch
erheben wollen , so müssen sie mehr als die blosse Constatirung des
handschriftlichen Besitzstandes gewähren; sie können unter den ob-
waltenden Umständen nur dann an Interesse und Bedeutung gewin-
nen, wenn nicht nur neben einer fachmännischen, genaueren Inhalts-
angabe als sie die geläufigen Hilfsmittel bieten das für die Text-
kritik der Briefe wichtige Verhältniss der Handschriften unter ein-
ander ergründet wird, sondern auch auf Gruud der handschriftlichen
Untersuchungen die Fragen nach Echtheit und Chronologie behandelt
werden. Indem mich diese Ansichten leiteten, gestaltete sich aller-
dings der Reisebericht zu der Form wissenschaftlicher Abhandlungen;
dennoch wird diese, hoffe ich, für zutreffend erachtet werden können.
Die meisten der angeregten Fragen konnten nämlich zu endgiltiger
Lösung geführt werden, da grade für die canonistisch wichtigeren
Briefe die untersuchten Handschriften genügendes Substrat bieten
indem die ältesten und besten zu Grunde gelegt werden konnten und
auch fernere, handschriftliche Funde für diese nach Deutschland ge-
richteten Briefe kaum mehr zu rechnen sein dürfte.
1) Herr Bibliothekar Vincenz Staufer za Melk wird zum 700jäbrigen
Jubiläum seines Stiftes (a. 1889) neben einem Catalog der Handschriften ein
bereits fertig gestelltes Urkundenbuch veröffentlichen. Bibliothekar Hugo
Schmid zu Kremsmünster wird den Catalog, von welchem bis jetzt drei Hefte
mit einer zu ausführlichen Inhaltsangabe der besprochenen Handschrifien er-
schienen ist , rascher beendigen , nachdem er sich zu einer Aenderung des bis-
her befolgten Planes entschlossen hat. .Die Handschriften von Lambach wird
P. Pius Schmieder, welcher in nicht zu ferner Zukunft mit dem Druck seiner
Geschichte des Benedictinerordens beginnen will , beschreiben. Der Historio-
graph Admonts in Steiermark, Bibliothekar Jakob Wichner, ist in der Be-
schreibung der Handschriften seines Stiftes weit vorgeschritten.
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179
Erster Brief Nicolaus 1. Erzbischof Karl von Mainz.
§. 1. Der erste Brief Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mainz
(Jaffe 2045). — Die Handschriften.
Nicht blos für die Darstellung der legislatorischen Tluvtigkeit
des Papstes würde der Brief an Erzbischof Karl von Mainz (Divi-
norum fulgentes etc.) als Quelle in Betracht kommen; da derselbe
eine Antwort auf synodale Anfragen zu sein vorgibt, so würde er
auch für die Geschichte deutscher Concilien zu verwerthen sein und
da seine disciplinaren Vorschriften in die meisten Sammluugen kirch-
licher Itechtsquelien vom neunten Jahrhundert bis auf Gratian Auf-
nahme gefunden haben, so muss ihm auch einige Bedeutung für die
Geschichte der Quellen des canonischen Hechts zugesprochen werden.
Seine handschriftliche Ueberlieferung soll die nothwendige Basis
für die befriedigende Erledigung der Fragen und Zweifel liefern, welche
die Kritik über seine Echtheit, Tendenz, Chronologie aufzuwerfen be-
rechtigt ist.
A. Die Handschriften der kürzeren Recension.
Den Brief Nicolaus I. an den ehemaligen Prinzen Karl von
Aquitanien, welcher nach dem Tode Rabans (4. Febr. 856) auf den
erzbischöflichen Stuhl erhoben worden ist, hat schon der Mauriner
Pierre Coustant aus einem
1. Ms. Corb. nov. aus Licht gezogen 1 ); doch blieb er unge-
druckt in seinem Apparat, da der Tod den berühmten Mauriner nur
die Edition des ersten Bandes der Papstdecretalen erleben liess (1721).
Martene und Durand , von denen der letztere später der Fortsetzer
der Coustant’schen Arbeiten für die Edition der Decretalen wurde *),
edirten den Brief zuerst 3 ) »e veteri codice Corb. nov.,« jedenfalls aus
demselben, in welchem ihn Coustant entdeckt hatte 4 ). Dieselbe Re-
cension unseres Briefes, welche aus dem cod. Corb. in den Druck
übergegangen ist, bietet der
2 Cod. Monac. 5541 [Diess. 41] mW. in 8 °. Pars. I. fol. 1 — 68.
saec. XIII. P. II. f. 69-143 saec. X.
Die beiden nngleichhaltigen Tlieile der Handschrift sind min-
destens seit dem 14. Jahrhundert verbunden, denn eine Hand saec.
1) Analecta Juris Pontificii 1869. col. 89.
2) Theol. Quartalschrift; Tübingen 1880. S. 228.
3) Veterum scriptorum et monumentorum amplissima collectio. Parisiis
1"24. I, 149. cfr. Proleg. p. XVII.
4) Da diese Gelehrten nach der Weise ihrer Zeit weder Inhalt noch das
Alter der von ihnen benützten Handschriften anzugeben pflegen , so ist es bei
12 *
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180 Erster Brief. — Handschriften der kürzeren Recension ■
XIII. XIV. versucht auf einem an der Innenseite des Vorderdeckels
aufgeklebten Papierblatt den Inhalt beider Theile aufzuzählen.
Der erste Theil (saec. XIII.).
f. 1—45. Die Chronica S. Aegidii in Brunsvig. Cfr. Archiv der Ge-
sellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. Bd. 3. Frank-
furt a. M. 1821. S. 17—21. Der Index des Vorderdeckels irr-
thümlich: »Cronica fratris dauid de Augusta de Summis pon-
tificibus Et Imperatoribus romanis.«
f. 46 — 68. Allegorien. — »Beuedictiones filiorum Jacob« (f. 46v— 59);
»De Noe et Archa« (f. 59 — 66); »Allegoria Sex dierum« (f.
66-68).
Der zweite Theil (saec. X.).
f. 69 — 139v. Eine, im Anfang unvollständige, Canonensammlimg ,
von welcher im folgenden nur die grösseren Bestandtheile und,
für die Anschauung ihres System- und regellosen Charakters,
Rubriken und Inhaltsandeutungen vom Anfang an bis zum
Briefe Nicolaus I. (f. 69 — 82) mitgetheilt werden mögen. Sie
beginnt :
amore dei eleuatam esse in magno culmine uirtutum. De qua parte
sic fatur in canticis canticorum: Indica mihi quem diligit anima
mea — et fructum ferunt in pacientia. Quomodo orandum sit.
Nullus quidem sanctos homines uinos uel mortuos Quinis credat
colendos honoribus — non sunt omnimodis honesti abiciendi.
(f. 69-70).
De cherubin. De IIII. cherubin unus cherub mittitur — dicuntur
genere feminino, numero plurali et desinunt in extremam sil-
labam oth.
Cap. XXIII. Cottidie eucharistiae communionem percipere nec laudo
nec uitupero — Sed hoc de illo dico, quem capitalia peccata
non grauant.
XLI1I. In eucharistia non debet aqua pura offerri — cum aqua
expressum ostenditur. ' ,
Sermo augustini. Orate quidem fratres pro me, ne forte aliis predi-
cans, ipse reprobus inueniar — in sua pace custodiat dilectis-
simi fratres, (f. 71 — 73v.)
Interrogatio sci Augustini. Obsecro quid pati debeat, si quis aliquid
de aecclesia furtu abstulerit — quidam autem leuius corrigamur.
den Wechsel vollen Schicksalen, welche die französische Revolution und ihre
Folgen den Bibliotheken bereitet hat, nicht immer leicht, dieselben wieder-
zuerkennen.
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Erster Brief. — Handschriften der kürzeren Recension. 181
Ex concilio affricauo Cap. XLVII. Placuit, ut si quis de alterius
monasterio repertum — de altario participentur, (f. 73v — 74.)
Ex concilio Toletano k. XIII. Bene siquidem maiorum regulis defi-
nitum est, ut demoniis aliisque similibus passionibus irretitis —
nisi perfectionis ordine compleantur.
Item ex eiusdem k. II. Quod etiam consultura cuncti ordinis clerici
sibi indultum esse non ambigant.
XXX. Elementa, id est caelum et terra, nou credimus abolenda —
nou substantiam transituram.
XXXVIII. Bonum est, facultates cum dispensatione pauperibus ero-
gare — cum christo agere, (f. 74 v— 75.)
XLV. In resurrectioue ex mortuis sexus et forma non mutabitur —
si non id resurgit, quod cadit.
XLVII. Ante passionem domini omnes sanctorum animae in inferno —
de seruili conditione liberarentur.
XLVIII. Internas animae cogitationes diabolum non uidere — tu
solus nosti corda filiorum hominum.
XLVIIII. Non omnes cogitationes nostrae malae — cogitationes
semper a deo sunt.
L. Poenitentia aboleri peccata — non Christianus sed nouatianus est.
(f. 75v— 76).
LI. Duabus substantiis constat homo — rationale suum tenet.
Ex concilio Meldensi. Episcopus, in cuius parrochia aliquis consistens
aliquid iniuste fecerit — ad dignam satisfactionem.
Ex eodem, Si quis regiam dignitatem — anathematizetur.
Ex eodem. Si quis potestati regiae, quae non est iuxta apostolum —
placet eos omnes anathematizari.
Item Ex eodem. Quamuis ager aut campus — in tali loco fecisse
conuictus fuerit, (f. 76v — 77.)
Item ex eodem. De illis autem, qui infra parrochiam beneficium aut
hereditatem habent — et omnia pleniter emendent.
Unde supra. Decreuit sancta synodus pro commune utilitati — alter
episcopus excommunicauerit.
Ex concilio Toletano. Si quis de potentibus clericum aut religiosum
uerberauerit — et reddat aliena.
Ex concilio Trebur. Si quis in atrio aecclesiae pugnam etc. Die
drei hier stehenden Capitel abgedruckt von Philipps »Die grosse
Synode von Tribur« in den Sitzungsberichten der philos.- bist.
Classe der kais. Ak. der Wissenschaften Bd. 49. Wien 1865.
S. 776. (Beilage F.)
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182 Krater Brief. — Hitndachriften der kürzeren Reeension.
Ex concilio Mogontiensi. Nuntiatum est nobis, quod aliqui, qui
olim dixerunt se fuisse sacerdotes et postea degradati — secun-
dum iudicium episcoporum exsoluant. (f. 78.)
Ex eodem Cap. XXXVI. Si seruus absente domiuo — diacouus fuerit
ordinatus — recompensatione teneantur obnoxii.
Ex concilio Africano. Decreuit sancta synodus, ut quicunque in
aecclesia uel semel legerit, ab alia aecclesia clericatum 11011
teneatur.
Ex eodem. Ut quicunque deinceps ordinantur, formatas litteras ac-
cipiant — ut nulla altercatio postea oriatur de ordine eorum.
Ex concilio calcidonensi Cap. CCCXCV. Ut nullus absolute ordinetur
— ad ordinantis iniuriam.
Ex cpist. leonis pape. Non admittantur passim ad ordinem sacrum,
quibus nulla natalium, nulla morum dignitas suffragatur -
nullis necessitatis uinculis abstrahatur, (f. 78v — 79.)
Ex concilio Toletano Cap. CCCCII. Quicunque libertatem a dominis
suis ita percipiunt — fiant ex clericis serui.
Ex concilio Romano CLXXX. Gregorius papa dixit: Si quis dei
ancillam idest sanctimonialem in coniugio duxerit — Anath. sit.
Ex concilio Laodicensi. Ut clerici edendi uel bibendi causa non
ingrediantur — acerriminis corripiatur disciplinis.
Ex eodem. Clericus qui intra murum duitatis manet, et ea die ma-
tutinis hymnis sine egritudinu defuerit, VII a communione dies
habeatur extraneus (f. 79v — 80).
Ex concilio agathensi cap. III. Episcopus si — innocentes — «•
communicare presumpserit — morte preueniatur.
Ex eodem Cap. IIII. Clerici eciam uel seculares, qui oblationes pa-
rentum — ab ecclesiis excluduntur.
Item ex eodem Cap ... Si quis clericus furtum aecclesiae fecerit,
peregrina ei communio tribuatur.
Ex eodem Cap. VI. Si raetropolitanus episcopus — epistolas dire-
xerit, in quibus eos aut ad ordinationem summi pontificis aut
ad synodum inuitet — et aecclesiae communione priuentur.
Cap. VII. Judei, quorum perfidia frequenter ad uomitum redit —
baptizentur.
f. 80v— 81. »Greca elementa literarum etc. Die Regula forma-
tarum des Atticus. Maassen , Geschichte der Quellen und
der Literatur des canonischen Rechts. I. §. 523 — 526.
S. 399-402.
f. 81v. »Alfabetu Hebreoruro.« — Auf derselben Seite von anderer
Hand ein Gebet zu Maria.
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Erster Brief. — Handschriften der kürzeren Recension. 183
f. 82— 85 v. Epistola Nicolai pontificis Romani. Nicolaus, Servus
Servorum Dei, reuerentissimo et sanctissimo con fratri nostro
Karolo archiepiscopo eiusque suffraganeis, Altfrido, Salomoni,
Hiltigrimo, Theoderico, Gunzoni, Gebehardo, Aru, Uuitgario,
Egiberto, reuerentissimis episcopis, Atque grimaldo, Egilperto,
Thidoni, Amali 1 ), Adalgario, religiosis et uenerabilibus abba-
tibus. Diuinorum fulgentes dogmatum diffinitiones etc.
f. 92—101. »Anno incarnationis dni nri Jesu Christi DCCCLXXXVII,
Anno eciam primo regni domni arnolfi, gloriosissimi regis haec
capitula, quae subsequuntur apud mogontiam duitatem —
tenenda, obseruanda ac firmiter tenenda esse constituta sunt.«
Die Mainzer Synode des J. 888 Hartzheim , Concilia Germaniae,
Coloniae 1760. II, 369. Mansi XVIII, 62 sq. , die canones in
willkürlicher Anordnung und unvollständig,
f. 103v — 109. »Incipit synodus apud triburas habita. Cum in
nomine sancte et indiuidue trinitatis etc.« Die Stellung unserer
Handschrift zu den übrigen HSS. der triburer Synode und ihre
besonderen Eigentümlichkeiten s. bei Phillips, »Die grosse
Synode von Tribur.« 1. c. §. VII. II. IV. u. Beilage D. S. 729 f.
715 f. 718 f 769—771.
f. 110—117. Ein Verzeicbniss der sechs ökumenischen, eine Auf-
zählung der Concilien der Dionysio-Hadriana und gallischer Sy-
noden bis zur dritten Synode von Lyon v. J. 583, und der
Decretalen des zweiten Theiles der Dionysio-Hadriana. Cfr.
Maassen. Geschichte I. §. 529. S. 403.
f. 125v— 127. de formula synodi cap. IIII. Formula, secundum
quam debeat sancta synodus in dei nomine fieri. Hora itaque
diei prima etc. Cfr. Maassen , Geschichte I. §. 530. S. 404 f.
f. 136 — 138. Ex Epistola Rabani ad Humbertum Episcopum. Igitur
de nuptiis uel quomodo consanguinitas honoranda sit etc. Hartz-
heim II, 226.
Von anderer Hand stammen die übrigen Stücke der Handschrift,
f. 139v — 140 v. Eine Bussordnung.
f. 141 — 142. »Quando aliquis se ipsum uel per parentes in congre-
gationem canonicorum pro dei amore se mittere uult.« Die
Handschrift stammt aus dem Augustinerchorherrnstift Diessen
am Ammersee in Bayern,
f. 142 — 143. Excerpte aus Pseudo-Isidor.
1) Die ersten Editoren des Briefes vermochten im cod. Corb. nur Thio-
tan .... matus zu lesen (so schreiben sie 1. c. proleg. p. XVII.) daraus conji-
cirten sie für den Text: Thiotoniamali (1. c. p. 149). Aus Am. machten sie
Arnulfo (Tullensi) statt Arnoni (Wirzeburgensi).
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184 Erster Brief. — Handschriften der längeren Recension
3. Cod. Colon. 120 (olitn Darmst. 2119) nibr. in 4°. saec. X. L ).
f. 160v — 162v: Incipit Epistola Nicholai Papae A4 Kaiolum Sanctae
Mogontiacensis Ecclesiae. Nicholaus episcopus seruus seruornm dei
reuerentissirao et sanctissimo confratri nostro Karolo sanctae Mo-
gontiacensis ecclesiae archiepiscopo. Dininorum fulgentes etc. Der
Passus über Abt Grimolds Fälschung und Abbos incestuose Ehe
(Cumabbonis causam — quia propriae consanguinitatis et cognatio-
nis demonstratur atque cognoscitur esse) fehlt in dieser Handschrift
vollständig; der Zusammenhang ist folgendermassen hergestellt:
Ergo uobis interrogantibus de diuersis causis statuimus, ut
nulli liceat etc. Trotz dieser Eigentümlichkeiten in Adresse
und Inhalt, über welche wir nach der Collation, die Dr. Beiles-
heim in Köln freundlichst besorgt hat, referiren, bildet die
Kölner Handschrift keine besondere Recension des ßrieftextes;
letzterer stimmt vielmehr, soweit er im cod. Colon. Aufnahme
gefunden hat, mit der Corbieer überein. Jene Auslassungen
werden weiter unten durch den Einfluss, welchen die Gestalt
eines zweiten Briefes Nicolaus I., eines Seitenstückes zum ersten,
auf den Abschreiber dieses im cod. Colon, ausgeübt hat, erklärt
werden (§. 4).
B. Die Handschriften der längeren Recension, nebst den Responsionen an Salomo von
Constanz.
1. Cod. Monac. 6241 (Fris. 41) mbr. in 2°. saec. IX — X. *) 142 fol.
Der von einer späteren Hand gemachte Vermerk auf fol. 1:
Liber Frisingensis sce Marie scique Corbiniani lehrt, dass uuser codex
aus dem Freisinger Hochstift stammt, dessen Handschriften neben
den Contingraten aus St. Emmeran in Regensburg und aus Tegernsee
»sowohl in literarischer Beziehung als für die Diplomatik, für
Schreiber- und Schriftenkunde zu den kostbarsten ßestandtheilen der
grossen lateinischen Handschriftensammlung« der Münchner Hof- und
Staatsbibliothek gehören*).
1) Eine ausreichende Angabe des übrigen Inhalts des cod. geben Phil.
Jaffi und Guilelmus Watlenbach , Ecclesiae Metropolitanae Coloniensis Co-
dices Mannscripti. Berolini 1874. p. 49 sq.
2) Die Angaben über das Alter der Handschrift diflferiren bis um 3. Jahr-
hunderte. Knust, »Ueber die Kanonensammlung des Bischofs Romedius von
Chur« in Theol. Studien und Kritiken von Ullmann und Umbreit. 1836. I, 167
spricht sie »dem Ende des 9. oder dem Anfang des 10. Jahrhunderts« zu;
Pertz (Archiv 1839. VII, 117) dem zehnten. Nach Phillips (1865) 1. c. S. 629
gehört sie dem XII., nach den Catalogen (1873) dem IX. Jahrhundert au.
3) Thomas, »Miscelleu aus früheren Freisinger Handschriften der Hof-
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neb.il den Responsionen ati B. Salomo v. Constans. 185
Eine Epitome der Hadriana (Maassen, Geschichte, I. §. 604.
S. 467) reicht his fol. 39.
Auf das Synodalschreihen (f. 40--42v) und die 31 Capitel
(f. 42v — 51v) der Mainzer Synode v. J. 847 ( Hartzheim II, 153 sq.
Mansi XIV, 899 sqq.) der ersten unter Erzb. Ruban ( Hefele 2. Aufi.
IV, 124) folgt
c) f. 51 v— 77v die Synode von Tribur (895) und zwar in der längeren,
sog. Vulgutrecension, in welcher Wasserschieben l ) und Phillips 2 )
nicht den authentischen Text der Synodalbescblüsse, sondern
den ersten Entwurf oder das für die wirklichen Beschlüsse zu-
sammengehäutte Material erkennen. Leider sind vier Blätter
der Handschrift verloren; es fehlt nämlich gleich zu Anfang
ein Blatt, welches den Schluss des Capitelverzeichnisses ent-
hielt und zwischen fol. 56 und 57 sind drei Blätter heraus-
gerissen.
d) f. 77 v— 80 v. Capitula Nieholai Papae.
Cap. I. Epistola Nieholai Papae.
Cap. II. üt nulli liceat de propria consanguinitate uxorem ac-
cipere.
Cap. III. De sacerdotibus lapsis.
Cap. IIII. Do sanctimonialibus, quod absit, fornicantibus.
Cap. V. De his, qui sacerdotes occiderint.
Cap. VI. De parricidis et fratricidis.
Cap. VII. De his, qui cum duabus sororibus fornicantur.
Cap. VIII. Quod non liceat marito fornicantem interficere
uxorem.
Cap. VIII I. De his, qui cum commatre spirituali uel filiola
fornicantur.
Cap. X. De homicidis.
Cap. XI. De uiduis uelatis.
Finiunt Capitula Nieholai Papae. Incipit Epistola Nieholai
Papae Ad Karolum Archiepiscopum Et Ad Eius Suffraganeos Tam
Episcopos Quam Abbates.
Nicholaus episcopus, seruus seruorum dei, (f. 78) reuerentissimo
et sanctissimo confratri nostro Karolo archiepiscopo eiusque suffra-
ganeis Altfrido, Salomoni, Hiltigrimo, Theoterieo, Gunzoni, Kebeharto,
und Staatsbibliothek* in Sitzungsberichte der königl. bayer. Akad. der Wissen-
schaften zn München 1869. Bd. I. S. 1.
lj Herrn. Wasserschieben . »Beiträge zur Geschichte der vorgratiani-
schen Kirchenrechtsquellen.« Leipzig 1839. S. 25 f.
2) Phillips, 1. c. S. 628. 654 f. Cfr. 631 f. 768 f.
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186 Erster Brief. — Handschriften der längeren Hecensiun
Am, Uuitgario, Egiberto, reuerentissimis episcopis, atque Grimaldo,
Egilberto, Thietoni, Amali, Adalgario, religiosis et uenerabilibus ab-
batibus. Diuinorurn fulgentes dogmatum diffinitiones etc. Aus dem
Capitelverzeichniss, welches dem Brief vorangeht und nach welchem
der Text desselben streng gegliedert ist, indem die Capitelüber-
schriften innerhalb des Briefes wiederholt werden, sowie aus einer
genauen Textcollation, namentlich aber aus dem Umstand, dass der
Brief hier um den Inhalt eines ganzen Capitels (c. V.) vermehrt er-
scheint, geht hervor, dass wir es mit einer zweiten Recension zu
thuu haben. Das Capitel lautet (f. 79):
Cap. V. De His Qui Sacerdotes Occiderint.
Qui Sacerdotem morti uoluntate tradiderint, praecipimus, ut
ecclesiam per quinquennii tempus non ingrediantur, sed cum sacra-
rum orationum officia aut missarum solemnia in ecclesiis caele-
brantur, ante fores basilicae perseuerent, orantes et deprecantes do-
minum, ut a tanto crimine obiuantur. Post expletum uero quin-
quennii tempus ingrediantur aecclesiam, nondum uero communicent,
sed inter audientes stent uel cum facultas conceditur sedeant. Om-
nibus autem diebus uitae suae carnem non manducent, nec uinum
libere praesumant. Jejunent autem usque ad uesperum, exceptis
dominicis atque diebus festis. Arma non sumant, et ubicunque ire
noluerint, nullo uehicnlo deducantur, sed propriis pedibus proficis-
cantur. Cum autem duodecimi anni cursus fuerit finitus, communi-
candi eis licentia concedatur et equitandi tribuatur medela. Maneant
autem in reliquis obseruationibus tres dies per ebdomadam, ut per-
fectius purificationis peruenire mereantur ad culmen l ).
e) f. 81 — 82. Item Responsiones Beatae Memoriae Nicholai Papae
Ad Salamonem Uenerabilem Constanciensae Sedis Episcopum.
Reuerentissimo Et Sanctissimo Salomoni Episcopo Sanctae
Constantiae aecclesiae.
Cap. I. Sciscitatur anobis etc. == Ivonis Decr. I. c. 137. IX.
c. 5. Grat. c. 1. C. XXX. qu. 4. ( Jaffe 2156.)
Cap. II. Nosse desideras etc. = Iv. Decr. I. c. 136. Orat. c. 3.
C. XXX. qu. 1. (Jaffe 2158.)
Cap. III. Presbyter uel diaconus etc. = Iv. Decr. VI. c. 122.
Grat c. 2. C. XV. qu. 5. (Jaffe 2155.)
Cap. Illi. Monachum, qui semel se deo uouit et secundum
normam sacrorum canonum et regulam sanctorum patrum,
praecipue basilii atque benedicti, coenobio sua sponte causa
1) Wegen der formellen Verschiedenheit von c. 26. Wormat. und der im
§. 5. folgenden Untersuchungen hier vollständig wiedergegeben.
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nebst den Responsinnen nn II. Salomo v. Constans.
187
in dei scruitio ibidem usque ad ultimum uitae suae diern
permanendi adliesit et in eo per diuturna tempora conuer-
satus est, non posse retro reuerti manifestum est.
Cap. V. Constat patricidas, fratricidas etc. = Iv. Decr. X.
c. 185. (Joffe 2157.) — Finiunt Responsiones Nicholai.
Vier Iiesponsionen, aus verschiedenen Stellen Ivos und Gratians
bekannt, sind von Jafte unter vier gesonderten Regesten erwähnt; sie’
werden, um eine bisher unbekannte (c. 4.) vermehrt, in Zukunft
unter einem Regest zu begreifen sein.
f) f. 82 — 87v. Eine C'anonensammlung. vornehmlich eherechtlicher
Natur, welche sich f. 90v— 97 fortsetzt und f. lOOv — 105v ihren
Abschluss findet.
g) f. 87v — 90v. »Capitula Contra Judeos Magni Karoli Inuictissimi
Imperatoris Caeterorumque Regum Cum Consensu Episcoporum.«
Elf an Zahl. »Unter Karolus M. ist Karl der Kahle zu ver-
stehen, denn unter ihm wurde im Jahre 845 dieses Gesetz auf
der Synode zu Meaux erlassen.« Knust in Theol. Studien und
Kritiken 1836. I, 164.
h) f. 98 — 100. Eine Exhortation an Klosterinsassen zur Befolgung
der Ordens- und Hausregel. — Auf f. 100 findet sich noch der
von Müllenhoff und Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und
Prosa aus dem VIII — XII. Jahrhundert, Berlin 1864, Nr. 68,
p. 180 mitgetheilte Priestereid (Daz ich dir hold pin, N., demo
piscophe etc.).
i) f. 105v — 107. Ein .Fragment aus Rabans Schritt de magorum
praestigiis lalsisque diuinatiombus (Magi sunt — Quos libros
romani etrusca lingua in propriam linguam mutaverunt). Hartz-
heim II, 325.
k) f. 107v — 142v. Die sog. Canonensammlung des Remedius vou
Chur. Nur nach dieser und der folgenden Handschrift edirt
(cfr. Archiv VII, 826) von Kunstmann, Die Canonensammlung
des Remedius von Chur, Tübingen 1836, S. 64 — 139.
Das Verhältnis, welches Phillips bezüglich der triburer Synode
in den eben beschriebenen und den beiden folgenden Handschriften
eruirt hat, liegt auch für den Brief Nicolaus I. vor; d. h. eine ge-
naue Textcollation hat ergeben , dass die Recension unseres Briefes
mit derjenigen in den folgenden Handschriften bis auf kaum nen-
nenswertben Varianten übereinstimmt. Demnach wäre nunmehr die
Frage nach dem cod. princ. unter diesen Handschriften zu lösen.
Paläographische Merkmale vindiciren nach unserm Urtheil dem erst-
genannten Cod. Monac. 6241 ein höheres Alter und entscheiden so-
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188 Erster Brief. — Handschriften der längeren Recension
mit seine Priorität und die Abhängigkeit der übrigen von ihm. Da
indessen die Ansichten über das Alter der in Rede stehenden Hand-
schriften bei verschiedenen Gelehrten nicht unerheblich differiren, so
wollen wir es nicht unterlassen, noch überdies darauf hinzuweisen,
dass die folgenden Handschriften ihre Descedenz durch Excerpte aus
einer Sammlung, welche sich in dem cod. 6241 vollständig findet,
bekunden, und dass auf ihre spätere Abfassung Additamente jüngeren
Datums, von welchen die erste Handschrift noch frei ist, hinweisen J ).
2. Cod. Monac. 6245 (Fris. 45) mbr. in 4 °. saec. X 2 ).
Der codex besteht offenbar aus mehreren, unvollständigen
Handschriften. Er ist einspaltig geschrieben f. 1 — 30; 57—62;
63—79; zweispaltig fol. 31 — 56; 79 — 124. Doch darf man nicht
ohne Weiteres zu der Annahme hinneigen , als ob blos eine Ver-
heftung der Blätter vorliege und die einspaltigen einerseits und die
zweispaltigen andererseits sich bestimmt als Fortsetzungen ergänzten.
Denn obwohl die beiden ersten, einspaltigen Theile keine charakte-
ristisch-unterschiedliche Hand aufweisen, bilden sie dennoch kein
zusammengehöriges Ganze , da der erste (f. 30v) mit dem e. 31.
(corr. f. XXX.) De modo dandae poenitentiae der Mainzer Synode
vom Jahre 847 aufhört, der zweite aber (f. 57) mit c. 30. Quota
generatione coniugia copulari debeant derselben Synode beginnt, dem-
nach den ersten Theil nicht fortsetzt, sondern sich als eine besondere
Handschrift, welche den Ausfall mehrerer Blätter zu beklagen hat,
darbietet.
a) f. 1 — 30 (einspaltig). Dem Briefe Nicolaus I. an Karl von Mainz
(fol. 3v— 7v) und den Responsionen an Salomo von Constanz
f. 7v — 9), welchen sich die elf Capitel gegen die Juden an-
schliessen (f. 9v — 13), gehen voraus (f. 1—3) u. folgen (f. 13 — 14v)
Excerpte aus der unter f) genannten Capitel-Sammlung des
vorigen codex und zwar sind cod. 6245 f. 1 — 3 — 6241
f. 94v — 96v , cod. 6245 f. 13— 14v = 6241 f. 90—92. Die
ursprünglich leergelassenen Blätter unserer Handschrift scheinen
1) Nach Phillips 1. c. S. 629 müsste sich das Verhältniss umgekehrt
gestalten, da er die beiden folgenden Handschriften dem elften, die eben be-
schriebene dem 12. Jahrhundert zuspricht.
2) Knust, Theol. Stud. und Krit. 1836, I, 167 >aus dem Ende des 9.
oder aus dem Anfang des 10. Jahrhunderts.« Kunstmann, Archiv für katho-
lisches Kirchenrecht 1861. VI, 10: saec. X. Phillips, 1. c. S. 629 (1865) •'
saec. XI. Thomas in Sitzungsberichten der königl. baycr. Academie der Wiss.
1869. S. 5. und die Catolg. saec. X. Pertz, Archiv d. Ges. f. ält. d. Gesch.
VII, 117, 812 f. notirt über das Alter nichts.
189
nebst den Tiesponsionen an li. Salomo v. Conslanz.
nachträglich mit den genannten Excerpten angefüllt worden zu
sein, wobei man, wie augenscheinlich, die Reihenfolge der ei-
cerpirten Sammlung nicht befolgte. Die f. lv stehenden ger-
manischen Namen s. Archiv d. Ges. für ält. d. Geschichtskunde.
VII, 812. — f. 15 — 30v. Rabans Mainzer Synode vom Jahre 847.
b) f. 31 — 56 (zweispaltig). — Die Synode von Tribur steht f. 31v — 56
( Phillips , 1. c. 629 f.). Auf f. 31 : Acerra est thuris arcula.
Satira est saltatrix musalis dea: Substantia est, quod omnibus
accedentibus potest esse subiectum; worauf Excerpte aus cod.
6241 f. 105 folgen. — f. 56. enthält noch ein Capitel De De-
cimis und die Namen: Ado, Agilo, Engilbald, Engilmunt.
c) f. 57—62 (einspaltig). — f. 57 c. 30 und 31 der Mainzer Synode
vom J. 847. — f. 57v — 59v Excerpte aus cod. 6241 f. 82 sqq.
— f. 59v — 62 der erste, zweite, zehnte, elfte, siebzehnte, neun-
zehnte, sieben und zwanzigste, zwei und zwanzigste, vierzehnte
und fünfzehnte Abschnitt der Sammlung über die Ehe (de ratione
matrimonii), welche Kunstmann, Archiv für kath. Kirehenrecht,
1861, VI. 5 — 10 aus cod. Monac. 6242 edirt hat 1 ), (f. 62v ist
unbeschrieben.)
d) f. 63—78. Dieser, ebenfalls einspaltig geschriebene Theil des
codex beginnt mit einer stark abgeriebenen, unleserlichen Blatt-
seite. Die zwei Hauptstücke sind: l) ein sermo synodalis
(f. 63v— 70), höchst allgemeiner Natur, aus welchem nur her-
vorgeht, dass die Synode zu Freising stattgefunden hat (f. 64
ad nostram dominam sanctam mariam sanctumque corbiuianum,
in quorum patrocinio sumus hie congregati), nach einem Ein-
fall heidnischer Nachbarn (f. 67 propter nostra peccata iterum
denuo ossa eorum cum dei ecclesiis a malis paganis cremata
sunt et propter nos iterum martirizati) und dass der Bischof
des Redners krankheitshalber nicht hat erscheinen können (f. 63).
2) Ein Verzeichniss der zu geistlicher Belohnung und Erbauung
dienender Werke (f. 71 — 78) unter der Rubrik De Libris Totius
Scripturae Qui Sint Recipiendi Et Qui non (Bis auf Raban). —
Der übrige Raum (f. 70v und f. 78v^ ist mit Excerpten aus
cod. 6241 f. 104 und 103v von anderer Hand versehen.
e) f. 79 — 124v (sweispaltig). Die sog. Canonensammlung des Re-
medius von Chur (cfr. oben), -r* Die auf f. 124v höchst ver-
1) Die ersten neun Capitcl entdeckte Schulte auch in Montpellier,
bibliotheque de l’ecole de medccine, cod. H. 137. fol. mbr. s. XI. ( Schulte ,
»Iter Gallicum,« Sitzungsberichte der philos.-hist. Classe der kais. Acad. d. Wiss. »
Bd. 59. Wien 1808. S. 410).
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190
Erster Brief. — Handschriften der längeren Recension
blichenen »Interrogationes synodic. resistent, laicornmt sind aus
dieser Handschrift, soweit die enträthselt werden konnten, edirt
von Joh. Merkel in Monum. Germ. Hist. Leg. III. (Hannoverae
1863) p. 485 sq. Add. XVI. ad Legg. Bacuwariorum.
3. Cod. Vindob. 2198 [jur. can. 99] membr. in 4°. saec. X — X/. ')
f. 123.
f. 1 — 43. Die sog. Canonensammlung des Remedius von Chur.
Sie hat in dieser Handschrift eine Vorrede (Operosum ualde est,
si uelimus de apocrifis scripturis etc.), welche sich in den üb-
rigen Handschriften dieser Sammlung*) nicht findet,
f. 43 — 46v. Der Brief Nicolaus I. an Erzb. Karl,
f. 46v — 74v. Synode vou Tribur (895). Aus dieser H. S. cdirte
Pertz, Monum. Germ. Hist. Leg. I, 559—561 die Vorrede, das
dritte Capitel und die Subscriptionen der Bischöfe,
f. 74v— 75v. Canonistische Excerpte 3 ).
f. 76 — 77. Die Responsionen Nicolaus I. an Salomo von Constanz.
f. 77 — 80. Die elf Capitel gegen die Juden.
Excerpten aus Decretalen Innocenz I. (f. 80) , Beda (f. 80v),
aus der lex Salica (f. 80v — 81) reiht sieh eine Sammlung meist ehe-
rechtlicher Bestimmungen an (f. 81 v — 86v = Cod. Monac. 6241,
fol. 82 sqq.).
Der Inhalt von f. 87 lehrt nicht nur, dass unsere Handschrift
unmöglich dem 9. Jahrhundert angehören könne 4 ), sondern lässt
auch anscheinend auf die bayrische Herkunft des codex schiiessen,
namentlich, wenn sein Inhalt und dessen Anordnung mit dem fol-
genden cod. Bamberg, verglichen wird. 1) Die Namen der Bischöfe
auf der Synode von Ingelheim (948) hat aus diesem cod. Vindob.
edirt Pertz, Mon. Germ. Hist. Leg. II, 24. cfr. 19. 2) Der Erlass
1) Nach Theiner, Ueber Ivos vermeintliches Dccret, Mainz 1832, S. 16
und Disquisitiones criticae in praecipuas canonum et decretalium collectiones.
Romae 1836, p. 154 (P. III. c. 1. §. 6.) gehört die Handschrift dem IX. Jahr-
hundert an, nach Pertz, Monum. Germ. Hist. Leg. I. (Hannoverae 1835) p. 559
dem XI, aber Leg. II. (Hannoverae 1837) p. 19: »saec. X.« nud P. II. p. 17:
»saec. X. aut XI.« Wasseeschlelten, Beiträge, 1839, S. 26, schlies3t sich der
ersten Bestimmung Pertz’s (saec. XI.) an, während Waltenbach, Archiv d. Ges.
für ält. deutsche Gesch. X. (1851) S. 489 Theiner folgt.
2) Ausser dem im Text sofort zu erwähnenden cod. Bamberg. 64. steht
die Sammlung im cod. Colon. 118, welcher sie von Anfang, und cod. S. Galli
614, welcher sie ain Ende unvollständig bietet.
3) Ich habe zu notiren unterlassen, mit welchen Blättern des cod. Mon.
6241 sie übercinstimmen.
4) Cfr. Note 1. oben.
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nebat den Rrsponsionen an B. Salomo v. Constans. 191
einer Provinzialsynode an die Dioecesanen Regensburgs (f. 87 Hane
igitur oracionis adiuuationem etc ) ist aus unserer H. S. abgedruckt
von Terte, Mon. Germ. Hist. Leg. II. «Pars II. p. 171 und von
Merkel, Leg. III. p. 483 sq. (Add. XIII. ad legg. Bacuw.) 3) Die
Excommunication Herzog Heinrichs (II.) von Bayern (f. 87 v: Haec
excommunicatio acta est ante ratisponam etc.) ed. Pertz, Leg. II.
P. II. 171. Merkel, Leg. III, 485 (Add. XV. ad legg. Bacuw.). —
Wann und wie unser cod. nach Wien gekommen, Hess sich nicht er-
mitteln. Auf f. 123v steht die älteste Signatur des cod. (M. 3896)
von der Hand des Hugo Blotius; demnach befand sich der cod. im
16. Jahrhundert bereits in Wien 1 ).
Nach einigen systemlosen Excerpten aus Concilien und Decre-
talen schliesst der Codex mit einer Sammlung von 98 Capitelu
(f. 88v — 123v) unter der Rubrik: Incipiunt capitula ex canonibus
sanctorum patrum. Imprimis qualiter ordo synodalis celebrandus est.
Sie beginnt mit dem Ordo de celebrando concilio (Hora diei prima
etc.), wie er bei Pseudo-Isidor und vor ihm schon in den Exemplaren
der echten Hispana vorkommt*). Da unsere Handschrift unmöglich
im 9. Jahrhundert geschrieben sein kann, so tritt bez. der 98 Capitel-
sammlung das zweite Glied der Theiner’schen Alternative in Kraft:
»Regino muss als die Quelle unseres Werkchens angesehen werden,«
da »die meisten Capitel sich in derselben Reihenfolge bei ihm
finden *).«
4. Cod. Bamberg. T. I. 9. No. 64. nibr. Pars. II. f. 128 sqq. saec. X.
Aus der Beschreibung dieses codex, welche Knust (Archiv der
Ges. für ält. deutsche Geschichtskunde VII, 825 — 828) gegeben hat,
geht hervor, dass er in Inhalt und Anordnung dem Wiener fast
völlig gleich ist ; nur der Inhalt des fol. 87 Cod. Vindob. fehlt ihm ;
statt dessen bietet er zwischen den Titeln und dem 'Text des »Re-
medius,« die Synode von Dingolfing (932). Im Uebrigen herrscht
1) Der Niederländer Hugo Biotins wnrdo von K. Maximilian II. am
15. Juni 1575 an die kaiserl. Bibliothek berufen und starb am -29. Jan. 1608.
Cfr. Geschichte der k. k. Hofbibliothek zu Wien. Von lg. Fr. Edlen von Mosel, -
Wien 1835, S. 33 f. — Auf f. 1 oben steht noch von der Hand Sebast.
Tengnagels, des Nachfolgers Hugo Blotius, die Signatur: Nr. XXVIII. und
auf derselben Blattseite unten von der Hand Peter Lambeks (Bibliothekar
von 1663 — 1680): Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindoboniensi.
2) Maassen. Bibliotheca I, 1. 2. Sitzungsber. der phil.-hist. Classe der
kais. Acad. d. Wiss. Bd. 53. S. 412 und Bd. 54. S. 287. Geschichte, I, §. 530.
S. 404.
3) Theiner, lieber Ivos vertu. Decr., S. 16 f. Disquis. crit. p. 154.
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192
ü. Responsionen an B. Salomo v. Constanz.
völlige Uebereinstimmung ; Der Brief Nicolaus I. (f. 170 — 173) hat,
was wir der späteren Untersuchungen halber noch besonders er-
wähnen, dieselbe mittlere’Stellung zwischen der sog. Canonensamm-
lung des Remedius (f. 128 — 169) und der Synode von Tribnr
(f. 173v — 193v), wie in der Wiener Handschrift. Dem Alter nach
gebührt der Barnberger H. S. unbedenklich die Stellung vor der
Wiener und nach der Freisinger, indem ihr jüngstes Stück (offenbar
später zwischen Titelverzeichniss und Text des »Remedius« einge-
tragen) noch der ersten Hälfte des X. Jahrhunderts angehört, wäh-
rend uns die Excommunication Herzog Heinrichs II. im Wiener cod.
schon in die 2. Hälfte dieses Jahrhunderts hineinfuhrt l ). Da wir
aber eine Anschauung der Aufeinanderfolge im Inhalt des cod.
Bamberg, geben wollten, ohne die Beschreibung Knust’s zu wieder-
holen, so haben wir ihn seinem Ebenbild, dem cod. Vindob. , nach-
gestellt.
Endlich kommt noch für die Responsionen an Bischof Salomo
von Constanz in Betracht:
5. Cod. Monac. 6242 (Fris. 42) mbr. in 2 °. saec. IX— X. *) f. 311.
Auf f. 1 steht der Vermerk: liber iste est sancte marie sciq;
corbi frisig.
f. 1 — 2. [Resp]ons[iones Bea] tae Memoriae Nicoflai Papa]e Ad Sa-
lomonem Uenerabiflem Cons]tant|iensae Sedis Episcopum]. Das
Eingeklammerte ist stark verblichen und schon schwer zu lesen.
An das fünfte Capitel der Responsionen setzt eine andere Hand,
(aber desselben Jahrhunderts, wofern nicht imitirt) mit
schwärzerer Dinte, unmittelbar den can. I. von Ancyra hinzu
in zwei verschiedenen Versionen 3 ), vielleicht in der Absicht,
ihn als Capitel Nicolaus I. zur Geltimg zu bringen.
1) Pertz, Leg. II. P. II. p. 171: »Excommunicatio anno 976 adsignanda
esse videtur, quo Otto II. imperator Heinricum II. ducem debellaturus mense
Julio Ratisponae resedit.«
2J Nach Massen, Geschichte, I, §. 586. S. 442. — Saec. IX. nach Kunst-
mann, Archiv für kath. Kirchenrecht, 1861, VI, 1, und nach deu Catalogen.
3) Presbiteri quum molauer ct postea iterum certamen inierunt, si hoc
ipsum ex fide et non aliquo argumento sibimet preparantes egerunt, ut iterum
teneri uiderentur, si ergo ex fide luctati sunt et non ex compacto ad ostenta-
tionem, uti caperentur, ipsi fecerunt, hos placuit honorem quidem sedis propriae
retinere, offerre autem illis et sermonem ad populum facere, aut aliquibus of-
ficiis fungi, non liceat.
Presbiteros immolantes et iterum luctamen adeuntes, si hoc non per in-
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§. 2. Des ersten Briefes Vnerhtheit und Tendenz.
193
f. 2v — 299v. Die Dionysio-Hadriana. Maassen , Geschichte, I, §. 586.
S. 442, Nr. 29.
f. 292 — 299. »Incipiunt opuscula S. Augustini de diuersis heresibus*.
(Ein Auszug aus der Schrift Augustins), f. 299—303 »item de
heresibus in libro S. Ysidori.« Isidori Origg. 1. VIII. c. 5.
f. 303 — 308v. Die Sammlung »de ratione matrimonii ,« aus dieser
Handschrift edirt von Kunstmann , Archiv für kath. Kirchen-
recht, 1861, VI, 5—10.
f. 308v — 310. Excerpte aus Pseudo-Fabian und Ps. Lucius,
f. 310v meist eherechtliche Excerpte, von anderer Hand; aufgezählt
von Kunstmann, 1. c. S. 10. — Fol. 311. = Cod. Monac. 6241 f. 82.
§. 2. Fortsetzung. — Unechtheit und Tendens des Briefes.
1) Nach der Vorrede der ersten Herausgeber unseres Briefes
(Proleg. p. XVII.) soll er eine Antwort des im April 858 erwählten
Nicolaus 1. auf die Eingabe der Mainzer Synode vom J. 857 sein und
somit die sonst fehlenden Nachrichten über die bei der Synode an-
wesenden Bischöfe und ihre Verhandlungen ersetzen. Dagegen hat
die Ewägung, dass in dem Schreiben Bischöfe genannt werden, die
vor dein Jahre 860 den bischöflichen Hirtenstab noch nicht erhalten
hätten, wie Gunzo von Worms und Witgar von Augsburg, den Grund
dafür abgegeben, dass Eckhard und Mansi es vorzogen, ein zweites,
gegen das Jahr 860 zu Mainz gehaltenes Concilium anzunehmen und
auf dieses dann das Schreiben des Papstes zu beziehen x ). Dümmler
erklärt nun den Einwaud, dass Gunzo von Worms und Witgar von
Augsburg die Bischofswürde nicht vor 860 erlangt hätten, für un-
begründet, da wir das Antrittsjahr des letzteren nicht kennen,
während Gunzo’s Vorgänger, Samuel, schon am 6. oder 7. Februar
856 gestorben sei 2 ). Aber Dümmler beweist mit einem anderen,
schlagenden Grunde, dass unser Brief mit der Mainzer Synode vom
J. 857 nichts zu thun habe und dass sich daher aus ihm nähere
lusionem aliquam sed ex ueritate fecerunt, nec ante parantes nec affectantes,
ut iterum teneri niderentur et tormentis subici, quo facinus pati uiderentur
inuiti, hos ergo placuit honorem quidem sedis retinere, offerre autem illis et
sermonem ad populum facere aut aliquibus sacerdotibus (sic) officiis fungi,
non liceat.
1) j\nt. Jos. Binterim, Pragmatische Geschichte der deutschen Na-
tional-, Provinzial- und vorzüglichsten Diöcesanconcilien. Bd. III. Mainz 1837.
S. 10. Er hält die Fragen nach Chronologie und Echtheit des Briefes nicht
recht auseinander.
2) E. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches. Berlin 1862.
1 , 391. Note 26.
Archiv für Kirchenrecht. XLVU. 13
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194 Sdralek, Unechtheit und Tendenz des ersten Briefes
Aufschlüsse über dieselbe nicht gewinnen lassen: die Erklärung des
Briefes , das Schreiben , welches Abt Grimald als von Nicolaus aus-
gegangen der Synode vorgelegt habe, sei eine Fälschung, lehrt schon,
»dass der päbstlicbe Brief mit der erwähnten Mainzer Synode
(857) nichts zu schallen habe, da Grimald derselben keinesfalls
einen Brief des um ein halbes Jahr später erwählten Papstes Ni-
colaus vorgelegt haben würde *).« — Die Schwierigkeit wird gemin-
dert , aber nicht behoben, bei der Annahme, der Brief beziehe sich
auf eine Mainzer Synode des Jahres 860. Denn mit Recht macht
Binterim (S. 10 f.) geltend, dass es. bei dem gänzlichen Schweigen
aller Annalisten gewagt erscheint, aus dem einzigen Schreiben des
Papstes Nicolaus I. ein zweites Concilium zu Mainz anzusetzen, be-
sonders da das päpstliche Schreiben .selbst von einer Synode zu Mainz
nichts erwähnt ; in demselben sei nur im Allgemeinen Rede von einer
synodalis examinatio und von einem Concilium, welches an einem
andern Ort als zu Mainz stattgefunden haben konnte; die Könige
scheinen im J. 860 absichtlich die Stadt Mainz vermieden zu haben,
indem sie ihre Zusammenkünfte bald zu Koblenz, bald zu Andernach
hielten. — Man müsste sich also bezüglich der Chronologie unseres
Briefes mit der ganz allgemeinen Bestimmung begnügen, wornaeh
der Brief nicht vor 858, dem Jahr des Regierungsantrittes Ni-
colaus I., und nicht nach dem J. 863, dem Todesjahr Erzbischof
Karls, geschrieben wäre (Coustant in Anal. Jur. Pontif. 1869. col. 86.
Mansi XY, 141. Jaffc p. 241); daran würde festzuhalten sein,
wenn der Brief echt wäre.
2) Gegen seine Echtheit und für die »Wahrscheinlichkeit«
einer Fälschung hat schon Binterim (III, 11 f.) vier Gründe beige-
bracht: a. In der Aufschrift des Briefes würden die Bischöfe
Theoderich von Minden und Egibert von Osnabrück als Suffragane
von Mainz bezeichnet, was sie doch nie waren, b. Dann vermisse
man in dem Schreiben selbst die gehörige Zusammenstellung der
Materie, die mau in den übrigen Schreiben des Papstes Nicolaus
beobachte; selbst der Stil weiche sehr von dem anderer Briefe
Nicolaus I. ab, wie schon der italienische Canonist und Kritiker des
Gratian, Berardi, richtig bemerkt hätte, c. Ferner sei der Inhalt
des Briefes dem im Jahre 868 gehaltenen Concilium zu Worms ent-
nommen; wollte man sagen: die canones 10—12, 30 — 34 von Worms
seien aus dem Briefe des Papstes entnommen (vgl. Mansi , Observat
ad ep. Nicolai Pontif. in Annal. Baronii ad a. 860), so sei es ge-
ll E. Dümmler, 1. c. 1, 392.
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Nicolaus 1. an Erzbischof Karl von Mainz.
195
wiss sonderbar, dass das Concil bei keinem einzigen dieser acht
Canones sich auf das Schreiben Nicolaus I. beziehe, während es doch
can. 5. ausdrücklich den Brief Gregors an Leander citire. d. End-
lich bemerkt Binterim , dass die alten Decretensammler , Burchard
und Ivo gewisse Stellen aus dem Schreiben des Papstes an Erz-
bischof Karl anfüiiren , die nicht in unserm Briefe enthalten seien,
und behauptet, es sei auffällig, dass keiner der alten Sammler oder
keines der späteren Concilien diese Canones ihrem ersten Urheber,
dem Papst Nicolaus zuschreibe, vielmehr alle auf das Concilium zu
Worms hinweisen. — Den letzten Grund will ich sofort durch die
Thatsache widerlegen, dass keiner der Briefe unseres Papstes so oft
von den kirchenrechtlichen Sammlungen benutzt worden ist, wie
dieser, dass somit seine äussere Bezeugung, welche schon im IX. Jahr-
hundert beginnt (s. §. 5.), die denkbar beste ist 1 ); und dass grade
die häufige Benützung des Briefes als eines Schreibens Nicolaus I.,
durch welche der Einfluss seiner Tendenzen fortlebte, dazu drängt,
die Frage nach seiner Echtheit ihrer endgiltigen Lösung zuzuführen.
Anlangend den ersten gegen die Echtheit ins Feld geführten Grund,
so nimmt Binterim , wie Dümmler (I, 391 Note 26) erwidert, mit
Unrecht an den Namen Theoderichs von Minden und Egiberts von
Osnabrück als zur Kölner Kirchenprovinz gehörig, Anstoss ; sie wür-
den nicht ausdrücklich Suffragane des Erzbischofs Karl genannt, und
da sie zum ostfränkischen Reiche gehörten , so würde ihre Gegen-
wart in Mainz ebenso wenig befremden können, wie Gauzberts von
Osnabrück auf den früheren Mainzer oder Ratolds von Strassburg
auf Synoden des lotharischen Reiches. Dagegen . theilt Dümmler die
übrigen beiden Bedenken Binterims ; »der schwülstig unklare Stil
des Schreibens und vorzüglich die wörtliche Uebereinstimmung mit den
canones 10 — 12, 30 — 34 des Wormser Concils« erregen auch ihm
»gegründete Zweifel an seiner Echtheit.« Dies der gegenwärtige
Standpnnkt der Frage ; der stricte Beweis der Unechtheit ist bisher
nicht erbracht und auch nicht als erbracht behauptet worden.
3) Dennoch ist der Brief eine Fälschung vom Schlage der
Decretalen Pseudo-Isidors; nicht die Wormser Synode citirt den Papst
Nicolaus, sondern »Nicolaus I.« die Canonen einer Synode, welche
nach seinem Tode gehalten worden ist, d. h. ein Fälscher hatte Ver-
anlassung, Bestimmungen der Wormser Synode zu einem Briefe zu-
sammenzusetzen und sie unter der glänzenden Firma eines bedeuten-
1) Regino benützte ihn nicht; aber die von Regino abhängige Samm-
lung von 98 Capiteln führt schon ein Stück ans ihm als c. 47. (Cod. Vindob.
2198 f. 10G) an.
13 *
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196
Sdralek, Unechtheit und Tendenz des ersten Briefes
den Papstes in’s Rechtsleben einzuführen. So lange aber nicht a) aus
dem Inhalt des Briefes der Beweis erbracht wird, dass er sachlich
unmöglich aus der Feder Nicolaus I. geflossen sein kann, und so
lange nicht b) das Charakteristische jeder Fälschung d. i. die Ten-
denzen des Briefes entdeckt und als Triebfeder des Betruges bloss-
gelegt wird: werden conservativere Kritiker bei der starken,
äusseren Bezeugung, mit gewissem Recht fortfahreu, den Besitz-
stand Nicolaus I. zu wahren, weil die Möglichkeit, dass die Synode
den Brief des Papstes benützt hat, noch nicht völlig aufgehoben
wird durch den formellen, von Binterim geltend gemachten Grund,
nämlich durch jene auffällige Thatsaehe, dass die Wormser Synode
niemals den Namen unseres Papstes nennt, während sie denjenigen
Gregors I. zu verschweigen keinen Grund hatte. — Die völlige Ge-
wissheit über die Unechtheit unseres Schreibens wird durch die Ver-
gleichung seines Inhalts mit Briefen, deren Echtheit durchaus ver-
bürgt ist, gewonnen.
4) Die römischen Grundsätze für die Busspraxis haben sich von
den Tagen Leo I. bis auf Nicolaus I. nicht geändert ; auch letzterer
hält daran fest, dass der Regel nach die öffentliche Busse mit gleich-
zeitiger Fortsetzung ehelichen Lebens unvereinbar sein soll und be-
kennt sich zu dem Princip, dass es der Idee des öffentlichen Buss-
standes nur entspreche, auch nach vollbrachter Busszeit Keuschheit
des Herzens und Körpers, Enthaltung vom Gebrauch der Ehe zu be-
obachten; Ausnahmen von dieser Regel könnten nur nach Massgabe
der Verhältnisse allenfalls gegen junge Büsser geübt werden; diese
dürften, selbstverständlich erst nach geleisteter Busse, wenn es
nöthig sein sollte, zur Verhütung grösseren Uebels heirathen. Diese
Grundsätze leiteten den Papst Nicolaus I., wenn er in einem Briefe
an Erzbischof Rudolf v. Bourges Männern , welche für den Mord
ihrer Ehefrauen öffentliche Busse leisten, eine neue Ehe schlechthin
verbietet 1 ), wenn er in seinem Antwortschreiben an Erzbischof
Hartwich von Besanjon die Ehelosigkeit für alle Contrahenten in-
cestuoser Ehen verfügt 2 ) und wenn er endlich auf die Anfragen
Salomos von Constanz, ohne zwischen ehelichem oder ausserehe-
lichem Incest zu unterscheiden, erklärt: »es ist allgemein bekannt,
dass Incestuose und Verwandtenmörder keinen geschlechtlichen Ver-
kehr üben dürfen (non posse carnali copulae jungi), weil sie Busse
leisten müssen 8 ).« Dem gegenüber gestattet die ostfränkische Synode
1) Mansi XV, 390 E. Ja/ft No. 2091, 6.
2) Mansi XV, 461 A. Jafft Nr. 2107.
3) Ir. Decr. X, 185. Jafft Nr. 2157. — Wir haben je eine Decretale
Nicolaus 1. an Erzbischof Karl von Mainz.
197
von Worms (c. 30.) nicht nur denjenigen Büssern, welche wegen
Verwandtenmord öffentliche Poenitenz leisten, ganz ausdrücklich die
Fortsetzung der Ehe auch während der Dauer der Busszeit, sondern
verwehrt auch Personen, welche innerhalb ihrer geistlichen (c. 34.)
oder ihrer Blutsverwandtschaft (c. 33.) ausserehelicben Incest be-
gangen haben, den Abschluss (legitimer) Ehen keineswegs und zwar
wird die Erlaubniss allgemein, d. h. ohne die römische Restriction
auf junge Büsser ertheilt. Dieser mildernden Neuerung in der Buss-
disciplin — eine Neuerung war es auch in Ostfranken *) — will
unser Fälscher dadurch Eingang und Anerkennung verschaffen, dass
er, unbekümmert um die Differenz, welche thatsächlich zwischen
päpstlichen und Wormser Bussgrundsätzen obwaltete, kühner Hand
die Wormser Canones dem Papst Nicolaus in den Mund legt. Hierin
offenbart sich eine Tendenz seiner Arbeit , welche , nachweislich zu-
erst wirksam (§. 5), nicht unterschätzt werden darf; denn fehlt ihr
auch der grosse, kirchenpolitische Charakter der vorzüglichsten,
pseudo-isidorischen Decretalen, so kann ihr doch eine Bedeutung auf
socialem Gebiet nicht abgesprochen werden, da die öffentliche Buss-
disciplin mit Geboten wie dasjenige der Ehelosigkeit in das gesell-
schaftliche Leben der Völker sehr tief einscbneiden musste.
Ej) Zur Maskirung der tendenziösen und vielleicht selbst dem
pseudo-isidorischeu Jahrhundert auffälligen Thatsache*), dass der
ganze Brief aus lauter Wormser Canones besteht 3 ), schickt der
für West-, Mittel- und Ostfranken gewählt, um durch die Gleichmässigkeit
ihrer Verfügungen den Einwand nicht aufkomuien zu lassen, der Papst habe
möglicherweise den später christianisirten Germanen Indulgenzen in disciplinarer
Hinsicht gewähren können, welche anderswo nicht mehr am Platze waren.
1) Dass sie Hefele IV, 370 mit Recht als solche bezeichnet, lehrt schon
eine Vergleichung mit c. 20. der Mainzer Synode (847). Hefele IV, 127.
2) Die triburer Synode (895) wenigstens liess sich durch die Berufung
auf diese Decretale so wenig beeinflussen, dass sie einen damit unterstützten
Antrag ablehnte; vielleicht traute sie ihrer Echtheit nicht und erkannte in ihr
die Wormser disciplinaren Neuerungen , denen gegenüber sie sich zu den alten
Bnssgrundsätzen bekennt. Cfr. §. 5.
3) Nur an einer Stelle findet sich noch mitten unter den Wormser Canones
ein Stück eigner Arbeit des Fälschers. Auf die Frage, ob es den Ehemännern
gestattet sei, ihre ehebrecherischen Frauen nach dem weltlichen Recht zu
tödten, gibt »Nicolaus« zur Antwort: »Das kirchliche Sittenrecht lässt sich
durch weltliche Gesetze keine Beschränkung gefallen ; die Kirche Gottes hat
nur ein geistliches Schwert, sie tödtet nicht, sondern belebt.“ Die Tendenz
dieser Stelle ist gegen dieselbe Sittenrohheit und inhumane Strenge des ger-
manischen Strafrechts gerichtet, gegen welche in demselben Jahrhunderte
Hinkraar von Rheims auftritt. Cfr. Sdralek, Hinkmars von Rheims canoni-
stisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II. Freiburg i. B.
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Sdralek, Unechtheit und Tendenz des ersten Briefes
Fälscher im Anfang des Briefes ein Stück eigner Arbeit voraus. In
dem von Binterim und Dümmler schon charakterisirten, »schwülstig
unklaren Stil,« welchen der Versuch des Fälschers, möglichst feier-
lich zu reden, zur Folge hatte, erklärt Pseudo-Nicolaus : »Es war
ein Act der traditionellen Erbweisheit unseres apostolischen Stuhles,
welcher stets Gerechtigkeit mit Billigkeit und Friedensliebe paart,
als wir den Process Abbos Eurer gewissenhaften synodalen Vorunter-
suchung überwiesen haben; für das übersandte Ergebniss Eurer Ver-
handlungen sprechen wir unsern unbegrenzten Dank (ingentes gra-
tias) ans, umarmen Euch und beglückwünschen unä zu Eurer treuen
Ergebenheit gegen den Stuhl des apostolischen Schlüsselträgers. Die
Ehe Abbos, im vierten Verwandtschaftsgrade geschlossen , muss ge-
trennt werden, weil kein Christ eine Verwandte heirathen darf, so
weit sich nur eine Verwandtschaft erkennen lässt und erinnerlich ist.
Darüber, dass Ihr hierin an den Grundsätzen unserer Amtsvorgänger
Gregor und Zacharias festhaltet, geben wir unserer Freude Ausdruck.«
Wir haben hier nur den Sinn dieser Einleitung wiedergeben können,
denn an dem Versuch, eine wortgetreue Uebersetzung zu liefern,
dürfte der sprachkundigste Scharfsinu scheitern. Auch ohne quellen-
massige Belege dürfte es nun als selbstverständlich vorausgesetzt
werden, dass Nicolaus I. in der Frage nach der Ausdehnung des in
Rede stehenden Hindernisses die Continuität päpstlicher Praxis seit
Gregor III. nicht unterbrochen hat. Nicolaus I. macht die Be-
obachtung jener Ehegesetze Gregors und Zacharias sogar den unbe-
kehrten Bulgaren zur Pflicht 1 ). Dm so grösser ist aber die formelle
Discrepanz der Fälschung von den echten Schriftstücken des Papstes.
Der zwar oft feierlich, aber niemals in dem fast unverständlichen
Stile der Fälschung redende Nicolaus, würde dem Process Abbos die
Wichtigkeit nicht beigemessen haben, welche ihm Pseudo- Nicolaus
beilegt. Es handelte sich hierbei nicht mehr um Vertheidigung
neuer, bisher unbekannter Grundsätze, und die Reservirung eines
Eheprocesses von der Bedeutungslosigkeit desjenigen Abbos war für
1881. S. 127. — In derselben Schrift S. 178 wird der von den kirchlichen
Rechtsquellen so oft citirte Satz: Sancta Dei ecclesia — gladium non habet
nisi spiritualem ac divinum, von welchem F. Rucquain (Journal des savants,
1880. p. 685) rühmt: »Principe salutaire, qui sera un jour onblie par les pon-
tifes, et qui, au dommage de la socicte et de la papaute elle-raeme. echappera
a la grande äme de Gregoire VII.,* noch für echt gehalten. Wir säumen nicht,
nunmehr die Selbstcorrectur vorzunehmeu, ohne damit sagen zu wollen, dass
der Papst auch das Princip dieses Ausspruches, den er nicht gethan hat, nicht
anerkannt und befolgt habe.
1) Resp. ad consulta Bulgar. c. 39. Mansi XV, 415 A.
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Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mains.
199
deu apostolischen Stuhl des 9. Jahrhundertes nichts Schmeichelhaftes
mehr, da Nicolaus I. die ihm überwiesenen »judicia laicorum et
vulgarium populorum« für eine sich fast täglich wiederholende und
doch unnütze Belastung seiner Arbeitszeit erklärt, weil dieselben
ebensogut von den betreffenden Bischöfen erledigt werden könnten *).
Darum leitet uns schon die Wichtigkeit, zu welcher Ps.-Nicolaus
den Proce8s Abbos aufbauscht, zu der Vermuthung hin, dass
sich auch hier eine Tendenz der Fälschung verbirgt. Indem wir
auch diese blosslegen, beleuchten wir zugleich nach einer andern
Seite hin die Bedeutung des Briefes, welche schon zum Theil durch
seine Nachbarschaft in der handschriftlichen Ueberlieferung ange-
deutet wird - .
6) Papst Gregor II. hatte, in einem Schreiben an Bonifaz, den
Deutschen gegenüber nur das Verbot von Ehen zwischen Personen,
die in der vierten Generation verwandt sind, aufrecht gehalten*);
doch schon sein Nachfolger Gregor III. hob diese Nachsicht auf, in-
dem er das Hinderniss aut die siebente Generation ausdehnte 3 ). Als
sich in der Folge die Deutschen gleichwohl auf jene Indulgenz
Gregors II. als auf ein ihnen ertheiltes Privileg beriefen, bezweifelte
Papst Zacharias in seiner Rede auf der römischen Synode von 743 4 )
sogar die Existenz einer solchen Concession 5 ). Aber wie im Leben
eines Einzelnen Jahre von Nöthen sind, um eine Handlungsweise,
zumal eine der Sinnlichkeit widerstrebende, zur Gewohnheit werden
zu lassen, so sind im Leben der Völker Jahrhunderte uothwendig,
bis ein sittliches oder religiöses Gebot, von dem man seither nichts
wusste, in Fleisch und Blut eines ganzen Volkes übergehen kann.
Der Widerspruch gegen jene weite Ausdehnung des Verbotes und
die praktische Nichtachtung desselben ruhten noch lange nicht,
vielmehr wurden sie auch noch mit der Autorität des ersten Gregor
zu decken gesucht, welcher sich auf eine Anfrage des von ihm nach
England abgeschickten Benedictiners Augustinus nur gegen Ehen von
Geschwisterkindern erklärt haben soll. An der Schwelle des 9. Jahr-
hunderts (11. April 800) sieht sich darum Papst Leo III. abermals
veranlasst, den Standpunkt des Zacharias in seinem Schreiben an die
Bischöfe der bayerischen Provinz zu wahren; den berufenen Brief
1) Mansi XV, 697 E. Jafft. Nr. 2100.
2) Jaff(, Monam. Mogunt. Berolini 1866. p. 89.
3) Ib. p. 93.
4) Mansi XII, 381.
5) Cfr. Scherer, Ueber das Eherecht bei Benedict Levita und Pseudo-
Isidor. Graz 1879. §. 47. S. 47.
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200
Des ersten Briefes Unechtheit und Tendenz.
Gregors I. erklärt er für unauffindbar im päpstlichen Archiv 1 ).
Dennoch fehlte es auch im Laufe des 9. Jahrhunderts nicht an
Kundgebungen, welche lehren, dass die Laienwelt sich mit der Aus-
dehnung des Ehehindernisses auf die entfernteren Grade nicht zu
befreunden vermochte, denD Jonas von Orleans hielt es in seinem
Werke de institutione laicali (II, 8. de incestis) 2 ), für nothweudig,
sich mit dem Ein wand abzufinden, dass der grosse Gregor das Ehe-
hinderni8s der Verwandtschaft keineswegs in solcher Ausdehnung hin-
gestellt habe ; und in Ostfranken, dem Vaterlande unserer Fälschung,
bringt einige Decennien später selbst ein Raban seine Bedenken gegen
jenes so gut wie schrankenlose Ehehinderniss und seine Unzuträglich-
keiten in dem Briefe an Bischof Humbert von Würzburg unumwunden
zum Ausdruck und räth ernstlich zu einer Praxis des goldnen Mittel-
weges 3 ). Es ist darum wohlbegründet, wenn Rudolf von Scherer ,
dessen Belege wir nicht nur recipirt, sondern auch bereichert haben,
behauptet, die beiden pseudo-isidorischen Briefe des Bischofs Felii
von Messana an Papst Gregor I. und seine Antwort verfolgen die
Tendenz, jene Berufungen auf die den Angeln erwiesene Indulgcnz
zum Schweigen zu bringen und den Sieg und die Anerkennung des
in Rede stehenden Ehegesetzes endgiltig zu machen 4 ). Aber nur
verhältnissmässig wenige Handschriften der vollständigen Pseudo-
Isidora enthalten die beiden Briefe; die Verbindung derselben mit
dem Stocke der Pseudo-Isidora ist immer eine lose gewesen und
wenn auch in Westfranken Hinkmar von Rheims schon im J. 860
zweimal von ihuen Gebrauch macht 5 ), so blieben sie in Ostfranken,
dessen pseudo-isidorischen Handschriften und auch die Sammlung
des Remedius beweisen, dass man lange Zeit nur die Decretalen von
Clemens bis Damasus kannte 6 ), bis in’s elfte Jahrhundert unbe-
kannt 7 ). Bis dahin bildete in Deutschland ihr Seitenstück, der
Brief des Pseudo-Nicolaus, für die erörterte Tendenz die entsprechende
1) Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia. Salzburg
1784. Diplomatischer Anhang Nr. XIV. pag. 58. Jaffe Nr. 1912.
2) D'Achery, Spicilegium, 1655. I, 81 sq. Scherer, §. 47. S. 46.
3) Hartzheim, II. 226 sq.
4) Scherer, §. 47. S. 46 f.
5) De divortio Lotharii regis , resp. XII. (ed. Sirmond I, 642 sq.) De
nuptiis Stephani et Regimundi comitis filiae Nr. 4. Sirmond V, 655 sq. Mansi
XV, 578 D.
6) //. Wasserschlehen, Die pseudo-isidorische Frage, in Zeitschrift für
Kircheurecht. Bd. 4. Tübingen 1864. S. 299.
7) Sie finden sich im cod. Darmst. 114 saec. XI. Hinschius, Decretales
Fseudo-lsidorianae. Lipsiae 1863. p. XLVI, CVII.
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T'
Der 2. Brief Nicolaus 1. an Erzbischof Karl von Mainz. 201
Complementirung der pseudo-isidorischen Decretalen. Aber er über-
ragt die pseudo-isidorische Epitoqie des »Remedius«, in deren Nach-
barschaft ihn die Handschriften überliefert haben, an Bedeutung,
denn der Versuch, die letztere unter die das gratianische Decret ver-
mittelnden und vorbereitenden Sammlungen einzureihen ist nicht
geglückt, da sie bestimmt weder dem Verfasser der Anselmo dedi-
cata, noch auch Burchard als Vorarbeit gedient hat 1 ); der Brief des
Ps.- Nicolaus hielt durch fast alle vorgratianischen Sammlungen
seinen Umlauf, und gelangte als Brief Nicolaus I. auch iu das Decret
Grati ans.
7) Zweifelsohne übertreffen die beiden besprochenen Tendenzen
an Wichtigkeit alle andern, welche etwa noch den übrigen in die
Fälschuug recipirten Wormser Canones innewohnen; vielleicht fällt
auch den übrigen, wie z. B. den vielen liturgischen Bestimmungen
Pseudo- Isidors, nur die dekorative Aufgabe einer opulenteren Aus-
stattung des Ganzen zu. — Der Fälscher ging so klug zu Werke,
dass er diejenige Tendenz, bei welcher er sich in sachlicher Ueber-
einstinomung mit dem Papst befaud, in eigener Arbeit vorausstellte,
um der nachfolgenden, welche sich zu echten Grundsätzen des Papstes
gegensätzlich verhielt, um so leichteren Eingang zu verschaffen. Dem
letzteren Zweck diente in der Einleitung auch die Erklärung, dass
der Brief, welchen Abt Grimald als ein Schreiben Nicolaus I. prä-
sentirt habe, von A bis Z gefälscht sei. Der Kunstgriff von Be-
trügern, ihren eigenen Fälschungen dadurch Glaubwürdigkeit zu ver-
schaffen, dass sie über diejenigen anderer die möglichste Entrüstung
heucheln, war wohl schon im 9. Jahrhundert nicht neu, aber doch
wirksam; der Mann hat seine »Wahrheitsliebe« und »Ehrlichkeit«
in so vortheilhaltes Licht gestellt, dass man fast neun Jahrhunderte
lang seine eigene Fälschuug für ein echtes Document hielt. Hoffent-
lich ist nunmehr seine Gewähr und Glaubwürdigkeit definitiv ver-
nichtet.
§. 3. Der zweite Brief Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mainz
(Jaffa Nr. 2040). — Die Handschriften.
1. Cod. Colon. 118 (Darmst. 2117) mbr. in 4°. saec. X. p. 49 sqq.
Aus dieser Handschrift des Kölner Metropolitancapitels, welche
mit vielen andern bei der bevorstehenden Invasion des französischen
llevolutionsheeres a. 1794 nach Arnsberg in Westphalen geflüchtet
1) Kritische Jahrbücher für deutsche Rechtswissenschaft von Richter.
Leipzig 1837. I, 359. (Richter’s Recension der Kunstmann’schen Schrift über
Remedias).
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202 Sdralek, Handschriften des 2. Briefes Nicolaus I. an Erzb. Karl.
dem Grossherzog von Hessen als Kriegsbeute in die Hände fiel und
nach dem Kriege 1860 ihrem ursprünglichen Besitzer restituirt werden
musste, hat den Brief zuerst Wasser schieben , Beiträge, S. 165 — 167
edirt x ). Eine fachmännische Beschreibung des cod. gibt der von Jaffe
und Wattenbach besorgte Catalog der Kölner Handschriften S. 48 f.
2. Cod. Salisb. S. Petri a . 2 ) IX. 32. mbr. in 4°. saec. X— XI. 3 )
f. 140 — 141 nach gegenwärtiger Zählung; f. 143 sq. nach Phillips.
Die Zahl der Varianten, textkritisch von keinerlei Bedeutung,
ist eine sehr geringe. Beachtenswerth ist ferner auch die inhalt-
liche Verwandtschaft, welche zwischen diesem Theile des Salzburger
cod. und der Kölner Handschrift statthat; dem Briefe Nicolaus I.
gehen in letzterer die Briefe Rabans an Reginbald und Humbert
voraus; der Brief Rabans an Heribald von Auxerre folgt ihm. ln
der zweiten (oder dritten) Abtheilung des cod. Salisb., in welchem
offenbar mehrere, ursprünglich für sich bestehende Handschriften
vereinigt sind, schliesst sich der Brief Nicolaus I. an dieselben
Briefe Rabans au, welche in der Reihenfolge: an Heribald, Regin-
bald, Humbert, vorausgehen.
3. Burgitndische Bibliothek zu Brüssel cod. Nr. 495 — 503 mbr. in
fol. , welcher fol. 1 — 121 dem X. Jahrhundert angehört*).
In welchem Verhältniss der Text dieses cod. , welcher auf die
beiden Briefe Nicolaus I. in Sachen der Promotion Egilos auf den
erzbischöflichen Stuhl von Sens 5 ) enthält, zu dem der vorgenannten
steht, entzieht sich bisher meiner Kenntniss; sein sonstiger Inhalt
zeigt keine Verwandtschaft mit ihnen. Auch über seine Herkunft,
ob er etwa aus Deutschland stammt und zu denjenigen Handschriften
gehört, welche aus den rheinischen Provinzen nach Paris und von
1) Da dieser cod. früher das einzige üeberlieferungsmittel des Briefes
war, so hat Floss die Handschrift mit dem Text von Wasserschieben fiir die
Migne’sche Patrologie abermals verglichen und der französische Abdruck ( Migne
CXIX, 811—813) ist in der That eine ganz genaue Wiedergabe dieser Hand-
schrift, wie die von Dr. Beilesheim freuudlichst besorgte Collation lehrt.
2) a. bedeutet Archiv; die Pergamenthandschriften der Benedictinerabtei
St. Peter in Salzburg befinden sich jetzt ira Archiv dieses Stiftes.
3) Nach Phillips »Der Codex Salisburgensis S. Petri IX, 32« in Sitzungs-
Berichte der philos.-hist. Classe der k. Akad. d. Wiss. Bd. 44. S. 437. Nach
Pertz, Archiv d. Ges. für ält. d. Gesch. IX, 482 u. X, 616 : saec. IX— X.
4) Maassen, Bibliotheca latina juris canonici manuscripta. I. 5. Sitzungs-
Berichte der philos.-hist. Classe der k. Akad. der Wiss. Bd. 56. Wien 1867.
S. 191 f. Cfr. Pertz im Archiv d. Ges. für ält. d. Gescb. VII. (1839) 810 ff.
5) Mansi XV, 391. 392. Jafft Nr. 2120. 2121.
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Sdralek, Unechtheit des 2. Briefes Nicolaus l. an Erzb. Karl. 203
dort im Jahre 1815 anstatt nach Deutschland zurück in die bur-
undische Bibliothek übergeführt worden sind 1 ), weiss ich zur Zeit
nichts anzugeben.
§. 4. Fortsetzung. — Unechtheit und Tendenz.
1) Der Brief besteht, den Eingang und Schluss abgerechnet,
aus den vier Canones der Wormser Synode a. 868 cc. 26. 37. 35.
36. oder, nach der Reihenfolge der Wormser Canones 2 ) im cod.
Colon. 118, aus welchem der Brief zuerst edirt worden ist, aus den
cc. 16. 17. 18. 19. In der Einleitung, deren salbungsvoller und
überladner Stil sich den ersten Sätzen des vorigen Briefes eben-
bürtig an die Seite zu stelleu vermag, wird dem pastorellen und
erleuchteten Seeleneifer des Erzbischofs, welcher sich im Interesse
einer möglichst erspriesslichen Leitung seiner Heerde mit Anfragen
an den apostolischen Stuhl gewandt hat, gebührendes Lob gespendet.
Im Schlusstheil wird die Kürze des Antwortschreibens mit Mangel
an Zeit entschuldigt: der Papst hat viel zu thun und der Bote des
Erzbischofs will nicht warten, weil er rasch heimkehren will. Der
Erzbischof solle darum rechter Zeit einen Gesandten mit Zuschriften
nach Rom abordnen, um ausführlichere Erwiderungen zu erhalten.
— Man braucht mit dem Bau dieses Briefes die Passung des ersten
im cod. Colon. 120 nur zu vergleichen, um einzusehen, dass die
Kölner Abschrift des ersten Briefes nach dem Muster des zweiten
(im cod. Colon. 118) besorgt worden ist, indem man auch den ersten
nur an Erzbisehf Karl adressirte und die längere Einleitung bis auf
einen einführenden Gedanken, dem man sofort die Wormser Canones
folgen Hess, ahkürzte.
2) Die Thatsache, dass der Inhalt auch dieses Briefes, den
Anfang und Schluss abgerechnet, nur aus Wormser Canones besteht,
hat ihn schon seinem ersten Herausgeber, Wasserschlebm (Beiträge
S. 165) verdächtig gemacht und ihm, wie Dümmler (I, 391 N. 26)
Bedenken an seiner Echtheit erregt. Ist nun bezüglich des ersten
Briefes der Beweis erbracht, dass nicht die Wormser Synode den
Papst, sondern »Nicolaus« die Wormser Synode benützt hat, so
haben wir allen Grund, bei diesem Brief dasselbe Verhältniss zu
statuiren, d. h. ihn für unecht zu erklären. Doch wollen wir zum
1) Archiv d. Ges. für ält. deutsche Gcsch. VII, 2. VIII, 44. — Ich ver-
inuthe in dem Kloster Prüm, dessen Abt Egil auf den erzbischöflichen Stuhl von
Sens erhoben wurde, die Heimath unserer Handschrift,
2) Die Reihenfolge der Wormser Canones weicht bekanntlich in den ver-
schiedenen Handschriften sehr ab. Wasserschieben, Beiträge S. 14.
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204 Sdrulek, Unechtheit und Tendenz des zweiten Briefes.
Ueberfluss noch darauf aufmerksam macheu, dass die generelle Ver-
fügung des Briefes, man solle allen öffentlichen Büssern die Fort-
setzung ihres (legitimen) ehelichen Lebens nicht verwehren, welches
auch immer der Grund ihrer Busse sei , den wirklichen und echten
Grundsätzen der päpstlichen Bussdisciplin Nicolaus I. schnurstracks
zuwiderläuft.
3) In der Nachbarschaft dieser Verfügung des Pseudo-Nicolaus
scheint auch der in unsern Brief recipirte c. 36 (191 von Worms
einen andern Sinn zu erhalten, als er den c. 11. 10. 12. vou Verberie
(756), deren wörtliche und unveränderte Wiederholung er ist 1 ),
innewohnt. Wenn nämlich can. 36. Wormat. und mit ihm Ps. -Ni-
colaus für den Ehebruch der Frau mit ihrem Stiefsohne und für den
Ehebruch des Mannes mit seiner Stieftochter oder Schwägerin nicht
nur öffentliche Busse, sondern auch Lösung der Ehe anbefehlen, so
sollte die letztere hier nicht mehr vom Gesichtspunkt der Strafe aus
zu betrachten sein, nicht mehr als selbstverständliche Folge der,
durch den qualificirten Ehebruch verwirkten, öffentliche Busse auf-
zufassen sein, da Ps.-Nicolaus mit can. 37 (17) Wormat. ausdrück-
lich vorher erklärt, die öffentliche Busse sei in jedem Falle (pro
quibuscunque piaculis) mit der Fortsetzung der Ehe vereinbar. Die
Verfügung der Ehescheidung dürfte hier also nicht mehr als Straf-
oder Bu.s8gesetz, sondern als ein Ehegesetz zu betrachten sein, in
welchem die affinitas e copula illicita (superveniens, im ersten Grade)
als Auflösungsgrund der Ehe statuirt würde. Wäre diese Deutung
zutreffend, dann würde unser Brief ein zweites Seitenstück zu der
pseudo-isidorischen Decretale Gregors an Felix von Messana sein, in
welch letzterer zum ersten Mal, und zwar ohne jegliche Beschränkung
der Verwandtschaft, das Hinderniss der Affinität e copula illicita (ante-
cedens) mit dem aus einer ehelichen Schwägerschaft entstehenden
Hindernisse auf eine Linie gestellt wird. ( Scherer , §. 48. S. 48.)
Unser Brief würde demnach in diesem Punkte eine Complementirung
der pseudo-isidorischen Tendenz bieten, indem er das genannte Ehe-
hinderniss nach dessen zweiter Gestalt (als superveniens) zum Gesetz
erheben würde. Wenn ich nun auch gegen von Scherer (Seite 48 Note)
zu beweisen im Stande bin, dass die pseudo-isidorische Neuerung i®
Westfranken schon um das Jahr 860 praktisch geworden ist 8 ), s0
1) Scherer , S. 36. Note 2: Nur in c. 10. ist die ausdrückliche Gestat-
tung der Wiederverheirathung unterdrückt,« seil, bei der Reception in d° n
Wormser can. 36.
2) Im Eheprocess des Grafen Stephan, in welchem Hinkmar von Bbeim*
ebenso entscheidet, wie früher der Beichtvater des Grafen. Cfr. Hincmari, 4®
nnptiis Stephani. Nr. 4. ed. Sirmond , II, 665 sq. Mansi, XV, 578 E.
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Nicolaus 1. an Erzbischof Karl von Mainz. 205
muss ich doch seinen exakten Untersuchungen einräumen, dass die
sonstigen Quellen jener Zeit eine affintas e copula illicita nicht
kennen J ), und dass »alle gemeiniglich zum Erweise derselben ange-
führten Belege von anderen Dingen handeln« (S. 36). Muss ich
ferner anerkennen, dass grade die ostfränkischen, der Wormser
Synode zeitlich nachfolgenden Rechtsquellen, namentlich die cann.
der Synode von Tribur, von der Existenz jenes Ehehindernisses nichts
wissen 2 ), so werde ich doch wiederum darauf verwiesen, die Auf-
lösung der Ehe, welche Ps.-Nicolaus mit den Wormser Canones in
den Fällen verfügt, in welchen Eheleute mit ihren Stiefkindern oder
Schwägersleuten die Ehe brechen, nicht als eine Folge der genannten
Affinität aufzufassen, sondern als Strafe für den incestuosen, inner-
halb des bezeichneten, nächsten Affinitätsgrades verübten Ehebruch.
Cau. 37 (17) Wormat. ist demnach als Ausnahmefall zu der gene-
rellen Verfügung d6s c. 36 (19) zu bezeichnen und somit der Inhalt
beider durch folgende Interpretation zu harmonisiren: Welches im-
1) Man vergl. auch Nicolai I. resp. ad Consnlt. Harduici Vesont. c. 1.
Mansi XV, 460.
2) Es ist den Ausführungen Scherers a. a. 0., nach welchen weder
can. 44. Tribur. von einer affinitas e cop. ill. antecedens noch auch can. 41.
Tribur. von einer aff. e cop. ill. superveniens ( Scheurl , Die Entwicklung des
kirchlichen Eheschliessungsrechtes, 1877. S. 46 ff. Knitschky, Krit. Viertel-
jahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswiss. Bd. 18. 1876. S. 418) handelt,
beizupflichten. Dass aber im 10. Jahrhundert dieses Ehehinderniss , dessen
Existens sich am Ende des 9. Jahrhunderts noch nicht erweisen lässt, im Rechts-
bewusstsein Wurzel gefasst hat, lehrt das cap. 51. De His Qui Duabus Sororibus
Nupserint in der Sammlung von 61 Capiteln des Cod. Salisb. S. Petri a. IX,
32 (f. 206 - 217 nach gegenwärtiger Zählung, fol. 213 — 225 nach der Foliirung
bei Phillips, a. a. 0. S. 496 — 508). Das Capitel 51, welches von lauter tri-
burer canones umgeben ist, abev von Phillips (S. 503) irrthümlich als ein
triburer bezeichnet wird, liefert zu dem c. 3,3. Wormat: Si quis cum duabus
sororibus fuerit fornicatus , aut cum his personis de quibus sacra scriptura pro-
hibet, si dignam egerit poenitentiam et castitatis non ualuerit continentiam
sustinere, liceat ei legitimam inconjugio uxorem accipere, folgende Interpre-
tation: Quotiescunque enim coniugi quondam legitimae, cujus uiolauerat soro-
rem, matrimonio copulatur, toties prohibito incestu polluitur. Non enim propter
actam poenitentiam carnis affinitas immutabitur. Ideoque si non possit se con-
tinere , quae possit ei esse legitima , aliam ducat. Similiter et mulier (so fährt
der cod. im cap. 33. Wormat. fort), quae tali fuerit scelere lapsa, ut non for-
nicationis perducatur ad chaos, perficiat. Sed hoc de laicis uiris ac mulieribus
solummodo statuimus (f. 213v nach jetziger, f. 220 nach Phillips Foliirung).
Natürlich ist die Interpretation falsch, denn der Wormser can., welcher auch in
den ersten Brief des Ps.-Nicolaus recipirt ist, spricht von.ausserehelichem In-
cest und nicht von incestuosem Ehebruch und dadurch bewirkter aff. e cop. ill.
superveniens.
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20C
Sdralek, Abfassungszeit der beiden gefälschten
mer der Grund einer öffentlichen Busse ist, der Poenitent darf seine
legitime Ehe während der Busszeit fortsetzen; ausgenommen sind
Eheleute, welche mit Stiefkindern und ihren Schwägern bez. Schwä-
gerinnen die Ehe gebrochen haben; diese dürfen auch ihre legitime
Ehe nicht fortsetzen. — Dass der Fälscher ferner den strengen Be-
stimmungen des Wormser Concils über Priestermörder im can. 26
(16) dadurch, dass er sie einem Papste unterschob, grösseres An-
sehen verschaffen wollte, ist in einem Jahrhunderte erklärlich, in
welchem die Vexationen der Geistlichkeit keinen untergeordneten Be-
weggrund zur Anfertigung der grössten Fälschung bildeten, welche
jemals verübt wurde. Waren auch in Westfranken die Stellung des
Clerus ungleich schwieriger als gleichzeitig im Ostreich *) , so ver-
schlimmerte sich doch auch die Lage des ostfränkischen Klerus nach
dem Tode Ludwigs, wie die Verhandlungen der Synoden von Mainz
(888), noch mehr diejenigen von Tribur (895) lehren.
§. 5. Zeit der Abfassung beider Fälschungen. Verhältniss der beiden
Becensionen des ersten Briefes zu einander und zum zweiten Briefe-
1)' Mit dem Beweis der Unechtheit der beiden Briefe, tritt
auch die Frage nach ihrer Abfassungszeit in ein neues Stadium.
Als terminus a quo ergibt sich für beide Briefe das Jahr der Synode
von Worms (868). — Für den terminus ad quem kommt zunächst
ein den Protocollen der triburer Synode oder den Vorlagen für die-
selbe angehöriger Canon 2 ) in Betracht, in welchem mit Berufung
auf Nicolaus I. (sicut sanctus Nicolaus et alii Romani Pontifices
statuerunt) beantragt wird, man solle in Zukunft Poenitenten, welche
für Incest öffentliche Busse leisten , wenn sie verheirathet sind , die
Fortsetzung ihrer Ehe , den Unverheirateten den Abschluss einer
legitimen Ehe gestatten. Mit dieser Berufung kann sich der An-
trag, welcher übrigens keineswegs Beschluss geworden ist 3 ), nur auf
den ersten der beiden Briefe bezogen haben, in welchem allein, zwar
nicht auch vom Incest Verehelichter oder incestuosem Ehebruch,
aber doch vom Incest Unverehelichter oder ausserehelichem Incest in
der angewendeten Tendenz die Rede ist. Steht es fest, dass der
Brief der triburer Synode als kirchen rechtliches Quellenmaterial Vor-
gelegen hat, dann erklärt sich die Erscheinung, dass er sich hand-
1) Cfr. Wenck . Das fränkische Reich nach dem Vertrage von Verdun.
Leipzig 1851. S. 217 ff. cfr. Dümmler I, 293 ff.
2) Regino II, 205. Burcli. XVII, 20. Wasserschieben, Beiträge, S. 16S-
3) Cfr. C. 21, 24—27. Tribur. hei Wasserschieben, Beiträge, S. 178 ff-
Phillips, Die grosse Synode von Tribur, Beilage D. c. 25 —28. 1. c. S. 775.
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Briefe Nicolaus I. an Erzbischof Karl von Mainz.
207
schriftlich in der Nachbarschaft ihrer Verhandlungen vorfindet. Aller-
dings muss man zugeben, dass jene Berufung noch nicht grade die
Existenz der längeren Recension voraussetzt, weil sie sich nicht auf
das jener Recension eigentümliche Capitel bezieht. Aber wenn man
den Umstand beachtet, dass es grade die längere Recension ist,
welche sich in unmittelbarer Verbindung mit. der Vulgatrecension
oder den Vorlagen der triburer Synode schon in einer Handschrift
findet, welche dem Ende des IX., oder Anfang des X. Jahrhunderts
angehört, so ist die Behauptung, dass auch sie schon zur Zeit der
triburer Synode (895) oder doch wenigstens sehr bald darauf existirt
habe, nicht mehr gewagt zu nennen. Die Fälschung ist demnach in
der zweiten Hälfte des IX. Jahrhunderts entstanden.
2) Zur Bestimmung des terminus ad quem für die Abfassungs-
zeit des zweiten Briefes dient ein zweifaches Moment. Wie wir §. 3.
bemerkt haben , erscheint der Brief in den zwei deutschen Hand-
schriften begleitet von drei Briefen Rabans. Nun hat aber Wos-
serscMeben (Beiträge S. 13 f.) in dem cod. Colon. 118 die Quelle
für die von Regino benützten Briefe Rabans und die Wormser
Canones entdeckt ; die Lesearten in den von Regino aufgenommenen
Fragmenten aus jenen drei Briefen Rabans stimmen durchaus mit
der Recension dieses cod. überein; die Canonen der Synode von
Worms, deren Reihenfolge bekanntlich in verschiedenen Handschriften
sehr abweicht, werden von Regino mit denselben Capitelzahlen citirt,
wie sie der cod. Colon, hat. Es ist darum nicht ungerechtfertigt,
auch die Existenz des jene Briefe Rabans begleitenden Briefes des
Pseudo-Nicolaus vor Reginos Sammlung anzusetzen. — Wir werden
die Fälschung aber in einen noch früheren Zeitpunkt versetzen
müssen , wenn wir ihr Verhältniss zu der längeren Recension des
ersten Briefes würdigen. Die längere Recension des ersten Briefes
ist dadurch entstanden, dass ein Compilator den sämmtlichen Inhalt
der kürzeren Recension und aus dem zweiten Briefe das erste und
längste der den Brief bildenden vier Wormser Canones, nämlich die
Bussbestimmungen für Priestermord zu einem Briefe zusammen-
schweisste, diese Materien in Capitel eintheilte, sodass die Bussbe-
stimmungen über Priestermörder an fünfter Stelle (c. 5.) vor den
Busssätzen für Verwandtenmörder zu stehen kamen. Da nun aber
die Existenz der längeren Recension des ersten Briefes, wenn nicht
zur Zeit der triburer Synode so doch sehr bald darauf handschrift-
lich erwiesen ist, so muss auch die Entstehung des zweiten Briefes
noch in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts verlegt werden.
3) Die Bestimmung der Chronologie der zweiten Fälschung
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208 Sdralek, Gegenseitiges Verhältnis s d. gefälschten Briefe Nicolaus 1.
geht von der Voraussetzung aus, dass die kürzere Recension des
ersten Briefes die ursprüngliche Gestalt der Fälschung und die
längere aus der Zusammensetzung dieser mit einem Theil der zweiten
Fälschung entstanden ist. Diese Voraussetzung über das Verhältnis
der Fälschungen zu einander darf nicht unerwiesen bleiben, wenn
ihr ein Beweiswerth für die Chronologie derselben zukommen soll.
Für die Priorität der kürzeren Recension spricht zunächst der Um-
stand, dass sie noch nicht in Capitel eingetheilt ist; denn die
Capiteleintheilung des Stoffes, welche seine Herkunft aus Concils-
canones noch deutlicher verräth und seinen losen , nicht eben brief-
mässigen Zusammenhang auch äusserlich schärfer hervorhebt, wird
der Fälscher wohl unterlassen haben ; sie ist zu einer Zeit unter-
nommen worden, welche die Quelle des Briefes nicht mehr kannte
und in der man darum ihre Entdeckung nicht mehr befürchten
konnte. Für einen ursprünglich nicht in Capitel getheilten Stoff
spricht auch der Bau des zweiten Briefes, welcher ebenso wie die
kürzere Recension des ersten Briefes nach einer Einleitung, einem
Stück eigner Arbeit des Fälschers, die Wormser Canones ohne alle
auch nur formelle Aenderung als päpstlichen Decretalenstoft bietet.
Die Art und Weise dagegen, wie der erste Brief in der längeren
Recension vermehrt wird, zeugt von einer stilvolleren Hand; indem
sie die Busssätze für Priestermörder als cap. 5. vor diejenigen für
Verwandtenmörder (e. 6.) einschiebt, gibt sie ihm auch die Struetur
des c. 6. und bewerkstelligt zu diesem Zweck Umstellungen der Sätze
derart, dass sie zuerst die Bestimmungen über den Ausschluss aus
der Kirche und seine Dauer vorausschickt und sodann die über das
Privatleben des ßüssers (Faste, Abstinenz etc.) folgen lässt und statt
des casuistischen Singulars (Qui — tradiderit — perpetrauerit etc.)
stets den Plural (Qui tradiderint etc.) gebraucht, um auch hier die
Conformität mit c. 6. zu wahren. Wäre dieses Capitel nicht später
eingeschoben, hätte es vielmehr ursprünglich diesen Platz innege-
habt, dann wäre doch naturgemäss das cap. 6. (c. 30. Wormat.)
nach dem vorausgehenden cap. 5. (c. 26. Wormat .) gegliedert wor-
den. — Das in eben geschilderter Weise umgeformte Capitel (c. 5.)
ist aber nicht mehr direct aus erster Quelle, aus den Canones von
Worms (c. 26.) entlehnt, sondern bereits aus dem zweiten Briefe
de3 Pseudo-Nicolaus ; denn die Wormser Synode (c. 26.) schliesst
den Priestermörder nur auf zehn Jahre, Ps.-Nicolaus aber im zweiten
Briefe und im c. 5. der längeren Recension des ersten Briefes auf
12 Jahre von der Commuuion aus. Dass nun grade die strengen
Busssätze für Priestermord bei der Reception in die längere Ke-
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Sdralek, Ein unedirter Brief Nicolaus J. an Erzb. IAutbert v. Mainz. 209
cension des ersten Briefes als besonders werthvoll vor den übrigen
disciplinaren Bestimmungen des zweiten Briefes den Vorzug erhalten
haben, liesse sieh grade aus den Zeitverhältnissen der triburer Synode
befriedigend erklären, deren »Bischöfe, durch die Berichte über die
grausamen Misshandlungen, welche an unschuldigen Priestern von
gewaltthätigen Laien verübt worden waren, erschüttert,« den König
durch eine Deputation von Synodalmitgliedern feierlich ersuchen
Hessen, »den geistlichen Stand vor dergleichen Gewaltthaten sicher
zu stellen *).«
§. 6. Ein Brief Nicolaus 1. an Liutbert von Mainz , der vorigen
Fälschungen Nachbild.
Viele Fälschungen, welche das pseudo-isidorische Jahrhundert
auf den Namen dieses Papstes noch Während seiner Lebenszeit ver-
sucht, hat seine eigene Umsicht entdeckt und ihren Zweck vereitelt *) ;
nach seinem Tode konnte das unehrenhafte Geschäft mit mehr Er-
folg betrieben werden. Speciell blieb das Beispiel, aus Wormser
Canones Nicolausbriefe zu fertigen , nicht ohne Nachahmung in
Deutschland.
Im Cod. Vindob. 354 (Salisb. 282) mbr. in fol. saec. XII.
findet sich unter den Additionen (fol. 73 — 148v) zu dem Decret
Burchards, von welchem die Handschrift nur lib. I— X. c. 23 (fol.
1 — 69; f. 69— 72v sind leer) enthält,
f. 112v unter der Rubrik: De parricidis et fratricidis siue incestuosis,
ein Theil des ersten Briefes des Ps.-Nicolaus an Erzbischof Karl :
Nycolaus papa Karolo maguntiacensi archiepiscopo eiusque suf-
fraganeis. De parricidis et fratricidis — Gladium non habet
nisi spiritualem atque diuinum, non occidit sed uiuificat. Hieran
schliesst sich
f. 112v— 113 unter der Rubrik: .De diuersis homicidiorum modis
folgendes Brieffragment: Nicolaus papa Liutperto mogontiacensi
archiepiscopo. Si quis non in bello, sed uel odii meditatione
uel propter auariciam paganum occiderit, quia non leui uitio
comittitur, ut homicidiam conuenit penitere. Quandoquidem nec
exteris gentibus nisi oblatam pacem respuerint, bellum erat
populo antiquo penitus inferre preceptum. Si quis arcum ten-
dens causa probandae cordae, sagitta casu, non ex uoto, pro-
1) Phillips, Die grosse Synode von’ Tribur, 1. c. S. 719 f.
2) Cfr. Journal des savants, 1880. p. 582 s.
Archiv für Kircheureclit XLVII.
14
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210 Sdralek, Ein unedirler Brief Nicolaus I. an Erzb. lAutbert v. Mainz.
siliente filium suum interemerit, ita debet penitere, ut anciranum
concilium statuit de homicidio sponte commisso. Esset autem
ei seuerior indicenda penitentia, quia filius eius eititit. Sed
quanto carne proximior uisus erat, tanto de more illins in corde
suo acrior dolor exortus est. Non enim hoc sponte perpetra-
tum est. Si quis insanus hominem occiderit, licet penitentia
ei sit iniungenda, quia ipsa infirmitas causa peccati fuisse cre-
ditur, tantum tamen leuior quam ei, qui tale quid sanus com-
mittit, quantum inter sanum et insanum, et rationabile et irra-
rationabile constat esse discriminis. Si aliquo incidente arborem,
quilibet sub eius casu opprimitur, incisor arboris ut homicida
peniteat, si eius uoluntate uel negligentia factum est. Quod si
non uoto, non incuria illius, non denique scientia contingit, sed
dum ille operi necessario fortassis incumberet, iste inspiratus
occnrit sub arborem et ex inprouiso oppressus est, incisor ar-
boris homicidae non est comparandus. — Unmittelbar darauf
folgt auf
fol. 113 unter der Rubrik: Qualiter penitere debeat, qui sacerdotem
occidit uoluntarie folgendes Stück aus dem zweiten Briefe des
Ps.-Nicolaus an Erzbischof Karl: Ex decretis nicolai. Qui sa-
cerdotem uoluntarie occiderit — ut perfectius purificari merea-
tur. Der Text der beiden Briefe an Erzbischof Karl wird nun
etwas frei wiedergegeben; man wird daraus schliessen dürfen,
dass mit dem Text de3 Briefes an Liutbert, welcher hier viel-
leicht auch nur fragmentarisch citirt wird , ähnlich verfahren
worden ist. Dennoch ist die Thatsache, dass wir den Brief nur
in dieser Form kennen lernen, nicht allzusehr bedauerlich ; denn
auch er besteht nur aus Wormser Canones (c. 27 — 29) und der
•Umstand, dass er inmitten zweier Falsificate steht, die gleich
ihm nur aus den Bestimmungen dieser Synode bestehen, deutete
schon die Schule an , in welcher sich sein Compilator gebildet
hat; auch dieser meinte hoffen zu dürfen, man würde glauben,
dass die Wormser Synode sich Decrete Nicolaus I. zu eigen
gemacht hätte. Nachdem wir das umgekehrte Verhältniss für
die Arbeit seiner Muster und damit die Unechtheit derselben
erwiesen haben, haben wir das Recht, auch dieser und allen
etwa noch auftauchenden Nachbildungen jener Fälschungen einen
analogen Charakter zuzuerkennen und sind der Mühe überhoben,
einen besonderen Nachweis ihrer Unechtheit anzutreten 1 ).
1) Es ist vielleicht noch der Erwähnung werth, dass dieselbe Handschrift
in naher Entfernung von den genannten Decreten noch zwei Excerpte aus dem
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Sdralek, Der Brief Nicolaus I. an Bischof Ratold v. Slrassburg. 211
§. 7. Der Brief Nicolaus 1. an Bischof Raiold von Strassburg
(Jaffe Nr. 2159), der vorigen Fälschungen Rückhalt.
1) Der Brief Nicolaus I. an Bischof Ratold findet sich seit
Burchards Decret , durch dessen Druck er zuerst bekannt wurde l ),
in allen bedeutenderen Canonensammlungen bis auf Gratian , bald
vollständig, bald mit Weglassung des einleitenden Satzes 2 ). Selb-
ständig d. h. nicht als Theil kirchenrechtlicher Queilensamralungen
fand ich ihn in einer Münchner Handschrift, welche kürzlich vom
k. bayer. Reichsarchiv an die Staatsbibliothek abgegeben, hier zur
Zeit noch nicht numerirt ist. Der Inhalt der öfter benützten Hand-
schrift, welche früher ab
Cod. F> is. B. H. 1. des k. Reichsarchivs zu München mbr. in 4°.
saec. X.
bezeichnet wird, ist folgender:
fol. 1— 3v. Kirchengebete.
f. 3v— 4. Decreta Frithurici archiep. Annonis et Modonis in synodo
Mogonciae congregatorum. Synode vom Jahre 950 — ‘954, von
Prof. Friedrich mitgetheilt an Hefele, Conciliengeschichte , IV,
603 (2. Aufl.).
f. 4v ist leer.
f. 5 — 7. Ex decretis Siricii papae cap. XV. und ex Decretis Fnno-
cencii papae cap. XXI.
f. 7 — 10. Fides Rihkeri Scolastici. Domno suo abrabam, suis etiam
ersten Briefe des Ps.-Nicolaus an Erzbischof Karl aufweist. 1 ) f. 114: Ex do-
croto Nicolai episcopi. Nycolana episcopus Karolo episcopo. Hoc nobis inter-
rogantibus statuimus, ut nulli liceat Christiano de propria consanguinitate — aut
memoria retinetur. 2) f. 115v: Ne quis commatri suae copuletur. Nycolaus
papa Karolo archiepiscopo. Si quis cum commatri spirituali fuerit fornicatus —
legitimam tamen, si habuerit, non dimittat. — An echten Stücken bietet der
codex f. 78 das cap. 8. der ßesponsionen an Salomo, Jaffe. Nr. 2155. cfr. §. 1.
und fol. 115: De nefaria copulatione uiduarum uelatarum ficte. Nycolaus epis-
copus Adaluino iuuauensi archiepiscopo. Jaffe Nr. 2151.
1) Stephan Baluze edirte ihn (Miscellaneorum libri VII seu Collectio
veterum monumentorum, Paris, tom. V. (1700) p. 487 sq.) »e codice 4048 bib-
liothecae Colbertinae et ex Rivipullensi,« in der Meinung, ein ineditum zu ver-
öffentlichen. Aber schon Mansi bemerkte dagegen, dass der Brief aus Burchards
Deoret VI, 46 vollständiger bekannt sei und liese ihn aus seiner Handschrift des
Burchard (Cod. Lucan. 124. saec. XII. cfr. Mansi VII, 893. Archiv für kath.
Kirchenrecht Bd. XIII. N. F. 7. Mainz 1865. S. 6) neuerdings -abdruckcn.
( Mansi XV, 458 sq.).
2) Decretum Magistri Gratiani ed. Friedberg. Lips. 1879. p. 1157 Note
260 ad c. 15. C. XXXIII. qu. 2.
14 *
*
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212 Sdralek, Handschriften des Briefes Nicolaus
cooperatoribus, dei uineae christianissimis cultoribus, Friderico
uidelicet et Reginbaldo, ceterisque tara episcopis quam suorum
archiministris, uerum etiam laicis discretiuae fidei normalita-
tein iuuiolabiliter considerantibus Rikkarius.
f. lOv ist leer.
f. 11 — 15v. »Hora diei prima etc.« Der Ordo de celebrando con-
cilio cfr. Maassen, Geschichte der Quellen und der Literatur
des canonischen Rechts, I. §. 530. S. 404 f.
f. 16 — 17. Eine kurze Charakteristik der ersten 6 allgemeinen Con-
cilien (cfr. Maassen, Geschichte, I. §. 529. S. 403). Daran
schliesst sich Etymol. S. Isidori lib. VI. cap. 16: Canon autem
graece etc. (cfr. Maassen, Bibliotheca lat. jur. can. mss. I.
2. 1. c. S. 192. 231. 232.)
f. 17v— 69. Die fünf im Jahre 813 auf Veranlassung Karls d. Gr.
gehaltenen Reformsynoden von Mainz (fol. 22 — 38), Reims
f. 38—42), Chalons (f. 42 — 54v), Tours (f. 54v — 63), Arles
f. 63 — 69). Cfr. Maassen, Geschichte, I. §. 798 f. S. 777 f.
Vorangeht (f. 17v— 22) eine Concordanz -der. Canonen dieser
Concilien, welche nach diesem cod. mitgetheilt ist von Föringer
im Archiv der Ges. für alt. deutsche Gesch. VH. 791 — 796.
f. 69v — 70. Epistola Zachariae Papae Francis Et Gallis Directa.
Referente nobis. Taffe Nr. 1744.
f. 70 — 71v. Incipit Synodus Cum Actibus Suis Jussione Apostolica
A Sancto Bonifatio Et Francorum Episcopis Sub Karoloraanno
Duce Habita. Anno Incarnationis Dominicae DCCXLII. Cfr.
Monum. Germ. Hist. Leg. I, 16.
f. 71v. De Responsionibus Nicolai Papae ad Salomonem Constan-
tiensae sedis episcopum. Sola erga opontanea confessio. Taffe
Nr. 2155. cfr. §. 1.
f. 72 — 85. Synodus apud Altheim (916). Aus dieser Handschrift
Leg. II, 554—560.
f. 85v — 86. Epistola Nicolai Papae Ad Radoldum Episcopum De
Eo Qui Matrem Suam Occidit Qualiter Penitere Debeat.
Nicolaus episcopus seruus seruorum dei reuerentissimo et sanc-
tissimo radoldo episcopo sanctae argenteae recensis ecclesiae.
Dum uniuersis mundi partibus etc. Mansi XV, 458 sq.
f. 86—88. Judicium Paulini Patriarchi Foroiuliensis De Haistulfo
Qui Uxorem Suam- Occidit Causa Adulterii Propter Unius Testi-
monium. Dieses Gutachten bildete eine Beilage zu dem fol-
genden Briefe Rabans.
f. 88v — 89v. Sanctis fratribus qui sunt in ecclesia argentariae
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an Bischof Ratold von Slrassburg .
213
ciuitatis simul cum chorepiscopo suo Babanus seruus seruorum
dei in christo salutem. Nuper ad nos litterae etc. Aus diesem
cod. von Färinger (1837) an Fr. Kunstmann mitgetheilt (theol.
Quartalschrift. 1838. S. 444) nud abgedruckt in »Hrabanus
Magnentius Maurus,*' Mainz 1841. S. 213 — 215 *).
f. 90 — 91. Synode von Erfurt. Cfr. Quellen zur bayrischen und
deutschen Geschichte. Bd. I. München 1856. S. 410.
f. 92. »Sacramentum quod Domnus Papa Leo juravit.« Baronius
ad a. 800, 5. Mansi XIII, 1046 sq.
f. 92v. Zwei Excerpte aus Hieronymus und eines aus Beda. Daran
schliesst sich der Priestereid : Daz ih dir hold pin. N. demo
piscophe etc. Mütlcnhoff und Scherer , 1. c. Nr. 68. p. 168
und 480.
f. 93 — 98. Incipiunt Regulae Fidei Catholice Contra Omnes He-
reticos.
Et quam maxime contra priscillianos , quam episcopi tarraco-
nenses, cartbaginenses , lusitani et betice fecerunt et cum pre-
cepto pape urbis leonis ad balconium episcopum galliciae trans-
miserunt. Ipsi etiam et superscripta uiginti canonum capitula
statuerunt in concilio toletano.
f. 98— lOOv. Eine Predigt aufs Allerheiligeufest.
Ausserdem ist mir bekannt, dass sich unser Brief, ebenfalls
selbstständig, findet im
Cod. Vatican. 3832. mbr, in fol. raax. saec. XI. XII.
f. 142v. Rodulpho Argenteae recensis. — Der cod. ist beschrieben
v. Thiel, Epistolae Romanorum Pontificum genuinae. T. I.
Brunsbergae 1868. p. XXXII sq.
2) Auffällig in dem Briefe ist die dem Muttermörder Thiotar
gestattete Fortsetzung seiner (legitimen) Ehe während der Dauer
seiner öffentlichen Busse. Wir haben §. 2. und 4. daran, dass
Pseudo-Nicolaus mit der Wormser Synode den öffentlichen Büssern
allgemein die Fortsetzung ihrer Ehen gestattet, einen der Wider-
sprüche entdeckt, in welchem sich die Briefe mit echten Decretalen
des Papstes befinden und ihn für den Beweis der Unechtheit der-
selben mitverwertbet. Dennoch dürfen wir deshalb, weil Nicolaus
gegen den Muttermörder Thiotar eine gleiche Indulgenz übt, nicht
auf die Unechtheit des Erlasses an B. Ratold schliessen. Denn
jener Widerspruch des Ps.-Nicolaus gegen echte Decretalen Ni-
1) Vorher noch aus dem cod. Guelpherbyt. (inter Heimst. 454) saec. X.
in 4°. edirt von 'Wasserschieben, Beiträge, S. 164 f. cfr, S. 29 f.
214
Sdralek, Dtr Brief Nicolaus I.
colaus I. beruht lediglich in der Allgemeinheit seiner Bussnormen:
darin, dass Ps.-Nicolaus generell und der Regel nach die Fortsetzung
der Ehe für öffentliche Büsser erlaubt , befindet er sich in Gegen-
satz zu Nicolaus I., welcher sie der Regel nach und generell ver-
bietet und nur ausnahmsweise gestattet; die Entscheidung darüber,
wann die Ausnahme eintreten soll, überlässt Nicolaus I., wie das
im Wesen von Disciplinargesetzen liegt, dem discretionären Gut-
achten der Busspriester z. B. im Falle der Jugend des Büssers.
Wenn daher Nicolaus J. dem Muttermörder die Fortsetzung seiner
Ehe gestattet, so können die Bedenken an der Echtheit des Erlasses
durch die naheliegende Annahme eines praktischen Ausnahmefalles
begründet abgewiesen werden. Thiotar kann ein jugendlicher Mör-
der gewesen sein und sich der gewährten Indulgenz bei Nicolaus
schon durch seine Busswallfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten
würdig erwiesen haben; derselbe Grund bewog ja den Papst, nach
seiner eigenen, wiederholten Erklärung, nicht nur zu einer wirk-
samen Intercession für Graf Balduin von Flandern, sondern auch
schliesslich dazu, diesem Entführer der westfränkischen Princessin
gegen die langjährige Opposition der Eltern Judiths und der west-
fränkischen Bischöfe, namentlich Hinkmars, die Heirath mit der
Entführten ohne jede öffentliche Busse durchzusetzen.
3) Die correctores Romani bemerken zu unserm Brief: Poeni-
tentia parricidarum, quae hic praecipitur, habetur in conc. Wor-
maciensi c. 30. Ihre Beobachtung ist dahin zu beschränken, dass
die Wormser Synode die Verwandtenmörder nur auf zwei, Nicolaus
aber auf drei Jahre von der Communion ausschliesst und dass der
siebenjährige Ausschluss dieser Categorie von Mördern von dem
Recht, Oblationen darzubringen, im Wormser can. 30. gar nicht
erwähnt wird. Im Uebrigen aber tritt die Verwandtschaft des
can. Wormat. mit dem Briefe Nicolaus I. nicht nur durch den Bau
desselben, sondern auch durch den Wortlaut so hell zu Tage, dass
man sich der Einsicht nicht verschliessen mag , dass die Synode
hier den Brief des Papstes an Ratold, welcher in Worms auch an-
wesend war, benützt und die disciplinare Neurung auf Grund dieses
Briefes vorzunehmen gewagt habe, indem sie unrechtmässiger Weise
Busssätze eines Indulgenzbriefes zu allgemeinen Bussgesetzen er-
hob. Noch weiter schritt der Fälscher des ersten Briefes an Erz-
bischof Karl von Mainz vor, indem er, gestützt auf jenes Verhältniss
des Briefes an Ratold zu dem can. 30. Wormat., aus dem letzteren
und einer Anzahl anderer Wormser Canones einen Brief Nicolaus I.
compilirte; er hat sich in seiner Berechnung, man würde auch bei
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an Bischof Ratold von Slrassburg. 215
allen andern Canones, die er recipi rte, dasselbe Verhältnis voraus-
setzen , wie es zwischeu c. 30.,* und einer echten Decretale existirte,
nicht getäuscht. Sein glücklicher Erfolg reizte sogar andere zur
Nachahmung und so entstand in Deutschland eine Gruppe von ge- '
tälschten Briefen Nicolaus I. aus dem Inhalt Wormser Canones.
Breslau , im November 1881.
Zum Schluss habe ich noch der angenehmen Pflicht zu ge-
nügen, den hochwürdigsten Herren Prälaten für die mir freundlichst
gewährte Benützung der Stiftsbibliotheken und Archive und für die
mir erwiesene Gastfreundschaft, den Herren Bibliothekaren aller von
mir besuchten Bibliotheken für die liebenswürdige Art, mit der sie
mir bei Benützung der Bibliotheken zur Hand gegangen sind, meinen
ergebensten Dank zu sagen.
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21G
, XVI.
Zur Interpretation des Trienter Coneils-Decrets ,.Tametsi.“
Von P. Mittermüller.
Gegenbemerkungen von Prof. Dr. Silbernagl.
Herr P. Mittermüller tritt im Archiv (Bd. 47. S. 109 ff.)
einer in unserem Lehrbuche des Kirchenrechts (S. 477) aufgestellten
Ansicht bezüglich der Giltigkeit der von Protestanten ohne Be-
obachtung der tridentinischen Trauungsform geschlossenen Ehen ent-
gegen. Die Redaction des Archivs hat uns nun gebeten, etwaige
sachliche Gegenbemerkungen zu machen, und obschon wir Jedem
gerne seine Ansicht lassen, so wollen wir doch für dieses Mal der
Bitte entsprechen. Herr P. Mittermüller behauptet, dass nur jene
Protestanten vom Decrete »Tametsi« frei seien, welche zur Zeit der
Verkündigung in Pfarrbezirken wohnten, denen kein katholischer
Priester mehr Vorstand, sei es, dass der katholische Pfarrer mit seiner
ganzen Gemeinde abgefallen war, sei es, dass die weltliche Macht
keinen katholischen Geistlichen mehr duldete oder dass aus andern
Ursachen sich keiner mehr halten konnte. Doch auch diese Pro-
testanten waren nicht deshalb und dann frei, weil oder wann sie
etwa eine organisirte Pfarrgemeinde bildeten, sondern weil in diesen
ehemals katholischen Pfarrbezirken das tridentinische Decret eben
nicht publicirt wurde.
Würde diese Behauptung des Herrn P. Mittermüller richtig
sein, dann Hesse sich die beschränkende Clausel, dass das fragliche
Decret erst 30 Tage nach seiner Publication wirksam werden solle,
nicht begreifen , denn dass ein Gesetz da, wo es nicht publicirt wor-
den , keine Geltung habe , ist von selber klar. Nun steht es aber
fest, das3 die Väter des Trienterconcils diese Clausel nur der Pro-
testanten wegen beigefügt und dadurch die Gesetzeskraft dieses Dc-
crets von der Acceptatiori seitens derselben abhängig gemacht haben.
Diese Absicht des Concils setzt es aber auch ausser jedem Zweifel,
dass in seiner beschränkenden Publications-Clausel nicht allein die
katholischen, sondern auch alle akatholischen Pfarreien zu verstehen
sind. So fasst P. Benedict XIV. selber (Synod. Dioeces. L. VI.
c. 6. Nr. 9) die Sache auf, und die Richtigkeit dieser Anschauung
ergibt sich aus dem Schreiben des P. Pius VII. an Kaiser Na-
poleon I. vom 27. Juni 1805, worin es heisst: »Gesetzt aber, die
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Silbemagi, Das Irid. Uecret Tametsi u. die Ehen der Protestanten. 217
Pablication des Concilsdecrets wäre daselbst (zu Baltimore) geschehen,
so hätte dieselbe dennoch nur in den katholischen Pfarreien statt-
gefunden; wesshalb man denn auch niemals die Ungiltigkeit einer
daselbst abgeschlossenen Ehe zwischen einem Katholiken und einer
Protestantin daraus ableiteu könne, rücksichtlich welcher die Publi-
cation des Concilsdecretes nicht kann als geschehen erachtet werden.«
Damit hat also der Papst erklärt, dass eine in den katholischen
Pfarrbezirken erfolgte Publication des Concilsdecretes für die akatho-
lischen Pfarrgemeindeglieder zu Baltimore, die dort offenbar nur
innerhalb der katholischen Pfarrbezirke sich befinden konnten, nicht
verbindlich sei.
Ganz deutlich erhellt dieses aber aus einem bei Knopp (kath.
Eherecht, Aufl. 4. S. 307) angeführten Rescripte der S. Congregatio
Inquisitionis vom 29. Nov. 1852. ln demselben heisst es: »Emi-
nentissimi Inquisitores Generales, antequam in re tanti momenti
quidquam decernant, in Comitiis fer. IV. die 24. hujus mensis habitis
decreverunt, literas ad Amplitudinem Tuam dandas esse, ut certo
innotescat, num in Civitate N. fuerit decretum Concilii Trid. cap. 1.
Sess. 24. de ref. matr. rite promulgatum in singulis paroeciis; utrum
tempore ejusdem promulgationis in ea civitate extarent haeretici, qui
suos haberent ministros et ecclesias, vel potius subindo pervenerint .«
Nach P. Mittermüller’s Behauptung wäre die zweite Frage gänzlich
unnöthig gewesen, denn steht nach ihm die Publication in den katho-
lischen Pfarrbezirken fest, so sind alle in denselben wohnenden
Akatholiken, mögen sie eine Pfarrgemeinde zur Zeit der Publication
schon gebildet haben oder nicht, dem Concilsdecrete unterworfen.
Gerade aber die zweite Frage gab in dem vorliegenden Falle den
Ausschlag, denn, wie Knopp bemerkt, wurde die vor dem protestanti-
schen Pfarrer geschlossene gemischte Ehe desshalb für ungültig er-
klärt, weil die Akatholiken erst in neuerer Zeit in der betreffenden
Stadt eine eigene Pfarrei gegründet hatten.
Denselben Standpunkt nehmen die von uns citirten Entschei-
dungen der Concils- Congrega tion vom 1. December 1866 und der
Congregatio Inquisitionis vom 22. Juli 1874 ein, und nach diesen
Entscheidungen mag nun Herr P. Mittermüller seine Ansicht be-
messen.
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XVII.
Ueber die Clausur der Nonnen.
(Aus dem Eichstätter Pastoral-Blatt 1881 Nr. 46 f.)
Durch das im Archiv Bd. 46. S. 24 ff. (unter einem aller-
dings nicht vollständig zutreffenden Titel von Herrn Dr. Bellesheim)
mitgetheilte Decret des hl. Officiums (Nr. III. 1) ist die Frage ver-
anlasst worden , ob die dort gegebene Entscheidung auch von deu
bei uns bestehenden Frauenklöstern zu verstehen sei, und welches
überhaupt die Bestimmungen der Constitution »Decorit des Papstes
Pins V. seien? - . ■
Letzteres löst sich einfach durch den Tenor der genannten
Constitution vom 1. Februar 1570, den wir mit Ausnahme der bei-
den Schlussparagraphen folgen lassen.
Pins PP. V. Ad perpetuam rei memoriam. Decori et hone-
stati omnium monialium quarum Jesus Christus Dominus noster
sponsus et ut in puritate et castitate super aedificantes in ipso feli-
citer inhabitare valeant, consulentes, ea quae illarum existimationi
detrahere possent decet Nos consulto submovere.
§. 1. Sane periculo et scandalo plena res est ac regulari
obgervantiae vehementer adversatur, moniales aliquando parentes,
fratres, sorores aut alios agnatos vel cognatos necnon monasteria et
alias filiationes nuncupata etiam eis subjecta visitandi aut infirmi-
tatis causa aliove praetextu a monasteriis exire et per saecularium
personarum domos discurrere et vagari quo veluti colore eximium
quoque honestatis et pudicitiae decus in discrimen committunt.
§. 2. Unde nos malo huic pro nostro pastoralis officio debito
salubriter occurrere volentes, inhaerentes etiam decreto s. Concilii
Trid. de clausura monialium disponentis ac aliis nostris literis super
hujusmodi clausura editis adjiciendis volumus, sancimus et ordina-
mus nulli Abbatissarum, priorissavum aliumve monialium etiam Car-
thusiensium, Cisterciensium , s. Benedicti et Mendicantium et quo-
rumcumque aliorum ordinum etiam militiarum ac statuum, graduum
et conditionum, dignitatum ac praeeminentiarum existentium, etiam
a regia vel illustri prosapia ortarum, de cetero, etiam infirmitatis
seu aliorum monasteriorum etiam eis subjectorum aut domorum,
parentum aliorumve consanguineorum visitandorum aliave occasione
et praetextu (nisi ex causa magni incendii vel infirmitatis praeter
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Leber die Clausur der Rönnen. 219
alios ordinum superiores, quibus cura monasteriorum incumberet,
etiam per Episcopum sen alium loci Ordinarium, etiam si praedicta
monasteria ab Episcoporum et Ordinariorum jurisdictione exempta
e8se reperiantur, cognita et expresse inscriptis approbata), a mona-
steriis praefatis exire, sed nec in praedictis casibus extra illa nisi ad
necessarium tempus stare licere. Aliter autem quam ut praefertur
egredientes seu licentiam exeundi quomodocumque concedentes necnon
comitantes ac illarum reeeptatrices personas, sive laicas aut saeculares
vel ecclesiasticas, consanguineas vel non, excommunicationis majoris
latae sententiae vinculo statim eo ipso, absque aliqua declaratione,
subjacere, a quo praeterquam a romano Pontifice nisi in mortis ar-
ticulo absolvi nequeant, ut insuper tam egressas quam praesidentes
et alios superiores praedictos eis licentiam hujusmodi concedentes
dignitatibus, officiis et administrationibus, per eas et eos tunc ob-
tentis, privamus et illas et illos ad obtenta et alia inposterum obti-
nenda inhabiles declaramus.
In der Eingangs citirten Entscheidung wird nun auf die Frage:
ob die in der Constitution Apostolicae Sedis wiederholte Censur, welcher
Klosterfrauen verfallen, die aus der Clausur in anderen als den von
der Constitution »Decori« festgesetzten Fällen treten , auch für
Deutschland, speciell für Bayern, Geltung habe, nachdem dort seit
unvordenklicher Zeit die Gewohnheit besteht, dass den Nonnen vom
Bischöfe der Austritt aus der Clausur aus wichtigen Gründen ge-
stattet wird, ohne dass diese Gründe gerade in den engen Gränzen
der Constitution »Decori« enthalten sind, ob also diese Gewohnheit
aufrecht erhalten werden könne oder ob sie als abrogirt betrachtet
werden müsse? — die Antwort gegeben, es sei diese Gewohnheit
nicht zu Recht bestehend.
In wie weit nun diese Entscheidung auf die bei uns bestehen-
den Frauenklöster sich bezieht, ist im Allgemeinen schon in der
kurzen Erklärung der Constitution »Apostolicae Sedis« gesagt, die
wir früher (Pastoralbl. 1872 Seite 136 f.) mitgetheilt haben. Dort
heisst es, dass es sich bei der betreffenden Censur nur um solche
Frauenhlöster handle, welche päpstliche Clausur haben d. h. um
solche mit Clausur verbundene Orden, die mit feierlichen Gelübden
vom hl. Stuhle approhirt sind, und um ein Kloster, welches mit
päpstlicher Genehmigung errichtet ist; dass also darunter nicht jene
in Gemeinschaft lebenden Nonnen, die nur einfache Gelübde ab-
legen, und denen Clausur nur vom Bischöfe oder durch ihre Regel
oder auch durch besonderes Gelübde aufgelegt ist, zu ver-
stehen seien.
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220
Ueber die Clausur der Nonnen.
Mit andern Worten: es handelt sich um wirkliche »Klöster«
im canonischen Sinne des Wortes , nicht um klosterförmig einge-
richtete Institute.
Es ist nämlich im canonischen Hechte ein grosser Unterschied
zwischen Orden (Ordo oder Religio), Ordensperson (Religiosus, Re-
gularis , monialis ) und jenen neueren Instituten , bei welchen man
gemeinhin allerdings auch von Kloster, Klosterfrauen oder Nonnen
spricht.
Diese neueren religiösen Yraaminstitute siud von den wirk-
lichen Frauen-Orden sehr verschieden und muss diese Verschieden-
heit im Auge behalten werden, wenn die Anwendbarkeit canonischer
Vorschriften auf dieselben in Frage kommt.
Das ältere canonische Recht enthält von religiösen Frauenge-
nossenschaften , wie wir sie jetzt so zahlreich haben , so viel als
Nichts; es beschäftigt sich nur mit den eigentlichen kirchlichen Or-
den. Auch das Tridentinum (cap. 25. de reform.) übergeht sie fast
ganz, obgleich damals schon einige bestanden, besonders die Oblaten
der hl. Franziska Romana (Conservatorium ad turrem speculorum in
Urbe). Erst in neuester Zeit und nachdem der hl. Stuhl veranlasst
war, über die Angelegenheiten solcher Genossenschaften mehrfache
Entscheidungen zu geben, haben sich bestimmte rechtliche Verhält-
nisse derselben herausgebildet.
Eine in dieser Hinsicht bahnbrechende Schrift ist die des
jetzigen. Herrn Doraeapitulars Dr. Bernhard Schels (Die neueren re-
ligiösen Frauengenossenschaften nach ihren rechtlichen Verhältnissen.
Schaffhausen. Hurter 1857) und wir folgen derselben in Bezug auf
die Darstellung der Verschiedenheit wirklicher kirchlicher Frauen-
orden von den blossen religiösen Fraueninstituten.
Orden im kirchenrechtlichen Sinne ist ein Verein von Personen
desselben Geschlechtes, welche durch Ablegung der drei Gelübde der
Armuth, Keuschheit und des Gehorsams in einer von dem heiligen
Stuhle approbirten Genossenschaft auf Lebensdauer sich verpflichtet
haben, ihr Leben nach einer gleichfalls vom hl. Stuhle approbirten
Regel einzurichten.
Die Approbation eines Ordens durch den hl. Stuhl hatte nach
früher allgemeiner kirchlichen Disciplin die Solennizirmg der darin
abgelegten Gelübde zu Folge. Die Feierlichkeit der Gelübde steht
also mit dem Begrifle »Orden,« »Kloster,« »Ordensperson« in so
enger Beziehung, dass der Name »Religiosa — monialis« nur solche
bezeichnet, welche durch feierliche Gelübde sich zu einer kirchlich
approbirten Regel verbunden haben, ja sogar der Ausdruck »Pro-
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Lieber die Clamur der Nonnen.
221
I? '"W^* ’
fern wird kirchenrechtlich nur von der Ablegung feierlicher Ge-
lübde, niemals aber einfacher, gebraucht.
Das ist der Gesichtspunkt, den das Concil von Trient festhält,
wenn es die Klosterprofessinen als »Moniales« bezeichnet und über
ihre Gelübde, Lebensweise u. dgl. Vorschriften gibt.
Die neueren religiösen Fraueninstitute haben keine feierlichen
Gelübde, entbehren also der Grundbedingung eines Ordens im kirchen-
rechtlicheu Sinne und sind daher ganz verschieden von jenen Or-
densgenossenschatten , mit welchen das Tridentinum in seinen Be-
stimmungen »de monialibus< sich beschäftigt.
Mau sieht dieses deutlich aus der Verschiedenheit der Wir-
kungen der Gelübde. Eine monialis professa verliert z. B. durch
das Gelübde der Arrauth das Recht, zu besitzen und zu erwerben,
eine Sache als die ihrige zu gebrauchen oder zu benützen, sie hat
überhaupt kein Eigenthumsrecht mehr und ist bürgerlich todt. Die
Mitglieder der neueren religiösen Fraueninstitute verlieren durch das
betreffende Gelübde an sich noch nicht das Eigenthumsrecht, sie
können besitzen und erwerben. Das einfache Gelübde der Armutb
verbindet sie an sich nur dazu, dass sie auf die Dauer ihres Ver-
bleibens in der Genossenschaft den Gebrauch und die Verwaltung
ihrer Habe dem Willen der Obern unterstellen, die über sie ge-
setzt sind.
Bei Nonnen im strengen Sinne schreibt das canonische Recht
die Einbringung einer Mitgift vor, und kann hievon nur mit Er-
laubnis des päpstlichen Stuhles Umgang genommen werden. Die
neueren Institute können brauchbare Mitglieder auch ohne alles Ver-
mögen aufnehmen, oder mit ihnen oder ihren Verwandten einen
Contrakt bezüglich eines dem Institute zu erlegenden Sustentations-
beitrages abschliessen. Man nennt diesen wohl auch eine Aussteuer,
nicht aber ist das eine »dose im Sinne des canonischen Rechtes.
Bei der Gründung eines Klosters nach kirchenrechtlichem Be-
griffe ist nothwendig der Consensus des Pfarrers, der Gemeinde, nach
Umständen auch der umliegenden Klöster, des Diöcesanbischofes und
schliesslich des apostolischen Stuhles. Aus den Satzungen der neueren
Institute lässt sich nach weisen, dass von geistlicher Seite bei deren
Gründung lediglich die Genehmigung des Diöcesanbischofes gefor-
dert wird, und dass die Angelegenheit nur dann an den hl. Stuhl
gebracht wird, wenn der neuen Fundation Schwierigkeiten , worüber
mit dem Diöcesanbischofe eine Verständigung nicht erzielt wird, er-
wachsen sind.
Nach canonischem Rechte darf kein Frauenkloster errichtet
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lieber die Clausur der Können.
werden, wenn nicht wenigstens zwölf Nonnen darin wohueu können
und einen gesicherten hinreichenden Unterhalt haben. Für die
neueren Institute wäre diese Bestimmung oft ganz unausführbar
und wird daher davon Umgang genommen.
Alle wirklichen Frauenklöster (monasteria monialium) haben
neben den feierlichen Gelübden die canonische oder päpstliche Clausur,
wie Bonifaz VIII. sie angeordnet, Pius V. und Gregor XIII. sie wie-
derholt eingeschärft und das Tridentinum sie allen solchen Klöstern
zur Pflicht gemacht hat. Nur ausnahmsweise ist den neueren In-
stituten die Beobachtung der päpstlichen Clausur gur Vorschrift
gemacht; was sie haben, ist bloss eine mehr oder minder strenge
Nachahmung der canonischen Clausur.
Die eigentlichen Klöster, auch wenn sie eine Regel mit andern
haben z. B. der Bcnedictinerinen , Dominicanerinen u. dgl. sind
keine Töchterhäuser , Filialen eines Mutterklosters, von dem sie aus-
gingen, sondern, sobald gegründet, sind sie selbstständig und von
einander unabhängig. Dagegen bilden die neueren Frauencongrega-
tionen, wenn auch noch so weit verzweigt, eine einzige Societät,
machen zusammen Ein Haus und eine einzige Familie aus und
stehen unter der Oberleitung einer Generaloberin , die in einer vom
hl. Stuhle geregelten Abhängigkeit von den einzelnen Diöcesan-
bischöfen steht.
Es ist daher evident, dass diese neueren Institute keine eigent-
lichen Orden (Ordo, Religio), dass ihre Häuser keine Klöster (mo-
nasteria) und ihre Mitglieder keine Nonnen (moniales, personae reli-
giosae) sind, sondern dass sie personae saeculares bleiben, wenn auch
mit dem Charakter Jcirchlicher Personen.
Allerdings diese Institute haben eine Approbatio vom hl. Stuhle
erhalten oder werden sie seiner Zeit erhalten. Allein es ist der
Sinn dieser Approbatio wohl zu berücksichtigen.
Es ging lange her, bis der hl. Stuhl solche Genossenschaften,
welche keine feierlichen Gelübde ablegten und die damit unzer-
trennlich verbundene canonische Clausur nicht beobachteten, als zu
Recht bestehend betrachtete.
Als diese weiblichen Vereine aofingen, in der Form klöster-
licher Genossenschaften zu leben und der Ausübung der Werke christ-
licher Nächstenliebe durch Erziehung und Krankenpflege ihre Thä-
tigkeit zuzuwenden, womit die canonische Clausur unverträglich war,
sah sich die Kirche genöthigt, im Hinblicke auf diese segensreiche
Wirksamkeit, Umgang von dor Bestimmung der Bulle »Circa Pa-
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Ueber die Clausur der Nonnen.
223
storalis« von Pius V. zu nehmen, welche alle Frauenklöster ohne Clausur
als aufgehoben erklärte. Sie wurden wenigstens tolcrirt.
Es wurden auch die Begeh t solcher Institute gutgeheissen,
aber nur in der Weise, wie der hl. Stuhl sonst auch Regeln für
Seminarien, Bruderschaften und fromme Vereine 'gutheisst, ohne dass
derlei Häuser oder Vereine dadurch religiöse Orden würden, und
niemals fehlte bei solchen Gutheissungen der Beisatz: »Citra tarnen
approbationem Instituti« oder: »Caeterum non intendimus, per hoc
Institutum ipsum in aliquo approbare.«
Erst in neuester Zeit, als in den modernen Staaten einerseits
der Bestand der alten religiösen Orden unsicher, anderseits die
neueren Franengenossenschaften sehr zahlreich wurden, auch der
hl. Stuhl sich wegen der politischen Gesetzgebungen genöthigt sah,
anzuordnen, dass die Ordensfrauen in Deutschland und Frankreich
nur einfache Gelübde ablegen sollten, ist die bisher übliche Formel :
Citra tamen approbationem Instituti weggefalleu, und wird der Aus-
druck »Approbation« auch auf die Institute selbst angewendet, ohne
diese dadurch zu religiösen Orden zu erheben.
. Man muss daher zur Zeit eine doppelte Approbation unter-
scheiden: die eine ist das Resultat der über den Zweck und die
Motive und die Moralität eines Institutes angestellten Untersuchung,
gleichsam der richterliche Ausspruch des höchsten kirchlichen Ge-
richtshofes, dass die nach klösterlicher Art lebende Genossenschaft
erlaubt, fromm, lobensivüidig sei, ohne dass ihr durch diesen Aus-
spruch das eigentliche Ordenswesen raitgetheilt würde.
Die andere erhebt eine solche Genossenschaft überdiess zum
Range eines kirchlichen Ordens und versetzt ihre Angehörigen in
den eigentlichen Ordensstand (Statum regularem).
Die den neueren Fraueninstituten gegebene Approbation ist also
nicht eine solche, welche die eigentlich kirchlichen Orden charak-
terisirt, sondern nur eine Erklärung, wodurch der hl. Stuhl dieselben
für fromm, lobenswürdig , erlaubt erklärt und ihre Institution ge-
nehmigt, wie er sonst auch Seminare, Convicte, fromme Vereine an-
erkennt und bestätigt.
Und nicht alle unsere neueren Fraueninstitute haben selbst
diese Approbation schon. Der hl. Stuhl geht hierin mit äusserster
Versieht zu Werke. Er ertheilt bei der ersten Instanz um Ge-
nehmigung, nachdem über das Wirken des Institutes bereits Er-
fahrungen vorliegen, zunächst nur ein decretum laudationis, worin
dem Institute die Anerkennung seines bisherigen Wirkens ausge-
sprochen und dasselbe ermuntert wird , auf dem bisherigen Wege
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Ueber die Clauaur der Nonnen.
fortzufahren. Dann folgt das decretum adprobationis, wodurch zwar
das Institut gntgeheissen , dessen Regeln und Constitutionen aber
noch nicht anerkannt werden. Erst im dritten Grade wird die Regel
päpstlich vorgeschrieben und im vierten Grade das Institut und seine
Regel kirchlich gntgeheissen.
Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, dass die bei uns be-
stehenden weiblichen Ordensgenossenschaften, von denen die meisten
nicht einmal eigene Häuser besitzen, sondern deren Thätigkeit nur
von den Gemeinden in Anspruch genommen wird, nicht unter die
»moniales« im Sinne des Eingangs citirten Decretes des hl. Offieiums
zu rechnen sind, weil deren Gelübde kein feierliches, sondern nur
ein einfaches Gelübde , und weil ihre Clausur nicht die päpstliche
oder canonische, sondern nur eine bischöfliche oder von der Regel
auferlegte ist.
Allerdings gibt es noch Frauenklöster, welche durch die Sä-
cularisation zwar supprimirt und ihrer Dotation beraubt wurden, sich
jedoch in ihren zum Absterben verurtheilten Mitgliedern so lange
erhielten, bis besser gesinnte Zeiten ihnen die Aufnahme neuer No-
vizinnen und das Fortbestehen in den früheren Klostergebäuden,
welche freilich nicht wieder ihr Eigenthum wurden, gestatteten.
Allein um diese Fortexistenz möglich zu machen, mussten diese
Klöster sich dazu verstehen, die öffentlichen Mädchenschulen zu über-
nehmen, obwohl dazu ihre alten Ordensregeln und die Vorschriften
über Beobachtung der Clausur nicht passten. Durch Eingriffe der
Staatsgewalt wurde es auch unmöglich gemacht, die Ablegung der
früheren feierlichen Gelübde fortzusetzen und es wurde nothwendig,
die Bischöfe in Bezug auf solche Klöster mit besondern Vollmachten
zu versehen.
Das auf die Diöcese Eichstätt bezügliche Decret vom 2. April
1841 findet sich in A. Bizzarri Collectanea in usum Secretoriae S.
Cong. Episcoporum et Regularium. Romae 1863. pag. 513 sq. und
sind in deutscher Uebersetzung bereits im Archiv Bd. 8. S. 217 ff.
mitgetheilt.
Diesem Decrete zufolge konnten also in den älteren Frauen-
klöstern der Diöcese Eichstätt, welche ihre Existenz einigermassen
gerettet hatten, noch feierliche Gelübde abgelegt werden. Bekannt-
lich aber haben die Verhältnisse es nothwendig gemacht, unter Zu-
stimmung des heiligen Stuhles, auch hier bei den einfachen Gelübden
stehen zu bleiben.
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XVIII.
Neuere Entscheidungen der s. Congr. Indulgentiarum und ver-
wandte römische Entscheidungen.
Mitgctheilt von P. Jos. Schneider S. J.
1. Decr. d. d. 16. Dec. 1760.
(Camerinen.)
In ecclesia Abbatiali Plebis Taurinae, Camerinen. dioecesis
multis abhinc annis canonice erecta fuit Via Crucis, et parietibus
appositae fuerunt stationes decenter pictae ornataeque cum parvulis
crucibus auro linitis. Nunc vero occasione fabricae, ne cruces, et
stationes pulvere sordescerent, per D. Abbatem remotae fuerunt,
earum loco aliis vulgaribus stationibus suffectis. Hac de causa ma-
xima orta est inter populum contentio super indulgentiarum acquisi-
tione. Quamobrem sequeutia dubia examinanda proponit:
I. An in ecclesia, ubi canonice erecta est Via Crucis, si sta-
tiones et cruces renoventur vel mutentur, cessent indulgentiae, ac
proinde opus sit nova erectione seu approbatione?
II. An ad tempus ablatis et pernotis ab ecclesia stationibus
indulgentiae ab iis acquirantur, qui iu dicta ecclesia tanquam si sta-
tiones et cruces exstarent, exercitium devote peragunt?
III. An t si dictae stationes et cruces remotae ut supra appo-
nantur in parietibus sacrarii seu oratorii sub diverso tecto, vel alte-
rius ecclesiae, lucrentur indulgentias pium peragentes exercitium ante
easdem stationes in praedictis locis ad tempus repositas?
IV. An qui exercitium Viae Crucis peragunt et illud ad mo-
dicum tempus interrumpunt, puta ad audiendum Sacrum , ad sum-
mendura Eucharistiam, ad Confessionem faciendam etc. indulgentias
lucrentur, si illud prosequantur, vel ad indulgentiae acquisitionem
oporteat his in casibus illud ab initio reassumere?
Ad proposita dubia evolvenda praemittere necesse est, indul-
gentiam pro exercitio Viae Crucis concessam, et localem esse et rea-
lem; localis, utpote concessa alieni determinatae ecclesiae, realis
quia adfixa est crucibus benedicendis per sacerdotem Ordinis S.
Francisci, a quo applicatur praelaudatum exercitium pie obeuntibus.
His praemissis censebat- K. P. Antonius Maria Mazzei nuper e vivis
sublatus, hujus sacrae Congregationis Consultor, ab eadem pro voto
requisitus, ad primum respondendum esse negative; quia indulgentia
Archiv fur Kfrchcnrccht. XLVII. 15
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226 Decr. Cungr. Indulg. d.d. 16. Uec. 1760 ; 7. Junii 1842.
uti diximus, est localis, iis nempe concessa, qni in antedicta
minata ecclesia exercitium Viae Crucis peragunt, nihilque'obest ad
lucrandas iudulgentias , si imagines et cruces, (dummodo sint bene-
dictae) affabre pictae vel minoris sint pretii; non enim in pretio, sed
in meditatione Passionis Christi comparatur meritum. Ad secundum
etiam negative. Nam indulgentia utpote affixa crucibus est realis,
adeoque non debent hae penitus auferri, sed esse praesentes. Ad
tertium pariter negative. Quum enim indulgentia Viae Crucis sit
etiam localis pro enunciata determinata ecclesia, cessant indulgentiae,
si alieno sub tecto alio ve in loco pium exercitium agatur. Etenim
indulgentiae affixae loco desinunt, si alius adstruatur locus. (La
Croix V. de indulg. pag. 244. n. 1383. §. 2.) Ad quartum affir-
mative quoad primam partem, et consequenter negative nd secundam.
In his vero casibus, quando actiones, et praesertim si bonae et salu-
tares, moraliter et notabiliter pium exercitium non interrumpunt.
Quibus perpensis humillime petitur ab EE. VV. definitiva super
expressis quaesitis responsio.
Sacra Congregatio die 16. Decembris 1760 respondit:
Ad I. Negative juxta modum, et ntodus est, ut, quodsi reno-
ventur et mutentur, salva substantia, negative simpliciter, ut supra ;
si non salva substantia negative pariter, sed dummodo novae cruces
denuo benedicantur ad formam Constitutionum.
Ad II. Negative.
Ad III. Negative quoad diversas ecclesias: in reliquis recur-
rant in casibus particularibus.
Ad IV. Affirmative ad primam partem, dummodo notabiliter
et moraliter exercitium hujusmodi non interrumpant. Negative quoad
secundum, et ideo nou opporteat in his casibus illud ab initio reas-
sumere.
2 . . Decr. d. d. 7. Junii 1842.
Quaedam sanctissimi Rosarii sodalitas in dioecesi Cameracensi
dubium solvendum Sac. Congr. proponit ut infra:
Altare sanctissimi Rosarii privilegiatum putatur a jure pro
sacerdotibus sodalibus; at vero in ecclesia dictae sodalitatis plura
existmt altaria, minime vero illud B. M. V. de Rosario dicatum;
quid ergo sentiendum de tali privilegio in öcclesia hujusmodi altari
carente?
Sac. Congregatio, auditis Consultorum votis, respondit:
Sodalitates canonice erectae privilegiis et indulgentiis gaudent
illorum Ordinum Regularium, quorum fruuntur titulis juxta Consti-
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PISS*.' 'Congre Jruinlg. d. (/. 30. Jan. 1343; 20. Mart. 1S46
tutionMH. m. Clementis VIII./ ita sacerdote* sodalitati sanctissimi
Rosarii adseripti (/‘indent privilegio altaris eo modo , quo presbyteri
Ordinis Praedicatorum , qui in rcspeclivis eorum ecclesiis habent
privilegiatum altare I>. M. V. de Rosario dicutum; cum vero privi-
legium hoc \ sjit turdum locale , minime vero personale, sequitur, quod
ea ecclesia sodalitatis Rosarii , ubi hoc alture non reperitur, privi-
l er /io quoque altaris omyino carcat, nisi tamen in decreto erectionis
sodalitatis hujusimsU facultas tradita sit Ordinario aliud altare ad
hunc finem (designandi l ). . • . .,r i
ilU'l't Die 7. Juuii 1842. f(l . . ......
3. Decr. d.d. 30. Januar. 1843.
-JllJU Miwvu.n-, ;>/; ( ; . - ■ f [. j ■_ . Mj ..I, . ,.../>
-o ; : Superior Seminarii S. Petri, civitatis Itutheiiensis, expostulat a
Sae, Congregatione, an indultum Apostoli cum, quod specificat quas-
dam indulgentias cuidam sodalitati concessas, excludat alias indul-
geutias non specificatas in praefato. induito, quarum tameu meutionetu
faciunt nonnulli auctores de indulgentiis pertractantes?«
Sac. Congregatio respondit »Standum esse verbis indulti, ex
qua, si nulla sit expressa conditio, v. g. dummodo nulla alia indul-
gentia reperiatur concessa, aut similia ctc., eruitur, firmas remanere
singulas indulgentias etiam praecedenti tempore elargitas, de quibus
mentio quoque apud auctores de indulgentiis pertractantes.« Ita Sac.
Congreg. declaravit die 30. Januarii 1843. .
4. Decr. d. d. 20. Mart. 1840.
i. .•».••• .f*
; Dmineutissimi et Reverendissimi Domini. Marianus Verhoeven,
presbyter archidioecesis Mechliuicnsis, in universitate catholica Lo-
vanien. iu Belgio ss. canonum professor publicus ordinarius,, Vobis,
Eminentissimi et Reverendissimi Principes, humiliter exponit, S. Con-
gregationem Indulgentiis sacrisque Reliquiis praepositam die 15. De-
cembris 1841 resolutiouem dedisse super dubio, quod his verbis pro-
posuit Orator : Quaeritur, si a s. Sede indultum locale altaris pri-
vilegiali conceditur, neque ulla facta sit mentio nec in supplici
libello, nec iu rescripto de qualitate altaris, sitne fixum scilicet vel
portatile, au altare censeri possit privilcgiatum, etiamsi sit poriatile?
S. Congregatio Indulgentiis sacrisquo Reliquiis praeposita responden-
dum consuit ; Negative, excepto casa indulti altaris pnvilegiati
personalis, quo frui potest sacerdos in quocumque altari, sive locali
1) Die h. Ablasscongregation nimmt also an, dass eine Kirche gar wohl
ecclesia sodalitatis Rosarii sein könne, auch ohne dass in ihr ein altare Ro-
sarii sich finde. v • . . i .
15*
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228
Uecr. Congr. lnduly. d. d. 20. Mart. 184G.
sive portalili celebraturus. Datum Romae ex Secretaria S. Congreg.
etc. die 15. Decembris 1841.
Ex hac resolutione conjecit Orator, verba » altare fixum seu
locale et potiatile altaret a Sacra Congregatione indulgentiarum in-
tellecta fuisse eo sensu, quo a scriptoribus de rebus liturgieia passim
intelligi videntur, scilicet ad propriam fixi seu localis altaris ratio,-!
nem non sufficere firmum terraeque fixum fundamentum , nisi ita
stabiliter pars inferior cnm superiore mensa connectatur, ut unum
simul compositum efficiant; sed illam esse formam altoris fixi seu
localia, quam libri Pontificales et Caeremoniarii supponunt, dum al-
taris immobilis consecrationem describunt; altare autem illud por-
tatile haberi et esse, quod licet stabilem parieti terraeque affixam
structuram exhibeat, ejus tamen mensa unum corpus non constituit
cum subjecta lapidum strue, et cujus superposita mensa seorsim a
reliquo aedificio consecratur, et si mensa ista amovetur a sustenta-
culo, cui aptatur, consecrationem non amittit.
Dubitat vero Orator, an hoc et non alio sensu verba *altarc
fixum scu locale ct portotile intelligenda sint in praedicti resolutione
dubii, cum non ita pridem a Rmo et Emo Praefecto S. Congrega-
tionis de Propaganda Fide data fuerit resolutio, quae difficulter
componi potest cum resolutione praelaudata S. Congregationis Indul-
gentiarum, si verba ista intelligi debeant prout supra ex scriptoribus
liturgicis definita sunt. Sinant Eminentiae Vestrae, ut Orator hic
adjiciat apographum litterarum , quae in hanc rem ad S. Congrega-
tionem de Propaganda fide datae fuerunt, una cum apographo re-
sponsi ab Emo et Rmo Praefecto ejusdem Congregationis subscripti.
Litterae sunt : » Exponit humiliter Eminentiae Vestrae Vicarius Apo-
stolicus Limburgensis in Neerlandia, in suo vicariatu , sicut et in
omnibus locis vicinis altaria in ecclesiis plerumque ita construi, ut
fixa et immobilia, alicui Sancto dicata , in eodem loco vel in eadem
capella remaneant , sed in mensa altaris cavitatem quadratam ha-
beant , in qua lapis consecratus collocatus est, qui quamvis natura
sua portatilis , tamen semper eidem ditari fixo impositus permanet.
Stante hac altaris constructione agitatur in clero quaestio , an
quando cuidam altari determinato Sancto dicato indultum altaris
privilegiati ad tempus vel in perpetuum conceditur, privilegium con-
cessum censeatur lapidi consecrato, qui, licet altari fixo destinatus
et impositus, tamen, cum sit natura sua portatilis, ad aliud altare
fixum transferri eique imponi potest ; an vero privilegium censeatur
concessum altari immobili in loco determinato cotistructo et alicui
Sancto specialiter dedicato, ita ut, si lapis consecratus propter legi-
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Dtcr. Conyr. Indulg. d. d. 20. Julii 1868.
229
timum motivuni ab altari fixo amoveatur, eigne alius lapis consecrar
tus substituatur, tamen altare fixum privilegiatum remaneat? Ut
cleri (lUbium tollatur et nulla remaneat inccrtitudo , an altaria sint
privilcgiata , an non, humillime Orator postulat Sacrae Congrega-
tionis de Propaganda Fide responsum super exposita quaestione.*
Respondetur : » Privilegium altari conceditur, non lapidi, cui unus
alteri pro necessitate vel opportunitate suffici poterit.* J. Ph. Cani.
Fransonius, Praef. S. Oongr. de Propag. Fide.
Humiliter itaque proponit Orator dubium : I. An in resolutione,
de qua supra, data a S. Congregatione Indulgentiis sacrisque Re-
liquiis praeposita die 15. Decembris 1841, per verba »altare fixum
seu locale* intellexit altare fixum, prouti supra ex scriptoribus de
rebus liturgicis definitum est, ct quatenus affirmative. II. An vox
»altare portatüe* in eadem resolutione habeat eandem significationem,
quam ex iisdem scriptoribus superius indicavit orator?
S. Congregatio indulgentiis sacrisque Reliquiis praeposita ad
praefata dubia respondit ut infra:
Ad I. Sacram Congregationem intellexisse altare fixum qui-
dem, quod a loco dimoveri non possit, sed non tamen cujus superior
pars sive mensa sit ex integro lapide, vel adeo calce conjuncta, ut
lapis consecratus amoveri non possit ; secus enim diruto altari, quod
privilegiatum concessum erat ob alicujus Sancti imaginem , post
novam constructionem novo indigeret privilegio.
Ad II. Intellexisse altare, ut dicitur , viaticum, quod constat
tantum ex unico lapide integro tantae magnitudinis, ut calicis pedem
cum paterni, saltem quoad majorem partem capere possit, vel quod
de uno in alium locum transfertur.
In quorum fidem elc.
Datum Romae ex sacrae ejusdem , Congregationis Indulgentia-
rum Secretaria die 20. Martii 1846.
Gabriel Card. Fcrretii, Praefectus.
Jacobus Gallo, Secretarius.
5. Decr. d. d. 20. Julii (18. Aug.) 1868.
Nonnunquam accidit, praesertim sacrarum missionum tempore,
ut cum sacerdos ad id legitime deputatus, scapulare B. M. V. de
Monte Carmelo aliudve fidelibus imponit, deficiant scapularia, prius-
quam omnium fidelium votis satisfieri potuerit; hinc Superior domus
religiosae Missionariorum Societatis Mariae in civitate vulgo Tur-
coing nuncupata, Archidioecesis Cameracensis , humiliter supplicavit
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230
Decr. Congr. Iudulg. <1. d. 10. Julii iS'do.
S. Congregationi Indulgentiis sacrisque Reliquiis praepositae pro se- 1
quentium dubiorum solutione. ! 'id< 1
I. Utrum unum idemque scapulare semel benedictum 1 valide
possit pluribus per vicem imponi, repetita solummodo süpinf 'Singulis
receptionis sive impositionis formula?
■ II. Utrum hujusmodi formula usurpari solita in actu imposn-
tionis scapularium essentialis sit, ut quis scapulare rite accepisse
censeatur, jusque habeat ad indulgentias illud ferentibus concessas;
an vero absque indulgentiarum dispendio possit omitti, praesertim in
morbo aliove urgenti casu?
III. Ex induito s. m. (iregorii XVI. sub die 30. Aprilis I&38
necessarium amplius uon est ad indulgentias acquirendas, ut inscri-
bantur in confratemi tatis libro nomina fidelium, qui B. M. V. de
Monte Carmelo scapulare recipiunt; quaeritur, utrum idem dicendum
de aliis scapularibus a S. Sede approbatis?
Itaque Eminentissimi Patres in Congregatione generali habita
in palatio Apostolico Vaticano die 20. Julii, audito prius Consultoris
voto, rebusque mature perpensis, rescripserunt :
Ad I. Affirmative, ita tamen, ut primum scapulare, quod
deinceps adscriptus induere debet, sit benedictura. ,, ,
Ad II. Tam ad primam , quam ad secundam partem , pro-
ferenda esse verba, quae sunt substantialia, ad formam decreti hujus
S. Congregationis diei 24. Ang\ 1844, quod sic se habet: Urbis »An
rata sit fidelium adscriptio Confraternitati B. V. de Monte Carmelo,
quae fit a sacerdotibus quidem facultatem habentibus, nou servata
tamen forma in Rituali et Breviario Ord. Cuvmelitarnm descripta ?
Sac. Congregatio respondit: Affirmative, dummodo sacerdotes facul-
tatem habentes non deficiant in substantialibus, nempe in benedic-
tione et impositione habitus ac in receptione ad Confraternitatem.
Ita declaravit S. C. die 24. Augusti 1844. • m- • *
Ad III. Negative *).
' • v /
6. Decr. d.d. 10. Julii 1869. •'■'■■■ ■
’ (Cfr. Archiv Bd. 45. S. 353 sq.)
' ’■ ■ ' " " • ■ • ** .. t. fr:i • .
1 1 1) Zum richtigen Verständnis dieser Antwort muss rflab wissen, dass
dor Consultor in seinem Votum gesagt hatte: inscriptionem ad lncraudas in-
dulgentias et gratias esse conditionem essentialem quoties confratcrnitas susci-
pientium scapularia sit constituta, ad quain pertinere debeant, excepto casu,
quo B. Pontifex ob peculiaria adjuncta dispensaverit, ut fecit Gregoritti XVI.
felicis recordationis.
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Dtcr. Conyr. Indulg. d. d. 14. Mali 1871.
231
7. Decr. d. d. 14. Maii 1871.
Urbis et Orbis. Salutare Viae Crucis, seu Calvarii exercitium
summopere eouJueit ad recolendam memoriam passionis D. N. J. C.,
qui ob nimiam caritatem, qua nos dilexit approbria passus, et vul-
neribus affectus, ut a servitute peccati humanum genus redimeret,
pretiosum suum sanguinem effudit, et ligno crucis affixus se obtulit
holocaustum pro peccatis. Quapropter Summi Pontifices, ut fideles
Christo in carne passo cogitatione passionis ejus saepe saepius uni-
rentur, piuiu Viae Crucis, sen Calvarii exercitium non modo com-
mendarunt, sed etiam reserato Ecclesiae thesauro indulgentiis illud
auxerunt.
Verum stationes Viae Crucis juxta primaevas concessiones erigi
tantum poterant in Ecclesiis, piisque locis Ordini Minor. Obsorvan-
tium subjectis; atque indulgentiis fruebantur personae, quae eidem
Ordini erant addictae. Tractu tamen temporis ad omnes Christifi-
deles, qui in ecclesiis, piisque locis praedicti Ordinis, tam sanctae
devotioni vacarent, indulgentiarum concessio extensa fuit, et deinde
praesertim Benedictus XIV. sa: mem: Apostolis Litteris in forma
Brevis incipien: »Cum tanta« die 30. Angusti 1741 evulgatis con-
cessit, ut etiam in aliis ecclesiis memorato Ordini non subjectis sta-
tionum erectio fieri posset cum aliqua tamen limitatione, quam per
rescriptum S. Cong. Indulgentiis Sacrisqu. Reliquiis praepositae
die 10. Maii 1742 clarius declaravit. Idem namque Pontifex inter
monita ad rito peragendum pium exercitium Viae Crucis jussu Cle-
mentis XII. exarata, et ab ipso confirmata inseri voluit hanc decla-
rationem sub Num: X. hisce verbis. Exceptis tamen iis locis, in
quibus existunt Conventus praedictorum Fratrum Minorum (Obser-
vantium aut Reformatorum aut Recollectorum) cum non debeant hoc
casu erigi Viae Crucis in ecclesiis eidem Ordini non subjectis, nisi
hi Conventus longe distant a loco vel civitate, aut iter ita arduum
foret, ut sine gravi incommodo ab Ordinario dijudicando, populus
accidere non possit ad s. exercitium peragendum.
Nuper vero SSmo D. N. Pio PP. IX. humillimis precibus ex-
positum fuit valde optandum esse, ut tristissimis hisce temporibus,
quibus inimici crucis Christi divina, humanaque omnia pessundare
conautur, pia Viae Crucis exercitatio magis magisque promoveatur,
ac illius stationum erectio, sublata limitatione enuntiata, ubique in
ecclesiis, piisqu. locis fieri possit. Sauctitas Sua animadvertens sum-
mam esse vim meditationis passionis et mortis Redemptoris, nostri ad
confirmandam in animis fidem, ad curanda conscientiae vulnera, ad
purgandam mentis aciem, divinoque amore inflammandam , in Au-
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232 Decr. Congr. Indulg. d. d. 2. Mali 1881-
dientia habita die 14. Maii 1871 ab infrascripto Card. Praefecto
S. Cong. Indulgentiis sacrisqu. Reliquiis praepositae memoratas
preces beuignq excipiens Apostolica auctoritate indulsit, ut stationes
Viae Crucis cum adnexis indulgentiis etiam in locis, ubi Conventas
praefati Ordinis Minorum , sive Observantium , sive Reformatorum
sive Recollectorum existunt, quamvis in ejusdem Ordinis ecclesiis,
sacris aediculis, piisqu. locis erectae reperiantur, nulla habita superius
expressae limitationis, ac distantiae ratione, servatis tamen aliis de
jure servandis erigi possint et valeant. Ceterum Sanctitas Sua per
praesens decretum minime intendit derogare privativae facultati, quam
idem Ordo in peragenda erectione statiouum Viae Crucis habet, nec
specialibus induitis hac super re aliis personis ob peculiaria rerum,
ac locorum adjuncta ab Apostolica Sede concessis, quarum tenor ac
forma in omnibus servanda erit.
Non obstantibus contrariis quibuscumque etiam speciali et in-
dividua mentione dignis, quibus Sanctitas Sua in ommbus perinde ac
si de siugulis expressa mentio facta fuerit, plene derogavit. Datum
Romae e Secret. Sac. Congregationis Indulgentiarum, et SS. Reli-
quiarum die 14. Maii 1871.
A. Card. j B ieearri, Praef.
8. Decr. d. d. 26. Mari. 1881.
(Cfr. Archiv Bd. 46. S. 19.)
'J. Decr. d. d. 2. April 1881.
' (Cfr. Archiv Bd. 46. S. 263.)
10, Decr. d. d. 2. Maii 1881.
Dubium I. In decreto S. Congregationis Indulgentiarum d. d.
20. Julii 1868 responsum fuit, Vicarium generalem, cum Episcopus
obtinuerit facultatem a Sede Apostolica erigendi confraternitates cum
respectivis indulgentiis, id praestare non posse, nisi Episcopo subde-
legandi potestas in Apostolico induito concessa fuerit, et ipse Vi-
carium generalem subdelegaverit. Item decisum est, Vicarium gene-
ralem non posse auctoritate ordinaria erigere canonice confraternitates
absque delegatione Episcopi, neque posse valide concedere litteras
testimoniales neque consensum requisitum a Clemente VIII. pro ag-
gregatione coufraternitatum, neque posse approbare statutu couTra-
teruitatum.
Jam vero ex decreto S. Congreg. Indulg. d. d. 15. Febr. 1608
necnon Iunocentii XI. Injuncti Nobis d. d. 1. Octob. 1678 manifesto
videtur deduci, Episcopum posse potestate ordinaria erigere in dioe-
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Uecr. Conyr. luduly. d. d. 2. Mail 1881. 233
cesi sua confraternitates SS. Corporis Christi, id quod geueratiiu de
confraternitatibus docent probati juris canonici auctores, qui passim
etiam tradunt, Vicarium generalem quoad jurisdictionem eadem posse,
quae Episcopum , nisi quid fuerit specialiter in jure exceptum , vel
nisi Episcopus expresse vel implicite sibi quaedam reservaverit
tanquam ita gravia, ut non sit censendus , voluisse ea in generali
mandato comprehendere. Cum autem quoad confraternitates in jure
nihil sit exceptum, neque constet de speciali reservatione Episcopi,
quaeritur :
1. Utrum decretum d. d. 20. Julii 1868 valeat tantum respectu
earum confraternitatum , pro quibus erigendis Episcopus specialem
obtinuerit facultatem a Sede Apostolica, sive indultum Apostolicum,
vel quae ab aliquo Ordine regulari solent erigi.
2. An etiam quoad confraternitates SS. Corporis Christi alias-
que, quas Episcopus sine speciali induito Apostolico potestate or-
dinaria erigere potest in dioecesi sua?
Resp. Ex bene perpenso textu decreti d. d. 20. Julii 1868 fit
satis responsioni utriusque partis dubii.
Dubium II. Ex S. Congreg. Indulg. decreto diei 13. Aprilis
1878 non licet adscribere piis sodalitiis absentes. Quaeritur, utrum
ii, qui adscribi cupiunt, debeant se sistere in loco, ubi confraternitas
instituta est, coram ejusdem rectore vel subdelegato, an vero suffi-
ciat, ut remanentes in loco domicilii sui compareant ooram aliquo
sacerdote, qui a rectore facultatem adscribendi accepit?
Resp. Provisum per declarationem decreti diei 13. Aprilis 1878
datam sub die 26. Novembris 1880.
Dubium 111. Cum plures auctores doceant, confrateruitatem
SS. Corporis Christi non posse trausferri ex ecclesia parochiali, in
qua instituta est, quaeritur:
U An in casu, quo parochiani pro vetere angustiore novam
ecclesiam parochialem sub eodem titulo in alio ejusdem pagi loco
aedificarunt, supradicta confraternitas in vetere ecclesia canonice
erecta denuo in nova erigi debeat, ut fideles lucrari possint ejusdem
indulgentias ?
2. Utrum 1. in casu, quo per dismembrationem parochiae
ecclesia filiales et ipsa facta est nova parochia, Confraternitas SS.
Corporis Christi in hac nova parochiali ecclesia canonice erigi debeat,
ut fideles lucrari pergaut indulgentias illius coufraternitatis, ad quam
in ecclesia matrice erectam jam erant adscripti ? An 2. nova erectio
necessaria sit, ut fideles novae parochiae in posterum con fraternitati
adscribendi indulgentias lucrentur?
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234 Heer. Ctmyr. Induly. d.d. 2. Mali 1881. jjHHP
Resp. Atl 1. partem: detur decretum diei 16. Februarii 1859,
quod ita scse habet: »an translata sodalitate intelligautur etiam
translatae indulgentiae ? Badem S. Congregatio respondit : Affir-
mative.« , . ■ ,
Ad 2. partem: ad 1. negative ad effectum lucrandi indulgen-
tias ab iis, qui sunt jam adscripti confraternitati erectae in ecclesia
matrice; ad 2. negative ad effectum pariter lucrandi indulgentias;
nihil enim impedit, quominus fideles novae paroeciae adacribi valeant
confraternitati paroeciae matricis.
Dubium IV. Plures fideles credunt, sodales rosarii vivi, qui
degunt in loco ipso, ubi pia illa Unio instituta est, po3se simpliciter
sequenti mense assumere sequens mysterium Rosarii, prout concessum
est illis sodalibus, qui absentes sunt a dicto loco. Quaeritur, utrum
pro assequendis indulgentiis dietae piae Unionis necessarium sit, ut
mysteria rosarii singulis mensibus a sodalibus in loco habitantibus
sorte distribuantur?
Resp. Recurrat ad R. P. Generalem Ordinis Praedicatorum.
Dubium V. Num is, qui rosario suo non solum indulgentias
Dominicanorum sed etiam Birgittinas applicari curavit, pro quo-
libet Ave Maria lucratur indulgentias 200 dierum, an tantum 100
dierum ?
Resp. Detur decretum Urbis et Orbis sub die 1. Martii 1820
ad dubium -IV. quod ita affertur: An uni et eidem rei, puta uni
coronae possint applicari indulgentiae diversae v. g. indulgentiae
dictae Applicae et indulgentiae dictae s. Birgittae? S. Congregatio
respondit affirmative, dummodo renoventur opera injuncta iterabilia.
Dubium VI. Pia illa Unio ad levamen animarum in purgatorio
existentium, quae floret in Ecclesia Congregationis SS. Redemptoris
vulgo Maria in Monterone et Urbe inter alia amplissima privilegia
gaudet facultate sibi aggregandi alias sodalitates seu confraternitates
canonice erectas, licet alio titulo aliove instituto distinguantur, ad-
dita tantum priori appellatione » ad levamen animarum in purgatorio
existentium. « Quaeritur :
1. Utrum tali aggregatione indulgentiae, quibus confraternitas
aggregata antea gaudebat, ex verbis Ven. Innocentii XI. (apud
P. Theodorum a Spiritu S. part. II. cap. II. art. II. §. 4.) amit-
tantur?
2. Utrum sodales ante dictam aggregationem adscripti pertineat
ad utramque congregationem, sicut ii, qui post illam aggregationem
adscribuntur ?
Resp. ad 1. Standum tenori clausulae, quae solet apponi in
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Vollmacht zur WeiAe von Andachtagegenslünden ; Scapuliere. 235
Brevibus*, ‘netnpe. J Volumus autem, ut si alias dicta confraternitas
alicui atchiöon fraternitati aggregata jam sit, vel in posteram ag-
gregetur^ setr quavis alia ratione uaiatur, vel etiam quomodolibet
instituatur, priores et quaevis aliae litterae Apostolicae illis nullatenus
sütlra^fehtä'r'/ sfed ^ ‘tunc eo ipso nulla sint.
au-ih Ad ^.^ Sbdalitas eadem manet cum adjectione novi tituli.
: «niina-pnlim * i > wu , ' ■ ; .. •• ... , ,
11. .Neuestes. Formular einer in der Secretarie der Memorialen aus-
gestellten Vollmacht, Andachtsgegenstände zu weihen und mit den
liiji , ,/u päpstlichen Ablässen zu versehen.
• ojijiluiia- Ex Audientia Sanctissimi die 10. Martii 1881.
! 1 111 " Sanctissimas Oratori, confessario approbato, facultatem con-
,! Cbsrit ad quinquennium benedicendi privatim extra Urbem ac de con-
sensu Ordinarii, Cruces,' Crucifixos, sacra Numismata et Coronas
* precatori as , nec non parvas Statuas , quae tamen sint ex aere vel
ferro confectae, eisque applicandi indulgentias a Sanctitate Sua con-
cessas, prout 'in elencho edito typis S. C, de Propaganda Fide die
23. Feb*. 1 1878' descriptae reperiuntur, non exceptis iis, quae coronis
a S. Birgitta nuncupatis adnexae sunt. Contrariis non obstantibus.
'*"1 iiiuliiuf rsn ■, P. Oard, Gianelli. .
A' * j
o 12. Neuestes Formular einer in der Secretarie der Memorialen
Vollmacht , vier Scapuliere zu ertheilen.
' ■ Ex Audientia SSmi die 14. Martii 1881.
■ni;' r SSmur oratori concessit ad quinquennium facultatem petitam,
dummodo sit» confessarius et uou adsint presbyteri Congregationis
SS. Bedemptoris, servata in omnibus formula, qua sacerdotes dictae
Congregationis ex Apostolica concessione utuntur 1 ),
iydi/nq » i.: ', .••>, P. Card. Gianelli.
13. Antworten des Itochw. P. Generals der unbeschuhten Carmeliten
r ,. t ,v , , auf mehrere Anfragen in Betreff der Scapuliere.
I. Omnis utriusque sexus fidelis, cujuscumque aetatis, potestne
„ admitti in confraternitatem Sacri Scapularis?
Besp. ad prmurn. Affirmative: nulla in Brevibus Pontificiis
praescribitur »aetas ad Sacrum Scapulare suscipieudum, et mos viget
alicubi, praesertim in Hetruria, deferendi illico infantes a sacro fonte
ad aliquam Carmelitarum ecclesiam, in confraternitatem adseribendos.
.TI Wfe'ß •;_4" rTT i . ..«
• 1) l*ic Taxe für die von der Secretarie der Memorialen ausgestellte Voll-
macht ad quinquennium beträgt nur 3 Francs, wozu dann noch eine Gratifica-
tion vön 7 Francs für den Agenten kommt.
236 Aiiltc. des (Ir nt roh der unbeschuhten Carmtl. betr. dieScapuhirt.
II. * Ut quis fiat membrum eonfrateraifcatis estne ‘ necessarium
ut admittatur, vel a sacerdote habente personalem facultatem ad
hoc, vel a rectore ecclesiae iu qua erecta fuit confraternitas ; et ubi
fit admissio? ■ i. •]<>>. ui». Iu; . »uirt»;
Ad secundum. Ut quis fiat membrum confraternitatis, est con-
ditio sine qua non ut admittatur ab aliquo facultatem habente a
superioribus Carmelitarum. Clemens PP. XII. in sua constiti
Emanavit , sub die 12. Junii 1739, confirmavit, sequens decretum
sac. Congregationis Indulgentiarum: — »Ad superiore» * 'Ordinis
»Fratrum Beatae Mariae de Monte Carmelo, seu ad alio» ab illis
»deputandos privative spectare, et pertinere facultatem benedicendi
»parvos habitus, seu scapularia, a confratribus confraternitatum sub
»invocatione B. Mariae de Monte Carmelo in qnacnmque mnndi parte
»erectarum et erigendarum, gestari solita.« Exstat in Bullario Or-
dinis. Tom. 4. '• i «in »i* ••
III. Sacerdos habens personalem facultatem potestue eam de-
legare? ■< . e ■ . l >! ;< • 1 1 «Vi) f!< >’ *
Ad tertium. Minime: nam ex communi adagio -i- Delegatus
non potest snbdelegare. — Delegant superiores Ordinis habentes jure
ordinario facultatem benedicendi et imponendi: caeteris, quibiis fit
facultas vel a superioribus ordinis, vel immediate a Summo Pontificie,
non conceditur privilegium nisi pro seipsis. ) ■ > j; :•■:!>; v- >.,>
IV. Keetor ecclesiae in qua erecta fuit confraternitas , i habet
ne eo ipso potestatem admittendi et delegandi?. - J ••••u I« rau
Ad quartum. Pariter negative; adeo verum est' ut anno 1739
declaravit sac. Congregatio Indulgentiarum. — Non spectare, »nec
»spectasse ad Episcopum Fesulanum facultatem benedicendi Scapu-
»laria, seu parvos habitus Beatae Mariae Virginis de Monte' Carmelo*
»non obstante consuetudine: et aggregati recurrant ad superiores
»Ordinis pro nova aggregatione.« — Nec rector igitur Ecclesiae ubi
erecta est confraternitas, nec ipso confraternitatis capellanus, giuident
a jure facultate adseribendi. itqhvi.i;
V. Vicarius seu cooperator talis rectoris habetne vi officii sui,
potestatem admittendi?
Ad quintum. Responsum in antecedenti: videlicet negative.
VI. Admissio estne facienda in ecclesia confraternitatis, vel ii»
aliqua Ecclesia Beatae Mariae Virginis dicata , et valetne aP facta
fuerit alibi? ‘ *
Ad sextum. Admissio in confraternitatem fieri potest ab habente *
facultatem in quocumque loco decenti, puta in sacrario, in oratorio
privato . . . multo magis in qualibet ecclesia.
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AnUe. des Generals der unbeschuhten Carmel. be.lr. die Scapuliere. 237
VII, Quomodo et ubi sunt admittendi aegrotantes qui ecclesiam
adire nequeunt?- , t ,
:ii:< i Ad septimum. Infirmi non valentes adire ecclesiam* aut ora-
toriam , . . admittantur in propria domo, vel in xenodochio, ac in
lectulo SUO, !|; t;i! Mt!; ‘I : . ( ■ ' ! v
i, '.juVIIIi. i Scapulare debetne omnino osse ex lana nigra, vel
subnigra, nu* ni ■' >
Ad octavum. Scapulare communiter debet esse coloris subole
scuri, sive coloris fulvi, vulgo lionato sive (ane, qui est color medius
inter rubrum et nigrum. Sufficit etiam color ille niger quem na-
turaliter exhibet ovis. Disputatum acriter fuit admittine posset color
niger artt/icialUcn Affirmative, ajebant uonnulli scriptores antiqui,
ea ducti validissima ratione quod Sixtus IV. iu Bulla ad hoc ema-
nata anno 1483, praescribit indistincte Fratribus Carmelitis habitum
coloris nigri. Sed sac. Congregatio Indulgentiarum litem omnem
diremit die 12. Februarii 1840, pronuntiando in una Letnovicensi :
— »Confratres gaudere indulgentiis, licet color scapularis non sit
»praecise color vulgo tone , dummodo huic colori subrogetur alter
»consimilis seu niger. e
IX. ii Debetue scapulare constare duobus pannis ita inter se
cohaerentibus ope cordulae. ut possit pendere simul una pars snper
pectus et altera super scapulas?
Ad nonum. Affirmative, alioquin illa parva vestis esset scapu-
lare et non esset scapulare, nisi formam haberet consimilem scapulari
magno Religiosorum Carmelitarum , quorum dicuntur et sunt Con-
fratres adseripti.
X. Debetne omnino confrater illud ita deferre ut una pars
pendeat ante pectus et altera inter scapulas?
Ad decimum. Provisum antecedenti.
XI. Debetne scapulare immediate pellem tangere?
Ad 11. Negative, que nec scapulare magnum Religiosorum,
quorum adseripti sunt confratres , pellem illorum tangit.
XII. E8tue necessarium addere pannis aliquam figuram, aut
repraesentationem piam, v. g. crucem . . . ?
Ad 12. Negative: nulla namque superinducitur figura aut
imago scapulari magno Religiosorum. Bene consuescunt fideles
supra pannum laneum in parte anteriori superimponere imaginem
Beatae Mariae Virginis, et in parte posteriori crucem, aut Sacra
Corda <■■■■. ■< .
XIII. Formula admissionis quae habetur in Rituali Romana
estne sola legitima et essentialis?
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238 Antvr. dea Genei ah der unbeschuhlen Carmel, ht lr. di*
Ad 13. In Rituali , quo Saucia Romana Ecclesia utitur
Summis Pontificibus Paulo V. et Benedicto, XIV.. ( ,apprp>but0t nujja ,
certe invenitur formula admittendi in eonfraternitatem Scapularis.
Hanc formulam exhibent Ritualia Carmelitarum et S, Alphoasuä;
Maria de Ligorio in sua Theologia morali, necnon alii, Sae-,€piH ;
gregatio Indulgentiarum, sub die 24. Augusti 1844,decreyjt ratam
esse adscriptionem factam a sacerdote auctoritatem .ihabejjtte,.; |,^ f
»Quamvis non servata forma in Rituali et BreriariQjOrdiuis Qar-,.
»melitarura praescripta, dummodo sacerdos ipse mp de(ici(d.in u sufi~
*siantialibus , nempe in benedictione et impositione habitus^uM Ähi
mceptione ad confratermtatem .« -.„dum^ .noiuimv 'JnJirnej
XIV. Potestne admitti absens? DisJhnwiritno'.
Ad 11. Negative: hoc esset in juribusSqmipj.Pontifiei^.
XV. Dum fiunt benedictiones, sufficitne si saapqlqrc sit- posi-
tum coram persona admittenda, an vero requiratur ut illa tu ; manu
habeat illud, donec a sacerdote benedictum collo imppnatur ? ,
Ad 15, Dum scapularia a sacerdote benedicuntur, nullo modo
necesse est, ut a fidelibus eisdem induendis prae manibus habeantur.
1 • rT * , .*-ijri [*’'•»•> nriivnnq »c
XVI. Debetne omnino admittendus cereum, sive qccensura
sive non, in manu tenere dum fiunt benedictiones et orationes a
sacerdote ?
Ad 16. Admittendus non cogitur ad tenendum iu manibiis
cereum quando fiunt benedictiones et dicuntur a sacerdote orationes.'
XVII. Sacerdos admittens debetne omnino, et sub poena nul-
litatis , collo imponere scapulare; vel sufficitne üt illud in mtniuS
admittendi tradat? ' j 1
Ad 17. Nisi adsit dispensatio a Summo Pontifice, de sub-
stantia est quod scapulariolum a sacerdote prima vice benedicatur et
imponantur; neque sufficit tradere illud in manus adscripti.l
XVIII. Quando plures simul admittuntur, sufficitne dare bene-
dictionem generalem, et postea impositionem singulis facCre, dicendo
singulariter: »Accipe, vir devote . . . etc.« " ■ ; wtjnwhm /•* inp
Ad 18. In admissione plurium benedici possunt scapularia
cum unica recitatione orationum in numero plurali dictarUiA, bene-
dictione seu signo crucis et aquae sanctae aspersione eodem tempore
super omnia descendentibus; deinde quilibet singillatim rhduitur
scapulari cum formula in singulari, et postea omnes recipiuntur gene-
raliter ad confraternitatem per illa verba:* »Ego vos recipio , -etc.«
XIX. Iuscriptio nominis persouae admissae super libros, con-
fratern itatis estne necessaria, nt quia gaudeat privilegiis?,;/'/.
Ad, 19. Inscriptio fidelium admissorum in librum con-fratemi- .
I
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Anlw. des Generals der unbeschuhten Carmel, betr. die Scapuliere. 239
tatis habita fuit ab omnibus fere theologis de essentia ad privilegia
confraternitatis acquirenda. Hinc ad dubia tolleuda P. Praepositus
generalis Carmelilarum discalceatorum Congregationis Italiae, anno
1838, sub die 30. Aprilis, obtinuit a sanctae memoriae Gregorio XVI,
ut Fideles recipientes sacrum scapulare a superioribus suae congre-
gationis vel a sacerdote aliquo ab ipsis facultatem habente, eo ipso,
absque ulla materiali inscriptione nominis ia libro alicujus confra-
ternitatis, mauerent adseripti in confraternitatem jam canonice erec-
tam in loco ubi prima vice sacrum Virginis habitum recipiunt, vel
deficiente eo loci confraternitate, adseripti essent eo ipso eonfra-
ternitati viciniori, omnibusque fruerentur indulgentiis et privilegiis
confraternitati collatis.
XX. Scapulare debetne deferri die ac nocte P omittens illud
per unam diem perditne aliud praeter indulgentias huic diei cor-
respondentes ?
Ad 20. Per unam diem scapulare non deferens, cum bene dici
possit relate ad annum illud semper deferre, non est cur dicatur
amittere privilegia confraternitatis.
XXI. Qui semel rite admissus fuit et habuit scapulare bene-
dictum, potestne aliud substituere non benedictum, quando primum
vel amissum fuit, vel debuit mutari propter vetustatem aut im-
munditiam?
Ad 21. Qui prima vice recepit a sacerdote scapulare benedic-
tum potest aliud ex se assumere, sive ex amissione illius, sive ex
necessaria aut voluntaria renovatione, absque eo quod indigeat sacer-
dotis impositione, vel benedictione.
XXII. Scapulare deponens per contemptum cessatne eo ipso
gaudere privilegiis, ita ut poenitens indigeat nova admissione? Quid
si poeniteat paucis horis, vel diebus elapsis?
Ad 22. Negative, quemadmodum non est iterum ordinandus
qui ex contemptu deponit per tempus longius vel brevius habitum
clericalem. Poeniteat, habitura sanctum ex se resumat, et in mise-
ricordia Dei confisus, opera confratrum repetat, gaudens de promissa
remuneratione.
XXIII. Qui illud reliquit per negligentiam , aut oblivionem,
per tempus notabile, indigetne nova admissione?
Quodnam tempus dici debet notabile?
Ad 23. Negative, sicut in praecedenti.
XXIV. Sufficitne portaro scapulare modo quocumque, vel illud
appensnm habere in loco habitationis?
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240 Antw. des Generals der unbescltuhlen Carmel, belr. die Scapuliere,
Ad 24. Scapulare deferendum est more Religiosorum, cum
una parte supra pectus, altera super scapulas.
XXV. Sacerdos habens facultatem admittendi, habetne eo
ipso facultatem commutandi conditiones, requisitas , v. gr. , commu-
tandi obligationem deferendi scapulare?
Ad 25. Minime; nec verbum fit de hac facultate in Brevibus
Apostolicis.
XXVI. Admissio in sodalitatem inducitne aliquam novam ob-
ligationem conscientiae?
Ad 26. Admissio in societatem non inducit, absolute loquendo,
aliquam novam obligationem conscientiae ex se. Verumtamen ad-
missus recipiens in vanum gratiam Dei et prae corpore negligens in
executione obligationum societatis, non esset immunis ab aliqua culpa
veniali coram Deo.
XXVII. Admissus, dummodo fideliter et rite scapulare portet,
habetne, per hoc solum, jus ad participationem omnium privilegiorum
quae Beato Simoni Stock promissa sunt, scilicet ut ab inferni ignibus
praeservetur si pie decesserit cum scapulari; ut a multis periculis
etiam temporalibus eripiatur; denique ut indulgentias concessas
lucretur, et omnibus Ordinis Montis Carmeli meritis partem habeat?
Ad 27. Quicumque Christi fidelis pie in Domino decesserit,
de fide est, quod vel statim, si plene purgatus sit ab omni culpa
et poena, vel tempore suo post plenam in Purgatorio expiationem
Paradisi januas ingrediatur. Caeterum admissos in societatem
pie creditur multa a Deo consequi per intercessionem Beatissimae
Mariae Virginis, quae ipsis viam sternunt ad pie in Domino mo-
riendum.
De participatione meritorum Ordinis Carmelitani a confratribus
Scapularis loquendum est eo modo quo loquuntur theologi disserentes
de communione Sanctorum.
Nonnullae Indulgentiae concessae sunt a Summis Pontificibus
societati Sacri Scapularis quae participantur a confratribus quidem,
sed supposita executione operum injunctorum ; circa quod cum aliquae
opiniones falsae divulgarentur, declaratum fuit a sac. Congregatione
indulgentiarum, sub die 12. Febr. 1840, nempe — »Posse Fideles
»confraternitati3 Scapularis adscriptos frui omnibus indulgentiis gene-
»ratim a Summis Pontificibus concessis utriusque sexus Christi fide-
libus qui dictam confrateruitatem ingrediuntur et habitum legitime
»receperint, licet non servent abstinentiam a carnibus feria quarta
»et septies in die recitent Orationem dominicam et Angelicam sa-
»lutationem ; dummodo dicant orationes praescriptas et peragant opera
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ntw. des Generals der unbesckuhten Carmel, betr. die Scapuliere.
241
»pia a Summis Pontificibus in concessione earumdeni injuncta,
»inter quae illud locum habet ut parvum scapulare deferant con-
tinuo pendens a collo, unaqne sui parte pectus, et alia scapulas
»contegens.«
XXVIII. Quatenus respondeatur negative ad quaestionem 27,
quidnam ultra requiratur; an jejunia; an vigiliae, an orationes, an
alia bona opera, aut exercitia?
Ad 28. Satisfactum in praecedenti.
XXIX. Ut quis gaudeat privilegiis Bullae dictae Sabbatinac,
id est, ut liberetur a flammis Purgatorii primo sabbato post obitum
suum, oportetne ut, praeter obligationes supra enumeratas Q. 27 et
28, 1. servet castitatem statui suo convenientem: 2. quotidie recitet
officium parvum Beatae Mariae Virginis, vel officium canonicale?
Ad 29. Ad lucrandum privilegium quod dicitur Sabbatinum ,
de quo loquendum est juxta decretum supremae universalis Inquisi-
tionis sub Paulo V. , debent fideles castitatem servare convenientem
suo statui, et horas canonicales, vel officium parvum Beatae Virginis
dicere.
Qui autem neque officium divinum, neque officium parvum
Beatae Virginis dicere sciunt, Ecclesiae jejunia servent, ac feria
quarta et sabbato a carnibus abstineant, nisi incidat in feria quarta
et sabbato Nativitas Domini N. J. C. ; ita ex Bulla Joannis XXII;
ex constit. Alexandri V., et ex decreto supra relato; supposito quod
numquam deponant sacrum scapulare.
XXX. Qui legere nesciunt tenenturne, ut quidam asserunt^
in compensationem officii , ad observanda omnia jejunia Ecclesiae et
ad abstinentiam a carnibus feriae IV. et sabbati?
Ad 30. Responsum in dictis ad dubium 29.
XXXI. Scientes legere possuntne ad libitum commutare offi-
cium in observationem horum jejuniorum et hujus abstinentiae ?
Ad 31. Non apparet quod fidelis possit pro libito commutare
onera imposita a Virgine Maria. Hinc consulendi sunt fratres ut
adamussim observent quae pro ipsis praescripta confuerunt.
XXXII. Estne authentica responsio data 12. Augusti 1840,
circa obligationes Bullae Sabbatinae, scilicet: »Accedente gravi im-
»pedimento, non teneri confratres neque ad jejunia, neque ad reci-
»tationem horarum canonicarum, aut officii Beatae Mariae Virginis,
»neque ad abstinentiam diebus mercurii et sabbati; consulendi tamen
»fideles, ut hoc in casu se subjiciant judicio docti et prudentis con-
»fessarii, ut commutationem aliquam impetrent.«
Archiv für Kirchenrecht. XLVII.
IG
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242 Decr. a. Conyr. lnduly. d. d. 19. Junii 1380.
Ad 32. Affirmative, ut in resolutionibus sac. Congregationis
Indulgentiarum, sub die 12. Augusti 1840.
Datum Romae ex aedibus generalitiis ss. Theresiae et Joauuis
a Cruce, die 10. Martii 1856.
Concordat in omnibus cum originali quod asservatur in archivio
generalitio FF. Carmelitarum excalceatorum.
14. lieber das AUarprivilegium.
Dem Amtsblatt für die Erzdiöcese München 1881 Nr. 10
S. 145 ff. entnehmen wir nachfolgende vom hl. Vater u. d. 19. Juni
1880 approbirte Entsch. der s. Congr. Indulg. : Der Generalprocu-
rator der Trappisten legte im vergangenen Jahre der hl. Congrega-
tion der Ablässe folgende Angelegenheit zur Entscheidung vor: In
jedem Trappistenkloster besteht ein privilegirter Altar, auf welchem
täglich eine hl. Messe für die verstorbenen Brüder, Verwandten und
Wohlthäter gelesen wird. Nun aber kann nach einem Decret der
Cougregation der Ablässe vom 29. Februar 1864 das AUarprivilegium
in einer und derselben Messe nicht mehreren Verstorbenen zuge-
wendet werden. Es entsteht darum die Frage, welches die Wirk-
samkeit dieses privilegirten Altares bei den Trappisten sei, und ob
das Privilegium desshalb unnütz werde, weil es niemals einer be-
stimmten Seele zugewendet wird?
Die Prüfung dieser Frage wurde von der Congregation einem
Consultor übertragen, welcher zur besseren Klarstellung der Sache
dieselbe in drei Fragen umformulirte und in nachstehender Form der
Congregation zur Entscheidung vorlegte:
. <
Dubia
I. Quo sensu intelligenda sit responsio S. Congregationis Indulg.
diei 29. Februarii 1864, quod privilegium Altaris nequeat applicari
pluribus defunctorum animabus in eadem Missa: practice tantum
et de facto juxta mentem concedentis de more Ecclesiae ex limi-
tatione concessionis, an etiam theoretice et absolute ex limitatione
potestatis.
II. Num apud Trappenses in Missa, quae quotidie celebratur
pro pluribus (fratribus scilicet, propinquis et benefactoribus), Indul-
gentia Altaris ad unam ex iis limitetur.
III. Num privilegium inutile evaserit, ex eo quod uni ex iis
determinatae animae non consueVerit applicari.
Diese drei Fragen wurden nun von der hl. Congregation der Ab-
lässe in ihrer Sitzung vom 14. Juni 1880 in folgender Weise beantwortet:
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Ueber das Altarprivilegium.
243
Ad I. Non propositum.
Ad II. Affirmative.
Ad III. Negative.
Diese Entscheidung wurde sodann dem bl. Vater Leo XIII. zur
Bestätigung vorgelegt und von demselben unterm 19. Juni 1880
wirklich approbirt.
Das Gutachten des Consultors ist so klar und bündig abge-
fasst und verbreitet über die ganze Frage über das Altarprivilegium
solches Licht, dass wir dasselbe um so mehr jnittheilen zu sollen
glauben, da diese Frage auch für unsere Erzdiöcese in hohem Grade
von praktischer Bedeutung ist.
Ad I. Die Frage über die Wirksamkeit des privilegirten Altares
im Allgemeinen kann entweder theoretisch über die absolute Mög-
lichkeit, oder praktisch über die Thatsächlichkeit gestellt werden.
Theoretisch kaun gefragt werden, ob nach der Natur der Sache und
aus innerer Nothwendigkeit und in Folge der von Gott der Schlüssel-
gewalt gesetzten Grenzen der Ablass des privilegirten Altares auf
eine einzige Seele so beschränkt sei, dass er in einer und derselben
Messe für mehrere nicht gegeben werden könne. Aber diese theo-
retische Frage wurde der Congregation vielleicht noch niemals
vorgelegt und darum scheint die Entscheidung vom 29. Februar
1864, auf welche Bezug genommen wird, auf ihre Lösung sich nicht
zu beziehen. Wie diese Frage zu lösen sei , werden wir sogleich
untersuchen. Stellt man aber die Frage über die Wirksamkeit des
privilegirten Altares praktisch, nämlich wie die Sache nach der
Willensmeinung dessen, der den Ablass verleiht, und nach dem Ge-
brauche der Kirche sich verhalte, so wurde die Lösung von der
hl. Congregation bereits dahin gegeben, dass der Ablass des pri-
vilegirten Altares nicht zugleich mehreren zugewendet werden könne.
Nämlich zwar nicht absolut und nach der Natur der Sache und in'
Folge göttlicher Anordnung kann das Altarprivilegium nicht mehreren
zugewendet werden, sondern weil nach der Willensmeinung dessen,
der den Ablass verleiht, derselbe nach dem Gebrauche der Kirche
in jeder einzelnen Messe blos für eine einzige Seele gewährt wird.
In diesem und nur in diesem praktischen Sinne, glaube ich, ist die
angeführte Entscheidung der hl. Congregation zu verstehen, da sie
auf den praktischen Zweifel: utrum privilegium altaris applicari
possit pluribus defunctorum animabus, unterm 29. Februar 1864 er-
widerte: Negative.
In diesem Sinne scheint die Frage schon früher durch eine
andere allgemeine Antwort der Congregation entschieden worden zu
16*
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244
t)ecr. a. Congr. Indutg. d. d. 19. Junii 1880.
1
sein, da sie auf einen vorgelegten Zweifel über die Wirksamkeit des
privilegirten Altares unterm 28. Juli 1840 erklärte, nach der Wil-
lensmeinung des Verleihenden vermöge der Ablass eine Seele aus
den Qualen des Fegfeuers zu befreien, wenn es G-oü so wohlgefällig
ist. Per indulgentiam, lautet die Entscheidung, altari privilegiato
adnexam, si spectetur mens concedentis , et usus clavium potestatis,
intelligendam esse Indulgentiam plenariam, quae animam statim
liberet ab omnibus Purgatorii poenis; si vero spectetur applicationis
effectus, intelligendam esse Indulgentiam, cujus mensura divinae
misericordiae beneplacito et acceptationi respondet. Auch diese Ent-
scheidung ist, glaube ich, als praktische Antwort auf einen prakti-
schen Zweifel zu verstehen, d. h. wenn man die Willensmeinung des
Verleihenden und den Umfang, in welchem von der Schlüsselgewalt
Gebrauch gemacht werden will, in’s Auge fasst, so wird der Ablass
in einer und derselben Messe nur für eine Seele, nicht für mehrere
gewährt. Das ist in Wirklichkeit die Meinung und Praxis der
Kirche und die Congregation erklärt nur die Meinung der Kirche,
nicht aber die Grenzen der Schlüsselgewalt. Die Frage wurde also
praktisch, nicht aber theoretisch und absolut entschieden.
Stellt man die Frage theoretisch , so scheint in einer Sache,
welche von der Willensmeinung des Verleihenden und von der An-
nahme Gottes abhängt, kein innerer ans der göttlichen Einsetzung
der Schlüsselgewalt sich ergebender Grund zu bestehen, wesshalb
ein vollkommener Ablass zur Befreiung von mehreren Seelen zu
gleicher Zeit, wenn es Gott so wohlgefällig ist, nicht mit einer
einzigen Messe verbunden werden könnte. Es kann ja an sich mit
einem und demselben Werke ein Ablass verbunden werden, der zu-
gleich für mehrere gilt, und dass diess manchmal so geschehen sei,
schlies8en wir aus dem hl. Thomas in IV. Sent. dist. 45. ad 3.
quaest. 2. Dort erwähnt er nämlich die consuetudo Ecclesiae, quae
facit praedicari Crucem, ut aliquis habeat indulgentiam pro se et
ducibus et tribus et quandoque decem animabus tam vivorum quam
mortuorum. Weiter unten setzt er wiederum voraus, einem und
demselben Werke könne ein für mehrere gütiger Ablass verliehen
werden, wenn er z. B. in folgender Form gegeben werde: Quicunque
fecerit hoc vel illud, ipse et pater ejus vel quicunque ei adjunctus in
purgatorio detentus tantum de indulgentia habebit. Wie also mit
einem andern Werke, so möchte ich meinen, dass auch mit einem
privilegirten Altare ein Ablass verbunden werden kannte, der in einer
und derselben Messe für mehrere Giltigkeit hätte.
Ausserdem könnte man sicher durch eine und dieselbe Messe
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Heber das Altarprivilegium.
245
einen vollkommenen Ablass wegen eines doppelten Motives für zwei
Seelen gewinnen. Denn auf den Zweifel: An sacerdos, qui Missam
celebrat ex. gr. pro defuncto eidemque applicat indulgentiam plena-»
riam altaris privilegiati , potest eodem die vi 8. Communionis iu
Sacrificio peractae lucrari aliam indulgentiam vel sibi defunctis ap-
plicabilem, si ad hanc lucrandam praescribitur Communio? hat die
Congregation unterm 10. Mai 1844 erwiedert: Affirmative. Wenn
demnach mit einer und derselben Messe ein doppelter oder drei-
facher vollkommener Ablass aus verschiedenen Motiven verbunden
werden kann, so ist, die Sache theoretisch betrachtet, nicht einzu-
sehen, wessbalb nicht ein doppelter oder dreifacher Ablass aus dem
einzigen Motive damit verbunden werden könnte, weil die Messe an
einem besonders privilegirten Altare gelesen wird.
Ferner können wir uns auf ein anderes ebenfalls ähnliches
Beispiel aus einem andern Decrete der S. Congr. Indulg. berufen:
»Antistes auxiliator Episcopi S. ad pedes SS. D. N. Pii IX. humil-
lime provolutus exposuit, in Literis Apostolicis Gravibus Ecclesiae
quoad plenariam Indulgentiam (Jubilaei 1875) edici: Annuentes
etiam , ut haec indulgentia animabus, quae Deo in caritate conjunctae
ex hac Vita migraverint, per modum suffragii applicari possit et
valeat; ex quibus verbis illi subiisse in mentem sequens dubium:
An fidelis, qui expletis necessariis conditionibus pro lucrando Jubilaeo
applicare cupiat indulgentiam pro alicujus anima defuncti, et ipse
eodem tempore eamdem consequatur indulgentiam. Ex Audientia
SS. diei 25. Aprilis 1875 Sanctitas Sua benigne declaravit Jubilaei
Indulgentiam cumulative pro se et defunctis lucrari posse.« Warum
aber sollte nicht in ähnlicher Weise gewährt werden können, dass
der Ablass eines privilegirten Altares cumulativ in einer und der-
selben Messe für zwei oder mehrere armen Seelen giltig sei, gleich-
wie Pius IX. in einem besonderen Ausnahmsfalle zugegeben hat,
dass durch dieselben Jubiläums werke Jemand den Ablass sowohl für
sich als für die Seele eines Verstorbenen gewinnen könne?
Diesen besonderen von Pius IX. zugegebenen Ausnahmsfall
führe ich um so lieber an , da er in der That eine gnädige Aus-
nahme von der allgemeinen Regel war, nach welcher die Congrega-
tion erklärt hatte, auf Grund der Worte quam etiam könne man
nicht zugleich für sich und für die Seele eines Verstorbenen den
Ablass gewinnen. Es war nämlich der Zweifel vorgelegt worden:
Archi presbyter S. Mariae vulgo della Barricella dioecesis Bononiensis
obtinuit per Breve diei 2. Sept. 1831 indulgentiam plenariam ap-
plicabilem quoque fidelibus defunctis per particulam »quam etiam.*
246 Decr. s. Congr. Indulg. d. d. 19. Junii 1880.
Quaerit, an vi praefatae particulae haec indulgentia intelligenda sit
inclusive seu exclusive, videlicet aut pro vivis tantum vel pro de-
functis, sive pro vivis atque defunctis eodem tempore? Sacra Con-
gregatio respondit: Quando in concessionibus indulgentiarum appo-
nuntur haec verba » quam etiam « aut similia, ut intelligatur easdem
indulgentias applicabiles esse etiam animabus in purgatorio detentis,
exclusive tantum accipienda sunt, ita ut Christifideles ad libitum
aui pro se aut pro defunctis tantum lucrari possit et valeat.« Ita
S. Congr. declaravit sub die 15. Januarii 1839. Wie man also aas
dem von Pius IX. ausnahmsweise zugegebenen Palle ableiten bann,
dass man jene allgemeine Erklärung der Congregation der Ablässe
nur praktisch , d. i. thatsächlich nach dem Gebrauche der Kirche,
nicht aber theoretisch, d. i. auch von der Möglichkeit, verstehen
darf, so ergibt sich daraus, dass die Entscheidung der Congregation
vom 29. Februar 1864, nach welcher der Ablass des privilegirten
Altares nicht zugleich mehreren Seelen zugewendet werden kann,
praktisch und thatsächlich nach der Willensmeinung dessen zu ver-
stehen ist, der den Ablass nach dem Gebrauche der Kirche verleiht,
nicht aber theoretisch und absolut, als ob der Ablass nicht für
mehrere gewährt werden könnte.
Dagegen könnte man vielleicht einwenden, dass, wenn dieser
Ablass nicht an sich auf eine einzige Seele zu beschränken wäre,
indiscreten Ablässen Thür und Thor geöffnet wäre und man zuletzt
zugebeu müsste, dass nicht blos mehrere, sondern schlechthin alle
Seelen des Fegfeuers zu gleicher Zeit durch den Ablass des pri-
vilegirten Altares mittels einer einzigen Messe je nach der Willens-
meinung des Verleihenden erlöst werden könnten. Zur Lösung dieser
Schwierigkeit genügt die Bemerkung, welche der hl. Thomas an der
angeführten Stelle beifügt: Nec tamen sequitur, quod Praelatus Ec-
clesiae possit pro suo arbitrio animas e Purgatorio liberare, quia ad
hoc quod Indulgentiae valeant requiritur caussa conveniens. Nach
der Lehre des hl. Thomas kann man also sagen: Wenn auch nach
der Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit keine caussa conveniens
vorhanden ist, um den Ablass so zu verleihen, dass alle Seelen des
Fegfeuers, so viel vom Verleihenden abhängt, zu gleicher Zeit mit-
tels einer einzigen Messe durch das Altarprivilegium erlöst würden,
so kann doch ein hinreichender Grund vorhanden sein, um den Ab-
lass nicht wie gewöhnlich auf eine einzige Seele zu beschränken,
sondern auf mehrere auszudehnen, z. B. zu Gunsten einer verdienst-
vollen Bruderschaft oder wegen eines besonderen Verdienstes, das
etwa wegen Erbauung oder Dotation einer Kirche mehreren gemein-
Ueber das Altarprivilegium. 247
sam ist. So war z. B. nach dem Urtheile des Papstes Benediet XIII.
ein hinreichender Grund vorhanden, um ein tägliches Altarprivilegium
für die Seelen jener Gläubigen zu gewähren, welche in einem Spitale
der Brüder vom Orden des hl. Johannes von Gott sterben würden.
Warum sollte also kein hinreichender Grund, denkbar sein , um mit
einer einzigen Messe einen Ablass zu verbinden , der , wenn es Gott
so wohlgefällig ist, für mehrere giltig wäre, die in einem von der
Kirche besonders privilegirten Spitale an einem Tage sterben wür-
den? Und wenn nach dem Urtheile Benedict’s XIV. ein hinreichen-
der Grand vorhanden war, um im Kloster der Oblaten von Torre de’
specchi für den Todestag einer Oblaten alle Altäre mit dem Privi-
legium zu versehen, warum sollte kein hinreichender Grund möglich
sein, um in diesen einzelnen Messen diesen Ablass auf zwei oder
mehrere auszudehnen , wenn dort vielleicht an demselben Tage
mehrere mit Tod abgingen?
Ich habe hier nnr hypothetische Beispiele angeführt; denn
tbatsächlich kann ich kein Beispiel einer derartigen Verleihung an-
führen. Aber wie vor der Concession Pius IX. nach dem wenigstens
seit einigen hundert Jahren herrschenden Gebrauche vielleicht kein
Beispiel vorhanden war, dass ein Ablass cumulativ zugleich für
jenen, der die Bedingungen erfüllt, und für die Seele eines Ver-
storbenen gegolten hätte, so könnte der Ablass des privilegirten
Altares in einer und derselben Messe an sich für zwei oder mehrere
Seelen verliehen werden, obwohl es thatsächlich meines Wissens keiu
derartiges Beispiel gibt und man dessbalb allgemein sagen muss,
dass dieser Ablass praktisch nicht mehreren zugewendet werden kann,
weil er niemals für mehrere gewährt worden ist.
Es scheinen zwar Einige der Ansicht, gewesen zu sein, dass es
wirklich eine ganz singuläre Ausnahme von der allgemeinen Regel
gebe, nämlich in der Messe am Allerseelentage. Allein das für
diese Messe gewährte Privilegium besteht in Wirklichkeit nicht
darin, dass der Ablass an diesem Tage in einer und derselben Messe
mehreren, ja allen zugewendet werden könne, als ob es die Absicht
der Kirche wäre, iu den einzelnen Messen, so viel von ihr abhängt,
an diesem Tage das Pegfeuer gleichsam zu entleeren, sondern das
Privilegium besteht darin, dass an diesem Tage alle Priester an
jedem beliebigen Tage denselben Ablass in der gewöhnlichen Form
gerade so gewinnen können, als ob sie an einem privilegirten Altare
celcbrirten. Nur in diesem Sinne wurde um das Privilegium nach-
gesucht, in diesem Sinne wurde es nach dem noch vorhandenen
Gutachten des damaligen Consultors der Congregation dem hl. Vater
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248
Vecr. a. Congr. Indulg. d.d. 19. Junii 1880.
zur Gewährung empfohlen und in diesem Sinne von Clemens XIII.
auch wirklich gewährt, der »benigne concedit, ut Missa in die
praedicta Commemorationis defunctorum gaudeat privilegio ac si
esset in altari privilegiato celebrata.« Decr. Urbis et Orbis die
19. Maji 1761.
Es steht somit allgemein die Thatsache fest, dass der Ablass
des privilegirtem Altares nach der Willensmeinung des Verleihenden
in jeder einzelnen Messe immer auf nur eine Seele beschränkt ist,
sei es nun in bestimmter Weise, wenn er nämlich blos für eine ge-
wisse Person verliehen wird, sei es in unbestimmter, wenn er ent-
weder im Allgemeinen für die Verstorbenen oder im Besonderen für
eine Genossenschaft, Bruderschaft, Familie u. s. w. gewährt und es
den Gläubigen anheimgestellt wird. Gott eine bestimmte Seele zu
bezeichnen, welcher der Ablass zugewendet werden soll, oder auch
dieses ganz dem göttlichen Wohlgefallen zu überlassen. Das ist
aber keine Beschränkung der Vollmacht , sondern der Verleihung.
Somit scheinen die angeführten Entscheidungen der hl. Congregation
vom 29. Februar 1864 und 28. Juli 1840, nach welchen der Ablass
blos einer, nicht mehreren Seelen zugewendet werden kann, nur
im praktischen Sinne zu verstehen zu sein, insoferne der Ver-
leihende von der Schlüsselgewalt in beschränkter Weise Gebrauch
gemacht hat, nicht aber theoretisch und absolut, als ob die Voll-
macht selbst beschränkt wäre.
Ad. II. Damit ist auch schon die Lösung der zweiten Frage
klar, nämlich welches die Wirksamkeit des privilegirten Altares bei
den Trappisten sei. Dieselbe ergibt sich aber auch abgesehen von
der bisherigen allgemeinen Erörterung von selbst aus den Worten
der Verleihung im Breve Pius IX. vom 1. März 1861, welche
lauten: Quandocunque sacerdos aliquis dictae religiosae Congrega-
tionis Missam pro anima cujuscunque Ghristifidelis , quae Deo in
caritate conjuncta ab hac luce migraverit, ad quodlibet ex praefatis
altaribus majoribus celebrabit, anima ipsa de thesauro Ecclesiae per
modum suffragii Indulgentiam consequatur, ita ut ejusdem D. N.
Jesu Christi ac Beatissimae Virginis Mariae Immaculatae, Sancto-
rumque meritis sibi suffragantibus a Purgatorii poenis, si ita Deo
placuerit , liberetur, concedimus et indulgemus. Die Wirksamkeit
des privilegirten Altares bei den Trappisten ist also ein vollkom-
mener Ablass für Eine Seele und zwar allgemein -eines beliebigen
Christgläubigen.
Aber in jedem Trappistenkloster wird an einem solchen pri-
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Ueber das Altarprivilegium.
249
vilegirten Altare täglich eine hl. Messe für mehrere verstorbene Mit-
brüder, Verwandte und Wohlthäter gelesen.
Ganz richtig. Der sühnende Werth des Opfers wird gewiss
zugleich für mehrere Mitbrüder, Verwandte und Wohlthäter nach
Massgabe der göttlichen Annahme Geltung haben; aber der hinzu-
gefügte Ablass gilt nicht für mehrere. Und wenn auch Jemand
irrthümlich meinen sollte, nicht blos das Opfer, sondern auch das
Altarprivilegium könne iu derselben Messe zugleich mehreren zuge-
wendet werden, so würden desshalb nicht mehrere Seelen den Ab-
lass gewinnen, weil derselbe nicht von der Willensmeinung des
Celebrirenden , sondern des Verleihenden abhängt. Dieser Ablass
gilt also nicht für mehrere nicht blos, wie im vorgelegten Zweifel
gesagt wird, in Folge des Decrets vom 29. Februar 1864, sondern
hauptsächlich wegen der Formel, mit welcher derselbe im Breve
Pius IX. verliehen wird. Doch hierüber besteht kaum ein Zweifel;
vielmehr frägt es sich , ob wenigstens eine von den Seelen , für
welche die Messe an einem privilegirten Altare celebrirt zu werden
pflegte, den Ablass gewinnen konnte, wenn auch keine bestimmte
Seele bezeichnet worden sei, welcher der Ablass zugewendet werden
wollte.
Ad III. Desshalb drittens: ob das Privilegium desshalb un-
nütz werde, weil es niemals einer bestimmten Seele zugewen-
det wird. ,
Ich erwiedere: nein. Das Privilegium wird nicht unnütz aus
Mangel einer genauen Bestimmung. Denn es handelt sich hier nicht
um eine Handlung, die der Priester hinsichtlich einer bestimmten
Materie zu setzen hat, wie es z. B. der Fall wäre bei Consecration
einer bestimmten Hostie unter mehreren, sondern es handelt sich um
die Zuwendung eines Ablasses, der von der Willensmeinung des Ver-
leihenden und von der göttlichen Annahme abhängt. Es genügt
also reichlich die Intention des Celebranten, für die Mitbrüder, Ver-
wandten und Wohlthäter jenen Ablass zu gewinnen, welchen er nach
der Willensmeinung des Verleihenden und nach der Annahme Gottes
an einem privilegirten Altare gewinnen kann ; und folglich hat das
Privilegium den Nutzen gehabt, dass unter den Seelen der Mit-
brüder, Verwandten und Wohlthäter nach der Willensmeinung des
Verleihenden eine , und nach der göttlichen Annahme wenn und
welche es Gott gefällt, die Wirkung des Ablasses erlangen konnte.
Ich habe gesagt , diese Intention genüge reichlich ; denn im
gegebenen Falle ist nicht blos eine implicita, sondern eine explicita
intentio vorhanden , den mit der Messe verbundenen Ablass zu ge-
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250
Decv. s. Congr. Indulg. d. d. 19. Junii 1880.
wiimen, und dcsshalb wird die Messe für die Mitbrüder, Verwandten
und Wohlthäter au einem privilegirten Altare celebrirt. Nun aber
ist nach einer andern Entscheidung der hl. Congregation keine ex-
plicita intentio notbwendig erforderlich, sondern es genügt eine im-
plicita, die immer vorausgesetzt wird, und in diesem Sinne, nämlich
von der ausdrücklichen Intention unter Voraussetzung wenigstens
einer implicita, scheint mir die Antwort der hl. Congregation auf
den Zweifel zu verstehen zu sein: An Missa ad altare privilegiatum
celebrata per se privilegiata sit ; vel oporteat ut sive offerens eleemo-
synam sive sacerdos applicare intendat privilegium? S. Congr. re-
spondit: Affirmative ad I. partem, Negative ad II. Die 12. Martii
1855. Bei Prinzivalli S. 563.
Aus dem Gesagten ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
I. Der erste Zweifel scheint in seinem theoretischen Theile
kaum vorgelegt worden zu sein, weil er in diesem Sinne
vielmehr zur Congregation der Inquisition gehörte, da die
dogmatischen Fragen dieser letzteren vorzulegen sind, wäh-
rend die Congregation der Ablässe jene Zweifel zu erörtern
hat , welche hinsichtlich der Reliquien und der Ablässe ent-
stehen.
II. In seinem praktischen Theile scheint jedoch dieser Zweifel
schon lange gelöst zu sein, da.es immer beständige Praxis
der Kirche war, mit dem privilegirten Altare einen Ablass
zu verbinden, der in einer und derselben Messe nur von
einer im Herrn verschiedenen Seele gewonnen werden kann.
III. Auch der erste Zweifel scheint in seinem praktischen Theile
durch die auf den zweiten Zweifel gegebene Entscheidung
gelöst worden zu sein. Denn die hl. Congregation erwi-
derte, unter mehreren Mitbrüdern, für welche die hl. Messen
dargebracht zu werden pflegen, sei der Ablass auf nur einen
in jeder Messe beschränkt.
IV. Da aber die Gewinnung des Ablasses nicht von der Willens-
meinuug des Celebranten, sondern von der des Verleihenden
und von der göttlichen Annahme abhängt, so nützt der Ab-
lass blos Einem, wenn auch das Opfer der Messe an einem
privilegirten Altare für mehrere dargebracht wird, da eine
- solche Willensmeinung und Beschränkung von der Schlüssel-
gewalt festgesetzt wurde.
V. Es genügt jedoch für den an einem privilegirten Altare
celebrirenden Priester die Intention, den Ablass nach der
Willensmeinung des Verleihenden für die Mitbrüder und
I
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Ccber das Allarprivilegium. 251
• *i: Wohlthäter za gewinnen, damit von den Seelen, lür welche
J 1 1 man betet, eine und welche Gott gefällt die Frucht des
Ablasses erlangen könne.
- r; VI. Es scheint daraus auch zu folgen, dass, wenn auch nur eine
Seele der Wohlthat des Ablasses theilhaftig wird, doch der
sühnende Werth des Opfers allen jenen zu Gute kommt, für
• • welche die Messeu an einem privilegirten Altare dargebracht
> werden.
VII. Daraus kann man auch abnehmen, dass in unserm Falle das
Altarprivilegium nicht unnütz ist weder hinsichtlich des
* • Ablasses noch in Bezug auf den sühnenden Werth des
Opfers. Denn der Ablass kann wenigstens von einer Seele,
i. welche Gott wohlgefällt, in jeder Messe gewonnen werden
und der sühnende Werth von allen, für welche das Opfer
dargebracht wird.
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XIX. I
Entscheidungen des kgl. bayer. Verwaltungsgerichtshofes \
aus dem Jahre 1880/81.
Mitgetheilt Fon Prof. Dr. Philipp Hergenröther zu Eichstätt.
1. Entscheidung vom 5. Nov. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 149 ff.).
Die Anweudbarkeit der Bestimmungen des Cap. III. Abth. I.
der II. Yerfassungsbeilage über Beligionsverhältnisse der Kinder ans
gemischten Ehen erstreckt sich auch auf die Dauer der religiösen
Erziehung dieser Kinder, die keinesfalls vor Ablauf des Zeitraumes
der allgemeinen Schulpflicht als beendigt anzusehen ist.
Streitigkeiten über die Religionsverbältnisse solcher Kinder,
welche noch nicht aus der Schulpflicht entlassen wurden, sind hier-
nach unter Art. 8. Ziff. 4. des Gesetzes vom 8. August 1878, d t
Errichtung eines Verwaltungsgericbtshofes betr., zu subsumiren und
in letzter Instanz vom Verwaltungsgericbtshofe zu entscheiden.
Das den geistlichen Oberen und deren Organen, den Pfarr- '
ämtern , verfassungsmässig zustehende Recht der Ueberwachung des
Vollzuges der Verfassungsbestimmungen über die Religionsverhält-
nisse von Kindern aus gemischten Ehen schliesst das Recht der An-
tragstellung und Beschwerdeführung an die Staatsbehörden zur
Sicherung dieses Vollzuges in sich.
Die Thatsache der vollzogenen Communion oder Confirmation
eines Kindes und die hiermit erfolgte Aufnahme desselben in die
betreffende Kirchengesellschaft ist für die künftige religiöse Er-
ziehung dieses Kindes nicht allein utid an und für sich, sondern
nur dann massgebend, wenn sich dieselbe mit den verfassungsmässi-
gen Bestimmungen über diese Erziehung im Einklänge beßtidd
Gegentheiligen Falles entbehrt diese Thatsache für die religiöse Er-
ziehung der Rechtswirksamkeit und zwar auch in kirchlicher Be-
ziehung. ■
Was den letzten Punkt anbelangt, so hatte das kgl. bayer.
Staatsministerium mit Recht früher ausgesprochen, dass bei der
Communion oder Confirmation , ob sie gesetzlich oder gegen die Ge-
setze empfangen wurde, keinen Unterschied begründe (Min.-Entscbl.
vom 12. Januar 1837, V. S. VIII. S. 43); über die kirchliches
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5. November 1880. 253
Wirkungen des Empfanges eines hl. Sacramentes kann jedenfalls nur
die Kirche entscheiden. Doch hören wir zunächst den Fall.
Am 23. November 1862 wurde der Kleingütler Johann Albrecht
von Neuhaus, protestantischer Confession, mit der katholischen
Barbara Schäfer zuerst nach protestantischem Ritus in der Pfarr-
kirche zu Neuhaus und alsdann nach katholischem Ritus in der
Pfarrkirche zu Adelsdorf getraut. Nach den Acten des kathol. Pfarr-
amtes Gremsdorf hatten die Brautleute am 7. November 1862 vor
dem dortigen katholischen Pfarrer einen Vertrag abgeschlossen, wo-
nach die zu erwartenden ehelichen Kinder in der kathol. Religion
erzogen werden sollten. Dieser Vertrag findet sich jedoch nicht
mehr vor. Am 7. Februar 1877 trafen die Albrecht’schen Eheleute
vor dem Bürgermeister zu Neuhaus die schriftliche Vereinbarung,
dass ihre sämmtlichen lebenden Kinder, Johann Georg, Johann,
Gertraud und Kunigunde, Unterricht und Erziehung in der evangeli-
schen Religion erhalten sollten, mit der Bestimmung, dass diese
Vereinbarung zu keiner Zeit einseitig geändert werden könne.
Am 14. Februar 1877 starb der Vater zu Neufiaus und bald
darauf dessen ältester Sohn, der bereits confirrairt war. Die Wittwe,
welche später verarmt zu sein scheint, zog nach Lauf, k. Bezirks-
amtes Forchheim , und brachte ihren Zweitältesten Sohn Johann (ge-
boren 1. März 1867) im Herbste 1877 zu seinem Pathen nach Buch.
Der Knabe besuchte bis November 1878 die protestantische Schule
zu Neuhaus. Am 11. November 1878 trat derselbe in die katho-
lische Schule zu Gremsdorf über, nachdem dessen Mutter Tags zu-
vor dem protestantischen Pfarrer und Localschulinspector zu Neu-
haus hievon Anzeige erstattet hatte. Die Mutter machte geltend,
sie sei seinerzeit in listiger und dringlicher Weise und durch das
Versprechen künftiger Unterstützung aus protestantischen Mitteln
zur Unterzeichnung der Vereinbarung vom 7. Februar 1877 veran-
lasst. worden; sie erkenne die fragliche Vereinbarung desshalb nicht
an , weil die Unterstützung ihrer Kinder ausgeblieben sei ; auch sei
sie damals wegen der schweren Erkrankung ihres Mannes völlig
fassungslos gewesen. Dagegen wurde von drei bei dem Abschlüsse
jener Vereinbarung gegenwärtigen Personen handgelübdlich bestätigt,
die Wittwe Albrecht sei bei dem Acte ganz ruhig gewesen und habe
den ihr vorgelesenen Vertrag ohne Widerstreben unterzeichnet.
Das k. Bezirksamt Höchstadt a/A. erliess am 16. December
1878 Beschluss dahin, dass sämratliche noch lebende Kinder des
Albrecht’schen Ehepaares im evangelischen Glaubensbekenntnisse zu
erziehen seien, wogegen die Mutter am 4. Januar 1879 Beschwerde
Bayer. Verwallungsgerich
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254 Vertrag über religiöse Erziehung der Kinder. I
bei der k. Regierung von Oberfranken erhob. Am 1. Januar 1879 I
verliess der Knabe Johann Buch und begab sich zu seiner Mutter I
nach Lauf; nach ärztlichem Zeugniss verhinderte den Knaben ein I
kranker Fass an seiner Rückkehr in die Schule zn Neuhaus. . Da I
die Yormundschaftsbehörde beschloss, es sei die fernere Erziehung I
der Kinder dem Gütler Zenkl vou Neuhaus mit Ausschluss der I
Mutter zu übertragen, die Heimathsgemeinde Neuhaus sieb zur 1
Uebernahme der Unterhaltskosten für die Kinder bereit erklärt hatte:
wollte der Vormund die Kinder gegen Ende Januar 1879 ihrem j
künftigen Pflegevater zuführen ; die Mutter verweigerte jedoch deren
Herausgabe. Am 2. Februar 1879 wurde der Knabe Joh. Albrecht
in der kathol. Pfarrkirche zu Adelsdorf zur ersten hl. Coramunion zu-
gelassen. Am 8. Februar aber warde derselbe zwangsweise nach
Neuhaus zurückgebracht, wo er wieder die protestantische Schule
besuchte. Die k. Regierung von Oberfranken wies auf erhobene Be-
schwerde die Frage der confessionellen Zugehörigkeit des Knaben
Johann Albrecht zur nochmaligen erstinstanziellen Entscheidung an
das k. Bezirksamt zurück ; bezüglich der beiden jüngeren Geschwister
bestimmte sie, dass dieselben im protestantischen Glaubensbekennt- 1
nisse zu erziehen seien. Die dagegen an das k. Staatsministerium
erhobene Beschwerde wurde abgewiesen. Das k. Bezirksamt forderte
die Betheiligten auf, sich über die Frage zu äussern, ob die Zu-
lassung des Knaben zur Communion auf dessen religiöse Erziehung
eine Wirkung zu äussern habe. Das protestantische Pfarramt Neu-
haus erklärte, der Knabe wolle nach seiner Aussage nicht katho-
lisch werden, dessen Unterricht sei höchst unzulänglich gewesen, ei
habe die Bedeutung der sacramentalen Handlung gar nicht begriffen,
von einer freien Wahl des Knaben in Bezug auf die Ablegung des
kathol. Glaubensbekenntnisses könne gar keine Rede sein. Der Vor-
mund des Knaben, Oeconom K. Stumpf von Neuhaus, bemerkte, der
Knabe habe nur gezwungen und gegen die obrigkeitlichen Anord-
nungen die Communion empfangen; dies könne unmöglich Geltung
haben. Die Mutter des Knaben dagegen erklärte , ihr Sohn habe
den Wunsch und den freien Antrieb gehabt, die Communion za
empfangen, nachdem er längere Zeit in der Schule zu Gremsdorf
und vom Pfarrer in Adelsdorf katholischen Religionsunterricht er-
halten habe. Derselbe sei von seiner frühesten Jugend an von ihr
katholisch erzogen worden. Auch der katholische Pfarrer in Adels-
dorf erklärte, dass der Knabe aus eigener religiöser Ueberzeugung
nach vorgängiger dreimonatlicher Religions-Unterrichts-Ertheilung i
Katholik geworden sei und als solcher erzogen werden müsse. I
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Bayer. VerwaUungugerichtshof: 5. November 1880.
255
[Warum ist denn von einer Vernehmung des zum Abendmahle ge-
gangenen Knaben selbst keine Rede?]
Das k. Bezirksamt Höchstadt a/A. sprach dagegen am 26. No-
vember 1879 aus, der Knabe müsse in der protestantischen Religion
erzogen werden, indem es in den Entscheidungsgründen sagt: »Die
Thatsache des Communionsempfangs äussere keinerlei Rechtserfolg;
nicht in der Thatsache des Empfangs der Communion oder Confir-
mation liege der Schwerpunkt der - Ausnahmsbestimmung des §. 18.
der II. Yerf.-Beil. , sondern in der bisherigen religiösen Erziehung
eines Kindes, welche mit dem abgrenzenden Zeitpunkte des betref-
fenden kirchlichen Actes mehr oder minder einen Abschluss finde.
Die religiösen Wirkungen dieses Vorkommnisses habe der Verwal-
tungsrichter nicht zu beurtheilen.«
Während, nun gegen den Beschluss des Bezirksamtes Be-
schwerden an den Verwaltungsgevichtshof eingebracht waren und
diesem bereits Vorlagen, wurde der Knabe Johann Albrecht von dem
protestantischen Pfarrer zu Neuhaus confirrairt. Der Verwaltungs-
gerichtshof wies die Beschwerden der Mutter und des katholischen
Pfarrers ab, indem er u. A. aussprach, der Vertrag vom 7. Februar
1877 sei unbedingt rechtswirksam. §. 18. der II. Verf.-Beil. sei
hier nicht anwendbar; aus demselben könne nicht gefolgert werden,
dass die Thatsache der vollzogenen Communion oder Confirmation
der allein an und für sich entscheidende Moment für die religiöse
Erziehung eines Kindes sein solle, oder höchstens dass sie es dann
sei, wenn dieselbe sich mit den verfassungsmässigen Bestimmungen
im Einklänge befinde. Allerdings bilde der Eintritt einer Person
in eine Kirchengesellschaft an sich eine innere Angelegenheit der
ersteren, welche sich der staatlichen Einmischung entziehe, soferne
nicht das Schutz- und Aufsichtsrecht des Staates hiebei in Frage
gezogen ist. Von diesem Rechte sei aber Gebrauch zu machen,
wenn aus Anlass der Verwaltung einer inneren Kirchenangelegenheit
Seitens einer Kirchengesellschaft der Schutz der Staatsgewalt von
einer anderen Kirchengesellschaft angerufen wird. Dieser Schutz
müsse gegen die vertrage- und gesetzwidrige Aufnahme des Knaben
in die katholische Kirchengemeinschaft der protestantischen Kircheu-
gesellschaft gewährt werden, die einen wohlbegründeten Rechtsan-
spruch darauf besitze, dass der Knabe ihr in kirchlicher Beziehung
angehöre und in ihrer Confession erzogen werde, und damit müsse
die Nichtanerkennung jener Aufnahme mit edlen ihren Wirkungen ,
sohin die fernere Erziehung des Knaben in der protestantischen Con-
fession ausgesprochen werden.
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256
Bayer. Verwaltuiujsyerichtishof : 5. November 1880.
Hiezu einige Bemerkungen. 1) Was den Vertrag vom 7. Febr.
1877 anlangt, so scheint aus dem Mitgetbeilten die Aussage der
Mutter, sie sei durch List und Versprechung einer Unterstützung
dazu gebracht worden, nicht genugsam widerlegt, zumal wenn nach
Aussage des Pfarramtes Gremsdorf früher ein entgegen gesetzter
Vertrag gemacht worden war. Dass die Mutter bei dem Acte seilst
ganz ruhig gewesen und ohne Widerrede den Vertrag unterschrieben,
wie die Zeugen aussageu , schliesst die Möglichkeit nicht aus , dass
sie vorher bei der schweren Erkrankung ihres Mannes durch das
Versprechen von Unterstützungen sich bestimmen Hess, auf den Ver-
trag einzugehen. 2) Die Aussagen des kathol. Pfarrers von Adels-
dorf und des protestantischen Pfarrers von Neuhaus stehen sich ent-
gegen; es ist also keineswegs bewiesen, dass der Knabe nicht frei-
willig in die katholische Kirche eintrat. Jedenfalls scheint weniger
Grund vorhanden, an dem freien Willen des Knaben zu zweifeln, da
er ohne äusseren Zwang die Religion seiner Mutter wählte, als
nachher, wo er zwangsweise nach Neuhaus zurückgebracht wurde,
also die protestantische Schule wieder besuchen musste. Unter diesen
Umständen kann selbst der nachherigen Confirmation des Knaben,
der wohl nicht mehr anders konnte, nicht gleiche Bedeutung beige-
legt werden, wie der früheren Communion. Jedoch hat allerdings
die spätere Confirmation die Sache wesentlich verändert. Aul die»
ist aber in den Entscheidungsgründen auch gar nicht Rücksicht ge-
nommen. 3) Uns scheint §. 18. der II. Verf.-Beil. hier allerdings
in Anwendung zu kommen. Der Schwerpunkt desselben liegt, wie
ihn auch früher das k. b. Staatsministerium offenbar auffasste, nicht
darin , dass »die religiöse Erziehung eines Kindes mit dem ab-
grenzenden Zeitpunkte des betreffenden kirchlichen Actes (der Com-
munion oder Confirmation) mehr oder minder einen Abschluss finde,*
sondern darin, dass in dieser Thatsacbe die Aufnahme in eine be-
stimmte Kirchengesellschaft stattfinde. Allerdings fand früher auch
der Werktags-Schulunterricht seinen Abschlus mit der Communion
oder Confirmation, was auch heute noch geeignet sein dürfte; aber
nicht desshalb ist der Communion oder Confirmation eine solche ent-
scheidende Wichtigkeit beigelegt, sondern weil sie als derjenige Act
betrachtet werden muss, wodurch die feierliche Aufnahme iu eine
bestimmte Kirchengesellschaft und Ablegung ihres Glaubensbekennt-
nisses statt hat. Dafür spricht der Wortlaut des §. 18. selbst, der
nicht von dem Abschluss der religiösen Erziehung spricht, sondern
von der Aufnahme in die Kirche einer anderen Confession dnreh die
Communion oder Confirmation. So hat das k. Staatsministerium in
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Vertrat) über religiöse Erziehung der Kinder.
257
einem Erlass vom 31. Mai 1838 es auch offeubar aufgefasst, indem
es sagt, dass die Eltern den Vertrag über die religiöse Erziehung
eines Kindes jederzeit ändern können, so lange nicht ein Kind durch
Communion oder Confession »in eine bestimmte Kirche eingetreten
ist. « (V.-S. VIII. S. 45). Es stellt also die Kinder, welche bereits
communicirt haben oder confirmirt sind, in die Classe der Minder-
jährigen und entzieht sie dem Bestimmungsrechte der Eltern und
damit auch dem der Vormünder, ja der Einmischung der Staatsbe-
hörden. Der Eingangs angeführte Erlass vom 12. Januar 1837 spricht
ausdrücklich aus, dass »der Glaubens« echsel eines durch die Com-
Tvvunion oder Confirmation in einer Confession förmlich Aufgenommenen
im, Hinblick auf §. 18. der II. Verf.-Bcil. von Amtswegen nicht
mehr verfügt werden kann.« Derselbe Erlass bestätigt aber auch
ausdrücklich, dass es hiebei keinen Unterschied macht, ob die Com-
munion oder Confirmation gesetzlich zulässig war oder ob sie (wie
es in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Falle statt hatte)
gegen die Bestimmung bestehender Kindererziehungsverträge oder
gegen die Gesetze empfangen wurde. Es ist also offenbar die That-
sache der empfangeneu Communion oder Confirmation, worauf es au-
kommt und womit die förmliche Aufnahme in eine der beiden Con-
fessionen statt findet. Das entspricht dem canonischen Rechte. Alle
Getauften betrachtet die Kirche als ihre Kinder. Ueberall aber gilt
die vollzogene Confirmation als der Akt, wodurch man von der
katholischen Kirche sich lossagt und in die protestantische Con-
fession eintritt. Der Empfang der hl. Communion aber gilt überall
als Bekenntniss des katholischen Glaubens. 4) Nie und nimmer
kann die Staatsgewalt die kirchliche Aufnahme eines Minderjährigen
in eine Confession für kirchlich angiltig erklären, wie diess die Allerh.
Entschl. vom 26. April 1845 (V.-S. XXIII. S. 13) ausspricht, in-
dem sie auf die Frage: »ob, wenn ein bereits in eine Kirche durch
die Communion oder Confirmation aufgenommener Minderjähriger zu
eiuer andern Confession Übertritt, diese Handlung wegen des Mangels
der gesetzlichen Volljährigkeit von der weltlichen Behörde als kirch-
lich ungiltig erklärt werden kann,* antwortet: »Die verlangte Er-
klärung der kirchlichen Ungiltigkeit in dem bezeichneten Falle kann
schon desshalb als zulässig nicht erkannt werden, weil hiedurch eiu
verfassungswidriger Uebergriff in das Gebiet des Gewissens unter-
nommen und das durch das Staatsgrundgesetz Tit. IV. §. 9. einem
jeden Einwohner gesicherte Recht der Gewissensfreiheit verletzt würde.«
Wenn beim Uebertritte eines bereits in die Kirchengesellsehaft auf-
genommenen Minderjährigen die kirchliche Ungiltigkeit derselben
Archiv für Kircheurecht. XLV1I. 17
4 »
. *
258 Bayer. Verwalt ungsyerichtuhuf : 3. December 1880.
nicht ausgesprochen werden kann, so doch gewiss auch nicht bei der
ersten Aufnahme in eine Coutession durch , die Communion oder Con-
firmation. Wollte man sich auf §. 7. der II. Yerf.-Beil. berufen
und die Fähigkeit des Knaben Johann Albert bestreiten zur freien
Walil eines Bekenntnisses, so lässt sich dies aus dem. was vorliegt,
nicht beweisen, zumal nach den Aussagen seiner Mutter und des
katholischen Pfarrers, der ihm Religionsunterricht ertheilte und der
über seine Befähigung, zur ersten hl. Communion zugelassen zu
werden, zu entscheiden hatte. Dass der Knabe später auch sich
confirmiren Hess, beweist auch noch nicht seine Unfähigkeit im
ersten Falle, wenn man bedenkt, wie leicht Kinder von äusseren
Einflüssen sich bestimmen lassen und dass der Knabe nach seiner
zwangsweisen Ueberbringung nach Neuhaus keine Wahl mehr hatte.
5) Was das staatliche Schutz- und Aufsichtsrecht betrifft, so scheint
eben demselben dadurch eine Grenze gesetzt, dass die bereits ge-
schehene Aufnahme in eine bestimmte Kirchengesellschaft vom
Staate einfach als eine Thatsache hingenommeu werden muss , über
deren kirchliche Giltigkeit nicht der Staat, sondern die Kirche zu
entscheiden hat, die der Staat nicht ungeschehen machen kann,
auch wenn sie gegen die Gesetze vollzogen worden, die er als pari-
tätischer Staat ebenso anerkennt, wenn die Aufnahme durch die l
Confirmation in die protestantische Kirchengesellschaft, als wenn sic
durch die Communion in die katholische Kirche statt hat. Indem
er beiden Confessionen gleiches Recht gewährt, verletzt er auch
keine, wenn er in beiden Fällen die dem Bereich der Staatsgewalt
sich entziehende rein inner-kirchliche Thatsache anerkennt. Wenn
diese Grenze nicht anerkannt wird, so dürfte es keine andere mehr
berechtigte Grenze für Eingriffe in die Gewissensfreiheit Minder-
jähriger geben. Höchstens kann der Staat als »Herr der Schule«
zum Besuche einer bestimmten Schule anhalten. Zwaugsmassregeln
bezüglich des Besuches der Kirchen, des Empfanges der kirchlichen
Sacramente, die »ebenso wenig vor dem Richterstuhle des Rechtes, i
als vor jenem der Sittlichkeit zu rechtfertigen wären ,« schliesst die
genannte Allerh. Entschliessung vom 26. April 1845 aus.
2. Entscheidung vom 3. Dec. 1880 (Sammlung Bd. 11. S. 317 ff.). i
Wenn der Besitzer einer katholischen geistlichen Pfrüude den
Bezug einzelner Einkünfte derselben im Wege Privatübereiukoinmens
ohne staatsaufsichtliche Genehmigung einem Dritten überlassen hat,
und die Pfründe vor Ablauf der dem letzteren eiugeräumten Bezugs-
periode erledigt wird, so hat dem neuen Pfründebesitzer für den ihn
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Bayer. Verwallunysgerichtshof: 3. December 1880.
259
an dem fraglichen Bezüge treffenden Antheil der abgetretene Pfründe-
besitzer und nicht der nur mit letzterem im Vertragsverhältnisse
stehende Dritte zu haften.
Pfavrer J. Eiglsperger von Wessliug hatte seit 1869 dem
Bauern J. Dellinger daselbst die Ermächtigung ertheilt, auf einer
zum Pfarrwiddum gehörigen Wiese jährlich 106,000 — 112,000 Stück
Toid zu gewinnen, wogegen Letzterer die Verpflichtung übernahm,
dem Pfarrer Eiglsperger jederzeit das für ihn benöthigte Gefährte
zu stellen. Laut Notificationsdecretes der k. Kreisregierung von
Oberbayern vom 24. Mai 1876 wurde dem Pfarrer Eiglsperger die
Pfarrei Zolling verliehen, und hierauf der Pfarrer Joseph Glöggler
vom hoch würdigsten Bischof von Augsburg am 26. August 1876
zum Pfarrer in Wessling ernannt. Dellinger hatte im Frühjahr 1876
noch unter Pfarrer Eiglsperger 107,000 Stück Torf auf einem Theile
der Wiese gestochen, den Torf aber erst im darauffolgenden Herbst
uud Winter abgeführt. Die vertragsmässige Gefährtestellung hatte
er bis zum Abgang des Pfarrers Eiglsperger geleistet. Die beiden
Pfarrer einigten sich über die Intercalarantheile. Auch die Kirchen-
verwaltung trat diesem Ucbereinkommen bei und hob nur hervor,
dass hierunter der Antheil der Kirche an dem von dem Bauern
J. Dellinger auf einem Pfarrgrundstück gewonnenen Torf nicht inbe-
griffen sei. Die k. Regierung genehmigte die vergleichsweise Be-
reinigung der Intercalare mit der Kirchenstiftung unter dem von
der Kirchenverwaltung gemachten Vorbehalte. Pfarrer Glöggler so-
wohl als die Kirchenverwaltung verfolgten ihre Ansprüche gegen
Dellinger. Die k. Regierung entschied, Pfarrer Glöggler habe sich
mit seinem Vorfahrer vorbehaltlos abgefunden, habe also keine An-
sprüche mehr, der Kirchenstiftung habe Glöggler nach der Schätzung
(1000 Stück Torf ä 2 M.) für die Zwischenzeit von 94 Tagen 54 M.
96 Pf. zu ersetzen. Pfarrer Glöggler appelliite an den Verwaltungs-
gerichtshof und dieser entschied, Pfarrer Eiglsperger habe seinem
Pfründenachfolger den den Letzteren nach der Zeit seiner Bezugs-
berechtiguug (113 Tage) treffenden Antheil an dem von dem Bauern
Dellinger erzielten Torfgewinn (92 M. 97 Pf.) unter Vorbehalt der
Regressnahme an J. Dellinger zu ersetzen. Ein Uebereinkommen
über den Torf war zwischen beiden Pfarrern nicht getroffen worden.
Ersatzpflichtig ist (allerdings vorbehaltlich seines Regresses an
J. Dellinger) der Pfarrer Eiglsperger allein , da derselbe über seine
Bezugsberechtignng hinaus den Dellinger zur Torfgewinnung' auf
einem Pfarrgrundstück e ermächtigte, mit diesem nur für seine Per-
son, ohne die allenfalls erforderliche curatelamtliche Ermächtigung
17*
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260 Bayer. Verwalt ungsg erichlshof : 4. Sept. und 3 August 1880. I
erholt zu haben , contrahirte und sonach auch für die Folgen einzu-
stehen hat, welche sich aus den bezüglichen Handlungen des Del-
linger ergeben haben. Mit diesem stellt Pfarrer Glöggler weder im
öffentlich-rechtlichen noch im privatrechtlichen Verhältnisse.
3. Entscheidung vom 4. Sept. 1880 (Sammlung Dd. II. S. 119 ff.).
Die Kosten für Aufforstung eines Waldes, an welchem das
Eigenthum einer kirchlichen Stiftung, der Nutzgenuss aber einem
kirchlichen Pfründebesitzer zusteht, sind nicht von der Eigen-
tümerin, sondern von dem Nutzniesser zu bestreiten. Streitigkeiten
über die Verbindlichkeit zu dieser Leistung zählen zu den Ange-
legenheiten des Art 10. Ziff. 13, nicht Ziff. 15. des Gesetzes vom
8. August 1878.
Aus diesen Gründen wurde die Beschwerde des kath. Pfarrers
Pröls in Kaltenbrunn abgewieson und derselbe in die Kosten ver-
urteilt. Derselbe hatte zu bezeichntem Betreffe die Zahlung von *
7 M. 68 Pf. verweigert, weil ihm ausweislich seines Pfründekatasters
die freie Nutzniessung des Waldes »Frühmessholz ,« dessen Eigen-
tümerin die Simultanfrühmessstiftung in Kaltenbrunn ist, ohne cdk
Lasten zustehe. Wie schon die k. Regierung entschieden hatte,
dass »ohne Lasten nur heisse: ohne Steuern, Umlagen und die be-
sonders auf Erhaltung des Eigenthums erwachsenden Kosten , uicbt
aber ohne die gewöhnlichen , jedem Nutzniesser obliegenden Lasten,
so entschied auch der Verwaltungsgerichtshof, dass gemeinrechtlich
der Nutzniesser verpflichtet ist, für die Ertragsfähigkeit des Nutz-
ungsgegenstandes zu sorgen, d. h. das Object des Nutzungsrechtes
in seiner Substanz zu erhalten und bei solchen Sachen, die nach
ihrer Natur regelmässig einer Ergänzung bedürfen, diese auf seine
Kosten auszuführen.
4. Entscheidung vom 3. August 1880 (Sammlung Bd. II. S. Off.).
Für die Beurtheilung der Beitragspflicht zu Umlagen und
Diensten für kirchliche Zwecke in den Landestheilen diesseits des
Rheins siud nicht die Art. 42 — 48. und 49—54. der diesrheinischen
Gemeindeordnung vom 29. April 1869 massgebend, vielmehr haben
die Grundsätze des Gemeindeumlagen-Gesetzes vom 22. Juli 1819
und des Gemeindeedicts vom 17. Mai 1818/1. Juli 1834 entsprechend,
d. h. soweit sie mit dem rechtlichen Bestände der durch die ange-
führte Gemeindeordnung vom politischen Gemeindeverbande unab-
hängig gemachten Kirchengemeinden vereinbar sind, in Anwendung
zu kommen.
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Bayer. Verwaltunyagerichtshof : 3. Auyusl und 26. Nov. 1880. 261
Hiernach können nur die wirklichen Kirchengemeinde-Mitglie-
der als beitragspflichtig erachtet werden.
Voraussetzungen für die Eigenschaft eines wirklichen Kirchen-
gemeinde-Mitgliedes sind aber, abgesehen von den übrigen persön-
lichen Erfordernissen, unter allen Umständen die Religionsgenossen-
schaft und das Wohnen im Kirchengemeinde-Bezirke. Der Besitz
von Grundstücken im Kirchengemeinde-Bezirke allein vermag diese
Eigenschaft nicht zu begründen.
Mehrere Gemeindebürger von Lützenreuth besitzen in der Ge-
meinde Grünstein Grundstücke, die sie versteuern müssen. Lützen-
reutb gehört zum Pfarrsprengel Bemeck, während die Gemeinde
Grünstein dem Pfarrsprengel Gefrees zugetheilt ist. Die protestan-
tische Kirchengemeinde Berneck hatte 1876 den Kirchhof zu erwei-
tern und erhob dazu Kirchengemeinde-Umlagen, zu welchen auch
jene Bürger concurrirt haben. 1875 und 1876 wurden die abge-
brannten Kirchen- und Pfarrgebäude in Gefrees neu aufgebaut; die
Gesammt-Kirehengemeinde in gefrees hatte hiezu unbestritten Rand-
und Spanndienste zu leisten. Die Kirchengemeinde Gefrees beschloss
nun, diese Dienste zu veraecordiren, den Gesammtbedarf durch Auf-
nahme eines Schuldcapitals zu beschaffen und letzteres mittels Um-
lagen in der Weise wieder zu tilgen, dass die Gesammt-Kirchenge-
ineinde-Umlage auf die einzelnen nach Gefrees eingepfarrten Ort-
schaften ausgeschlagen werde. Zu dieser Umlage wurden auch die
erwähnten Bürger, Heinrich Raithel und Genossen, wegen ihres
Grundbesitzes in Grünstein (d. i. als Gemeinde-Forensen) nach Ver-
hältniss der Steuer beigezogen. Die wegen Beitrags-Verweigerung
erhobene Beschwerde der protestantischen Kichenverwaltung Gefrees
wurde aus den angegebenen Entscheidungsgründen abgewiesen.
5. Entscheidung vom 26. Nov. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 255 ff.).
In dieser Entscheidung gelangten dieselben Grundsätze zum
Ausdrucke wie in der vorigen. Ausserdem ist darin noch der wei-
tere Grundsatz ausgesprochen, dass juristische Personfen, weil sie
einer Religionsgesellschaft nicht angehören können, von der Ver-
pflichtung zur Theilnahme an Kirchengemeinde-Umlagen befreit sind.
Die sog. Mittelalpe, ein grosser Grundbesitz mit Sennhütte,
liegt im Sprengel der Pfarrkirchengemeinde Fischen und ist angeb-
lich im Besitze der Ortschaft Obermaiselstein, welch’ letztere Ge-
meinde eine eigene Pfarrei bildet. Von diesem Besitze beanspruchte
die Kirchenverwaltung Fischen Concurrenzleistung zu den für Cultus-
zwecke iu der Kirchengemeinde Fischen zu erhebenden Umlagen.
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262 Bayer. VeruaUunysyericMshof : 26. November 1880. .
Die Ortsgemeindeglieder von Obermaiselstein bestritten die Beitrags-
pflicht zu den fraglichen Umlagen überhaupt, sowie insbesondere die
Beitragspflicht nach der Steuer des Alpenbesitzthums und beriefen
sich auf A. 2. Z. 5. des Umlagegesetzes vom 22. Juli 1819, wonach
Forensen nur für gewisse Zwecke, zu welchen aber die kirchlichen
nicht gehören , belastet werden könnten. Das k. Bezirksamt Sont-
hofen erklärte die Ortsgemeinde Obermaiselstein für beitragspflichtig,
indem die Umlagen für Kirchenzwecke nach den in der Gemeinde-
ordnung vom 29. April 1869 über Umlagen-Concurrenz normirten
Vorschriften zur Erhebung zu kommen hätten ; die k. Regierung von
Schwaben und Neuburg bestätigte diese Entscheidung, aber mit
anderer Motivirung. Sie fand die Concurrenzpflicht der »Mittel-
alpe« darin begründet, dass nach den hier allerdings geltenden
früheren Bestimmungen von 1819 nur jener Besitz als umlagenfrei
bezeichnet ist, mit welchem ein Wohnhaus nicht verbunden ist.
(Als solches wurde die Sennhütte betrachtet.) Die Beschwerde au
den Verwaltungsgerichtshof hob namentlich hervor, die Sennhütte sei
nur ein Stall , nicht ein Wohnhaus. Der Verwaltungsgerichtshof
entschied, dass die Ortschaft Obermaiselstein, bez. die Ortseinwohner
Georg Klingensteiner und 27 Genossen, als Besitzer der Mittelalpe
nicht verpflichtet seien, zu den Umlagen der Kirchengemeinde Fischen
beizutragen.
Bezüglich der Umlagen für Zwecke der politischen Gemeinde,
führen die Erwägungen aus, ist der Kreis der Pfliehtigkeit durch
Art. 43. 44. der diesrhein. Gemeindeordnung vom 29. April 1869
genau normirt und sind darin alle Jene concurrenzpflichtig erklärt,
welche in der Gemeinde mit einer directen Steuer angelegt sind,
auch wenn sie nicht im Gemeindebezirke wohnen. Diese Gesetzes-
vorschrift kann aber nicht auch für die Umlagen-Concurrena zu
kirchlichen Zwecken in Anspruch genommen werden. Es fragt sich
nur, ob die Beschwerdeführer als Mitglieder der Kirchengemeinde
Fischen zu betrachten sind oder nicht. Dies muss verneint werden.
Ist die Alpe (was sich aus den Acten nicht genau ergibt) im Be-
sitze der Genossenschaft von Obermaiselstein, so mangelt es für die
Kirchenmitgliedschaft an einer der beiden Voraussetzungen, nämlich
der des Wohnens auf der Alpe, da jene Unbestrittenermassen ständig
in Obermaiselstein wohnen. Ist dagegen die Ortschaft Obermaisel-
stein als juridische Person im Besitze der Alpe, so fehlt die andere
Voraussetzung, nämlich die der Religionszugehörigkeit, indem juri-
stische Personen einer Religionsgesellschaft nicht angehören können.
Haben die Besitzer oder die Besitzerin der Mittelalpe nicht die
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■w* . - 'i rrn
Bayer. Verwallungsgerichtshof : 27 Zlec. und 19. Aov. 1880. 263
Eigenschaft eines Kirchenmitgliedes, so ist auch eine Verpflichtung
derselben zur Umlageconcurrenz für Zwecke der Kirchengemeinde
nicht gegeben.
6. Entscheidung vom 17. Dec. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 307 ff.).
Die Entscheidung der Frage, ob die von einer Kirchenver-
waltung über die Klingelbeutel-Einlagen und deren Verwendung ge-
führte Rechnung als eine Kirchenstiftungs-Rechnung zu erachten sei
und den über das Rechnungswesen der Kirchenstiftungen bestehenden
formellen Vorschriften, insbesondere der Vorschrift in §. 94. Abs. 6.
des revid. Gemeinde-Edicts vom 1. Juli 1834, unterliege, füllt nicht
in das Zuständigkeitsgebiet des Verwaltungsgerichtshofes.
Aus diesem Grunde wurde die Beschwerde des Gemeinde-Aus-
schusses Lichtenau vom 13. August 1880 gegen die Entscheidung
der k. Regierung von Mittelfranken abgewiesen. Die k. Regierung
hatte entschieden, dass die Klingelbeutel- Einlagen an sich zu den
Einkünften des Kirchenvermögens gehören und sonach die- Rech-
nungen über dieselben ebenfalls den. einschlägigen formellen Vor-
schriften unterliegen, die Marktgemeindeverwaltung vorschriftsmässig
Einsicht davon zu nehmen hat.
7. Entscheidung vom 19. Nov. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 211 ff.).
Die noth wendige Voraussetzung für die Geltendmachung eines
Rechtsanspruchs im Sinne des Art. 8. Ziff. 35. des Gesetzes vom
8. August 1878 ist die rechtliche Existenz einer Stiftung überhaupt.
Aus dem Standpunkte des öffentl. Rechtes kann der Charakter
einer Stiftung mit der Eigenschaft der Rechtsfähigkeit einer ver-
tragsmässig erklärten Schenkung zu frommen und milden Zwecken
nur dann zuerkannt werden, wenn dieselbe die landesherrliche Be-
stätigung erhalten hat.
Diese Bestätigung kann durch die Genehmigung der Verwal-
tungsbehörde zur zweckentsprechenden Benützung des Schenkungs-
objects und die Besitznahme desselben von Seite der Beschenkten nicht
ersetzt werden.
Zur Entscheidung von Beschwerden gegen staatsaufaiehtliche
Beschlüsse der Verwaltungsbehörden, wodurch auf Grund des Art. 159.
Absatz 1. der Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des
Rheins die staatsuufsichtliche Genehmigung versagt wurde, ist der
Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig.
Die Gemeinde Gerzen bildet mit bestimmten Bestandtheilen
der politischen Gemeinden Dietelskirchen, Jesendorf, Neuhausen und
>gle
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264 Bayer. Verwaltungsgeriehlshof : 19. November 1880.
Schalkham, sämmtlich k. Bezirksamtes Vilsbiburg, den Beerdigungs-
bezirk Gerzen. Das für die Verlegung des gemeinsamen Friedhofes
zu Gerzen 1872 , sowie für die Erbauung eines Leicbenhauses anf-
gestellte Project wurde nach Genehmigung des Bezirksamtes 1874 ff.
ausgeführt. Die Anlage der neuen Begräbnisstätte befindet sich auf
einem Grundstücke des Pfarrwiddums Gerzen, welches die Vertreter
der »Sepulturgemeinde« durch einen von den Aufsichtsstellen über
das Pfarrpfründevermögen genehmigten Tauschvertrag für den vor-
würfigen Zweck erwarben. Die Kosten der Anlage wurden nach
Massgabe eines von der versammelten »Sepulturgemeinde« am
1. Januar 1873 und bez. 10. August 1873 gefassten Beschlusses
durch Umlagen nach Verhältniss der Steuern aufgebracht und die
Hand- und Spanndienste von der Sepulturgemeinde geleistet. Auf
Aufforderung des Bezirksamtes legte die Gemeindeverwaltung 13. Aug.
1877 Entwürfe einer Friedhof- , Leichen- und Leichenhaus-Ordnung
vor. In §. 2. der Friedhofordnung wurde festgesetzt: »Die Geschäfts-
führung wird von einem eigenen Ausschuss »Gottesacker-Verwaltung«
geübt, sie besteht aus dem jeweiligen Pfarrer zu Gerzen, dem Bür-
germeister und zwei Ausschussmitgliedern von dort, dann aus je
einem Vertreter der weiter theilweise einverleibten Gemeinden.«
Die k. Regierung von Niederbayern äusserte dagegen, die be-
absichtigte Organisation der Gottesackerverwaltnng stehe in Wider-
spruch mit der Gemeindeordnung insolange, als nicht auf dem da-
selbst in Art. 65. verzeichneten Wege eine besondere Verwaltung
durch Errichtung einer Stiftungsurkunde berufen werde, da nach
gesetzlicher Regel die Verwaltung der Gottesackerkasse als einer
örtlichen Stiftung Aufabe des Gemeinde- Ausschusses sei.
In einer Versammlung der Familienväter, die der Bürger-
meister berief, verzichtete die Sepulturgemeinde auf das Eigenthum
am Friedhofe, jedoch unter dem Vorbehalte gleichen Benützungs-
rechtes für alle Betheiligten, zugleich bestand sie aber auch aut
Bildung der Verwaltung nach dem Entwürfe. Die Betheiligten aus
den vier auswärtigen Gemeinden wählten je einen Vertreter für die i
Verwaltung. Auch das Pfarramt Gerzen mass der Sepulturgemeinde
die Eigenschaft einer juristischen zu Fundationen berechtigten Per-
son bei. Die gewählten Vertreter der auswärtigen Gemeinden schlossen
darauf mit den Vertretern der Gemeinde Gerzen einen notariellen
Schenkungsvertrag ab, wonach erstere Namens der Sepulturgemeinde
das Eigenthum am Friedhof und Leichenhaus ohne Entschädigung
unter gewissen Bedingungen an die politische Gemeinde Gerzen ab-
traten. Von der Sepulturgemeinde wurde für die örtliche Stiftung
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Bayer. Venraltungugerichtiihof : 19. November 1980.
205
die allerhöchste Genehmigung nachge3ucht, diese aber versagt, da
der Antrag wesentlich die Berufung eines Verwaltungs-Organs be-
ziele, dessen Zusammensetzung von der gesetzlichen Form abweiche,
und da es bedenklich erscheine, durch Genehmigung solcher An-
träge die Gelegenheit zur Einführung künstlicher Bildungen in die
Verwaltung der Gemeinden zu eröffnen.
Auf die nunmehr von der Gemeinde gestellte Bitte genehmigte
das Bezirksamt von Aufsichtswegen den Schenknngsvertrag mit Aus-
nahme der Bestimmung über die Gottesackerverwaltung. Die Be-
schwerde wegen dieser Einschränkung wies die k. Regierung ab, da
dem Schenkungsvertr^ge die Eigenschaft einer Stiftungsurkunde
nicht zukomme, Art. 65. der diesrhein. Gemeindeordnung auf die
fragliche Bedingung daher nicht anwendbar sei; eine örtliche Stif-
tung bestehe überhaupt nicht. Auf die 7. April 1880 an den Ver-
waltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sprach dieser seine Unzu-
ständigkeit aus, indem er u. A. erklärte : Die Beschwerde stützt sich
zn ihrer formellen Begründung auf Art. 8. Z. 35. des Gesetzes vom
8. August 1878. Allein unbedingte Voraussetzung für die Geltend-
machung eines Rechtsanspruchs in Bezug auf die Verwaltung einer
Stiftung ist die rechtliche Existenz einer Stiftung überhaupt. Ob
vom civilrechtlichen Standpunkte aus der vorwürfigen Schenkungs-
urkunde die Eigenschaft einer Stiftung zn frommen Zwecken beizu-
messen sei, entzieht sich der verwaltungsrechtlicheu Beurtheilung
überhaupt und gemäss A. 13. Abs. 1. Z. 1. des Gesetzes insbeson-
dere jener des Verwaltungsgerichtshofes. Vom öffentlich-rechtlichen
Standpunkte aus erscheint der wirksame Bestand einer Stiftung erst
dann gegeben, wenn sie die allerhöchste Bestätigung erhalten hat
(A. 69. Abs. 2. der diesrhein. Gemeindeordnung). Diese Bestätigung
wurde nicht ertheilt. Sie kann auch nicht ersetzt werden durch die
Genehmigung der Behörden zur Benützung des Schenkungsobjectes
für seinen Zweck und durch die Besitzergreifung von Seite der be-
schenkten Gemeinde. Zur Entscheidung von Beschwerden gegen
ministerielle Entschlicssungen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht
befugt (A. 9 und 10. des Ges. vom 8. Aug. 1878). Der öffentlich-
rechtliche Bestand einer Stiftung ist bei dem Mangel der landes-
herrlichen Bestätigung nicht gegeben. Diese kann weder durch
Verfügungen der Verwaltungsbehörden noch durch den Ausspruch
des Verwaltungsgerichtshofs ersetzt werden; es gebricht daher an
den Voraussetzungen, unter welchen die von den Beschwerdeführern
angerutene Zuständigkeit des Gerichtshofes (nach Massgabe des A. 8.
Z. 35) Platz greifen könnte. Auch wegen Beeinträchtigung des ge-
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266
Bayer. VertcaUungsgerichltihof : 20. December 1880. '
tneindlichen Selbstverwaltungsrechtes kann der Verwaltungsgerichts-
hof nicht angerufen werden. Das in A. 1. der diesriiein. Gemeinde-
ordnung den Gemeinden gewährte Recht der Selbstverwaltung ist für
die in A. 159. a. a. 0. bezeichneten Fälle ein beschränktes. Hier
ist für die Rechtsbeständigkeit eines gemeindlichen Verwältungs-
actes die Ertheilung der staatsaufsichtlichen Genehmigung erforder-
lich. Auf die Ertheilung dieser Genehmigung hat die Gemeinde
keinen rechtlichen Anspruch; die Versagung derselben kann kein
Recht der Gemeinde verletzen. Ob solche Genehmigung zu ertheilen
sei, ist Sache freien Ermessens, dessen Uebung den Behörden der
activen Verwaltung zukommt, während die Zuständigkeit des Ver-
waltnngsgerichtshofs gemäss A. 13. Abs. 1. Z. 3. ausgeschlossen ist.
8. Entscheidung vom 20. Dec. 1880 (Sammlung Ed. II. S. 357 fT.).
Voraussetzung für die Beitragspflicht zu den Umlagen einer
israelitischen Cultusgemeinde ist die Zugehörigkeit zu dieser Ge-
meinde.
Der israelitische Cultusgemeinde- Verband kann wie der christ-
liche Kirchengemeinde-Verband nur physische, nicht aber juristische
Personen umfassen. Letztere können daher zu den erwähnten Um-
lagen uicht beigezogen werden.
Demnach ist auch eine in der Cultusgemeinde angefallene Erb-
schaft als solche von der Umlagepflicht frei, und kann letztere nur
den Erben gegenüber entstehen, wenn bei diesen die Voraussetzung
des Abs. 1. gegeben ist.
In der israelitischen Cultusgemeinde Laudenbach war die Re-
gulirung der Vermögensanlage für weitere drei Jahre bethätigt und
die Aaron Siegel’sche Nachlassmasse mit 15,000 fl. veranlagt worden.
Auch wurde die Anschaffung einer neuen Gesetzesrolle beschlossen,
wozu jedes Mitglied der Cultusgemeinde ein Kopfgeld von 10 M.
12 Pf. und von je 100 fl. Vermögen 39 Pf. entrichten sollte. Be-
schwerdeführerin ist Fanni Schwab in Rimpar. Der Verwaltungsge-
richtshof sprach aus: Die Cultusgemeinde vermag durch ordnungs-
mässige Beschlüsse wohl ihre Mitglieder zur Entrichtung von Cultus-
umlagen zu verpflichten, nicht aber andere Personen, die ihrem
Cultusverbande nicht angehören. Die Zugehörigkeit zur Cultusge-
meinde muss als Voraussetzung der Cultusumlagepflicht festgehalten
werden. Der Cultusverband kann ferner schon nach der Natur der
Sache nur physische, nicht aber juristische Personen umfassen, wo-
raus von selbst folgt, dass letztere überhaupt nicht verpflichtet sein,
können, Cultusumlagen zu entrichten. An diesen allgemeinen Grund-
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Bui/er. Verwaltunysgerichtahof : 20. December 1880.
207
Sätzen kann ein angebliches Herkommen in einer Gemeinde nichts
ändern. Es kann die Aaron Siegel’sche Nachlassmasse als Ganzes,
als juristische Person nicht beigezogen werden; die Umlagepflicht
kann vielmehr lediglich den einzelnen Erben gegenüber entstehen,
und dies nur unter der Voraussetzung, dass die Erben dem Cultus-
verbande in Laudenbach angehören. Fanni Schwab ist Mitglied der
israel. Cultusgemeinde in Rimpar oder jener, welcher der Ort Rimpar
zugetheilt ist. Sie gehört aber nicht dem Verbände der israelit.
Glaubensgenossen in Laudenbach an. Wenn auch die ganze frag-
liche Erbschaftsmasse bisher Kreis- und Districtsumlagen entrichtet
hat, so gelten für diese ganz andere Normen, als für die Cultus-
umlagen, bezüglich welcher der persönliche Cultusverband vor Allem
massgebend ist. F. Schwab ist daher aus dem Vermögenstheile,
der ihr aus der Aaron Siegel’schen Nachlassmasse zugefallen ist,
nicht zu den Cultusbedürfnissen in Laudenbach umlagepflichtig.
9. Entscheidung vom 20. Dec. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 363 ff.).
Eine blosse Remonstration gegen einen verwaltungsrechtlichen
Bescheid vermag den Eintritt der Rechtskraft desselben nicht zu
hindern. (Bd. I. S. 193.)
Das Rechtsmittel der Wiederaufnahme des Verfahrens ist un-
zulässig, wenn dasselbe auf eine ueue Thatsache gestützt wird,
welche schon vor der rechtskräftigen Entscheidung der Sache be-
kannt war. • ,
Mayer Neumond erhob gegen die Erhöhung seiner Umlage von
Seiteu des Synagogen- Ausschusses der israelitischen Cultusgemeinde
Kaiserslautern rechtzeitig Reclamation, die mit Beschluss des Reela-
mations-Ausschusses vom 30. März 1880 abgewiesen wurde. Gegen
diesen Beschluss, welcher dem N. M. ausweislich einer von ihm
Unterzeichneten Bescheinigung am 7. April 1880 zugestellt wurde,
legte derselbe unter dem 17., pr. 19. dess. Monats Beschwerde zum
Bezirksamte Kaiserslautern ein. Letzteres gab der Beschwerde in-
haltlich seines Bescheides vom 11. Mai 1880 desshalb keine Folge,
weil dieselbe nicht innerhalb des in Art. XVI. Abs. 3. der Allerh.
Verordnung vom 27. März 1872, die israel. Cultusgemeinde der Pfalz
betr., festgesetzten achttägigen Termins eingebracht und daher ver-
spätet sei. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14. Mai
zugestellt, worauf derselbe in einer Eingabe vom 24., pr. 25. Mai
wiederholt die Bitte stellte , seiner Beschwerde statt zu geben , da
die Zustellung des Beschlusses des Reclamationsausschusses an ihn
in Wirklichkeit am 13. April erfolgt sei und er die bei den Acten
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208 Ihujr.r. Verwallungagerichtsbof : 20. December 1880.
befindliche Bescheinigung erst am 8. Mai und in dem Glauben uutert
zeiehnet liabe, dass in dem Datum derselben ein Schwerpunkt nicht
liege. Der Vorstand des Synagogen- Ausschusses erklärte in seinem
Berichte vom 30. Juni, dass die Angaben des N. M. auf Wahrheit
beruhen. Das Bezirksamt erliess 7. Juli den Beschluss, dass im
vorwürfigen Falle die Voraussetzungen des Art. 26. des Gesetzes vom
8. August 1878 zur Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben
und daher ,der Antrag abzuweisen sei. In einer Beschwerde an die
k. Regierung der Pfalz erklärte N. M. , er könne urkundlich nach-
weisen, dass er erhebliche Verlnste in seinem Geschäfte erlitten, und
dartbun, dass die Voraussetzungen, welche den Synagogen- Ausschuss
zur Gebührenanlage bestimmt haben, bei ihm nicht gegeben seien.
Das k. Bezirksamt legte die Beschwerde nebst Acien dem Verwal-
tungsgerichtshof zur Bescheidung vor. Die Beschwerde wurde abge-
wiesen und der Beschwerdeführer in die Kosten der Instanz verur-
theilt. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte: Das Gesuch vom 24. Mai
charakterisire sich nicht als eine Beschwerde gegen den bezirksamt-
lichen Bescheid vom 11. Mai, sondern nur als eine Remonstration
oder Gegenvorstellung, die aber für sich nicht geeignet war, d«
Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zu hemmen. Wollte jedoch
die fragliche Vorstellung als ein Gesuch um Wiederaufnahme des
Verfahrens erachtet werden, so wäre es mit Recht abgewiesen wor-
den; denn dieses setzt eineu rechtskräftigen Bescheid voraus; für
solche neue Behelfe, die schon vor der rechtskräftigen Entscheidung
der Sache entdeckt waren, ist die Wahl zwischen dem ordentlichen
Rechtsmittel der Beschwerde und dem ausserordentlichen Rechts-
mittel der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dem Ermessen des
Betheiligten freigegeben , sondern muss der erstere Weg betreten
werden. Da nuu N. M. wohl im Stande war, seine angeblichen
Restitutionsgründe durch Einlegung der Beschwerde gegen bezirks-
amtlichen Bescheid vom 11. Mai innerhalb der gesetzlichen Noth-
frist geltend zu machen, dies aber unterlassen hat, da für solchen
Fall die Ergreifung des ausserordentlichen Rechtsmittels der Wieder-
aufnahme des Verfahrens als unzulässig sich darstellt; von einer
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Frist versäumniss aber
(Art. 22. Abs. 6. des Ges. vom 8. Aug. 1878 und §§. 211. 218. der
Reichs-Civil-Processordnung) keine Rede sein kann, so muss es bei
dem rechtskräftig gewordenen Bescheide vom 11. Mai sein Ver-
wenden haben und konnte die Beschwerde nicht berücksichtigt
werden.
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hager. Verwaltungsgerichlehof : 3. December 1880. 269
10. Entscheidung mm 20. Dee. 1880 (Sammlung Bd. 11. S. 367 ff.).
Zur letztinstanziellen Entscheidung von Differenzen über die
Zutheilung der israel. Glaubensgenossen eines Ortes, in welchem die
Voraussetzungen für die Bildung einer eigenen Cultusgemeinde nicht
gegeben sind, zu einer bestehenden israel. Cultusgemeinde ist der
Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig. (Bd. I. S. 145.)
Die Beschwerde des Louis Rosenthal , des einzigen Israeliten,
der zur Zeit mit seiner Familie in Röthenbach wohnhaft ist, gegen
den von Bezirksamt und Regierung bestätigten Antrag der israelit.
Cultusgemeinde in Ottensoos, Zutheilung der israel. Bewohner von
Röthenbach zur israel. Cultusgemeinde Ottensoos betr., wurde abge-
wiesen, da solche Differenzen lediglich in die Competenz jener Be-
hörden fallen, welche mit der Handhabung der staatlichen Oberauf-
sicht über die Privat-Kirchengesellschaften betraut sind.
11.; Entscheidung vom 3. Dcc. 1880 ( Sammlung Bd. II. S. 264 ff.).
Die rechtliche Giltigkeit der Beschlüsse einer Schulsprengel-
vertretung ist vor Allem bedingt durch die gesetzmässige Zusam-
mensetzung dieser Vertretung. Beschlüsse eiuer Schulsprengelver-
tretung, in welcher einzelne Bestandtheile des Schulsprengels nicht
vertreten siud, können gegenüber den Angehörigen dieser Bestand-
theile nicht als rechtsverbindlich erachtet weiden.
Die Zuständigkeit der Schulsprengelvertretung erstreckt sich
qicht auch auf die Aufbringung des von einzelnen Bestandtheilen
des Schulsprengels für die Schule zu leistenden Beitrages, da biefür
die betreffende Gemeindebehörde zu sorgen hat.
Der Schulsprengel Thalheim umfasst auch die zur politischen
Gemeiude Heldmannsberg gehörigen Einöden Klaramühle und Regels-
mühle. In den Flurmarkungen dieser Einöden besitzen vier Bauern
Grundstücke. Die Gemeindeverwaltung Th. beanspruchte daher die
Concurrenz derselben zu den Umlagen für die Schule iu Thalheim.
Jene verweigerten diese Concurrenz, weil ihre betreffenden Grund-
stücke nicht in der Flurmarkung Thalheim gelegen, sie selbst aber
in die Schule zu Fürnried eingeschult seien und aus ihrer ganzen
Jahressteuer zu den Umlagen für diese Schule beizutrageu hätten.
Das Bezirksamt Hersbruck fasste 12. Mai 1880 Beschluss dahin,
dass sie zwar gehalten seien , mit jenem Theile ihres Grundbesitzes,
welcher innerhalb des Schulsprengels Thalheim gelegen sei, beizu-
tragen, dass dieselben aber vorläufig desshalb nicht verhalten wer-
den könnten, weil der zur politischen Gemeinde Heldmannsberg ge-
hörige Theil des Schulsprengels Thalheim in der Schulsprengelver-
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270 Bayer. Verwatlunysgerichlshof : 3. August 1880.
tretung nicht vertreten gewesen sei. Die k. Regierung von Mittel-
franken ergänzte den Beschluss dahin, dass sie die von ihnen für
1879 geforderten Umlagebeiträge zu entrichten verpflichtet seien
und die Kosten des Verfahrens unter solidarischer Haftung zu tragen
hätten. Der Verwaltungsgerichtshof hob beide Beschlüsse auf aus
folgenden Gründen: die Bestimmung in Art. 7. des Gesetzes vom
10. November 1861 ist massgebend. Danach hat die Ermittlung
und Feststellung des Aufwandes für Spreugelschulen sowie die Ver-
keilung des durch audere Mittel nicht gedeckten Theiles desselben
auf die einzelnen Bestandteile des Schulsprengels durch die Ge-
meindeverwaltung derjenigen Gemeinde, in welcher die Schnle ihren
Sitz hat, unter Zuziehung der Vorsteher oder Pfleger der übrigen
ganz oder theil weise zum Schulsprengel gehörigen Gemeinden sowie i
eines weiteren Abgeordneten einer jeden solchen Gemeinde zu ge-
schehen. Die zur politischen Gemeinde Heldmannsberg gehörigen Tbeile
des Schulsprengels Thalheim waren in der Schulsprengelvertretung nicht
vertreten. Die Schulsprengelvertretung Thalheim in ihrer bisherigen
Zusammensetzung konnte den Angehörigen jener Theile gegenüber in
rechtsverbindlicher Weise nicht beschliessen. Der Wirkungskreis der
Schulsprengelvertretung ist genau begrenzt ; er hat sich auf Ermittlung
und Feststellung des Aufwandes für die Schule sowie auf die Verkeilung
desselben auf die einzelnen Bestandteile des Schulsprengels zu er-
strecken, erstreckt sich aber nicht auf die Aufbringung des von den ein-
zelnen Bestandteilen zu leistenden Beitrages. Hiefür hat gemäss Art. 7.
Abs. 3. die Gemeindebehörde (also hier die von Heldmannsberg) zu
sorgen. Die Schulsprengelvertretung , bez. die Gemeindeverwaltung
in Thalheim hat demnach, insofern sie einzelne Angehörige der Ge-
meinde Heldmannsberg bezüglich der in dieser Gemeinde gelegenen
Grundstücke mit Umlagen belastete und betreffs Beibringung dieser
Umlagen ein Ausstandsverzeichniss angefertigt und als vollstreckbar
erklärt hat. auch ihre Zuständigkeit überschritten.
12. Entscheidung vom 3. Aug. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 1 ff.)-
Wenn mit einem auf einem öffentlichen Rechtstitel beruhenden
fundations- oder dotationsmässigen Reichnisse für eine Schulstelle
eine bestimmte Gegenleistung verbunden ist, so kann wegen Ver-
weigerung der letzteren nicht das Reichniss selbst von Seite des
Pflichtigen vorenthalten, sondern von diesem nur der Beschwerdeweg
zur Vorgesetzten Aufsichtsbehörde ergriffen werden.
Der jeweilige Schullehrer zu Thannhausen hat in seiner Eigen-
schaft als Messner von verschiedenen Anwesensbesitzern Kirchenbrode
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Bayer. Verwultungsgcrichtshof: 22. October 1880. 271
und Läutgarbeu zu beziehen, welche mit einem jährlichen Geldan-
schlage von 36 fl. 41 kr. unter die fassionsmässigen Einnahmen des
Schuldienstes aufgenommen sind. Zwei Grundbesitzer weigerten sich,
diese an den Lehrer zu entrichten , weil sie dem früheren Messner
für das Wetterläuten, Feierabendläuten u. dergl. von den Ackerbe-
sitzera überlassen und gegeben worden seien, Messner L. Schlecht
aber bereits im Jahre 1877 das Feierabendläuten in eigenmächtiger
Weise unterlassen habe. Das k. Bezirksamt Krumbach entschied
5. December 1879, Lehrer Schlecht sei verpflichtet, das sog. Feier-
abendläuten in der üblichen Weise zu besorgen und die betreffenden
Grundbesitzer seien schuldig, die auf ihrem Anwesen lastenden mebr-
bezeichneten Reichnisse an den Lehrer und Messner für die Jahre
1878 und 1879 und die folgenden zu entrichten. Die Beschwerde
dagegen wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen und die Be-
schwerdeführer in die Kosten verurtheilt : Abgesehen davon, dass es
nicht erwiesen, dass diese Reichnisse lediglich eine Gegenleistung für
das Feierabendläuten sind, sei die Leistung eine aus dem kirchlichen
Verbände herrührende Abgabe und könne deren Entrichtung nicht
von vorgängiger Erfüllung einer Leistung abhängig gemacht, son-
dern nur wegen Nichterfüllung der Obliegenheiten eine Beschwerde
an die Vorgesetzte Aufsichtsbehörde gemacht werden.
13. Entscheidung vom 22. Oct. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 130 ff.).
Die Kirchenverwaltungen sind nicht berechtigt, die Kirchen-
gemeindemitglieder in Angelegenheiten der politischen Gemeinde, in
welchen die Kirchengemeiudemitglieder nicht als solche, sondern als
Angehörige der politischen Gemeinde betheiligt erscheinen, zu ver-
treten.
In der Gemeinde Hüttenbeim besteht eine katholische und eine
protestantische Schule. Im Jahre 1875 wurde das Lehrzimmer der
katholischen Schule in das Erdgeschoss des dortigen Rathhauses
verlegt und zur Deckung der Kosten von der Gemeinde die Auf-
nahme eines durch Umlagen zu tilgenden Passivcapitals zu 850 fl.
beschlossen. Als auch die Verlegung des Lehrzimmers der pro-
testantischen Schule in das Rathhaus angeregt und in der Gemeinde-
versammlung vom 27. September 1878 beschlossen wurde, den hie-
für erforderlichen Bedarf von 1800 M. gleichfalls durch Aufnahme
einer mittelst Umlagen abzutragenden Schuld zu beschaffen, erhoben
23. December die Gemeindebürger Stephan Schott und Leonhard
Hilpert, welche zugleich Mitglieder der dortigen kathol. Kirchenver-
waltung sind, sodann 10 Israeliten, angeblich im Namen der katho-
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272
Bayer. Veiwaltunysyerichtshuf: 22. October 1880.
lieclion und israelischen Bürger von Huttenheim, Protest unter der
Behauptung, dass die Kosten für die protestantische Schule, wie seit
alter Zeit, gemäss einem Becesse vom Jahre 1721 nur von der pro-
testantischen Gemeinde aufzubringen seien. In einem Recesse oder
Vergleiche vom 19. April 1721 wurde nämlich seitens des Hoch-
stiftes Würzburg und der gefürsteten Grafschaft Schwarzenberg den
Protestanten in H. gestattet, die dortige Kirche mitzubenützen und
sich einen Pfarrer und besonderen Schulmeister zu halten, wobei
sich dieselben verbindlich machten, »dass sie ihren künftigen jewei-
ligen Augsburger Confessions- verwandten Pfarrer und Schulmeistern
aus ihren eigenen Mitteln mit nöthiger Wohnung und salario ver-
sehen, verpflegen und unterhalten wollen und- sollen.« Der Bürger-
meister von Hüttenheim machte Namens der protestantischen Orts-
bürger (3. Jan. 1879) dagegen geltend, dass der Recess lediglich
die Beziehungen der beiden christlichen Gemeinden in H. habe re-
geln wollen, die Israeliten sich nicht auf denselben berufen könnten,
dass in demselben nur von der Besoldung und Wohnung des pro-
testantischen Lehrers, nicht vom Unterrichtslocale die Rede sei,
dass die allerhöchste Verordnung vom 29. August 1873 die Schalen
als Gemeinde-Anstalten erkläre und demgemäss die Gesammtge-
meinde auf Grund des Gemeindebeschlusses vom 27. Sept. 1878 für
die fraglichen Kosten einzustehen habe. Die genannten Gemeinde-
bürger beharrten jedoch in ihrer Vorstellung vom 28. Jauuar 1879
auf ihrem Proteste und betonten besonders, dass die protestantische
Gemeinde seit Abschluss des Recesses das ihr eigenthümiich gehörige
Schulhaus mit Schulzimmer auf ihre Kosten eingerichtet und unter-
halten habe, und ihr die Verpflichtung hiezu vertragsmässig obliege,
dass die politische Gemeinde nicht zuständig sei, iu der vorwürfigeu,
die protestantische Gemeinde allem betreffenden Angelegenheit Be-
schlüsse zu fassen und die Gemeindeversammlung zudem nicht be-
schlussfähig gewesen sei. Auch die katholische Kirchenverwaltung
H. erhob mit Vorstellungen vom 11. Februar und 24. Mai 1879
»als gesetzliche Vertreterin der katholischen Gemeinde« Widerspruch
gegen die beabsichtigte Verletzung des Recesses. Das k. Bezirksamt
Kitzingen wies die Beschwerde der Katholiken und Israeliten ab:
der gnadenreiche Theil des Recesses sei durch das bayerische Edict
vom 24. März 1809 hinfällig geworden, der Recess habe auch keine
Verbindlichkeit im Sinne des Schuldotationsgesetzes vom 10. Nov.
1801 geschaffen, Art. V. des Umlagegesetzes vom 22. Juli 1819
könne hier nicht Platz greifen, weil die Gemeinde das ihr gehörige
liathhaus zu Schnlsäleu bereit gestellt habe und an diesen Scliul-
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Bayer. Verwuliungsyerichlshof : 3. August 1880.
273
sälen für alle Confessione» der gemeinsame Genuss bestehe. Auf die
Beschwerde der katholischen Kirchenverwaltung an die k. Regierung
von Unterfranken und Aschaffenburg vom 28. Juni bestätigte diese
nach einer neuen Gemeindeabstimmuug den früheren Beschluss, in-
dem die von den Protestanten im Recesse eingegangenen Verpflich-
tungen öffentlich-rechtlicher Natur und nach Art. 9. des Ges. vom
10. Nov. 1861, den Schulbedarf betr. , aufgehoben seien. Die von
Rechtsanwalt N. als bevollmächtigtem Vertreter der katholischen
Kirchenverwaltnng H. unter dem 22. Mai 1880 an den Verwaltungs-
gerichtshof erhobene Beschwerde wurde als unzulässig abgewiesen
aus folgenden Motiven: Das Bezirksamt hatte zu entscheiden, ob die
kathol. und israel. Gemeindebürger verpflichtet seien, beizutragen.
Gegen den Beschluss desselben hat nun die hathol. Kirchenver-
waltung Beschwerde zur Regierung erhoben. Allein die Kirchenver-
waltungen sind allerdings berechtigt, die Kirchengemeinde in allen
rechtlichen Fragen nach Aussen zu vertreten. Diese Befugniss be-
schränkt sich aber nach der Natur der Sache und nach der In-
tention des Gesetzes auf solche Rechtsangelegenheiten der Kirchen-
gemeinde als moralischer Person oder ihrer Einzelmitglieder, welche
in dem kirchlichen Verbände ihre gemeinsame Grundlage haben.
Hier handelt es sich aber um eine Angelegenheit der politischen
Gemeinde. Die Einmischung der Kirchenverwaltung ist daher als
unzulässig zu erachten ; sie hätte einfach als unberechtigt zurückge-
wiesen werden sollen. Sofern der bezirksamtliche Bescheid die Be-
schwerde der kathol. Gemeindebürger beschieden hat, kann derselbe
zur Zeit einer Beurtheilung nicht unterstellt werden, da eine vor-
schriftsmässige Eröffnung dieses Beschlusses an die Betheiligten noch
nicht erfolgt und desshalb abzuwarten ist, ob letztere nach der ord-
nungsgemäss zu bethätigenden Eröffnung Beschwerde erheben.
14. Entscheidung vom 3. Aug. 1880 (Sammlung Bd. II. S. 4 ff.).
Zur letztinstanziellen Entscheidung von Beschwerden gegen ad-
ministrative Provisionalbeschlüsse in Cultusbausachen ist nicht der
k. Verwaltuugsgerichtshof, sondern das k. Staatsministerium des In-
nern für Kirchen- und Schulangelegenheiten zuständig.
Wenn neben dem Anträge auf Erlassung eines administrativen
Bauprovisoriums in einer als Cultusbausache bezeichneten Angelegen-
heit zugleich die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bauverbindlich-
keit in derselben Angelegenheit in Frage steht, so kann über die
letzterwähnte Verbindlichkeit erst dann entschieden werden, wenn
der Bauprovisionalantrag endgiltig zurückgewiesen ist.
Arohiv für Kircbenreckt. XLV1I.
18
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274 Bat/er. Verwaltungsgerichtshof: 3. August 18S0.
I Kinchnach ist eine durch allerh. liescript vom 2. Jan. 1806
organisirfce Pfarrei, welche vorhin dem Kloster Niederalteieh. einver-
leiht war. An dem Pfarrhofe daselbst hat in Felge dessen das
Staatsärar die grosso Baupflicht allein und zur Baulast an der, Kirche
ist es auf Grund nachgewiesener Observanz durch oberstrichterliches
Erkenntniss vom 26. October 1826 verurtheilt. Anch am Schulhaas
hat der k. Fiscns die Baulast getragen, insbesondere 1329/31 die
Kosten für den Neubau des jetzigen Schulhauses, 1865/ßö,,. ebenso
die Erweiterung des Schulhauses. Erst in den letzten, Jahren, als
Erweiterung und bez. Reparatur desselben in Anregung gebracht
wurde, lehnte die Regierungs-Finanzkammer von . Niederbayeru
(11. Dec. 1876 und 28, Nov. 1878) jedwede Bethä.tignug einer
ärarialischen Baupflicht am Schulgebäude ab.,j< Auch die,, Verwal-
tungen der den Schulsprengel ßinehnach bildenden Gemeinden
Rinchnacli, Ellersbach und Karberg weigerten sich, die Kosten der
Reparatur in und am Schulhause zu übernehmen. Ebenso die* Kirchen-
verwaltung Rincbnach, da das Schulhaus nie Messnerhaus gewesen
sei, der Pfarrmessner ein eigenes Haus habe und der Kirchenstiftung
nicht einmal am Kirchengebäude selbst eine Baulast obliege. Pas
k. Bezirksamt Regen erliess 6. Oct. 1879 eine Provisionalverfüguug,
die Kirchenverwaltung und Schulsprengel Vertretung R. habe ohne
allen Verzug die Herstellung der schadhaften Oefen und Dachung
sowie des Dachgesimses in Angriff zu nehmen und, auszuführen;
21. Januar 1880 beauftragte dasselbe die Kircheuvqrwaltuug und
Schulsprengelvertretung R., binnen 14 Tagen die zur Bestreitung der
Reparaturen am Schul- und Messnerhaus nöthigen ausserordentlichen
Mittel zu bewilligen und anzuweisen; auf die Erklärung beider vom
31. d. M., sie hielten sich in keiner Weise dazu für verpflichtet,
erliess das Bezirksamt 10. Febr. 1880 Beschluss, die Schulgemeinde
sowie die Kirchenstiftung, eventuell die Kirchengemeinde R. sei ver-
pflichtet, die Baureparaturen zu wenden und die Kosten gleichheit-
lich zu tragen, ihre Ansprüche an das k. Staatsärar seien zur be-
sonderen Geltendmachung auf dem Civilrechtswege zu verweisen.
Die erhobene Beschwerde wurde von der k. Regierung von Nieder-
bayern 6. April 1880 abgewiesen. In der Beschwerde an den Ver-
waltungsgerichtshof vom 26. April 1880 wurde gebeten, es sei das
k. Bezirksamt Regen anzu weisen, den gesetzlichen und verordnungs-
mässigen Bestimmungen entsprechend das Bauprovisorium zu in-
struiren, eventuell nach Lage der Acten zu Gunsten der Scliul-
sprengelvertretung und Kirchenverwaltung Entschliessung zu erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof entschied, 1) die Beschwerde sei, inso-
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timjcr. VerwaltungsyeiiclUshuf : 8. August 1880.
275
weit sie gegen die Abweisung des Antrags auf Erlassung eines Bau-
provisoriums gerichtet ist, an das k. Staatsministerinm des Innern
P. K.- u. Sch.-A. zur zuständigen Bescheidung zu verweisen; 2) der
Beschluss des Bezirksamtes Kegen vom 10. Pebr. 1880 und die Ent-
scdiliessuug der Regierung vom 6. April 1880 seien, insoweit sie den
Schulsprengel urtddie Kirehenstiftubg, bez. die Kirchengemcinde R.
vom Standpunkte des öffentlichen Rechtes aus zur baulichen Unter-
haltung des Sehulhauses in R. für verpflichtet erklären, aufzuheben.
Denn 1) durch Art. 13. des Ges. vom 8. A*ug. 1880 (Abs. l.Ziff. 2.)
sind administrative Aussprüche, welche unter dem gesetzlichen Vor-
behalte diir Zuständigkeit der Gerichte erlassen werden , also auch
administrative Bauprovisorien der Judicatur des genannten Gerichts-
hofes entzogen. Ob die Voraussetzungen dazu gegeben sind und ein
solches Bauprovisorium einzuleiten sei, hat nach Ziff. 3. der Allerh.
Verordnung vom 1. Oct. 1830 das k. Staatsministerium d. 1. f. K.-
u. Sch.-A. zu befinden. 2) Insolango nicht wenigstens über die Zu-
lässigkeit des von der Schulsprengelvertretung und der Kitvhenver-
waltiing beantragten administrativen Bauprovisoriums cndgiUig ent-
schieden ist, ist die Inanspruchnahme der öffentlich-rechtlichen Ver-
pflichtung des Schulsprengels u. s. w. nicht berechtigt. Die Ent-
schliessungen stellen sich daher als verfrüht dar. Sie mussten aber
auch desshalb beanstandet werden, weil das staatsaufsichtliche Ver-
fahren auf Grand des Art. 157. der diesrhein. Gemeindeordnung
gegen die Schulsprengelvertretung nicht gerechtfertigt ist, und noch
weniger gegen die Kirchenstiftung zulässig war, und weil beide Be-
schlüsse von der Annahme ansgehen, dass das Schulhaus in R. auch
Messnerhaus sei, was nicht feststeht, von der Kirchenverwaltufig
vielmehr geradezu verneint wird.
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18 *
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Entscheidungen des k. k. österr. Verwaltungsgerichtshofes.
(VergL Archiv Bd. 45. S. 239 ff.) |
1. Erkenntniss vom 11. Dec. 1880 Z. 2460 , bcir. die Verpflichtung
zur Herstellung und Erhaltung von PfarrbaulichkeUen im Grunde
einer Particularconvention.
Es kann möglicher Weise der Umfang der Pfarrgebäude in
Zus&mmenhaltung mit dem Personalstande der Geistlichkeit der
Gegenwart und deren vorhandenen Bedürfnisse zu gross sein und mag
die angemessene Reducirung der Gebäude aus dem Gesichtspunkte
der Minderung der Baulast in Anregung gebracht werden. Der zur
Tragung der Bauherstellung rechtlich Verpflichtete kann sich aber
durch jene Einwendung von der Verpflichtung befreien. Also nicht j
aus diesem, sogleich anzugebenden Grunde wurde in der (im Wiener
Diöcesanblatt 1881 Nr. 3) ausführlich mitgetbeilten Erkenntniss des
Verwaltnngsgerichtshofes die Entscheidung des Min. für Cult, und
ünterr. vom 12. März 1880 Z. 8701, wornach die PfarrgemeinJe
Ernstbrunn die Leistung der Hand- und Zugarbeit, bezw. der Kosten
derselben bei der Reconstruction eines zur dortigen Pfarre gehörigen
Stallgebäudes obliege — als im Gesetze nicht begründet aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof stützte sich nämlich darauf, dass nach
Inhalt des Schenkungsbriefes Kaiser Karl VI. vom 7. Februar 1729
und des Recesses vom 2. Mai 1729 dem Grafen Sinzendorf und seinen
Rechtsnachfolgern in der Herrschaft Ernstbrunn unter einer be-
stimmten auflösenden Bestimmung das Patronat , die Vogtei und
Lehenschaft der Pfarre Ernstbrunn verliehen und damit auch gleich-
zeitig das gesammte der Pfarre gehörige Vermögen in die Verwaltung
und Nutzniessung übergeben wurden , wogegen der Graf sich und
seine Nachkommen verbunden hat, die für den zu errichtenden
Convent nöthigen Baulichkeiten herzustellen und zu erhalten. Aas
diesen und mehreren andern Urkunden ergibt sich , dass hier eia®
Particularconvention im Sinne des Punktes 10. des Baunormales vom
27. Juni 1805 vorliegt, wornach Graf Sinzendorf für sich und seine
Rechtsnachfolger die Verbindlichkeit zur Herstellung und Erhaltang
der Pfarrbaulichkeiten übernommen hatte und welche Convention auf
die Behandlung der vorliegenden Angelegenheit von massgebenden)
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Oesterr. Veru'iillungsgerichtshof : 10. Dec. 1880; 19. J\'ov. 1880. 277
Einflüsse ist. — Wenngleich die Convention nicht mit der Pfarrge-
meinde Ernstbrunn abgeschlossen und ihr gegenüber keine Ver-
pflichtungen eingegangen worden sind, so können doch aut Grund
des Normales vom Jahre 1805 die dort verzeichneten Verbindlich-
keiten Seitens der Behörden der ausser dem Falle einer besonderen
eiotretenden Concurrenz nur dann und insoweit auferlegt werden, als
nicht ersichtlich ist, dass in diesem Gegenstände Particularcon-
^ventionen und besondere Verbindlichkeiten bestehen.
Es ist im Punkte 10. des Normales nicht gesagt, zwischen
welchen Parteien die Convention geschlossen, wem gegenüber die in
Rede stehende Verbindlichkeit eingegangen sein müsse, um die dort
daran geknüpfte Folgerung zu begründen.
Der Umstand, dass durch eine solche Convention einem Dritten
ein Vortheil zugehe, steht ihrer Anwendung nicht entgegen. Für
die Behörde ist es entscheidend, dass eine Convention vorliegt, durch
welche die zur Leistung von Kirchen- und Pfarrhofbaulichkeiten ge-
setzlich bestehenden Verpflichtungen alterirt oder begränzt werden;
denn nur in Ermanglung solcher Particularverbindliehkeiten tritt die
im Normale vorgesehene Concurrenzpflicht in Wirksamkeit.
Zudem handelt es sich, wie dies die Acten der administrativen
Verhandlung ergeben, gegenwärtig darum, die Pfare Ernstbrunn als
Ruralpfarre zu restituiren. — Dies darf aber der gedachten Ge-
meinde nicht zum Nachtheil gereichen und kann hieraus für sie
nicht die Verpflichtung entspringen, desshalb einen neuen Viehstall
herzustellen, nachdem dessen Bestand durch die Umstaltung der
Pfarre in eine blosse Deputatpfarre im Jahre 1729 entbehrlich ge-
worden war.
Der durch die Ueberuahme des Pfarrvermögens Seitens der
Gutsinhabuug Ernstbrunn geschaffene Zustand besteht noch heute,
und so lange dieser besteht, kann eben von einer Concurrenzver-
handlung nach dem Normale vom Jahre 1805 keine Rede sein.
2. Erkenntniss vom 19. Nov. 1880 Z. 2285. Die Verschiedenheit
des Patronates bei der Pfarrei und der Kirche hat auf die Beitrags-
pflicht des Kirchenvermögens zu B auher Stellungen von Pfarrgebäuden
keinen Einfluss. — Die Hand - und Zugarbeiten sind nach dem
böhmischen Concurrenznormale von den Eingepfarrten nur dann zu
leisten , wenn die Bestreitung des gesummten Bauaufwandes aus dem
disponiblen Kirchenvermögen nicht thunlich ist.
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat, wie wir dem Wiener
Diöc.-Bl. 1881 Nr. 4 entnehmen, die Beschwerde des Patronatsamtes
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278 Oesterr. Vencallunysgerichtshof : 19 . November , I88O.1
SmiHc contra Entscheidung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unter-
richt vom 15. April 1880, Z. 1261, betreffend die Heranziehung des
Cibuzer Kirchenvermögens zur Bestreitung der Baukosten am Pfarr-
hofe in Cibuz als unbegründet abgewiesen. , f;; ; lMJ
Entscheidungsgründe : Die durch die angefoehteue Entscheidung
verfügte Verwendung eines Theiles der Erträgnisse des Cibuzer Ki*olw#.-
vermögens zur Bedeckung des Aufwandes für Herstellungen an den
Cibuier Pfarrgebäuden, soll nach den -Ausführungen der Beschwerde
dämm gesetzwidrig sein, weil 1) die Cibuzer Kirche unter einem
anderen Patronate als die Pfarre stehe und eben darum ihr Ver-
mögen zur Deckung der Baubedürfnisse ebensowenig heraugezogen
werden könne, als der Patron; weil 2) wegen vorhandener, eigener
Bedürfnisse das Vermögen der Kirche im Sinne der (Irgndeätze des
Gesetzes vom 7. Mai 1874 nicht als zureichend angesehen werden
könne, um auch den Bauaufwand für die Pfarre zu, decken , weil
endlich 3) die von den Eingcpfarrten zu leistenden Hand- find Zug-
arbeiten eben auch auf das Kirchenvermögen überwiesen worden sinji.
Was nun zunächst den ersten Beschwerdepunkt anbelaogt,, so
streitet derselbe wider den klaren Wortlaut des niit Hofkanzleidecret
vom 18. April 1806, polit, Ges.-Samml. Bd. 26, Nr. 3l .au.cli für
Böhmen puhlicirten Concurrenznormales, Hofdecret vom 7. Jauuar
1797, polit. G.-S. Bd. 10, Nr. 4. Dasselbe setzt als Grundsatz,
»nach welchem man sich bei vorkommenden Ausbesserungen von
Pfarreien, zu benehmen hat,« im 3. Absätze fest, dass Ausbesserungen,
die wegen Länge der Zeit, steten Gebrauches , durch feuchte Lage
oder unvorhergesehene Zufälle zur Noth wendigkeit werden, »vorzüg-
lich aus dem Kirchenvermögen, welches eigentlich, soweit es zureicht,
dazu bestimmt ist, zu bestreiten sind.«
Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob die! Pfarrei und
Kirche unter dem gleichen Patrone stehen oder nicht. Die Ver-
schiedenheit des Patronates kann um so minder auf dio Beitrags-
pflicht des Kirchenvermögens von Einfluss sein, als der Wortlaut
des Gesetzes darüber keinen Zweifel lässt, dass diese Pflicht eine
unbedingte, primäre , jene der übrigen Concurrenzfactoreu aber nur
eine eventuelle (»wenn das Kirchen vermögen nicht zulangte«) ist.
Diese Grundsätze haben auch in den nachgefolgten Verordnungen
Anerkennung und Anwendung gefunden. So besagt das Hofdecret
vom 14. März 1822, Z. 6358 ( Jaksch VII. pag. 129), dass die Pfarr-
kirche in erster Reihe für Baulichkeiten aufzukommen verpflichtet sei
und die Gubernial- Verordnung vom 11 Oct. 1823 (Jaksch ibid.) cou-
statirt, dass dies auch bei getheiltom Patronate der Fall zu sein habe.
Digitizedby,
Oesterr. VcrwaKungxgerichltshof : 10. Novtmbcr 1880. 279
_1 ■ Bezüglich des zweite« Beschwerdepunktes ist vor Allom her*
vofzuheben, dussder mit der angeloehtene« Entscheidung angewiesene
Betrag pr. 1554 tl. 24 kr. nicht blos zur Bestreitung des Baubo-
dürfnisses bei der Pfarrei, sondern auch jenes der Kirche dienen soll,
dass daher äuf das Baubedürfuiss der Kirche bereits Rücksicht ge-
nommen i8fc J d: 4 <;• b 1 ..j n.i. ..-•ii-.t, i --Vt-I * n.> ■ |r..
Nach §. 40. des Gesetzes vom 7. Mai 1874 würde die An-
weisung des Betrages pr. 1554 fl. 24 kr. , bezw. der für den Bau-
aufwand deb Pfarrei benöthigten Summe pr. 385 fl. 67 kr. nur dann
gesetzwidrig sein, wenn und insoweit auch jener Theil der Vermö-
g-enssnbstänz , dessen Erträgniss für die laufenden Bedürfnisse der
Kirche oder Pfründe benöthigt wird, in Anspruch genommen worden
wäre. Wird nun erwogen, dass nach der Entscheidung der Betrag
pr. 1554 fl. 24 kr. zunächst der disponiblen Baarschaft pr. 1092 fl.
80 kr., sodann den Sparkasseeinlagen zu entnehmen war, dass nach
den Rechuungsextraeten der Uebersohüsse im Jahre 1875 1995 fl.
41 kr., 1876 730 fl, 90^9 kr., 1877 1602 fl. 80 kr. betragen haben,
so ist es klar, dass der vom k. k. Ministerium angenommene That-
bestand der Zureichenheit des Kirehenvermögons durchaus acten-
gfemäss ist und dass durch die Verwendung des Betrages pr.
1584 fl. 24 kr. eine Verletzung des §. 40. 1. o. nicht Platz ge-
griffen hat. . i ..
Der dritte Beschwerdepunkt gipfelt in der Behauptung, dass
nach' den für Böhmen gütigen Concurrenzvorschriften die Hand- und
Zugarbeiteil von den Eingepfarrten auch dann zu leisten sind, wenn
die Bestreitung des gesummten Bauaufwandes aus dem disponiblen
Kirchen vermögen thunlich ist. Diese Behauptung widerstreitet dem
obcitirten Concurrenzuormale vollständig, da dieses im Absatz 3. als
Grmdsutz aufstellt , dass die Zuziehung der Kirchenpatrone und
Pfarrgemeinden nur dann Platz zu greifen hat, »wenn weder das
Kireheuvermögen, noch das Uebermass der Congrua zulangte.«
Durch die naehgefolgte Gesetzgebung erfuhr dieser Grundsatz
keine Aenderung, vielmehr durch die jetzt (§. 57. des Gesetzes vom
7. Mai 1874) massgebende Anordnung des §. 40. des vorcitirten Ge-
setzes eine Anerkennung, da von den »übrigen« — ausser dem
Kirchenvermögeu — »Verpflichteten« nur »der Rest« des Bauauf-
wandes, welcher weder aus den currenten Einnahmen, noch aus der
verfügbaren Substanz des Vermögens bedeckt werden kann, zu be-
streiten ist.
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280 Oeslerr. Verwaltungsgerichtxhof: 10. December 7880.
3. Erkenntniss vom 10. Dec. 1880 Z. 2430. Bei Gerne indemdagen
für Schul- und Unterrichtszwecke können, wenn es sich um Kosten
für den Religionsunterricht handelt, einen Befreiimgsartikel nach
Art. 10. des Gesetzes vom 25. Mai 1868 nur physische , einer an-
deren Religionsgesellschaft, als um deren Religionsunterricht es sich
handelt, ungehörige Personen in Anspruch nehmen ,
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat, wie wir der Österreich,
Zeitschr. für Verw. entnehmen, über die Beschwerde der Gemeinde-
vorstehung Salzburg die Entscheidung des k. k. Ministeriums für
Cultus und Unterricht vom 1. Juli 1880 Z. 7446 wegen Verweigerung
der Entrichtung einer zweiprocentigen Umlage von der Grund- und
Hauszinssteuer der dem Salzburger Studienfonde gehörigen Realitäten
zur Bestreitung der Bezüge des Katecheten an der dortigen Bürger-
schule als im Gesetze nicht begründet aufgehoben.
Entscheidungsgründe: Mit der angefochtenen Entscheidung hat
das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht ausgesprochen, dass
der Salzburger Studienfond zur Entrichtung der von der Gemeinde
Salzburg behufs Bestreitung der Bezüge des Katecheten an der dor-
tigen Bürgerschule ausgeschriebenen zweiprocentigen Umlage nach
Massgabe der von seinen Realitäten entfallenden Grund* und Hauszius-
steuer nicht verpflichtet sei. — Das k. k. Ministerium stützt seine
Entscheidung darauf, dass im Sinne de3 Art. 10. des Gesetzes vom
25. Mai 1868, dann des Gesetzes vom 20. Juni 1872 and nach dem
klaren Wortlaute der Ministerialverordnung vom 16. Februar 1875
Z. 1908 nur die Confessionsgenossen zur Bestreitung der fraglichen
Kosten heranzuziehen sind und somit alle juridischen Personen, welche
ihrem Wesen nach einer Confession überhaupt nicht angehören kön-
nen, von der betreffenden Umlage nicht getroffen werden dürfen.
Diese Begründung konnte jedoch der Verwaltungsgerichtshof
nicht für stichhaltig erkennen. Es ist zunächst hervorzuheben, dass
nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung laut des aus-
drücklichen Zugeständnisses des Vertreters der Gemeinde Salzburg
diese Gemeinde die Bestreitung des Aufwandes für den Katecheten
der Bürgerschule vom Beginn des Schuljahres 1876/77 gegen dem
auf sich aufgenoramen hat, dass der bis zu diesem Zeitpunkte hiefür
aufgelaufene Betrag aus dem Religionsfonde bestritten wird.
Da auf diese Weise für die Bedeckung des fraglichen Erforder-
nisses ein besonderer Titel geschaffen wurde, so hatte der Vcrwal-
tuugsgerichtshof keinen Anlass, in die Erörterung der Frage einzu-
gehen, inwieferne der auch von der Beschwerde angerufene Mini-
sterialerlass vom 16. Februar 1875 Z. 1908 auf den gegebenen Fall
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Oetslerr. Verwaltung sg er ichlshof: 30. December 1880. 281
anwendbar sei und insbesondere , ob die in diesem Erlasse ausge-
sprochene Concurrenzpflicht der Schulgemeinde, beziehungsweise ihrer
katholischen Glaubensgenossen mit den gesetzlichen Concurrenzbe-
stimmungen im Eiuklange stehe.
Bei Aufbringung der Mittel zur Bestreitung des Katecheten-
gehaltes hatte nach den bestehenden gesetzlicheu Vorschriften die
Gemeinde zu beachten, dass es sich 1) um die Bestreitung eiues
Aufwandes für Schul- und Unterrichtszwecke handelt, (arg. §§. 1
und 3. des Reichsvolksschulgesetzes) und dass 2) in Folge der Be-
stimmung des §. 3. Abs. 2. des Ges. vom 20. Juni 1872 R.-G.-Bl.
Nr. 86 bei Ausschreibung der Umlage mit Berücksichtigung deä
Art. 10. des Gesetzes vom 25. Mai 1868 R.-G.-Bl. Nr. 49 vorzu-
gehen sei. Demgemäss hatte die Gemeinde, weil für die Bestreitung
von Schul- und Unterrichtserfordernissen die allgemeine Concurrenz-
pflicht Platz greift (arg. §. 28. ad 10 Gemeindeordnnng und §. 42.
ad d. des Gesetzes vom 10. Januar 1870 L.-G.-BI. Nr. 11), das Er-
forderniss auf sämmtliche nach Massgabe der Gemeindeordnung be-
rufene Steuerträger umzulegen, insofern x Einem oder dem Andern
die Ausnahmsbestimmung des Art. 10. des Gesetzes vom 25. Mai
1868 nicht zu Gute kömmt.
Nach dem Wortlaute dieser Gesetzesstelle kommt aber, wenn
es sich um die Kosten für den katholischen Religionsunterricht han-
delt, ein Befreiungstitel nur den »Angehörigen der anderen Con-
fessionen ,« also nur physischen, einer anderen als der katholischen
Religionsgesellschaft angehörigen Personen zu. — Durch diese Ge-
setzesstelle wird demnach die in der allgemeinen Concurrenzpflicht
für Unterrichtszwecke begründete Beitragspflicht juristischer Personen
nicht berührt und es ist daher die ausgesprochene Befreiung des
Studienfondes als Besitzers steuerpflichtiger Realitäten im Gesetze
nicht begründet.
4. Erkenntniss vom 30. Dec. 1880 Z. 2447. Für die Entscheidung
' der Frage , ob eine Kirche zu einer anderen im Verhältnisse als
Filialkirche stehe , ist der Umstand , dass die. letztere von der Mutter-
kirche aus pastorirt wird, von ausschlaggebender Bedeutung. — Die
Heranziehung des Vermögens einer Filialkirche zur Concurrens bei.
Herstellungen an der Mutterkirche ist gesetzlich zulässig.
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat, wie wir der Zeitschrift
für Verw. entnehmen , die Beschwerde des Stadtrathes von Poliöka
als Patron der Filialkirche in Makow, contra Ministerium für Cultus
und Unterricht und den Fürsten Maximilian von Thurn und Taxis,
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282
Ucsterr. VericalUrnffsf/erichtshof : 30. December I 8 SO 1
wegen der Entscheidung dos Ministeriums' vom 27. Februar lß80r
Z. 1628, betreffend die Heranziehung des Vermögens dieser Filial-
kirche für Bauhevstellungen an der Kirche, dem PfaVr-*i. und Fried-
hofe in Moraschitz als unbegründet abgewiesen. :.iiT d t .
Entscheidiwggffründe : Mit der angefochtenen Entscheidung hat
das k. k. Ministerium für Gulfcüs und Unterricht gestattet, dass der
für Hörstellnngen an der Pfarrkirche und Friedhofsmauer < und, an
dem Pfarrgebäude in Mdraschitz erforderliche Bauaufwand pA 905 üj
84 kr. »aus dem zureichenden Vermögen der Filialkirche in Makow
selbstverständlich gegen Evidenzfcaltung imAcfciv- und Passiv ver-
weise der betreffenden Kirchen und unter sonstigen vom Stattn
haltereirechnungsdepartement beantragten Modalitäten bedeckt werde.
Die Beschwerde bestreitet die Gesetzmässigkeit der Entscheidung
darum, 1 weil 1) ‘die Makower Kirche, Filialkirche der Poliöka‘er De-
kanalkirclie, nicht aber der Morasehitzer Pfarrkirche sei, daher nach
dem Concurre »anormale zur Beitragsleistung nicht herangezogen wer-
den könne,- und weiP 2) das Makower Kirchenvermögen angesichts
der eigenen Bedürfnisse dor Kirche zur Unterstützung einer dritten
fremden Kirche nicht zureiche. I .gc.j .Ui .Vwi» \
Ad 1. Der Verwaltungsgerichtshof vermochte nicht zu finden,
dass die Anschauung, welche das k. k. Ministerium seiner Ent-
scheidung zu Gründe legte, — die Makower Kirche sei eine ! Filiale
der Morasehitzer Kirche, unrichtig sei. -*h Abgeseheti davon, ‘/dass
sowohl das Prager fürsterzbischöfliche Consistorium laut Note vom
8. April 1879 Nr. 2484, als auch das KöniggriUzer Consistorium
laut Note vom 27. März 1879 Nr. 1866 übereinstimmend erklärten,
dass das Filiationsverhältniss von Makow und Moraschitz ausser
Zweifel stehe, ist es unbestritten, dass die Makower Kirche von
Moraschitz aus pästorirt wird. 1 •’ - ;
Für die von der Beschwerde aufgestellte, den Aeusseruugen der
obersten Kirchenbehörden überdies widerstreitende Behauptung, dass
der Morasehitzer Pfarrer nur als Delegat des Dechantes von Poliöka
fungire, spricht kein entscheidender Beleg. — Wohl aber liegt eine
Keihe von Acten vor, welche unzweifelhaft darthun, dass sowohl die
weltliche als auch die geistliche Obrigkeit beabsichtigten, »das Dorf
Makow der Seelsorge des Polidkaer Dechantes ahzunehmen und für
jetzt und alle künftige Zeiten der Seelsorge der gegenwärtigen und
künftigen Pfarrer von Morasohitz anzuvertrauen und zu vereinigen.«
(Docret des Prager fürsterzbischöflichen Consistoriums vom 4. October
1726; Guhernial-Dccret vom 27. October 1774; Erlass des Chruditner
Kreisamtes vom 27. Juli 1786.) Dessgleichen folgt aus deu Be-
Digilized
Ocsterr* VerwiiUtinysyerivhliihuf: 30* December 1880. 283
riebten des Poli&kaer Deohantes dto. 13. August 1786, des Leito-
inischler' Vibars dtou 18. Jnli und Gubeilmal-Deeret vom 30, Mai
1318' Nr. '22063, dass die Umpfarrung von Makow nach Moraschitz
ah feststehende Thatsacbe angesehen wurde. \ ;
: ti! Sowohl nadh der Lebnneinung österreichischer Kirchen rech Is-
kbrcr- (Helfert, G. It., pag; 675 ; Pachmann II. pag. 505), als auch
nach’ positiven gesetzlichem Bestimmungen (Hofdecret vom, 14. August
1793 fKtöpi Nachtrag iß. X. pag. 72: und Jaksch IV.. pag. 375;
Ouberhialverordnung vom 27. September 1772) ist für das Verhillt-
iiisa der Mutterkirche und Tochterkirehe ein charakteristisches Merk-
mal eben dariu gelege», dass die Ncbenkirohe, (Filiale) »von einem
von der Mutte t kirche abhängigen abänderlichen Kapellan, der dahin
excnrrirt oder daselbst stationirt ist, versehen wird.« .•
'i Wenn aber vom oben Gesagten zufolge die Mukower Kirche
als eine Filiale der Moraschitzer angesehen werden muss, dann ist
deren Heranziehung zur Concnrronz gesetzlich (Holdecret vom 20. No-
vember 1786 Z. 2799; Jak sch B. II. pag. 448, vom 28. October
IJÖli) 'Jakseh UI. pag. 332, und Hofdecret vom 9. December 1785;
Jaksch III. pag. 387, vom 1. 1783; Politische Gesetzsammlung IT.
pag. 875; Hofdecret vom 20. Mai 1820; Jaksch B. VII. pag. 124).
Wenn bei der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Be-
schwerde insbesondere hervorgehpben wurde, dass die Heranziehung
des Makower Filialkirchenvermögens auch darum nicht hätte ausge-
sprochen werden sollen , weil ein Nothfall nicht vorliegt, da andere
cencurrenzfähige Verpflichtete vorhanden sind, so ist dem gegenüber
zu erinnern, dass nach dem Wortlaute der Ministerialeutscheidung
aus dem Filialkirchenvermögen nur ein Vorschuss zu Handeu der
Pfarrkirche entnommen werden soll, daher thatsächlich die Be-
streitung des Gesammtautwandes nur aus dem Vermögen der Letz-
tem im Aussicht genommen ist.
Ad 2. Für die Heranziehung des Kirchenvermögens zur Bau-
eoneurrenz setzt der §. 40. Abs. 2. des Gesetzes vom 7. Mai 1874
nur die Schranke fest , dass für die bezügliche Leistung nur jener
Theil der Vermögenssubstauz anfzukommen hat, dessen Erträgniss
tör die laufenden Bedürfnisse der Kirche nicht benöthigt wird, -r
Nachüem nuu nach den Rechnungsextracten in den Jahren 1874 die
ordentlichen Einnahmen 1527 fl. 63 kr., 1875 1637 fl. 67 kr., 1876
IbOO fl. 23 kr. ; da die ordentlichen Ausgaben im Jahre 1874 717 fl.
l4>/ 2 kr., 1875 630 fl. 81»/» kr-, 1876 549 fl. 76»/, kr., die jähr-
lichen Uebersehüs8e also mehr als 800 fl. betragen haben, so ist es
klar, dass durch die Verwendung der Summe von 905 fl. 84 kr.
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284
Oesterr. Venealtungsgerichtahof: 19. Januar 1
jene gesetzlich festgestellte Grenze selbst dann uicht überschritten
erscheint , wenn veranschlagt wird , dass zu Herstellungen an der
Makower Filialkirche selbst ein Aufwand von 3286 fl. 30 kr.nö. W.
(Note des Königgrätzer Consistoriuras vom 27. März 1879) bevor-
stehend ist. , .
Nachdem keiner der beiden Beschwerdepunkte begründet er-
schien, musste die Beschwerde abgewiesen werden.
Auf die bei der mündlichen Verhandlung vorgebrachten neuen
Beschwerdepunkte , dass die Concurrenz auf den Friedhof zu Mora-
schitz auszudehnen und auch der Pfarrer von Moraschitz zur Con-
currenzleistung heranzuziehen war, fand der Verwaltungsgerichtshof
nicht einzugehen, weil abgesehen davon, dass in dor beim Verwal-
tungsgerichtshofe überreichten Beschwerde in dieser,. Richtung die
Entscheidung des Ministeriums nicht angefochten worden ist, im
administrativen Instanzenzuge diese Beschwerdepunkte nicht geltend
gemacht worden sind (§§. 14. 5. des Gesetzes vom 22. Oot. 1875),
. |
5. ErJcennlniss vom 19. Januar 1881 Z. 115. Einer Gemeinde ,
welche hei Unzulänglichkeit des Vermögens der Kirche für die Be-
dürfnisse derselben zu sorgen hat, kann nach §. 41. des Gesetzes
vom 7. Mai 1874 , ll.-G.-Bl. Nr. 50 das Recht nicht abgesprochen
werden , durch eine von ihr selbst gewählte Vertretung ati der Ver-
waltung des Kirchenvermögens Theil zu nehmen. — Kirchenkim-
merer der Stadt Cilli.
Der k. k. Verwallungsgeriehtshof hat über die Beschwerde der
Stadtgemeiude Cilli contra Ministerium für Cultus und Unterricht
anlässlich der Entscheidung desselben vom 24. Juli 1880 Zt 10100,
betreffend die Wahl der Kirchenkämmerer der Marien-Himmelfahrt-
kirehe in Cilli, zu Recht erkannt: »Die angefochtene Entscheidung
wird als gesetzlich nicht begründet nach §. 7. des Gesetzes vom
22. October 1875 R.-G.-Bl. ex 1876 Nr. 36 aufgehoben. *
Entscheidungsgrimde : Mit der vom k. k. Cultusministerium be-
stätigten Entscheidung der k. k. Statthalterei in Graz dto. 28. April
1880 Z. 5802 wurde erkannt, die Stadtgeineiudevertretuag von Cilli
sei im Hinblicke auf die längst rechtskräftige Entscheidung derselben
Statthalterei vom 11. August 1879 Z. 10858 und auf '§. 24. des
Normale für die Diöcese Lavaut vom 22. September 1859 nicht be-
rechtigt, die Decretirung der Kämmerer für die Marienkirche in
Cilli vorzunehraon. In der berufenen Zuschrift vom 11. August
1879, welche die k. k. Statthalterei in Graz an das k. k. Kreisge-
richt iu Cilli gerichtet hatte und welche in Abschrift der Stadtge-
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Oesterr. Vencaltunysgerichlstwf : 19. Januar 1881. 285
meinde in Cilli zugemittelt worden ist, wurde über die Berechtigung
zur Wahl der Kämmerer für die Marienkirche nicht entschieden.
; ' Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht die Anschauung
zü ertheilen, dass darin die Entscheidung enthalten sei, diese Kirche
sei eine- Filialkirche der Stadtpfarrkirche in Cilli. Die Frage über
das etwaige Reell tsverhältniss dieser beiden Kirchen war ebenso
wenig, wie die oberwähnte, vom k. k. Kreisgerichte aufgeworfen,
stand nicht in Verhandlung, war nicht im Zusammenhänge, und
diente nicht zur Begründung der von der Statthalterei über die Ver-
tretung der Marienkirche in der Verlassenschaftsabhandlung nach
Josefa Geiger abgegebenen Aeusserung.
Auch lli der beute angefochtenen Entscheidung ist in diesem
Gegenstände nicht erkannt worden, da die Sentenz dieses Erlasses
entsprechend der vorgegangenen administrativen Verhandlung ledig-
lich über die Berechtigung zur Wahl der Kirchenkämmerer abspricht.
Wenn daher daselbst auch der Ansspruch, es sei die Marienkirche
eine Filialkirche der Stadtpfarrkirche als bereits rechtskräftig ent-
schieden bezeichnet, und diese Eigenschaft der Marienkirche aus-
drücklich als constatirt behandelt wird, so kaun dies nicht als ge-
gründet angesehen werden.
Da es aber für die Beurtheilung des heute vorliegenden Streit-
gegenstandes gleichgiltig ist, welche Rechtsverhältnisse etwa zwischen
den beiden mehrerwähnten Kirchen bestehen, lässt sich der Verwal-
tungsgerichtshof in die Prüfung der Richtigkeit der diesfälligen
Voraussetzung nicht ein.
Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung ist in der-
selben die Ordinariatscurrende für die Diöcese Lavant vom 22. Sep-
tember 1859 Z. 1599 berufen. Diese Currende, bezw. §. 24. der-
selben , erscheint aber im vorliegenden Falle nicht anwendbar , weil
diesfalls das Gesetz vom 7. Mai 1874, R.-G.-Bl. Nr. 50 eine ab-
ändernde Bestimmung trifft. Nach §. 41. dieses Gesetzes ist näm-
lich die Verwaltung des Vermögens der Kirchen und der bei den-
selben bestehenden Anstalten im Allgemeinen nach dem Grundsätze
einzariehten, dass an derselben der Kirchenvorsteher, sowie eine Ver-
tretung derjenigen Theil zu nehmen hat, welchen bei Unzulänglich-
keit jenes Vermögens die Bestreitung der Auslagen für die Kirchen-
bedürfnisse und die subsidiäre Haftung für die Verpflichtungen der
Kirche oder kirchliche Anstalt obliegt. Der Anwendung des §. 41.
auf den vorliegenden Fall steht §. 43. desselben Gesetzes, wonach
die nähere Ausführung der in den §§. 41 und 42. aufgestellten
Grundsätze einem besonderen Gesetze Vorbehalten ist, nicht im Wege,
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286
Oesterr. Vericallunyist/erichfshof : 30. März 1881.
weil nach den hier ersichtlichen, in Ansehung der Wahl der Kirchen*
kämmerer bereits bestehenden Verhältnissen der iiti '.§^41ü normirte
Grundsatz ohne weiteres durchgcführt werden kann j ohne dass es
diesfalls der nähereu Ausführung durch ein besonderes^ Gesetz bedarf.
Nach dem Hofcanzleidecrete vom 15. Marz 1811 wurde der
Stadtgemeinde Oilli das Schiff der Marienkirche behufs Abhalt im»
des Gottesdienstes gegen dom eingeräumt, i dass die Gemeinde dk
Herstellung und gehörige Absonderung von <kh übrigen Klosterge*
büuden auf eigene Kosten besorge, und dass weder hiezu;« : noch zur
fehleren Erhaltung der Religionsfond in das Mitleid gezogen werde.
Hienaeh ist sichergestellt, dass bei Unzulänglichkeit des Vermögens
der Kirche die Stadtgemeinde für die Bedürfnisse derselben zu sorgen
habe , und kann nach der citirteu Gesetzesbestimmung dieser Ge«
meinde nicht das Recht abgesprochen weiden, durch eine von ihr
gewählte Vertretung an der Verwaltung des Vermögens, ider Marien-
kirche Theil zu nehmen. Dabei steht die Mitwirkung dervKircben-
vorstehung an dieser Verwaltung als selbstverständlich ausser (Frage.
Da nun nach Inhalt der Acton der administrativen Verhand-
lung die vom Gemeindeausscliusse der Stadt Gilli gewählten Kirchen-
kämmerer die zum Zwecke der Verwaltung des Vermögens der Ma-
rienkirche bestimmten Vertreter dieser Stadtgemeinde waren mul
sind, so erscheint die angefochtene Entscheidung, welche abweichend
von dem im §. 41. des Gesetzes am 7. Mai 1874 aufgestellteu (Grund-
sätze der Gemeinde das Recht absprieht, diese Vertreter zu wählen,
als nicht dem Gesetze entsprechend. - ni oiimlxiimni»
■i-i'* -nt*. ..u -ij . ; >.;iu ui slsdatiH^S'//
G. Erkenntniss vom 30. Mars 1881 Z. 413. Die im §.$5,
Schulverfassung enthaltene Ausnahmebestimmung in Ansehung der
Fuhrbeistellung an den Seelsorger behufs Erthcilwig fies Religions-
unterrichtes an den öffentlichen Volksschtden kann dort keifte An-
wendung finden, tvo die bestehende Volksschxdc die einzige im Pfarr-
sprengel ist . deLXuD
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat, nach dem Wiener Diö-
cesanblatt 1881 Nr. 14, die Beschwerde des Pfarrers Bernh. Wicher
zu St. Martin im Granitzthale contra Ministerium für, Cultnsimnd
Unterricht wegen der Entscheidung vom 12. September 1880 Z. 12826,
betreffend die Bestellung von Fahrgelegenheiten anlässlich der Er-
theilung des Religionsunterrichtes an der Volksschule in Granitzthal
als unbegründet abgewiesen. - »-iWl-nwiiii '
Entseheidungsgründc : Der k. k. Landesschulrath iu Klagenfurt
hat den Recnrs des Ortsschulrathes Granitzthal gegen das Erkennt-
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Oeslerr. Veruvilttmysgerichlshof : 30. März 1881.
287
niss des Bezirksschulrates Wolfsberg vom 20. März 1880 Z. 279,
welches die Schulgemeinde Granitzthal verpflichtete, dem Pfarrer in
St. Martin im Granitzthale, anlässlich der Ertheilung des Religions-
nnterrichtes an der dortigen Volksschule eine Pauschal Vergütung von
jährlich 50 ft. zu leisten, mit dem Erlasse vom 7. ! Mai 1880, Nr. 872
wegen versäumter Recursf'rist verworfen, zugleich in diesem Erlasse
ausgesprochen, dass es sich im vorliegenden Falle nicht um eine für
die Ertheilung des Religionsunterrichtes zu gewährende Eutlohuuug,
sondern um die Vergütung der dem Katecheten anlässlich des Re-
ligionsunterrichte8 erwachsenden Auslagen handelt, in welcher Be-
ziehung die älteren Vorschriften,, nach welcheu den nicht ira Schul-
orte domiciiitenden Katecheten eine Fahrgelegenheit beizustellen ist
(§; 55. der polifc. Schulvcrfassung , ferner Punkt 2. des Ministerial-
erlasses vom 21. Juni 1871, Verordnungsblatt Nr. 52) anfreoht ver-
bleibet, daher die Entscheidung des Bczirksschulrathes keineswegs
eine Ungesetzlichkeit im sich sehHesse. i .<
Dem gegen diesen Erlass des Landesschulrathes ergriffeneu
Recurse 'dos Ortsschnlrathes Granitzthal hat das k. k. Ministerium
für Cniüis und Unterricht mit der Entscheidung vom 12. September
1880, Z. 12826 Folge gegeben, bezw. bei unterlaufener Gesetzwidrig-
keit sämmtlichc Erkenutnisse in dieser Angelegenheit, als des Be-
zirksschulrates Wolfsberg vom 8. Januar und 20. März 1880, Z. 1293
und 279 und des Landesschulrathes vom 7. Mai 1880, Nr. 872
aufgehoben und erkannt, es stehe dem Pfarrer in St. Martin im
Granitzthale in seiner Eigenschaft als Katechet an der einklassiggn
Volksschule in Granitzthal kein Recht zu, von der Schulgemeinde
Granitzthal', bezw. von den katholischen Religionsgenossen dieser
Schulgemeinde, die Bestellung einer Fahrgelegenheit oder eine Ent-
schädigung hiefür tu begehren. ' '
Diese Entscheidung hat das Ministerium im Meritum mit der
Erwägung begründet, dass im Sprengel der Pfarre St. Martin im
Granitzthale nur die einklassige Volksschule in Granitzthal besteht,
welche mit Rücksicht auf die früher bestandene politische Schulver-
fassung als Pfarrschulö anzusehen ist; dass der §. 55. der politischen
Schulverfassung die Bestellung einer Fahrgelegenheit für den
Katecheten nnr bei Filialschulen , welche eine Pfarrschule voraus-
selzen vorschreibt und dass ein Geldäquivalent für die Beistellung
der Fahrgelegenheit nach eben dieser Gesetzessteile , respective dem
Studien-Hofcommissions-Decrete vom 17. April 1824, Z. 2514 ledig-
lich dein freien Uobereinkommcn der Parteien Vorbehalten sei, dem-
nach seihst, wenn die Volksschule in Granitzthal sich nach den
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288 Oesterr. VencaUuvgsgerichtshof: 30. Mörz 1881.
Grundsätzen der politischen Schulverfassung als Filialschule dar-
stellen würde, auf besagtes Geldäquivalent überhaupt nicht erkannt
werden könnte.
Diese Entscheidung wird in der vorliegenden Beschwerde in
formeller und materieller Richtung angefochten; formell, weil das
Ministerium nicht berechtigt gewesen sei, Entscheidungen, aus wel-
chen den Beschwerdeführern bereits Rechte erwachsen waren, von
Amtswegen aufzuheben; materiell, weil sie gegen den §. 55. der
politischen Schulverfassung verstosse, welcher, nachdem Filialschulen
nicht bestehen, sinngemäss auf jene Schulen angewendet werden
müsse, welche vom Pfarrhofe weit entfernt sind und weil auch der
Ausspruch, dass auf ein Aequivalent nicht erkannt werden könne,
nach Absatz 2. des Ministerialerlasses vom 21. Juni 1871 , Z. 121
ungerechtfertigt sei.
Diesen Anfechtungsgrüuden gegenüber konnte der Verwaltungs-
gerichtshof zunächst nicht verkennen, dass das k. k. Ministerium
für Cultus und Unterricht, wenn auch in der angefochtenen Ent-
scheidung der Satz enthalten ist: die Erkenntnisse der untern In-
stanzen werden von Amtswegen behoben, doch mit dieser Ent-
scheidung im Instanzenzuge meritorisch entschieden hat und dass es
auch vollkommen in der Lage war, dies zu thun. Denn die An-
nahme des Lande8schulrathes in Klagenfurt, der Recurs des Orts,
schulrathes Granitzthal gegen die Entscheidung des Beziksschul-
rathes Wolfsberg vom 20. März 1880, Z. 279, um welche allein es
sich handelt, da der Erlass vom 8. Januar 1880, Z. 1293 nicht als
eine Entscheidung anzunehmen ist, sei verspätet eingebracht worden,
stellt sich nach den später aus Anlass des Ministerialrecurses ge-
pflogenen Erhebungen als irrthümlich dar.
Denn der Nachweis, dass die Entscheidung des Bezirksschul-
rates Wolfsberg vom 20. März 1880, Z. 279 dem Ortsschulrathe
Granitzthal, wie es der Laudesschulrath angenommen hat, bereits
am 28. März 1880 zugestellt worden sei, liegt nicht vor, und aus
den diesfalls gepflogenen Erhebungen kann nur das mit Bestimmt-
heit gefolgert werden, dass die soeben citirte Entscheidung des Be-
zirksschulrates dem Ortsschulrathe Granitzthal frühestens am
4. April 1880 zugekommen war, in welchem Palle der Recurs an
den Landesschulrath als rechtzeitig eingebracht angesehen werden
muss. Das k. k. Ministerium konnte daher um so mehr meritorisch
entscheiden, als der Landesschulrath laut der Motive seiner Ent-
scheidung auch in das Meritum der Sache eingegangeu ist. Bei
dieser Sachlage fand der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass in
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Öeslerr. Verwaltungsgerichtahof : 10. Februar 1881. 289
die Untersuchung der Frage einzugehen, inwieferne das Ministerium
zu einem Vorgehen von Amtswegen berechtigt gewesen wäre.
Das k. k. Ministerium hat bei seiner Entscheidung als mass-
gebend angenommen, dass die im §. 55. der politischen Schulver-
fassung enthaltene Ausnahmsbestimmung nur bei Filialschulen An-
wendung zu finden hat, dass aber, da Filialschulen den Bestand
einer andern Schule im Pfarrsprengel voraussetzten, im vorliegenden
Falle, wo die bestehende Volksschule die einzige im Pfarrsprengel
ist, diese nicht als eine Filialschule analog betrachtet werden kann,
somit auch die obige Gesetzesbestimmung nicht in Anwendung ge-
bracht werden könne. In dieser Annahme vermochte der Verwal-
tungsgerichtshof eine Gesetzwidrigkeit nicht zu finden.
Mit Hinblick auf das Vorausgeschickte hatte der Verwaltungs-
gerichtshof auch keinen Anlass, sich mit der weiteren Frage zu be-
fassen, ob und inwieferne die Behörden berechtigt gewesen wären,
auf die Leistung eines Aequivalentes , anstatt der Beistellung von
Fahrgelegenheiten zu erkennen. Die Beschwerde war demnach als
unbegründet abzuweisen.
7. Erkenntniss vom 10. Februar 1881 Z. 206. Der §. 55. der
politischen Schulverfassung in Ansehung der Fuhrbeistdlung an den
Seelsorger behufs Ertheilung des Religionsunterrichtes an den öffent-
lichen Volksschulen ist durch die neuen Schulgesetze nicht ausser
Kraft gesetzt. — Bei Anwendung dieser Gesetzesbestimmung ist die
Frage nach der Filialeigenschaft der Schule mit Rücksichtnahme auf
die bezüglichen Bestimmungen der politischen Schulverfassung zu be-
antworten. — Den Einfluss der Entfernung der Schule von der Pfarre
auf die Fuhrbeistdlung beurtheilt die Verwaltungsbehörde nach eigenem
Ermessen.
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat, nach dem Wiener Diö-
cesanblatt 1881 Nr. 10, die Beschwerde der Gemeinde Bechberg
contra Ministerium für Cultus und Unterricht wegen der Entscheidung
vom 3. Mai 1880, Z. 2041, betreffend die Beistellung von Fahrge-
legenheiten für die Pfarre Imbach, wegen Ertheilung des Religions-
unterrichtes an der Volksschule in Rechberg als unbegründet ab-
gewiesen.
Entscheidungsgründe: Das k. k. Ministerium für Cultus und
Unterricht hat mit der Entscheidung vom 3. Mai 1880, Z. 2041 im
Instanzenzuge erkannt, dass die Schulgemeinde verpflichtet sei, dem
Pfarrer Johann Wieninger von Imbach oder derjenigen Person, welche
an seiner Statt den katholischen Religionsunterricht an der Volks-
Archiv für Kirchenrecht. XLVIL 19
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290 Oesterr, Verwaltungagerichfahof : 10. Februar 1881.
schule in Rechberg ertheilt, zur Winterszeit, bei schlechter Wit-
terung, aber auch sonst, eine Fahrgelegenheit beizustellen, und dass
der hieraus der Schulgemeinde erwachsende Aufwand den katho-
lischen Religionsgenossen dieser Schulgemeinde zur Last zu fallen
habe. Begründet wird diese Entscheidung mit den Bestimmungen
des §. 55. der politischen Scbulverfassung , bezw. des Studien-Hof-
commissionsdecretes vom 17. April 1824, Z. 2514, in welchen Nor-
men auf die Entfernung zwischen dem Pfarr- und Schulorte keine
Rücksicht genommen ist; bezüglich der Verpflichtung lediglich der
katholischen Religionsgenossen zur Leistung des bezüglichen Auf-
wandes wird auf den Artikel IX. des Gesetzes vom 25. Mai 1868,
R.-G.-B1. Nr. 49 verwiesen.
Diese Entscheidung wird in der vorliegenden Beschwerde als
gesetzwidrig angefochten.
Dagegen ist Folgendes zu bemerken: Laut §. 77. des Reichs-
Volksschulgesetzes vom 14. Mai 1860, R.-G.-Bl. Nr. 62 traten mit
Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes alle auf Gegenstände dieses
Gesetzes sich beziehenden bisherigen Gesetze und Verordnungen, in-
soweit solche den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes wider-
sprechen oder durch dieselben ersetzt werden, ausser Kraft. Weder
das Reichs- Volksschulgesetz, noch die niederösterreichischen Landes-
gesetze enthalten eine den §. 55, der politischen Schulverfassung er-
setzende Bestimmung und es kann ein Widerspruch dieses Para-
graphen mit den besagten Schulgesetzen nicht gefunden werden.
Der §. 1. des Gesetzes vom 20. Juni 1872, R.-G.-Bl. Nr. 86
spricht allerdings den Grundsatz aus, dass die den Kirchen- und
Religionsgenossenschaften gemäss §. 2. des Gesetzes vom 25. Mai
1868. R.-G.-B1. Nr. 48 und §. 5. des Gesetzes vom 14. Mai 1869,
R.-G.-B1. Nr. 62 obliegende Besorgung des Religionsunterrichtes in
den öffentlichen Volksschulen die Verpflichtung zur unentgeltlichen
Ertheilung dieses Unterrichtes in sich schliesst. Gegen den Grund-
satz der Unentgeltlichkeit der Ertheilung des Religionsunterrichtes
verstosst es aber nicht, wenn die Confessionsgenossen verhalten wer-
den, die Fuhren zur Winterszeit nnd bei schlechter Witterung bei-
zustellen ; diese Beistellung ist noch kein Entgelt für den Unter-
richt selbst.
Der §. 55. der politischen Schulverfassung in Ansehung der
Fuhrbeistellung muss demnach heute noch als geltend angesehen
werden, weil die politische Schulverfassung bisher nie im Ganzen
ausser Kraft gesetzt worden ist.
Bezüglich des Argumentes der Beschwerde, dass der §. 55. der
* ^ i
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Oesierr. Verwaltungsgerichtshof: 11t Juni 1881. 291
politischen Schulverfassuug nur auf Filialschulen Bezug hat, solche
aber nach der neuen Gesetzgebung nicht bestehen, ist Zu bemerken, '
dass bei Anwendung dieses Paragraphen auf die Bestimmungen der
§§. 836 und 337. ebenda Rücksicht zu nehmen ist, nach welchen
als Filialschulen solche anzusehen sind, die ausserhalb des Ortes sich
befinden, in welchem die Pfarrbücher gehalten werden, welcher Um-
stand im vorliegenden Falle zütrifft. ’ '•’*
In die Beurtheilung, ob die geringe Entfernung der Schule von
der Pfarre oder die gute Beschaffenheit des Weges geeignet sind,
den Anspruch auf Bestellung einer Fahrgelegenheit auszuschlieBseii,
vermochte der Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen, weil im
Stadien-Hofcommissionsdeerete vom 17. April 1824, Z. 2514 eine
Bestimmung hierüber nicht enthalten ist und weil sonach die Er-
wägung dieser Momente als im freien Ermessen der Verwaltungs-
behörden gelegen, sich der Judieatnt des Verwaltungsgerichtshofes
entzieht. / '• ' • '< ' •• -v ' •
Ebensowenig konute der Verwaltungsgerichtshof den erst in der
mündlichen Verhandlung zur Sprache gebrachten Einfluss der Cm-
pfarrung der Gemeinde Rechberg von Krems nach Imbaoh , sowie
den weiteren Umstand in Betracht ziehen, dass bei der gelegentlich
der Errichtung dieser Schule gepflogenen cömmissionellen Verhand- •
lang die Frage der Ertbeilung des Religionsunterrichtes nicht be- ;
rührt worden sei, weil diese beiden Punkte in der Beschwerdeschrift -
selbst nicht in Beschwerde gezogen wurden. 1 *• U n ( 'ii.
Nachdem sich die angefochtene Ministerialentscheidung laut
den §; 55. der politischen Sehulverfassung mit Rücksichtnahme auf
den Artikel X. des Gesetzes Vom 25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 48‘di
stützt , J so vermochte dev Verwaltungsgerichtshof in derselben eine
Gesetzwidrigkeit nicht zu erkennen und musste demnach did Be*-
schwerde als unbegründet abgewiesen werden. •’ ..
’i i« ' f • •>' , - •(■■ •' •• " ii f *z.
8. fjrkenntniss vom 11. Juni 1881 Z. 986, betr. Patronat und
Pfarrgemcindeeugehörigkeit.
Der k. k. Verwaltnngsgerichtshof hat, vergl. Wiener Diöoesan- .
Watt 1881 Nr. 17) die Beschwerde der Gemeinde Traufaüanusdörf
contra Entscheidung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unter- ,
rieht, im Einvernehmen mit dem k. k. Minister des Innern vom
28. October 1880, Z. 16498, in Patronats- und Kircheuooncurrenz-
angelegenheiten als im Gesetze nicht begründet abgewiesen und die ,?
beschwerdeführende Gemeinde Trautmannsdorf schuldig erkannt, an
<iie mitbetheiligten Generalpächter des fürstlich Batthyany’schen
19*
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202 Oesterr. Verwallungsgerichtshof : 11. Juni 188}.
Fideicommissgutes Trautmannsdorf und zwar Stephan von Nadosy,
Coloraan von Nadosy, Bela von Karezag und Stephan von Karczag
die Kosten des Verfahrens vor dem k. k. Verwaltungsgerichtshofe im
ermäsaigten Betrage von 100 Gulden binnen 14 Tagen bei Exe-
QUttonsvenneidung zu ersetzen. ,
■Entscheidungsgründe .- Nach den Administrativacten wurden die
zur Bestreitung von Reparaturen an der unter dem Patronate des
Fürsten Gustav Batthyany-Strattmann stehenden Pfarrkirche zu
Trautmannsdorf festgestellten Kosten und zwar die den Patron allein
für Materialien und Profes3ionistenarbeiten treffenden pr. 8604 fl.
42 kr. und jene für Zug- und Handarbeiten auf die Gemeinde Traut-
mannsdorf entfallenden pr. 1632 fl. 16 kr., von den beiden Parteien
anstandslos zur Zahlung übernommen und diese letzteren Kosten von
der Gemeinde, in der mit dem Bauunternehmer verglichenen Höh«
pr- 1600 fl. aus den Gemeinderenten auch wirklich bezahlt. — Di«
Gemeinde Trautmannsdorf hat den Betrag pr. 1600 fl. in die Aus-
gaben des Gemeindebudgets eingestellt.
Dagegen haben die in Ungarn wohnenden Pächter des Gutes
Trautmannsdorf, welche laut ihres, mit dem in London domiciliren-
den: Fürsten Gustav Battbyany, Besitzer des Fideicommissgutes Traut-
maunsdorf, abgeschlossenen Pachtvertrages, alle von dem gepachteten
Objecte entfallenden Steuern, dann Gemeindeabgaben sammt Zu-
schlägen aus eigenem Vermögen zu bestreiten verpflichtet waren, in
einer Eingabe an die k. k. Bezirkshauptmannschaft in Bruck an der
Leitha das Begehren gestellt, dass über diese Concurrenzangelegen-
heit eine commissiouelle Verhandlung stattfinden möge, damit die
Beseitigung der in dem Gemeindebudget der Ortsgemeinde Traut-
mannsdorf aufgenommene Kirchenconcurrenzpost pr. 1600 fl. verfügt
und ein Erkenntniss dahin gefallt werde, dass letztere Post von den
katholischen Insassen der Pfarrgemeinde Trautmannsdorf zu tragen
sei, dann, dass zugleich das Verhältniss, nach welchem dieser Bei-
trag von den hiezu Verpflichteten zu tragen sei, bestimmt werde.
; v Bei der diesfälligen, in Folge einer rechtskräftigen Entscheidung
des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 31. August
1879, Z. 8545, unter Intervention der Vertreter der Gemeinde Traut-
mannsdorf und der genannten fürstlich Batthyany 'sehen Gutspächter
vor der L k. Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha am
?. Mai 1880 gepflogenen Verhandlung erklärten die Vertreter der
Gemeinde Trautmannsdorf, die in Frage stehenden 1600 fl. aus deu
Ausgaben des Geraeindebudgets bereits ausgeschieden zu haben und
baten um die Entscheidung, dass die Refundirung dieser 1600 Ü. an
Oesterr. Verwaltung ayerichtahöf : 11. Juni 1881.
293
die Gemeindekasse durch eine Umlage erfolge, welche uuf alle, wöhft
auch nicht steuerpflichtigen, aber doch erwerbsfähigen ünd ein Eitn
kommen beziehenden Katholiken der Gemeinde Trautmannsdorf mft
1—5 fl., dann auf alle steuerpflichtigen Katholiken anfgetheilt wer-*
den soll, welche dort ein Gewerbe oder unbewegliche Güter besitzifti;
wobei es gleichgiltig sein soll , ob dieselben anderswo ihren Wohn-
sitz genommen haben. 1 J ‘ , ! / »nuf/nJe-.ff ms
Dem entgegen stellten die Gutspächter das Begehren, es möge
erkannt werden, dass der Concurrenzbeitrag pr. 16DO fll lediglich
ton den in der Gemeinde Trautmannsdorf wohnenden Katholiken zti
trägen sei.' ; ! ' ,! l-i-.o :tJ -b
In Folge dieser Verhandlung wurde vöh der k. k. Bezirks-
häüptmannschaft Bruck an der Leitha vom 9. Mai 1880, Z. 9086
bezüglich des eigentlich strittigen Punktes der Beitragsleistung des
Patrons zu den Kosten der Zug- und Handarbeit die Entscheidung
erlassen , dass die Gemeinde Trautmannsdorf die JMuhdiruüg des
Betrages pr. 1600 fl. durch eine Umlage auf die Mitglieder der
Pfirrgemeinde, das ist auf sämmtliche, im Pfarrbezirke Trautmanns-
dorf wohnhaften Katholiken zu bewirken habe. 1,7
Diese Entscheidung ist aber von der k. k. ri.-O.' Statthalterei
mit Erlass vom 18. August 1880, Z. 19864 dahin abgeändert Wör-
den, dass die Gemeinde Trautmannsdorf verpflichtet sei, fürdieEiii- 1
bringung des Betrags pr. 1600 fl. Seitens der Pfarrgemeihde’ thä
Ausschluss des Patrons der Pfarrkirche und des dortigen Pfrüriätn-
nutznicssers Vorsorge zu treffen. — Die gedachte Entscheidung
wurde dahin motivirt, dass der Patron, welchem nach dem Kirehen-
eoficurrenzgesetze bereits die bestimmten Leistungen für das Ma-
teriale und die Professiouisten auferlegt wurden, nachträglich nicht
auch noch zu den, die Pfarrgemeinde allein treffenden Hand- Utid
Zugarheiten herangezogen werden könne. " 1 - oiii- .:
Mit Erlass des k. k. Ministeriums für Cültus und Unterrioht,
im Einvernehmen mit dem k. k. Ministerium des Innern voiri
28. October 1880, Z. 16498, ist die Entscheidung der II. 1 Instanz,
unter Anfrecbthaltung der hiefür geltend gemachten Gründe, be-
stätiget worden. ■ /l " ä • - v
Die in formaler Hinsicht gegeu diese Entscheidung in der Be-
schwerde erhobenen Einwendungen fand der Verwaltungsgerichtshof
nicht zu berücksichtigen, weil sowohl der Gegenstand der Verhand-
lung, als auch die dabei intervenirenden Personen durch' den EriasC
des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 31. August
1879 Z. 8545 gegeben waren, dieser * Erlass von der beschwerde-
Digi
t Google
294
Oeslerr. Veftcallungsgericklshof : 19. Mai ISWf.
führenden Gemeinde auch nicht angefochten wurde, somit in Rechts-
kraft erwachsen ist; die dermal angefocbtene Entscheidung aber
noth wendigerweise auf jenen Gegenstand sich beziehen musste und
durch das, hei der k. k. Bezirkshan ptman nschaft Bruck an der Leitha
mit den Generalpächtern des Gutes Trantmannsdorf am 7. Mai 1880
abgehaltenen commissioneilen Verhandlung, von den Vertretern der
Gemeinde Trautmannsdorf selbst gestellte Begehren hinsichtlich der
Cöncurrenzpflicht des dortigen Gutsbesitzers Pürsten Gustav Batthyany •
mitangestrebt und provocirt worden ist.
In meritorischer Beziehung erscheint die Beschwerde als unbe-
gründet, weil die Gemeinde Trautmannsdorf bei der erwähnten eom-
missionellen Verhandlung ausdrücklich zugegeben hat, dass sich
Fürst Gustav Batthyany, der Besitzer des Gutes Trautmannsdorf,
in London aufhält , die Pächter des Gutes dagegen in Ungarn
wohnen, es somit unbestritten feststeht, dass Fürst Gustav Batthyany
iü der Pfarrgemeinde Trautmannsdorf nicht domicilirt, daher nach
§. 35. des Gesetzes vom 7. Mai 1874, R.-G.-Bl. Nr. 50, zu der
Concurrenz für Zug- und Handarbeiten , welche die Pfarrgemeinde
allein zu treffen hat, schon aus diesem Grunde herangezogen werden
kann und die Ansicht der beschwerdeführenden Gemeinde, dass die
Anordnungen des §. 35. des eben citirten Gesetzes noch nicht wirk-
sam sind , durch den Wortlaut des §§. 52 und 57. desselben Ge-
setzes widerlegt ist. Es konnte daher in der angefochtenen Ent-
scheidung eine Gesetzwidrigkeit nicht gefunden und musste die Be-
schwerde als gesetzlich nicht begründet abgewiesen werden. • — Die
Verfüllung in die Kosten des Verfahrens beruht auf der Anordnung
des §. 40. des Gesetzes vom 22. October 1875, R.-G.-Bl. ex 1876
Nr. 3(J.
9. Erkenntniss vom 19. Mai 1881 Z. 859. Derjenige , der in einer
Gemeinde einen Grundbesitz hat , ohne in derselben zu wohnen, kann
zu den Reparaturskosten der Pfarre und Kirche daselbst zu con-
■ ' curriren nicht verpflichtet werden (Böhmen).
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der Ge-
meinde Niki contra Entscheidung des k. k. Ministeriums für Cultus
nnd Unterricht dto. 30. October 1880, Z. 749, betreffend die Heran- J
Ziehung der Domäne Leitomischl zu Concurrenzbeiträgen für die Bau-
herstellungen an der Kirche und Pfarre in Niki als gesetzlich nicht
begründet äbgewiesen.
Entscheidungsgründe : Der Verwaltungsgerichtshof vermochte in
dem Ausspruche der angefochtenen Entscheidung, dass der Besitzer
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Oesterr. Verwaltungsgerichtuhuf : 14. Juni 1881. 295
der Domäne Leitomischl, Fürst Thum und Taxis, mit seinem in der
nach Niki eingepfarrten Ortschaft Kukle gelegenen Grundbesitze zu
den Reparaturskosten der Pfarre und Kirche in Niki zu concurriren
nicht verpflichtet sei, weil er in der Pfarrgemeiude nicht wohne,
eine Gesetzwidrigkeit nicht zu erblicken.
Der klare Wortlaut der §§. 35 und 36. des Gesetzes vom
7. Mai 1874, R.-G.-B1. Nr. 50 schliesst jedeff Zweifel darüber. aus,
dass Umlagen zu Zwecken der Bedeckung von Bedürfnissen einer
Pfarrgeraeinde, also auch zu Zwecken der Reparatur der Pfarr- und
Kirchengebäude nur auf die Mitglieder der Pfarrgemeinde , das ist
auf die im Pfarrbezirke wohnhaften Katholiken, ausgeschrieben wer-
den können. — Da nun Unbestrittenermassen der Besitzer der Do-
mäne Leitomischl, bezw. der im Pfarrsprengel Niki gelegenen, zur
Domäne Leitomischl gehörigen Realitäten, im Pfarrbezirke nicht
wohnhaft ist, so konnte derselbe auch zur Mitbestreitung der Hand-
und Zugarbeiten bei der in Rede stehenden Bauconcurrtmz nicht
herangezogen werden.
Wenn die Beschwerde auf die älteren Vorschriften, insbeson-
dere auf das Hofcanzleidecret vom 24. Juni 1840, Prov. Gesetzsamm-
lung vom Jahre 1840, S. 380 hinweiset und vermeint, dass nach
diesen die Heranziehnng des Domänenbesitzes Platz zu greifen hätte,
so üborsieht sie, dass nach §. 57. des vorcitirten Gesetzes eben diese
Bestimmungen nur unbeschadet den Anordnungen .des Gesetzes vom
7. Mai 1874 in Wirksamkeit belassen, also in allen Punkten ausser
Kraft getreten sind, wo dieses Gesetz eben anders verfügt. — Darum
entfällt auch für den Verwaltungsgeriehtshof jeder Anlass zur Unter-
suchung, ob und inwieweit nach den älteren Concurrenzvorschriften
eine Heranziehung des Fürsten Thurn und Taxis bezüglich seines in
der obgenannten Ortschaft gelegenen Besitzes zulässig gewesen wäre.
10. Erkenntnis« vom 14. Juni 1881 Z. 1029. Zur Frage der Ver-
pflichtung zur Entrichtung jenes Gebührcnäquivalentcs , welches von
dem dem Cooperatorsgelwlte enslprcchenden Bedeckungscapitale
entfällt.
Der k. k. Verwaltungsgeriehtshof hat die Beschwerde des Franz
Kepinski, Pfarrers in Czechowic, contra Entscheidung des k. k.
Finanzministeriums vom 7. December 1880, Z. 33773, betreffend die
demselben auferlegte Verpflichtung zur Entrichtung jener Gebühren-
äquivalentsquote, welche von dem dem Cooperatorsgehalte entspre-
chenden Bedeckungscapitale entfällt — die angefochtene Entscheidung
als gesetzlich nicht begründet aufgehoben.
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296 Oesterr. VericaltungsyerichUhof : 14. Juni 1881.
EtUscheidungsgriitide: Mit der angefochtenen Entscheidung wurde
dem Beschwerdeführer, als Pfarrer in Czechowic, die persönliche Be-
freiung von der Entrichtung des Gebühreuäqnivalentes für die Jahre
1878, 1879 und 1880 anf Grund des Gesetzes vom 15. Februar 1877,
R.-G.»B1. Nr. 98 zuerkannt, da das reine Einkommen dieser Pfarre
373 fl. 42 kr. , somit weniger als 500 fl. beträgt , es wurde jedoch
ausgesprochen, dass derselbe als Verwalter des Pfründenvermögens
gleichwohl zur Entrichtung der Gebührenäqnivalentsquote , welche
von dem dem Cooperatorsgehalte entsprechenden Bedeckungscapitale
entfällt, verpflichtet bleibt, dagegen aber auch berechtigt ist, dem
Cooperator die bezügliche Gebührenquote von dessen Gehalte in Ab-
zug zu bringen. - > •' • •
Die Beschwerde wird gegen diese dem Inhaber des Benefiziums
auferlegte Verpflichtung der Gebührenäquivalentsentrichtung von dem
dem Cooperatorsgehalte entsprechenden Bedeckungscapitale gerichtet
Nach Tarifpost 106 B e des Gesetzes vom 13. September 1862,
G.-G.-Bl. Nr. 89 haben von dem beweglichen und unbeweglichen
Vermögen Stiftungen, Benefizien, Kirchen ... das Gebühren äquiva-
lent zu entrichten. Diese Gebühr haftet nach Absatz I. Punkt 6.
der in Folge Allerhöchster Eutschliessung vom 1. Mai 1850 mit
Verordnung des k. k. Finanzministeriums vom 3. Mai 1850, R.-G.-Bf.
Nr. 181 kundgemachten Bestimmungen auf dem Einkommen von den
unbeweglichen Gütern und hat dem zum Genüsse derselben Berech-
tigten nach Massgabe der Dauer des Genusses zur Last zu fallen.
Die Ausnahme von dieser Regel ist in der Anmerkung 2, lit. e zur
obigen Tarifpost, resp. im §. 1. des Gesetzes vom 15. Februar 1877,
R.-G.-B1. Nr. 98 derart normirt, dass Inhaber jener Beneficien, deren
reines Einkommen jährlich 315 fl., resp. jetzt nach dem letztcitirten
Gesetze 500 fl. nicht übersteigt, von der Entrichtung des Gebühren-
äquivalentes persönlich befreit sind ; liegt jedoch die Ergänzung der
Congrua einem Fonde ob, so ist das Aequivalent von diesem Fonde
zu entrichten.
Nachdem nun im gegebenen Falle das reine jährliche Einkom-
men aus dem äquivalentpflichtigen Benefizium den Betrag von 500 fl.
nicht übersteigt, so findet hier die im letztbezoge'nen Gesetze nor-
mirte Ausnahme auf den Inhaber dieses Benefiziums, welcher sonst
nach der allgemeinen Regel das Gebührenäquivalent von dem Bene-
fizimn zu entrichten verpflichtet wäre, die Anwendung und es ist im
Gesetze kein Anhaltspunkt vorhanden, um ihn, trotz der ihm gesetz-
lich zukommenden persönlichen Befreiung von der Entrichtung des
Gebührenäquivalentes, doch für das von einem Theile des Benefiziums
Oesterr. Verwaltungsgerichtehof: 14. Mai 1881. 297
entfallende Gebührenäquivalent zahlungspflichtig zu erklären, zumal
nicht der zur Hilfeleistung zugewiesene Cooperator, sondern der Be-
schwerdeführer als Nutzniesäer des beweglichen und unbeweglichen
Vermögens des Benefiziums angesehen werden muss, da nicht einmal
vorliegt, dass irgend welche besondere, für den Cooperator aus-
schliesslich bestimmte Stiftung in dem Pfründenvermögen enthal-
ten sei.
11. Erkenntniss vom 14 ■ Mai 1881 Z. 867. Darüber, ob gewisse
Naturalleistungen als Beiträge zu Schulewecken zu behandeln sind,
entscheiden die Schulbehörden. Eine in dieser Richtung irrige Ent-
scheidung kann auch in höherer Instanz von Amtswegen reformirt
werden. ;
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des
Karl Grafen Kuenburg, Besitzer der Domäne Jungwoschitz contra
Entscheidung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht vom
19. Februar 1880, Z. 3023, betreffend das streitige Recht zum Ge-
nüsse von Renten aus Grundentlastungsobligationen zwischen Kirche
und Schule — die angefochtene Entscheidung, insoweit sie den Theil-
betrag der streitigen Grundentlastungsobligationen per 3412 fl. (rich-
tiger 3403 fl.) betrifft, als gesetzlich nicht begründet aufgehoben,
im Uebrigen aber die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe: Mit der angefochtenen Entscheidung wurde
ausgesprochen, dass von den vom Jungwoschitzer Patronatsarate ver-
wahrten Grundentlastungsobligationen dto. 1. Sept. 1853, Nr. 3299
und 3244 im Gesammtbetrage von 3990 fl. der Theilbetrag per 587 fl.
als von Wetterläutgebühren herrührend der Schule in Jungwoschitz,
der Restbetrag per 3403 fl. aber zu gleichen Theilen der Jungwoschitzer
Schule und Kirche züzufallen habe, weil die hiemit abgelösten Na-
turalleistungen der gewesenen Jungwoschitzer Obrigkeit eine Ent-
lohnung sowohl des Schuldienstes als auch des Chorregenten- und
Organistendienstes gebildet haben.
In der Beschwerde wird gegen die Gesetzmässigkeit dieser Ent-
scheidung geltend gemacht, dass die Schulbehörden zur Entscheidung
nicht competent waren, da es sich um die civilrechtliche Frage des
Eigenthumes an den Grundentlastuugsobligationen handelte ; dass der
Betrag per 587 fl. von der II. und III. Instanz der ^ Schule schon
desshalb hätte nicht zugesprochen werden sollen, weil die Entscheidung
I. Instanz, welche diesen Theilbetrag der Kirche zugewiesen hatte,
bezüglich dieses Punktes unangefochten geblieben ist; dass endlich
der Theilbetrag per 8403 ft. zur Gänze der Kirche gebühre, weil die
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298
Oetsterr. Verwallunysgerichtahuf : 14. Mai 1881.
hiemit abgelösten Leistungeu dem Lehrer nur in seiner Eigenschaft
als Chorregent und Organist zugetiossen sind. t r i ■ j n (»«,». ; • j y
Die gegen die Competenz der Schulbehörden erhobene Ein-
wendung ist gesetzlich nicht begründet. Nach dem vorangeführten
nicht bestritteuen Thatbestande waren jene Naturalleistungen, aus
welchen die Grundentlastungsobligationen entstanden sind, unzweifel-
haft Beiträge zu Schulzwecken und bildeten einen Theil der Lebrer-
• bezüge. Im Hinblick auf die Bestimmungen des §. 55. Absatz 3. des
Beichs-Volksschulgesetzes und §. 26. ad b. des Schulaufsichtsgesetzes
vom 24. Februar 1873, böhmisches L.-G.-Bl. Nr. 17 waren sonach
die Schulbehörden zur Entscheidung allerdings berufen.
Belangend die erst in II. Instanz erfolgte Zuweisung des Theil-
betrag per 587 fl. an die Jungwoschitzer Schule, so vermochte der
Verwaltungsgerichtshof auch hierin eine Gesetzwidrigkeit nicht zn
erblicken. Da es sich gegebenenfalls durchaus nicht um blosse
Parteiansprüche gehandelt hat, da ferner der Landesschulrath die
oberste Schulaufsichtsbehörde ist und ihm in dieser Eigenschaft der
Schutz der Schulen obliegt, so war er auch berechtigt, von- Amts-
wegen einen Ausspruch der I. Instanz zu beheben, durch welchen in
gesetzwidriger Weise ein Theil des bisherigen Einkommens dem
Schuldienste entzogen werden sollte.
Darüber, dass letzteres der Fall war, kann ein Zweifel nicht
obwalten, da sowohl durch die Grundentlastungsacten, als auch durch
die älteren Administrativacten dargethan ist, dass jene Naturalgiebig-
keiten im Wege der Grundentlastuug mit dem Capitale per 587 fl.
abgelöst wurden, sogenannte Wetterläutgebühren waren, die von Ge-
setzeswegen (Hofdecret vom 9. Weinmonat 1784, politische Gesetz-
sammlung Josef II., Bd. VI, S. 573, und vom 10. October 1787,
politische Gesetzsammlung, Bd. XIII, S. 500) Einkünfte des Schul-
dienstes geworden sind.
Dagegen ist die Beschwerde bezüglich Theilbetrages per 3403 fl.
der Grundentlastungsobligationeu begründet. — Durch die vorliegen-
den Administrativacten, insbesondere durch den gerichtlich vidimirten
Auszuge aus dem Stadt Jungwoschitzer Privilegiumsbuche ist dar-
gethan, dass die gewesene Jungwoschitzer Obrigkeit gegen dem, dass
die Stadtgemeinde ihr den Weiuschank und Salzhandel überlassen
hat, sich verbindlich gemacht und obligiret hat, einen rechtschaf-
fenen Cantor und Organisten mit dem erforderlichen Salario und
Deputat beständig auszuhalten.« Eine freiwillig übernommene Ver-
pflichtung, zur Aushaltung des Lehrers beizutragen , ist nicht er-
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■m-
Oeslerr. Verwnllwngsgerichtuhuf: 14. Mut ISSI. 299
wiesen. Gesetzlich lag aber der Obrigkeit als solcher eine dieslällige
Verbindlichkeit bezüglich des Lehrers nicht ob.
Wohl aber wird kraft positiver Gesetzesvorschrift (§. 168. po-
litische Schnlverfassung, Stildien- Hof kammerdecret vom 4. April 1818)
verfügt, dass der Messner-Organisten-Cborregentendienst mit dem
Schuldienste verbunden sein soll, wodurch erzweckt und erzielt wurde,
dass das Einkommen aus diesen Kirchendiensten den Schullehrern
zugeflossen ist. Wenn daher in dem obrigkeitlichen Decrete vom
15. Juli 1886 von Seite der Obrigkeit dem zum Regens chori und
Lehrer der 2. Klasse Ernannten und dem Am deutschen Lehrer der
3. Klasse und Organisten Präsentirten die seither abgelösten Na-
turalleistungen als Bezüge angewiesen worden sind, so kann in dieser
und in allen ähnlichen Anweisungen mit Rücksicht darauf, dass, wie
oben dargethan , die Obrigkeit eine Verpflichtung nur rücksichtlich
des Regens chori und Organisten-Unterhaltes und zwar vertrags-
mässig hatte, uiehts Anderes erblickt werden, als dass die Obrigkeit
der vorcitirten gesetzlichen Vorschrift nachkam und den Lehrern jene
Bezüge zuwies, welche mit den in Rede stehenden Kirchendiensten
verbunden waren. Die die Dotation des Lehrerpersonales regelnden
ilteren Gesetze (X. Abschnitt der politischen Schul Verfassung) sind
durch die zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes er-
lassenen neuern Gesetze (Gesetz vom 21. Januar 1870, L.-G.-Bl.
Nr. 14, §. 92) ausser Kraft getreten und hiedurch ist auch der
öffentlich-rechtliche Titel des Lehrers auf die Einkünfte aus dem
Kirchendienste entfallen.
Da erwiesenerma8sen die abgelösten Leistungen der Obrigkeit
zur Förderung des Kirchendienstes bestimmt waren, eine Einkommens-
quelle dieses Dienstes bildeten , so muss auch die gleiche rechtliche
Natur den an Stelle der Naturalgiebigkeiten getretenen Grundent-
lastungscapitalien und Renten zukomraen. Eben darum kann nicht
behauptet werden, dass dermalen nach Aufhebung der früheren Ver-
einigung des Kirchen- mit dem Schuldienste aus einem öffentlich-
rechtlichen Titel ein Anspruch auf dieses Einkommen zu Gunsten der
Schule bestehe und nur unter dieser Voraussetzung wäre die unter
Executionsandrohung verfügte Einziehung eines Theiles der Grund-
entlastungsobligation und Rente gerechtfertigt gewesen.
Es musste daher die Entscheidung in diesem Punkte als ge-
setzlich nicht begründet aufgehoben werdeu.
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300
Oesttrr. Verwaltunyngerichlshof : 5. Mai 1881.
12. Erkenntniss vom 5. Mai 1881 Z. 711. Schidfassionen, in denen
gewisse Bezüge als Einkünfte des Schuldienstes angeführt werden ,
können gegenüber Ansprüchen auf diese Bezüge für anderweitige
Zwecke nur dann beweiswirkend sein, wenn sie unter Intervention
aller dabei interessirten Theile aufgenommen icorden sind.
• :!• 'ii v > .'•flJIMiWUki Ml
( , , Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde, des. 01-,
mützer Metropolitancapitels und des Pfarrers Johann Danicky contra
Ministerium für Cultus und Unterricht anlässlich der Entscheidung
desselben vom 12. October 1880, Z. 11556, betreffend die Exscin-
dirung von Einkünften der Schule in Trschitz als unbegründet ab-
gewiesen. , ; . , .Vt '•••;/ ...ütl-dow'litt
Entscheidungsgründe: Mit der angefochtenen Entscheidung bat
das k. k. Ministerium das Begehren der Vertreter der Trschitzer
Pfarrkirche um Ausscheidung der Grundentlastungsobligation dto.
1. Januar 1857, Nr. 2405 sammt Zinsen aus dem Vermögen und
Einkünften der Trschitzer Schule und um Anerkennung, dass die
Obligation der Kirche zu Zwecken der Bestreitung des Aufwandes
für den Messner- und Organistendienst zugehöre, zurückgewiesen,
weil die Zinsen der Obligation in der behördlich genehmigten Schul-
fassion dto. 12. August 1856, in der Rubrik Einkünfte des Schul-
dienstes eingestellt erscheinen und kirchlicherseits keine zureiphea-
den Belege für das behauptete Recht der Kirche beigebracht wor-
den sind. ... V “ * p
Dagegen wird in der Beschwerde geltend gemacht, dass 1) die
Schulfassion vom Jahre 1856 ohne Zustimmung der Vertreter der
Kirche, daher nicht in gesetzlicher Weise verfasst worden ist, und
dass 2) durch die Administrativacten speciell durch die über die Eri
richtung der Schulen in Klein-Lasnik und Doloplaz und über die
Ausschulung der diesen Gemeindeschulen zugewieseuen Ortschaften
aus dem Sprengel der Pfarrscbulen in Trschitz erwiesen sei, dass
der Pfarrschullebrer in Trschitz jene Naturalabgaben, welche durch
die obbezeichnete Grundeutlastungsobligation abgelöst worden sind,
für den Chorregentendienst bezogen habe, da ihm diese Bezüge aus
den nach Lasnik und Doloplaz eingeschulten Ortschaften belassen
worden sind. , . ,
Ad 1. Es ist richtig, dass die Fassion vom Jahre 1856 ohne
Intervention der Vertreter der Kirche zu Stande gekommen ist und
daher im Sinne des §. 106. der politischen Schulverfassung für sich
allein gegen die Kirche nicht als beweiswirkend angesehen werden
könnte. Da jedoch die in Rede stehende Grundentlastungsobligation
auf den Namen der Schule in Trschitz ausgefertigt wurde, da weiter
Oeaterr. Verwaltungsgerichtshof: 5 . Mai 1881. 301
in der Grundentlastungsrerhandlung die Schule als bezugsberechtigt
angeführt wird und da seither die Einkünfte stets der Schule zuge-
flossen sind, so konnte, jenem Mangel ein weiteres Gewicht um so
minder beigemessen werden, als aus den Administrativacten und aus .
den in der Beschwerde beigebrachten Documenten die Richtigkeit
der Behauptung, dass die Naturalgiebigkeiten , an deren Stelle die
Grundentlastungsobligation getreteii ist, dem Lehrer in seiner
Eigenschaft als Chorregent zugeflossen sind, keineswegs abgeleitet
werden kann.
Ad 2. Aus Anlass der Grundentlastungsverhandlung wurde
Seitens der Commission ausdrücklich hervorgehoben, dass der Titel
aus welchem der Trschitzer Schullehrer die abgelösten Naturalab-
gaben bezogen hat, nicht constatirt werden konnte. Nur soviel steht
fest, dass die abgelösten Giebigkeiten seit undenklichen Zeiten von
den Grundbesitzern des früheren Pfarrschulsprengels Trschitz an den
Lehrer geleistet worden sind und in einer Anzahl von Korn- und
Habergarben, dann in Eiern bestanden haben.
Es ist richtig, dass nach Ausschulung der Ortschaften Klein-
tmd Gross-Lasnik, Sorcov und Wiklek, weiter von Doloplaz aus dem
Sprengel der Trschitzer Pfarrschule, dem Pfarrschullehrer die frag-
lichen Giebigkeiten, auch soweit sie von den ausgeschulten Ort-
schaften prästirt wurden, belassen worden sind. Allein hieraus kann
nicht geschlossen werden, dass diese Giebigkeiten dem Pfarrschul-
lehrer in seiner Eigenschaft als Chorregent gebührt haben.
Weder das Protocoll vom 5. Januar 1788, noch auch jenes
vom 28. Juni 1789 bezeichnet die Abgabe in Garben als ein Ein-
kommen aus dem Chorregenten-, Messner und Organistendienste.
Im Gegentheile beide Protocolle gedenken des Rectorsgehaltes ins-
besondere. Es ist somit ganz wohl denkbar, dass die damals ge-
pflogenen Concurrenzverhandlungen den doppelten Zweck verfolgten,
die Ausmittlung der Bezüge für die neucreirte Lehrerstelle ohne
Schmälerung des Einkommens der alten Schule zu bewerkstelligen.
Hiezu kommt noch, dass nach der Actenlage es mindestens als
wahrscheinlich bezeichnet werden muss, dass die Giebigkeit in Ge-
treidegarben in die Categorie der sogenannten Wetterläutgebühren,
Wetterläutgarben zählt. — In der Grundentlastungsanmeldungstabelle
wird die Abgabe in Garben als »Wettergarben« bezeichnet und in
dem der Beschwerde angeschlossenen Protocolle dto. 23. Juni 1789
wird an der Stelle, wo der Abgaben aus der Ortschaft Wiklek ge-
dacht wird, ebenfalls vön »Wettergarben gesprochen. Nun ergibt
sieb aus den Bestimmungen der Hofdecrete vom 9. October 1784
302
■ V"
Üeaterr. Verwaltungsgerichtshof: 16. September 1881.
Pol. Gesetzsammlung Bd. 6, S. 573, vom 10. October 1787, Pol. 1
Gesetzsammlung Bd. 13, S. 500, dass diese Art von Gebigkeiten v
seit Erlassung dieser Gesetze den Charakter einer Entlohnung für K
den Schuldienst erhalten haben und von gesetzeswegen> Einkünfte
des Schuldienstes geworden sind. Zählten aber die in Frage stehen-
den Naturalglebigkeiten zu dieser Art Gebühren, dann erklärt Sich
der zu Gunsten der Pfarrschule gemachte Vorbehalt im Hinblick
auf die positive Bestimmung des §. 188. der politischen Sehulver- i
fassung von selbst. • . : •/ w
Die Beschwerde musste daher als im Gesetze nicht begründet
zurückgewiesen werden. • • ■ :t • >
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13. Erkenntniss vom 16. Sept. 1881 Z. 1312. Durch die, in Durch-
führung des an eine Gemeinde ergangenen rechtskräftig gewordenen
Auftrages, den ganzen von ihr an Glockenläutgebühren eingehobenen
Betrag ( Glockenfond) an die Kirchenverwaltung zurückzustellen, an-
geordnete Abfuhr eines geringeren Betrages als dei\ dessen Rück-
stellung bereits rechtskräftig verfügt war, körnen die Rechte der be-
treffenden Gemeinde nicht als verletzt erkannt werden.
Der k. k. Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der Stadt-
gemeinde Gross- Bittesch contra Ministerium für Cultus und Unter-
richt anlässlich der Entscheidung desselben vom 28. December 1880,
Z. 258, betreffend die Rückstellung eines Glockenfondes an die dor-
tige Kirchenvermögensverwaltung, als gesetzlich nicht begründet ab-
gewiesen. • ’ ’1 V ! /)
Entscheidungsgründe : Der Gemeindeausschuss der Stadt Gross-
Bittes 'h in Mähren hat in seiner Sitzung vom 26. Februar 1871 den Be-
schluss gefasst, dass Behufs Bildung eines Glockenfondes (bei Leichen-
begängnissen vom 1. März 1871 angefangen) von der grossen Glocke
eine Gebühr pr. 3 fl. und von den kleinen Glocken 1 fl. 50 kr., statt
der bisher üblichen Gebühr von 84 kr. und 42 kr. von Seite der
Gemeinde abgenoramen werden soll. — Bis Ende des Jahres 1877
wurden an diesen erhöhten Gebühren 502 ti. 72 kr. eingehoben und
ist dieser Betrag in der dortigen Vorsehusskassa angelegt worden.
In Folge Einschreitens des bischöflichen Ordinariates in Brünn
bei der k. k. mährischen Statthalterei de praes. 14. Mai 1878,
Z. 8720 wurde der erwähnte Gemeindebeschluss von der k. k Be-
zirkshauptmannsebaft in Gross -Meseritsch mit Entscheidung vom
21. Juni 1878, Z. 3085 auf Grund des §. 103. der mährischen Ge*f
meindeordnung wegen Verletzung der Stolataxordnung vom 15. April
1749 und der §§. 67 und 70. der Gemeindeordnung aufgehoben, weil
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Oesterr. Verwalltmgsgerichtshof : 16. September 1881.
303
die Gemeiude überhaupt nicht berechtiget gewesen sei, eine Glocken-
läutgebühr bei der Kirche einzuheben oder eine andere von der
Stolataxordnung abweichende Gebühr einznführen und auch nicht be-
fugt war, auf die Verwaltung der hieraus erfliessenden Gebühren
einen Einfluss zu üben. — Mit Rechtskraft dieses Erkenntnisses
seien die seit 1. März 1871 eingehobenen Glockenläutgebühren von
der Gemeinde Gross-Bittesch unverzüglich an die dortige Kirche
bei sonstiger Execution zu erfolgen und solche von der Kirchen-
, Vermögensverwaltung auch in Hinkunft einzuheben und zu ver-
rechnen. ! ■ •,!■, ; ■ •.
Gegen dieses Erkenntnis wurde keine Beschwerde erheben. —
Mit Zuschrift vom 17. December 1878 wurde vom Bürgermeister von
Gross-Bittesch dem dortigen Pfarramte die Summe von 151 fl. 20 kr.
als der Betrag der für die Zeit vom 1. März 1871 bis 17. December
1878 entfallenden stolamässigen Glockenläutgebühren abgeliefert, wo-
gegen sich 1 der Pfarrer an die Bezirkshauptmannschaft mit dem Er-
suchen wendete, die Gemeinde zur Herausgabe der ganzen, von ihr
thatsächlich (mit den Beträgen von 3 fl. und 1 fl. 50 kr. für das
einzelne Leichenbegängniss) eingehobenen Gebühren zü verhalten. —
Hierüber beauftragte die Bezirkshauptmannschaft mit Erlass vom
22. Decemeer 1878, Z. 4316 den Gemeindevorstand von Gross-Bittesch,
den auf Grund des Gemeindebesch lasses vom 21. Februar 1871 ge-
bildeten Glockeubaufond sammt und sonders an die Kirchenverwaltung
abzuführen. ' : * > i .
Ueber Recurs der Gemeinde wurde diese Entscheidung von der
k. k. mährischen Statthalterei mit Erlass vom 31. Januar 1879,
Z. 940 dahin abgeändert, dass die Gemeinde blo3S die seit 1. März
1871 eingehobenen stolamässigen Glockenläutgebühren in Abfuhr zu
bringen habe. — In Durchführung dieser Entscheidung wurde von
der Bezirkshauptmannschaft auf Grund gepflogener. Erhebungen ge-
rechnet, dass in der fraglichen Zeit für 191 kleine Leichen mit Zu-
grundelegung einer Taxe von 78 kr. der Betrag von 148 fl. 98 kr.
und für 8 grosse Leichen nach der Taxe von 2 fl. 73 kr. ein Betrag
von 229 fl. 32 kr., somit zusammen ein Betrag von 378 fl. 30 kr.
der Kirche gebührt hätte ; da nun unter Zugrundelegung der angeb-
lich früher üblich gewesenen Taxe von 84 und 42 kr. nur ein Be-
trag von 151 fl. 20 kr. abgeführt worden war, wurde die Gemeinde
von der Bezirkshauptmannschaft mit Erlass vom 9. October 1879,
Z. 6038 beauftragt, den Restbetrag mit 227 fl. 9 kr. an die Kirchen-
verwaltung abzuführen.
Ueber Recur3 der Gemeinde wurde mit dem Statthalterei-Erlasse
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304 Oesterr. Verwallungsgerichttshof: 16. September 180/.
vom 20. November 1879, Z. 19617 diese Entscheidung behoben und
ausgesprochen, dass durch die bereits geleistete Zahlung von 15l fl.
20 kr., welcher Betrag den üblichen Taxen von 84 und 42 kr. ent-
sprach, der Statthalterei-Entscheidung vom 31. Januar 1879. Z. 940
entsprochen worden sei. — Ueber Recura des Patronatsrepräsentanten
wurde vom Ministerium für Cultus und Unterricht mit Erlass vom
28. December 1880, Z. 258 die Entscheidung der Statthalterei auf-
gehoben und jene der Bezirkshauptmaunschaft Gross-Meseritsch vom
8. October 1879, Z. 6038 wieder hergestellt
In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgefuhrt, dass die
Kirchenverwaltung nur auf den Ersatz derjenigen Beträge, welche
sie ohne jenen Gemeindebeschluss vom Jahre 1871 bezogen hätte,
also nur auf die Gebühren nach der seit vielen Jahren üblichen
Taxe von 84 und 42 kr. Anspruch machen könne.
Da» Erkenntniss des Verwaltungsgerichtshofes beruht auf der
Anschauung, dass die Gemeinde Gross- Bittesch durch das Erkennt-
niss der k. k. Bezirkshauptmannschaft Gross-Meseritsch vom 21. Juli
1878, Z. 3685, gegen welches kein Recurs ergriffen wurde, rechtskräftig
verpflichtet worden ist, den ganzen von der Gemeinde an Glockenläut-
gebühren eingehobenen Betrag (Glockenfond) an die Kirchenverwal-
tung abzuführen. — Von der Rechtskraft dieses Erkenntnisses aus-
gehend, hatte der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, die
Richtigkeit der den verschiedenen oberwähnten Berechnungen zum
Grund gelegten Taxbeträge zn untersuchen, deren Angemessenheit
nur insoferne in Betracht kommen kann, als es sich etwa um Er-
satzansprüche der Parteien handeln sollte, von welchen die erwähnteu
Glockeuläutgebühren erhoben worden sind, und deren Rechte selbst-
verständlich durch die Uebertragung der eingezahlten Beträge aus
der Verwahrung der Gemeinde in jene der Kirchenverwaltung nicht
berührt werden können.
Da nun der Betrag von im Ganzen 378 fl. 30 kr., dessen Ab-
fuhr an die Kirchen Verwaltung mit der angefochtenen Entscheidung
angeordnet wurde, geringer ist, als der Betrag des Glockenfondes,
dessen Rückstellung mit der rechtskräftigen Entscheidung der Be-
zirkshauptmannschaft Gross-Meseritsch vom 21. Juni 1878, Z. 3685
angeordnet worden war (502 fl. 77 kr. bis Ende 1877), so kann in
dieser Entscheidung eine gesetzwidrige Verletzung von Rechten der
Gemeinde nicht erkannt werden (§. 2. des Gesetzes vom 22. October
1875, R.-G.-Bl. ex 1876 Nr. 36).
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Oesterr. Venvaltungsgerichtahof: 8. Februar 1882. 305
14. Entscheidung vom 8. Februar 1882, belr. die Frage , ob stets
die Intercalarcin hü nftc geistlicher Beneficicn dem FcUgionsfondc
■’ •> *:I t-i.. : ' zufattcn.
\ Das Wiener »Vaterland« 1882 Nr. 40 S. 6 berichtet folgenden
Rechtsfall. 3 .
Mit allerhöchster Entschliessung vom 19. Juni 1825 wurde die
Bewilligung zur Errichtung der Curatie in Unter- Warmberg in Krain
unter der ausdrücklichen Bedingung ertheilt, dass dieselbe weder dem
Religionsfond, noch einem anderen "öffentlichen Fond jemals zur
Last falle, und im §. 13. der Stiftungsurkunde wurde verfügt, dass
der Religionsfond auf das Iutercalare dieser Loealie, wenn sie zeit-
weilig unbesetzt bleibe , keiueu Anspruch habe , sondern dass selbes
einem bestimmten anderen Zwecke zufallen solle, insbesondere bei
Bestellung eines Provisors diesem. Als im Jahre 1880 diese Loealie
zeitweise durch einen Provisor besetzt werden musste, schritt das
fürstbischöfliche Ordinariat in Laibach bei der Landesregierung da-
selbst um Zuweisung des Intercalare an den Provisor ein, wurde aber
von der Landesregierung sowohl als auch vom Cultusministerium ab-
gewiesen. Das Ordinariat führte daher Beschwerde vor dem Ver-
waltnngsgerichtshofe. Das Ministerium rechtfertigte seine Entschei-
dung damit, dass alle Intercalare mit Ausnahme der mensa commuuis,
und wo selbe für Leistungen nothwendig sind, dem Religiousfond zu-
fallen. Diese Bestimmung finde sich im Gesetze vom Jahre 1787,
im Art. 32. des Concordates und im §. 79. des Gesetzes vom 7. Juni
1874. Dieser allgemeinen Norm könne durch einen Stiftbrief nicht
entgegeugewirkt werden, selbst dann nicht, wenn diese Stiftung be-
hördlich genehmigt wurde, weil eine solche Genehmigung einen Ein-
griff in die Gesetzgebung involviren würde. Seit Rechtskraft des
§. 59. sei eine jede Ausnahme, also auch die auf Stiftungen be-
ruhende, aufgehoben. Das Ordinariat führte dagegen aus, dass das
allgemeine, vom Ministerium angeführte Gesetz dort, wo ein Stiftbrief
bestehe, keine Anwendung finde, weil es sich um eine Priuotstiftung
handle; der Religionsfond dürfte nach dem Stiftbriefe nie in An-
spruch genommen werden, daher habe er auch kein Recht auf das
Intercalare. Ein späteres Gesetz könne bei Stiftbriefen nicht mass-
gebend sein, sondern nur jenes, welches zur Zeit der Errichtung galt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Pintscheidung des Ministeriums
als im Gesetze nicht begründet aufgehoben , weil nach §. 13. des
Stiftbriefes der Religionsfond vom Bezüge der Iutercalare unbedingt
ausgeschlossen sei, weil der Stiftbrief in dieser Form behördlich ge-
nehmigt worden, die Stiftung daher auf legale Weise zu Staude ge-
kommen sei und nicht einseitig aufgehoben werden könne; den §. 59.
des Gesetzes vom 7. Juni 1874 anbelangend, könne derselbe nach
dem Grundsätze, dass Gesetze nicht zurückwirken, hier keine An-
wendung finden. . ;
Archiv für Kirchen recht. XLVII.
20
XXI.
Entscheidung des österr. obersten Gerichtshofes vom 8. Juni
1881 Z. 3303.
Das Eheliinderniss der feierlichen Gelübde der Ehelosigkeit
(§. 63. a. b. G.) erlischt nicht durch den Austritt des Betreffenden
aus der katholischen Kirche und dessen Uebertritt zu einer die
Pflicht der Ehelosigkeit nicht anerkennenden Confession.
Ein Capitular des Stiftes K. , welcher am 5. Sept. 1867 die
feierlichen Ordensgelübde abgelegt hatte und am 26. Juli 1868 zum
Priester geweiht war, entfernte sich am 23. März 1872 aus dem
Stifte mit Zurücklassung der brieflichen Erklärung, dass er aus dem
Orden und der katholischen Kirche austrete. Auch zeigte derselbe
am 23. März 1872 bei der k. k. Bezirkshauptmanuschaft Steyer
seinen Austritt aus der katliol. Kirche und seinen Uebertritt zur
Augsburger Confession an. Am 26. März 1872 wurde er zu Wien
von dem dortigen evangelischen Pfarramte in die Augsburger Con-
fession aufgenommen und dasselbe evang. Pfarramt nahm am 27. Mai
1872 die Trauung jenes Stiftscapitulars J. H. mit der ledigen M.W.,
welche sich ebenfalls zur Augsburger Confession bekennt, vor. Die
österr. Gerichte aller drei Instanzen erkannten diese Verbindung auch
nach österr. bürgerl. Rechte als eine ungiltige. Wir theilen aus der
betr. Entscheidung des obersten Gerichtshofes vom 8. Juni 1881 im
Nachfolgenden die Eutscheidungsgrüude mit :
Nach §. 63. des a. b. G. können Geistliche, welche schon höhere
Weihen empfangen, wie auch Ordenspersonen, welche feierliche Ge-
lübde der Ehelosigkeit abgelegt haben, keinen gütigen Eheverband
schliessen. Diese Bestimmung beruht anf den Satzungen der römisch-
katholischen Kirche, nach welchen das in dem Empfange der höheren
Weihen und in der Ablegung feierlicher Gelübde begründete Ehe-
hinderniss erst mit dem Tode der Person und nicht auch mit den)
Austritte aus der kathol. Kirche erlischt. Jene Bestimmung ist auch
durch das mit dem kais. Patente vom 8. October 1856, R.-G.-Bl.
Nr. 185, erlassene Ehegesetz in keiner Weise abgeändert worden,
indem auch die mit diesem Patente als Anhang If. erlassene An-
weisung für die geistlichen Gerichte in Ehesachen im §. 24. Geist-
liche, welche höhere Weihen empfangen und Ordeuspersonen, welche
feierliche Gelübde abgelegt haben, eine Ehe zu schliessen für unfähig
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GtSterr. oberst. Ger. -Hof. S. Juni 1881 :
Ehehind. der feiert. Gelübde.
307
erklärt hat, und als das mit dem kais. Patente vom 8. October 1856,
R.-G.-Bl. Nr. 185, erlassene Ehegesetz mit dem Gesetze vom 25. Mai
1868, R.-G.-Bl. Nr. 47, ausser Kralt gesetzt worden war, hatten
nach Art. I. dieses letzteren Gesetzes an die Stelle des aufgehobenen,
wieder die Vorschriften des vom Eherechte handelnden zweiten Haupt-
stückes des allg. bürgl. Gesetzb. und der hiezu nachträglich erflos-
senen Gesetze und Verordnungen zu treten, insoweit dieselben zur
Zeit, als das kais. Patent vom 8. October 1856, Nr. 185, in Kraft
trat, bestanden haben und durch das neuerlich erlassene Gesetz nicht
abgeändert wurden. Die Bestimmung des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb.
bestand aber .zur Zeit des Eintrittes der Wirksamkeit des kais. Pa-
tentes vom 8. October 1856 noch unverändert in Kraft, und sie hat
auch durch das Gesetz vom 25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 47, keine
Abänderung erlitten, da in diesem letzteren Gesetze über die vom
allg. bürgl. Gesetzb. aufgestellten Ehehindernisse überhaupt und ins-
besondere bezüglich des Ehehindernisses des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb.
eine Bestimmung nicht enthalten ist. Die Aufhebung der Bestim-
mung des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. kann aber auch in dem Ge-
setze vom 25. Mai 1868, Nr. 49, nicht gefunden werden. Dieses
Gesetz hat, wie seine Aufschrift zeigt, die Bestimmung, die intercon-
fessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in der darin angegebenen
Beziehung zu regeln. Von den Normen des bürgerlichen Rechtes be-
züglich der Ehe und der Ehehindernisse ist dort überhaupt keine
Rede, und insbesondere hat es dieses Gesetz vermieden, über die
Frage zu entscheiden, ob die durch die Angehörigkeit zu einer Kirche
oder Religionsgenossenschaft bedingte Beschränkung der persönlichen
Fähigkeit zur Eingehung einer Ehe durch den Austritt aus der Kirche
oder Religionsgenossenschaft bestehe oder nicht. Der Art. 4. des
Gesetzes vom 25. Mai 1868, R.-G.-Bl. Nr. 49, hat nur ausgesprochen,
dass nach vollendetem vierzehnten Lebeusjahre Jedermann , ohne
Unterschied des Geschlechtes , unter der Voraussetzung eines die
eigene freie Ueberzeugung nicht ausschliessenden Geistes- oder Ge-
mütszustandes, die freie Wahl des Religionsbekenntnisses gestattet
sei ; der Art. 6. desselben Gesetzes befasst sicli nur mit der Bezeich-
nung der Bedingungen, welche nothwendig sind, damit der Austritt
aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft gesetzliche W'irkung
habe. Der Art. 5. bestimmt zwar, dass durch die Religionsver-
änderung alle genossenschaftlichen Rechte der verlassenen Kirche
«der Religionsgenossenschaft an den Ausgetretenen, ebenso wie die
Ansprüche dieses an jene verloren gehen. Allein dass bei dem Aus-
tritte aus der römisch-katholischen Kirche auf Seite des Ausgetretenen,
20 *
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welcher die Befreiung von der angelobten Verpflichtung zur Ehelosig-
keit in Anspruch nimmt, nicht von einem Ansprüche oder Rechte
gegen die verlassene römische Kirche die Rede sein und dass eiu
solcher Anspruch nicht an und für sich durch den einseitigen Act
des Austrittes begründet werden könnte, erscheint wohl als unzweifel-
haft; im Gegentheile könnte bei der Aufrechthaltung des in dem
Empfange der höheren Weihen und in der Ablegung des feierlichen
Gelübdes der Ehelosigkeit begründeten Ehehindernisses nur etwa von
einem genossenschaftlichen Rechte der verlassenen römisch-katho-
lischen Kirche an den Ausgetretenen die Rede seiu. In dieser Be-
ziehung kommt jedoch zu erwägen, dass J. H. als österreichischer
Staatsbürger nach §. 4. des allg. bürgl. Gesetzb. diesem Gesetze unter-
worfen ist; dass es die staatliche Gesetzgebung war, welche das Ebe-
hinderniss des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. aufgestellt hat, uud dass
so lange nicht wieder die staatliche Gesetzgebung dieses Ebehinder-
niss aufgehoben hat, die Aufrechterhaltung desselben nicht als ein
durch den Religionswechsel nach Art. 5. des Gesetzes vom 25. Mai
1808, R.-G.-Bl. Nr. 49, erlöschendes Recht der römisch-katholischeu
Kirche gegen den Ausgetretenen , sondern als ein Gebot des bisher
nicht aufgehobenen staatlichen Gesetzes aufzufassen ist. Die Auf-
hebung des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. kann endlich auch aus der
Bestimmung des Art. 16. des Gesetzes vom 25. Mai 1868, R.-G.-B1.
Nr. 49, nicht gefolgert werden, denn mit diesem Artikel wurden eben
nur die den Vorschriften des Gesetzes vom '25. Mai 1868, Nr. 40,
widerstreitenden Bestimmungen der früheren Gesetze und Verord-
nungen ausser Anwendung gebracht. Diese Bestimmung kann aber
nicht auch auf den §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. bezogen werden, da
das Gesetz vom 25. Mai 1868, Nr. 49, die Bestimmungen des allg.
bürgl. Gesetzb. über die Ehehindernisse überhaupt unberührt belassen
hat und diese Bestimmungen daher nicht zu jenen Gegenständen und
Beziehungen gerechnet werden können, welche das Gesetz vom 25. Mai
1868, Nr. 49, in anderer Weise geregelt hat. Es ändert an dieser
Auffassung auch nichts, wenn man von der Anschauung ausgeht,
dass die Bestimmung des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. lediglich auf
dem exclusiven Standpunkte der Staatskirche beruhe und in das allg.
bürgl. Gesetzb. nur zu dem Zwecke, um den Satzungen der römisch-
katholischen Kirche auch die staatliche Geltung zu sichern, aufge-
nommen worden sei. Denn wenn die österreichische Gesetzgebung,
ungeachtet sie jenen exclusiven Standpunkt aufgegeben hat, dennoch
die Bestimmung des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb. unverändert fortbe-
stehen liess , so bekundet dies eben .das Vorhandensein auch eines
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. oberst. Ger. -Hof. 8. Juni 1881: Ehehind. der feiert. Gelübde. 309
staatlichen Interesses, das Ehehinderniss des §. 63. allg. bürgl. Gesetzb.
auch für Personen, welche aus der römisch-katholischen Kirche aus-
getreten sind, aufrecht zu erhalten. Den Gerichten kommt es nicht
zu, die Gründe zu untersuchen, welche sich etwa für die Aufhebung
oder Abänderung des allg. bürgl. Gesetzb. geltend machen lassen;
sie können und dürfen bei Anwendung bestehender Gesetze sich
weder in die Beurtheilung der gesetzgebenden Gewalt über die Zu-
lässigkeit oder Unzulässigkeit abändernder Bestimmungen vorgreifen,
noch endlich ein bestehendes Gesetz durch Schlussfolgerungen als
ausser Wirksamkeit getreten erklären, sondern mussten sich bei ihren
Entscheidungen lediglich daran halten, dass die Anwendung des §. 63.
allg. bürgl. Gesetzb. — wie vorstehend erörtert wurde — bisher im
gesetzlichen Wege nicht ausser Kraft gesetzt worden ist. Demge-
mäss wurden die angefochtenen gleichlautenden untergerichtlichen
Entscheidungen als dem Gesetze entsprechend bestätigt.
Digitized by Google
XXII.
Oesterreichischer Cultus-Ministerial-Erlass vom 22. December
1880 Z. 19878,
betr. die von ung. Staatsangehörigen beizubringenden Nachweise
behufs Ehcschliessung in Oesterreich.
Im Archiv Bd. 41. S. 453 ff. theilten wir einen österr. Cultus-
ministerialerlass vom 28. Nov. 1878, betr. die Eheschliessung minder-
jähriger nng. Staatsangehöriger in Oesterreich mit. Das Verordn.-Bl.
für den Dienstbereich des k. k. Ministerium für Cultus und Unter-
richt vom J 1881 Nr. 20 macht nun einen erläuternden Erlass vom
22. December 1880 kund, welcher lautet, wie folgt:
»Zur Beseitigung mehrerer Zweifel, ivelche sich bei der An-
wendung des bierortigen Erlasses vom 28. November 1878 Z. 18104
ergeben haben, wird im Einvernehmen mit dem k. k. Ministerium des
Innern Folgendes erlassen:
1. Die Zeugnisse des kgl. ung. Ministeriums für Cultus und
Unterricht über die persönliche Fähigkeit zur Eheschliessung sind
von den ungarischen Staatsbürgern, welche sich in der diesseitigen
Reichshälfte verehelichen wollen, ohne Unterschied, ob dieselben schon
volljährig oder noch minderjährig sind, beizubringen.
2. In eine Prüfung der rechtlichen und thatsächlichen Voraus-
setzungen dieser Zeugnisse überhaupt und insbesondere minderjähri-
gen Ehewerbern gegenüber, selbst wenn dieselben verwaist sind, ist
seitens des um die Trauung angegangenen Seelsorgers oder sonstigeu
Trauungsorganes nicht einzugehen, da sich das kgl. ung. Ministerium
für Cultus und Unterricht zur Ausstellung derartiger Zeugnisse nur
dann bestimmt finden kann, wenn hiegegen, auch vom Standpunkte
des ungarischen Civil-, beziehungsweise Vormundschaftsrechtes kein
Anstand obwaltet.
3. Nachdem sich die Cognition hierseitiger Trauungsorgane
nur auf die formelle Prüfung der erwähnten Fähigkeitszeugnisse zu
beschränken hat, so erscheinen für dieselbe die mit dem Hofkanzlei-
decrete vom 18. August 1831 Z. 18449, bezw. Justizhofdecrete vom
11. November 1831, J. G. S. ,Nr. 2587 verlautbarten Bestimmungen
des ungarischen Rechtes irrelevant.
4. Den Trauungsorganen ist es, falls sie der ungarischen Sprache
nicht kundig sind, anheimgestellt, die Ehewerber zur Beibringung
beglaubigter Uebersetzungen , der von ihnen producirteu, in dieier
Sprache ausgestellten Fähigkeitszeugnisse und sonstigen Urkunden
zu verhalten.«
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311
•• yr
XXIII.
Denkschrift des Cardinais Haynald vom 10. Februar 1882 Uber
den ungarischen Mittelschul-Gesetzentwurf.
Dem ungarischen Reichstage liegt zur Zeit (10. Februar 1882)
wiederum ein Gesetzentwurf zur Regelung der Gymnasien und Real-
schulen vor. Dieser Gesetzentwurf bildet gegenwärtig den Gegen-
stand eingehender Berathungen im Schosse eines Subcomitös, zu
welchem auch Vertreter der verschiedenen Confessionen und einzelne
Schulmänner als Experten geladen wurden. Der Card.-Fürstprimas
Johannes Simor ersuchte auf die Einladung des Unterrichtsministers
Trefort den Cardinal-Erzbischof Haynald um Uebernahme der Ver-
tretung der katholischen Rechte und Interessen in jenen Subcomiles.
Card. Haynald kam diesem Ersuchen bereitwillig nach, hielt jedoch
vorher noch eine Berathung mit den in Buda-Pest weilenden katho-
lischen Bischöfen, um auf Grund der gemeinsam gefassten Beschlüsse
dem Comitd eine Denkschrift zu überreichen , worin der Standpunkt
der kathol. Kirche gegenüber dem neuen Gesetzentwürfe in ebenso
entschiedener als begründeter und würdiger Weise gewahrt wird.
Die Denkschrift lautet nach der Uebersetzung des »Pesther Loyd« vom
10. Februar 1882, wie folgt:
Geehrter Ausschuss! Der ungarische katholische hohe Klerus
hat von Seite Sr. Excellenz des gegenwärtigen Cultusministers in
der Erledigung katholischer Schulangelegenheiten nur Billigkeit und
unzweifelhaften guten Willen erfahren, welchen der Herr Minister
in der zeitweiligen Begleichung der aus jener principiellen Stellung,
welche durch die bestehende, von uns nie zu billigende Situation
aufgenöthigt worden, erfliessenden Schwierigkeiten unserer Mittel-
schulen bethätigt hat. (Unsere Mittelschulen, denn wie immer die-
selben von Jenen genannt werden mögen, welche die unzweifelhaft
bestehende rechtliche Stellung ignoriren, so kennen wir sie doch nur
als solche, und können sie nur als solche nennen lassen.) Eben darum
würden wir, vertrauend auf Gerechtigkeitsliebe und wohlwollende
Zuvorkommenheit, auch für die Zukunft keine von ihm herrührende
Schwierigkeiten befürchten.
Und ich will gern gestehen, dass wir auch jetzt schon zu Danke
verpflichtet sind für den Entwurf, der, einen drückenden Punkt des
früheren Gymnasialgesetzentwurfes verbessernd, die mit Rücksicht
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312 Card. Huynalds Denkschrift über den uny. Mi(telschul-Ges.-Entw.
auf die höheren Schulzwecke sehr richtige Verfügung enthält, dass
hinsichtlich der Professoren der Mönchsorden die ministerielle Ge-
nehmigung betreffs ihrer Verwendung oder Transferirung nicht noth-
wendig, sondern dass es vielmehr genügend sei, dem Ministerium
über deren Anstellung nachträglich Bericht zu erstatten, was ja der
Regierung ohnedies die Möglichkeit in die Hand gibt, sich über die
Befähigung der Betreffenden zum Lehramte noch rechtzeitig zu in-
formiren ; übrigens ist dies nicht eine uns zugestandene Begünstigung,
denn im Sinne des Gesetzentwurfes würde ja die Regierung auf die
Anstellung der Professoren in Schulen nichtkatholischer Confession
auch nicht so viel Einfluss nehmen.
Indessen weder den obersten Hütern katholischer luteressen,
die jetzt ihrem Vertrauen freudigen Ausdruck geben, noch dem der-
zeitigen Leiter de3 Unterrichts-Ministeriums ist hienieden ewiges
Leben beschieden — da ja die göttliche Fürsehung auf eine oder die
andere Weise über unser Aller Schicksal verfügt — , während die
katholische Kirche und ihre im katholischen Glauben und nach den
Satzungen unserer Kirche zu erziehenden Generationen, sowie ihre
Lehreu, Interessen und Rechte für und für bestehen werden; es
müssen daher die leitenden Kreise der Kirche auf alles das hinweisen,
was für die Satzungen und Interessen derselben Gefahren bergen
könnte oder für dieselben schädlich zu werden droht; ja diese Kreise
müssen die Sanirung solcher üebelstände competenten Ortes beschleu-
nigen, und zu ihren uuabweislichen Aufgaben gehört es, die drohen-
den Gefahren abzuwenden.
In solcher Absicht, zur Erfüllung dieser Aufgaben wende auch
ich mich als ein Oberhirt der katholischen Kirche, diesfalls Bevoll-
mächtigter des Landes-Primas, wie auch als Dolmetsch der von mir
ausgedrückten Ansichten und Wünsche meiner zahlreichen Collegen
und endlich als Patronatsherr eines erzbischöflichen Gymnasiums
an den geehrten Ausschuss, um jene Ueberzeugungen auszudrücken,
die ich mit Rücksicht auf unsere vitalsten Interessen und unsere
Schulen in Bezug auf den auf dem Tapet befindlichen Mittelschul-
gesetzentwurf nicht verschweigen darf.
Insbesondere muss ich mich zuvörderst gegen jene Auffassung
aussprechen, welche die katholischen Mittelschulen unter vollständiger
Verkennung ihVes wirklichen Wesens in staatsrechtlicher Beziehung
in eiue andere Categorie reihen, als die Schulen der übrigen Con-
fessionen, um dann die Schulen der katholischen Kirche auf legis-
latorischem Wege einem für dieselben drückenden, deren Principien
und Interessen verletzenden Einfluss zu unterordnen.
1
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Curd. Huynalds Denkschrift über den uny. Miltelschul-Ges.-Entw. 313
Um Missverständnissen vorzubeugen , will ich vorausschicken,
dass ich den, sich aus dem obersten Patronatsrechte des Königs über
die katholische Kirche Ungarns ergebenden nützlichen und wirksamen
Einfluss des ungarischen Cidtusministers auf jene katholischen Lehr-
anstalten, welche aus dem durch das Ministerium verwalteten Fond
dotirt werden, bis zur weitern Regelung der Ausübung des obersten
Patronatsrechtes nicht difficultire, ja dass ich diesen Einfluss bis zu
dem erwähnten Zeitpunkt in vollster Integrität aufrechterhalten
sehen möchte; allein jenen aus dem patronatsherrschaftlichen Ver-
hältnisse sich nicht ergebenden, im Mittelschulgesetzentwurf aber
nichtsdestoweniger zum Ausdruck gelangten Zustand, wonach der den
übrigen Confessionen hinsichtlich ihrer Mittelschulen zugestandene,
freiere Wirkungskreis gerade unseren Lehranstalten entzogen wird,
diesen Zustand werde ich weder je 'billigen, noch gelegentlich der
Verhandlung der Vorlage im Oberhause billigen können. Und das
ist es eben, was ich im Nachstehenden achtungsvoll, des Weitern anzu-
führen gedenke.
Als absolut unrichtig muss ich folgende, im Gesetzentwurf zum
Ausdruck gelangte Motivirung betrachten:
1. als ob die katholische Kirche, die keine Autonomie , besitzt,
auf ihre Lehranstalten jenen Einfluss, welchen das Gesetz den eine
Autonomie besitzenden protestantischen Confessionen und zweifelsohne
auch den griechisch-orientalischen Christen und den Israeliten garan-
tirt wissen will, nicht ausüben kann; ferner
2. dass es den — ich zweifle nicht — wohlwollenden Kreisen,
welche selbst das Dasein der hellstrahlenden Sonne durch langwierige
Verhandlungen erst bewiesen haben möchten, gefallen hat, die eigon-
thumsrechtliche Natur der im Sinne der vielhundertjährigen Ueber-
zeugung und Uebung, im Sinne der betreffenden Stiftungsbriefe und
königl. Patronatsverleihungen und der allbekannten Gesetze von den
Jahren 1548, 1550, 1560 und 1790/91 u. s. w. unbestreitbar katho-
lische Fonds in Frage zu ziehen und diesem jeden positiven Grundes
entbehrenden und die primigene Kirche Ungarns ihrer Rechte be-
rauben wollenden Zweifel praktischen Ausdruck zu geben , eine zur
Prüfung des Eigenthumsrechtes berufene neumodische neoaquistische
Commission zu entsenden, welche die Beendigung ihrer Arbeit von
Jahr zu Jahr aufschiebt, wodurch — ich zweifle nicht — , ohne un-
rechte Absicht, bewirkt wird, dass in dem verursachten Dunkel das
legislative Vorgehen für die katholische Kirche nachtheilig sei, wie
dies der gegenwärtige Gesetzentwurf zur Genüge beweist.
Wie gesagt, ich kann keinesfalls diese beiden itpfötov ^eööoc
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314 Card. Haynalds Denkschrift über den ung. Mitlelschul-Ges.-
annehmen, auf deren unhaltbarer (nicht nur schwankender, sondern
zweifelsohne auch nichtiger) Grundlage die neue Mittelschulgesetz-
gebung, wie es scheint, aufgebaut werden will.
Ich nehme das erste unhaltbare Grundprincip nicht an, weil
die katholische Mutterkirche ihre eigenartige, stets anerkannt ge-
wesene Autonomie besitzt, die sie während der verflossenen Jahr-
hunderte stets geltend gemacht und welche durch die Uebung der
königl. Patronatsrechte durch die Organe des Staates, der sich zn
der einst dominirenderi katholischen Kirche bekannte, keineswegs ge-
läugnet wurde, da diese nicht zum Schaden der katholischen Kirche
und nicht zur Beeinträchtigung ihrer Rechte und auch nicht
zu irgend welchem Präjudiz, sondern gerade zu deren Schutz und
Vortheil dienen wollte. Dieses königl. Schutzrecht kann daher auch
jetzt in der Aera der veränderten religiös-politischen Situation keines-
wegs in gerechter Weise zur Schädigung der Kirche benützt wer-
den; besonders aber nicht aus dem Gesichtspunkte, weil an Stolle
der Organe des ehemals katholischen Staates .der neue verantwort-
liche palamentarische Miuister getreten wäre ; denn auch dieser kann
nicht einen Einfluss von neuer Auflassung, sondern nur einen , die
alte Praxis vorläufig ehrlich vertretenden, dieselbe keineswegs alte-
rirenden und schädigenden Einfluss üben.
Auch bietet keinen ferneren Anlass zum Leugnen oder zur
praktischen Ignorirung dieser kirchlichen Autonomie der Umstand,
dass die parlamentarisch geartete Autonomie, in deren Verhandlung
wir uns 1870/71 in Folge der damaligen Zeitumstände auf Initiative
des in Gott ruhenden Ministers Baron Josef Eötvös eingelassen haben,
der a. h. Erledigung nicht theilhaftig wurde, als wir das Resultat
des diesbezüglich stattgefundenen Congresses vorlegten.
Wie gesagt, kann auch das Niemanden über die Autonomie
unserer Kirche irre machen, denu noch immer besteht die alte tausend-
jährige Autonomie der Kirche zu Recht, welche man ihr nicht weg-
decretiren, welche man nicht als rechtlos betrachten und über welche
man — sine me de me — zum unbestreitbaren Schaden unserer
Interessen nicht dort Verfügungen treffen kann , wo nicht die Will-
kür herrscht, sondern wo Recht und Gerechtigkeit in Ehren ge-
halten werden.
Auch jene neue Autonomie konnte keineswegs durch die Be-
absichtigung und durch die Vorbereitung ihrer Errichtung die alle-
zeit bestandene Autonomie der Kirche ungiltig machen, welche schon
durch die Eiistenz der letzteren bewiesen ist; sie hätte durch ihr
Zustandekommen nur den Rahmen der alten Autonomie erweitern,
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Card. Haynalds Denkschrift über den nny. MUteischul-Ges.-Entw. 315
deren äussere Kechtsübung und deren modus procedendi nach aussen
hin abändern können.
Die Kirche besitzt ihre Autonomie, welche 1. in der untersten
Stufe in der auch bisher an vielen Orten bestehenden pfarrkireb-
liclien Repräsentanz, in der Vorsorge und Leitung der Diöcesan-
sehulen nach Schulstühlen , Dechantei«« u. s, w. ; 2. in der diö-
cesanen Gebahrung der fast ausschliesslichen geistlichen Stiftungen
(bei Controle des Bischofs oder des Capitels) ; an allerhöchster Stelle
in der Thätigkeit, der die Angelegenheiten der ehedem dominiren-
den kath. Kirche im Namen und im Dienste des königl. Patrons
erledigenden Canzlei und Statthalterei, und in dem Amtiren der
studiorum Commissio ihren Ausdruck und ihre Mittel gefundeu hat ;
all’ diese befinden sich entweder noch in ihrem alten Status oder in
ihrer provisorischen Vertretung. — Der Umstand, dass die Form der
Constitution des Landes sich geändert hat, konnte diese Autonomie
in ihren Rechten und ihrem Wirken nicht ändern und schädigen,
wie er auch die eigenthüraliche Autonomie der Protestanten nicht
geschädigt hat, > ' , ;
Dass aber der in das Religionsleben der Ungarn später einge-
tretene Protestantismus in der Geltendmachung seiner Autonomie
nicht der Autonomie der ursprünglichen ungarischen Kirche gleicht:
das resultirt aus den verschiedenen Grundlehren und Principien der
beiden Religionsgesellschaften und kann nur zur Ignorirung und
Ableugnuug der Autonomie der katholischen Kirche, die die Natur
der Kirche vollständig verkennenden confessionellen Gegner oder
katholische doctrinäre Idealisten führen.
Was die zweite Argumentation , nämlich die bezüglich des
Besitzrechtes des katholischen Schulen- und Studienfonds aufgeworfene
Frage betriflt, so kann ich diese in Kurzem beendigen.
Wenn Jemand mein Besitzrecht verdächtigt, leugnet: so muss
nicht ich, der ein Jahrhunderte altes Besitzrecht erbt, mein Recht
beweisen, sondern er muss seine Negation beweisen. So lange er dies
nicht thut, wäre cs sowohl vom administrativen, wie vom legislativen
Standpunkte eine flagrante Besitzstörnng , Ungerechtigkeit, wenn
man mich in einen ungünstigeren Zustand versetzen, mich für minder
berechtigt halten, oder decretiren wollte wie Jene, die nicht mehr
Recht als ich besitzen.
Jawohl es ist eine Störung eines alten Besitzes. Sagt ja doch
die ministerielle Motivirung auf Seite 25 des Gesetzentwurfs selbst:
»Die "Schule entspross ursprünglich aus. dem Boden der Kirche . . .
In Ungarn war die katholische Kirche die erste Errichterin der
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316 (Jard. Hagnalds Denkschrift über den ung. Mitlelschul-Ges.-Entw.
Schule« und fügt wie billig dazu: »Die protestantische Kirche hat
ein Hauptgewicht auf die Schulen gelegt. Das Volksschulwesen ist
noch heute überwiegend in den Händen der Confessionen .« Und mit
Recht. Man soll es auch nicht aus der Hand der Kirchen nehmen,,
wenn man nicht die Irreführung, Schwächung unseres ungarischen
Volkes in seinen heiligsten .geistigen und moralischen Vermögen zum
grossen Schaden des Vaterlandes und der Nation erfahren will.
Schon jetzt kann jeder scharf beobachtende und denkende Mann
nicht nur an einem Orte die bedauernswerthen Folgen der confessions-
losen gemeinsamen Elementarschulen erfahren. , i
Was aber bezüglich der Volksschulen steht, das soll auch auf
den Mittelschulen-Unterricht Geltung haben. Und es möge auch
hier die Gleichberechtigung sein. Mit welchem Rechte nimmt der
Gesetzentwurf dem ursprünglichen Schulenerrichter das, was er dem
neueren Schulenerrichter richtigerweise gibt? Das was für den Einen
angezeigt und nicht schädlich ist, das kann auch für den Andern
nur so sein. ,-<• . • • ... •. ... ,
Wenn die ministerielle Motivirung von den confessionellen
Schulen sagt: »Ihre Aufrechterhaltuug , Entwicklung ist desshalb
wichtig, weil sie , einen bedeutenden Theil der Last des Staates
tragen, weil auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts die Con-
currenz, die individuelle Entwicklung, die Decentralisation nützlich
ist« — wer trägt einen bedeutenderen Theil der Lasten des Staates,
wie die Katholiken ? Mit wessen Gelde werden die meisten Gymnasien
erhalten? Die Katholiken haben zweimal so viel Schulen, wie die
Andersgläubigen zusam mengenommen .
Diesen gegenüber erwähne man nicht einmal den Unterschied
zwischen den gleich zu Beginn des Gesetzentwurfs categorisirten
Schulen. Kann ja doch selbst die ministerielle Motivirung die con-
fessionelle Natur unserer Schulen nicht leugnen; sie äusserte sich
nämlich darüber folgendermassen :
1. »Die aus dem staatliehen Budget erhaltenen Gymnasien
sind staatlich;«
2. »die aus dem Studienfond erhaltenen Gymnasien sind fac-
tisch (nicht nur factisch, sondern auch rechtlich) katholisch-confes-
sionellen Charakters und so können sie nicht bestimmt als staatliche
bezeichnet werden.« (Freilich nicht. Vornehmlich wenn wir ausser-
halb der schwankenden Basis einer zur in der Natur der Sache nicht
gelegenen Untersuchung des Eigenthumsrechtes entsendeten Com-
mission des Abgeordnetenhauses in der Entstehungsgeschichte unserer
Schulen selbst, in unsere Stiftungsbriefe Einsicht nehmen.)
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Card. Haynalds Denkschrift über den üny. Mittel schul-Ges.-Enlw. 317
3. »Die von den Lehrorden erhaltenen Mittelschulen, sagt
ferner der Motivenbericht, die auf einer Rechtsbasis stehen, welche
sich von den aus dem Studienfond erhaltenen Schulen unterscheiden,
werden und besonders hinsichtlich der Anstellung der Lehrkräfte von
jenen abweichend geleitete . , . Es wäre schwer, jene dunkle Be-
hauptung von der verschiedenen Rechtsbasis zu beweisen, wenn man
darunter nicht die unwesentliche Abzweigung des zweifellosen Besitz-
rechtes derselben katholischen Kirche verstehen will. Diese sowohl
als auch jene sind bei dem, der klar sehen will, jeden Zweifel aus-
schliessende kath. Schulen. *•! :i -
So spricht also der Motivenbericht deutlich von kath. Con-
fession, von dem thatsächlich katholischen confessionellen Charakter
der Schulen ; der Gesetzentwurf jedoch, wo vou Vorrechten die Rede
ist, lässt nur die nicht-katholischen Confessionen Begünstigungen
theilhaftig werden.
Wenn der Motivenbericht behauptet, dass »die nicht unter
staatlicher Leitung stehenden Mittelschulen können schwer in Allen»
gleichen Bestimmungen unterworfen werden,« so ist den von Con-
fessionen erhaltenen Mittelschulen, namentlich denen der Protestanten,
ein bedeutenderes Mass an Autonomie durch das Gesetz garantirt
. . . . ihnen »hat das Gesetz namhafte Rechte gesichert (bezüg-
lich der Mittelschulen), welche nicht zu verkürzen, oder gar zurück-
zunehmen, sondern vielmehr mit andern Confessionen und selbst
Privaten zu theilen, die Aufgabe der gegenwärtigen Legislative sein
muss:« ganz richtig! nur möge der Gesetzentwurf dann den Katho-
liken jene Rechte nicht versagen, welche er den Protestanten ge-
rechterweise sichert. •• ! Vr •'
Nach der ministeriellen Motivirung möge auch Niemand sagen,
die Protestanten haben bereits 1790 ihre Rechte erhalten. 'Die
Katholiken sind immer unter Staatsaufsicht gestanden.« Dies hatte
nur einen Sinn, als in Ungarn noch der katholische Glaube als
herrschende Religion anerkannt wurde.
Der Staat war katholisch, er übte durch katholische Com-
missionen die Patronatsrechte des obersten Schutzherrn aus, während
jetzt der Minister des confessiouslosen Staates, allerdings heute ein
Katholik (und zwar ein vou uns wegen seiner Wahrheitsliebe und
Güte mit Recht verehrter und gefeierter Mann), aber in Zukunft,
und sei e3 auch in später Zukunft (denn Gesetze werden nieht nur
für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft und eventuell für
eine sehr späte Zukunft gebracht) möglicherweise auch ein Akatholik
und ein Nichtchrist, unser Schulwesen ausschliesslich leitet, wodurch
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318 Card. Haynald s Denkschrift über den ung. MUtelschul-Ges.-Enttr.
von der parallel mit den 1790/91 sanctionirten protestantischen
Rechtspraxis bestandenen katholischen Praxis abgewichen wurde.
Wenn der thatsächliche Zustand nicht gesetzlich geändert wird, dann
wird die katholische Kirche gegenüber den Protestanten als rechtlos
decretirt, dieselbe und ihre gesetzlichen Wächter, die Bischöfe, wer-
den ihrer unbestreitbaren und unverbrüchlichen Rechte beraubt, des
Rechtes der unmittelbaren Aufsicht über die vollständig in katho-
lischem Geiste zu leitende Erziehung der katholischen Jugend, des
Rechtes der Aufsicht, welches sich wahrlich nicht blos auf 1 — 2 Stunden
Religionsunterricht, sondern auf die ganze Tendenz des Unterrichtes
erstreckt; — es werden die Schulen ihrer Rechtsbasis beraubt, ihrer
Natur entkleidet und es wird eine gefährliche Präcedenz diesbezüg-
lich in^der Gesetzgebung geschaffen.
YVir sahen die beabsichtigte Heransdrängung der katholischen
Kirche aus der rechtlichen Stellung einer gesetzlichen Confession;
sehen wir nun die Consequenzen in jenen einzelnen Rechten, welche
das neue Gesetz sehr richtig den Schulen der akatholischen Con-
fessionen ertheilt, dagegen den katholischen Schulen ohne Grund
entzieht.
Die einfache Aufzählung derselben wird genügen, um die Be-
deutung jenes Unterschiedes hervorzuheben, mit der vorausgeschiokteii
Bemerkung, dass das, was der Gesetzentwurf den akatholischen
Schulen zugesteht, den katholischen versagt.
1. §. 74. Die Confessionen (d. i. die akatholischen) u. s. w.
verfügen selbst über ihre Lehranstalten,
2. sie leiten die Direction und üben die Directionsrechtc aus,
3. sie manipuliren das Vermögen,
4. sie stellen die Lehrer an und sorgen für die Disciplin;
§. 84. sie können die Lehrer frei wählen.
3- §§• 76 und 77. Bezüglich ihrer Schulen bestimmt der
Minister nur das Minimum der Anzahl der Classen und Jahrgänge,
der Dauer der Schulzeit und der obligaten Lehrgegenstände.
6. §. 77. Die confessionelle Behörde setzt die Lehrmethode,
den Lehrplan und die Lehrbücher fest.
7. §. 79. Die Confessionen bestimmen die Unterrichtssprache.
8. §. 81. Die Aufnahme in das confessionelle Gymnasium,
bezw. die Gegenstände der Aufnahmeprüfung und die erforderlichen
Vorkenntnisse bestimmen die Confessionen.
9. Ebenso die Aufnahmegebühr.
10. §. 83. Die confessionelle Kirchenhehörde kann die Erlaub-
niss zum Uebergang von einer confessionellen Anstalt in die andere,
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Card. Haynalds Denkschrift über den ung. Mittel schul-G es, -Entw . 319
ebenso zum Aufsteigen in eine höhere Classe desselben Instituts, zur
Ausbesserung ungenügender Noten, zum Zusammenziehen der Classen
ertheilen. Es muss nur nachträglich Bericht an den Minister er-
stattet werden.
11. §. 89. Die Instruction bezüglich der Maturitätsprüfung
wird von den akatholischen ‘confessionellen Oberbehörden selbst er-
theilt. Doch muss sie eingereicht werden.
All dies wird den katholischen Schulen durch den Gesetzent-
wurf nicht gestattet , sondern mit all diesen Rechten das Ministerium
bekleidet.
Wenn aber, um das Obengesagte zu wiederholen, diese Con-
cessionen mit Rücksicht auf die Förderung der Cultur gut sind, warum
werden dann dieselben unserem Schulwesen verweigert; — wenn sie
nicht gut sind, warum werden die Unterrichts-Interessen unserer
andersgläubigen Mitbürger durch dieselben geschädigt?
Und welcher Art und vou welchen Folgen dieser in Bezug auf
'unsere Schulen gemachte Unterschied begleitet sein könne, möge man
aus einem Beispiel ersehen — Ex uno disce omnes.
Wer da weiss, wie viel selbst beim fähigsten, gebildetesten In-
dividuum während der entscheidenden, sogenannten Reifheitsprüfungen
davon abhängt, ob die Examinatoren andere oder dieselben sind, die
auch seine Schulprofessoren waren, und von denen es gekannt, selbst
bei möglicher momentaner Befangenheit nicht ungenügend befunden
oder doch gerecht beurtheilt werden würde: der wird es vollständig
begreifen, wie gross die Differenz im Vorgehen ist, wenn bei der
Prüfung von Zöglingen nichtkatholischer Anstalten eine derselben
Confession angehörige Person präsidirt und nicht ein einziger staat-
licher Prüfungs-Conmissür fungirt, während bei katholischen Schulen
ein Regierungsorgau präsidirt und zur Prüfung mindestens ein Com-
missär von der Regierung delegirt wird (§. 36), der Katholik, Aka-
tholik, Christ oder Nichtchrist, befangen oder unbefangen sein kann,
jedenfalls aber ein fremder Examinator ist, dessen Anwesenheit und
examinatorische Eigenschaft allein schon verwirrend wirkt, jedenfalls
die Prüfung lästiger und schwerer macht für die Zöglinge katho-
lischer Anstalten und in letzter Folge eine ungerechtfertigte Pro-
paganda macht zu Gunsten solcher Anstalten, bei denen kein fremdes
Element in den Prüfungskörper zugelassen wird.
Einer Mittheilung des Wiener »Vaterlands« 1882 Nr. 55 ans Pesth den
21. Februar entnehmen wir noch das folgende:
Bekanntlich hat das Unterrichtsministerium in Stellvertretung des obersten
kirchlichen Patronates der Krone auch die Lehramts- Aspiranten der katholischen
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320 Project eines kalhol. Mittel schullehr er-Seminars zu Peslh.
Lehranstalten dazu verhalten, dass dieselben nicht nur an den Universitäten
ihre Fachstudien machen, wogegen wenig einzuwenden wäre, sondern überdies
gefordert, dass auch die katholischen Candidateu das interconfessiouelle Pro-
fessoren-Semiuar besuchen und die Lehramtsprüfung vor der ebenfalls confes-
sionslosen Staatsprüfungs-Commission ablegen. An der stiftungsgemäss katho-
lischen Universität zu Pesth sind nämlich die Fächer der Pädagogik, der Psycho-
logie und Ethik, der deutschen und ungarischen Sprache und Literatur, der
Geographie und Geschichte und der franz. Sprache und Literatur in den Händen
von Juden und diese sind auch die Examinatoren der katholischen Candidaten.
Es haben desshalb die katholischen Lehrorden bereits zum wiederholten Male
gegen diese ihnen auferlegte Verpflichtung ihre verwahrende Stimme erhoben.
Auch erscheint seit dem 1. Januar d. J. in Budapest ein didaktisches Wochen-
blatt zur Bekämpfung dieser protestantisch-jüdischen Vorherrschaft in der Mit-
telschule, und siehe da! sofort schaarten sich zu Hunderten die Freunde einer
Emancipation von diesem Drucke und heute bildeu diese Letzteren schon eine
achtunggebietende Macht, vor welcher jene Clique zu beben anfängt. Sie ruft
desshalb das ganze journalistische Israel ira In- und Auslande zu Hilfe. Nicht
blos in den Budapester und Wiener Blättern war Schreckhaftes von der neuen
»clericalen Reaction« in Ungarn zu lesen, sondern der Wcheruf erklang auch
bereits in Leipzig und andernorts. Was wird aber diese Clique erst für Ge-
schrei erheben, wenn sie die neueste Grossthat unseres Episcopates in Erfahrung
bringt! Wie ich nämlich aus bester Quelle vernehme, hat der Episcopal den
hochherzigen Entschluss gefasst, für die Heranbildung der Lehramtscan-
didalen an katholischen Mittelschulen ein besonderes Mittelschullehrer-
Seminar in Budapest zu gründen. Diese Anstalt soll sowohl für geistliche
als für weltliche Candidaten des Mittelschul-Lehramtes dienen. Für die ersteren
würde ein Internat eingerichtet werden; die letzteren bekämen etwa Stipendien.
Diese Candidaten hätten auch bestimmte Vorlesungen an der Universität zu
hören; ausserdem erhielten sie aber von besonderen Professoren theoretischen
und praktischen Unterricht. Zur Errichtung und Erhaltung dieses Institutes
sind die Bischöfe zu grossen Opfern bereit. Nach Gewohnheit unseres Episcopats
folgte dem guten Worte auch bald die gute That. An der Spitze der Bischöfe
steht der Cardinal- Erzbischof Hagnald, der für das projectirte katholische
Seminar die fürstliche Summe von 100,000 fl. bestimmt hat. Seinem edlen
Beispiel folgte der nicht minder opferbereite und ausgezeichnete Szathmarer
Bischof Dr. L. Schlauch, der für den gleichen Zweck 20,000 fl. spendet. Die
'übrigen Bischöfe sind in gleicher Weise zur Deckung der Erfordernisse dieses
Institutes entschlossen, und somit darf man schon in naher Zukunft der Ver-
wirklichung dieser ebenso zcitgemässen als segensreichen Idee entgegensehen.
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321
XXIV.
Die katholischen Parochialverhältnisse im Herzogthum
Sachsen-Gotha und FUrstenthum Schwarzburg-Sondershausen.
I. Wir theilten iin Bd. 36. S. 215 ff. des Archivs das herzogl.
Gothaer Regulativ vom Jahre 181 1 über die kirchliche Verfassung
der Katholiken und ein Promemoria des hochw. Bischof Dr. Frans
Drepper vom J. 1853 über jenes Religionsedict mit. In unserem
Lehrbuch des Kirchenrechtes 2. Aufl. S. 230 ist aus Versehen dieses
Promemoria dem erst 1856 Bischof von Paderborn gewordenen Dr.
Conrad Martin zugeschrieben. Einer freundlichen Mittheilung aus
Gotha entnehmen wir ferner folgende an unsere frühere Mittheilung
im Archiv und Darstellung in unserem Lehrbuch anzureihenden
Nachträge.
Seit dem Jahre 185? besteht zu Gotha auch eine katholische
Privatschule, deren Lehrer vom Bonifaciusverein unterhalten wird.
Diese Schule steht unter Oberaufsicht des herzogl. Oberschulrathes.
Im Jahre 1868 wurden die Parochialverhältnisse der im Her-
zogthum Gotha ausserhalb der Stadt Gotha wohnenden Katholiken
durch eine Verordnung geändert. Darnach dürfen diese Katholiken
die Parochialhandlungen von dem katholischen Geistlichen zu Gotha
vornehmen lassen, ohne dass die prot. Geistlichen des Wohnortes
Anspruch auf Gebühren haben sollen — also eine Aenderung des
§. 24. des Regulativs für die kirchl. Verfassung etc. vom J. 1811.
Im folgenden entnehmen wir aus der Gesetzsammlung für das Herzog-
thum Gotha Nr. DCCCCLXXII. den Wortlaut der betreffenden
Verordnung die Parochialverhältnisse der im hiesigen Hersogthume
ausserhalb der Stadt Gotha wohnenden katholischen Glaubensge-
nossen betreffend.
Vom 14. December 1868.
Publicirt und ausgegeben mit dem 298. Stück des Regierungs-
blattes, den 19. December 1868.
Gesetzsammlung Bd. XIV. Nr. 972.
BVV Ernst
Herzog zu Sachsen-Coburg und Gotha, Jülich, Cleve und Berg, auch
Engem und Westphalen, Landgraf in Thüringen, Markgrafzu Meissen,
Archiv für Kireheiirecht. XI.V1I. 21
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322 Vering, Die kalh. Parochialverhdltn. im Herzogth. Sac,
gefürsteter Graf zu Henneberg, Graf zu (1er Mark und Ravensberg,
Herr zu Ravenstein und Tonna etc. etc.
haben in Bezug auf die Parochialverhältnisse der jrn hiesigen
Herzogthum ausserhalb der Stadt Gotha wohnenden Katholiken be-
schlossen und verordnen was' folgt :
§• 1 .
Der §. 24. des Regulativs für die kirchliche Verfassung der
römisch-katholischen Glaubensgenossen im Herzogthum Gotha vom
Jahre 1811, welcher also lautet:
»Da die erste und wesentliche Bestimmung einer jeden
Parochie auf dem Wohnorte der dahin zu zählenden Personen
beruht, und nach diesem beurtheilt werden muss, wer zu einer
Parochie gerechnet werden könne; so folgt hieraus von selbst,
dass die ausserhalb der Residenz-Stadt Gotha wohnenden katho-
lischen Glaubensgenossen auch noch ferner derjenigen Parochie,
in welcher sie ihren bestimmten Wohnort haben , so lange an-
gehörig bleiben, als die katholischen Glaubensgenossen für diesen
Ort nicht auch die pfarrlichen Rechte erlangt haben. Es haben
daher auch dieselben die eigentlichen Parochialhandlungen , als
Taufe, Trauung, Begräbniss, lediglich in der Parochie ihres Wohn-
ortes und von dem parocho derselben verrichten zu lassen. Da-
hingegen bleibt ihnen unbenommen, nicht nur dem Gottesdienst
der in der Residenz-Stadt Gotha wohnenden katholischen Glau-
bensgenossen beizuvvohnen und das Abendmahl daselbst zu ge-
messen, sowie ihre in der katholischen Glaubenslehre erzogenen
Kinder zur Firmelung daselbst zu stellen, sondern es wird ihnen
auch nachgelassen, sich in ihrem Wohnorte selbst, bei Krank-
heits- oder andern als den oberwähnten Parochialfällen des Bei-
standes eines im Lande gehörig angestellten Geistlichen ihrer
Confession zu bedienen.« ,
wird dahin abgeändert, dass
I. die katholischen Glaubensgenossen, welche ausserhalb der
Stadt Gotha im hiesigen Herzogthume wohnen, befugt sein sollen,
nach ihrer freien Wahl auch die eigentlichen Parochialhandlungen:
Taufe, Trauung und Begräbuiss, entweder von dem protestantischen
Pfarrer ihres Wohnorts oder — gleich den in der Stadt wohnenden
Katholiken — von dem Geistlichen der katholischen Gemeinde in der
Stadt Gotha, sofern derselbe sich hierzu bereit findet, verrichten zu
lassen, und dass
II. dann , wenn nach der eben getroffenen Bestimmung die
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V$rin</, Die kath. Parochialverhältn. im Herzogth. Sachsen-Gotha. 823
Parochialhandlung von dem katholischen Geistlichen verrichtet wird,
der protestantische Geistliche des Wohnorts nnd beziehentlich der
dasige Schullehrer auf Stolgebühren keinen Anspruch haben soll.
§• 2 .
Auch ausserhalb der Stadt Gotha können Begräbnisse nach den
Gebräuchen der katholischen Kirche auf protestantischen Gottesäckern
vorgenommen werden, während die Benutzung protestantischer Kirchen
zu katholischen Paroehialhandlungen nach wie vor ausgeschlossen
bleibt.
§• 3.
Der katholische Geistliche hat bei den ausserhalb der Stadt
Gotha vorgenommenen Paroehialhandlungen dem protestantischen Orts-
plarrer die zur Eintragung des Falls in das Kirchenbuch erforder-
lichen Mittheilnngen zu machen.
Gotha , den 14. December 18G8.
(L. S.) Ernst, H. z. S.-C. u. G.
R. Brückner.
II. Auch die Verhältnisse im Fürstenthum Schwarzburg-Son-
dersliausen (vgl. Veriny, Lehrb. 2. Aufl. S. 231) haben sich seit 1870
geändert. Seit dem J. 1870 ist nämlich in Arnstadt ein Geistlicher
angestellt, der vollständigen Gottesdienst hält; seit drei Jahren hat
die Mission eine Kirche, bei der sich auch eine Schule befindet.
Ichtershausen (gothaisch) gehört zur Pfarre Gotha, wiewohl die dor-
tigen Katholiken ihre religiösen Pflichten in Arnstadt erfüllen.
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21 *
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XXV.
Die Kirche in Frankreich nach den Plänen Paul Berfs und
anderer Radicalen 1881/82.
I. Paul Bert, Schwiegersohn des Berliner Fortschrittlers
Herrn Langerhans und eine kurze Zeit französischer Minister des
Cultus und Unterrichts, der mit seinem Meister Gambetta vom
14. Nov. 1881 bis zum 31. Jan. 1882 fungirte, schrieb, kurz bevor
er von seinem Posten scheiden musste, am 27. Jan. 1882, an den
damaligen, aber ebenfalls am 31. Jan. 1882 entlassenen Staatsrath
Herrn Castagnary einen Brief, worin er sagte: »Ich habe in Bezug
auf den Concordatspact einen bedeutsamen Gesetzesvorschlag vor-
bereitet, der zweierlei Massregeln enthält : nach der ©inen sollen der
Kirche alle Privilegien und Immunitäten — wie Befreiung vom
Militärdienst, ausserordentliche Ehrenbezeigungen, Gehalt der hohen
Geistlichkeit, Stipendien der Seminaristen, Wohnung der Bischöfe,
Begräbnisse u. dgl. — welche die nachsichtigen und schwachen Re-
gierungen ihr eingeräumt hatten, schnellstens entrissen werden;
nach der andern sollen die Vorschriften der Strafgesetze gegen geist-
liche Vergehen — wie ungerechtfertigte Absenzen, Angriffe gegen
Funetionäre, Veröffentlichungen ohne Autorisation u. dgl. mehr —
auf der Stelle in Ausübung gebracht werden. Ich hoffe, wir — Sie
und ich — werden das rasch unterbrochene Werk wieder aufnehmen
können. Wir werden uns mit einander immer verstehen, denn wir
haben einen tiefen Respect vor der Freiheit des Gewissens, und wir
schätzen diese selbst in den Verirrungen, welche vor den Augen des
Verstandes am wenigsten zu rechtfertigen sind.« — Die Verirrungen,
das sind nach der Meinung des Herrn Bert, die Religionen der Welt;
die Augen des Verstandes — das sind die Augen des Herrn Ex-
Cultusministers, und hätte der Kopf, worin diese zwei Augen sitzen,
länger an der Leitung des Landes Theil genommen, sicherlich wäre
der Staat und die Kirche schon wie umgewandelt.
Paul Bert ist zwar nicht mehr Minister, aber doch noch De-
putirter und ihn wird in der Kammer namentlich Herr Boysset
unterstützen, der mit weniger Arroganz und mehr Bedachtsamkeit,
doch mit einer gleichen vorgefassten Meinung das Verhältniss der
Kirche zum Staat betrachtet.
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Dir Kirche in Frankreich nach den Plänen /’• Herl'» (lS81j82). 325
II. Am 9. Februar 1882 veröffentlichten die Pariser Garabet-
tistischen Blätter, allen voran die »Republ. franyaise« den voll-
ständigen Wortlaut von Paul Bert's » Cultuspolizei-Gesetzentwurf . «
Derselbe ist auch der französischen Kammer unterbreitet worden.
Der Gesetzentwurf besteht aus fünf Capiteln mit 22 Artikeln und
nimmt auf eine Unmasse veralteter Decrete und Ordonnanzen aus
vergangenen Jahrhunderten Bezug.
Cap. I. Von den Caltusdicnern enthält 6 Artikel und fast nur
Strafbestimmungen gegen Geistliche, welche die von der Kirche nie
anerkannten organischen Artikel nicht beobachten- Jeder Cultus-
diener, der sich laut Ausspruch des Staatsrathes eines Amtsmiss-
brauchs (ein solcher ist auch die Bekämpfung der berüchtigten gal-
likanischen Freiheiten) schuldig gemacht hat, wird ferner nicht mehr
mit einer Rüge bestraft, sondern kann von dem Cultusminister für
ein Jahr seines Gehalles beraubt werden. Weigert sich der Bischof,
Vicare, gegen die der Recurs wegen Missbrauchs an den Staatsrath
unstatthaft ist, von der Stelle abzuberufen, so verliert er durch Mini-
sterialdecret sein Gehalt. Im Rückfalle verlieren die des Amtsmiss-
brauchs Schuldigen auch die Nutzniessuug der Pfarr Wohnungen und
Gärten. Die von der Regierung nicht autorisirte Publication päpst-
licher Breven oder französcher Synodalbeschlüsse und die nicht von
der Staatsbehörde autorisirte Abwesenheit des Bischofs aus der
Diöcese wird mit 500—1000 frcs. , eine solche eines Pfarrers wird
mit 100—300 frcs. bestraft, »jode directe oder indirecte Beschuldigung
anderer Culte* trifft die gleiche Geldstrafe, jede Wahlbeeinflussung
oder jede Aufforderung, sich der Wahl zu enthalten, wird als Auf-
forderung zum Aufruhr bestraft. Politische Reden auf der Kanzel
werden mit 100—500 frcs. Strafe belegt. Besondere Fälle überdiess
noch mit Anwendung des gemeinen Strafgesetzbuches bedroht.
Cap. II. behandelt die kirchlichen Anstalten , welche der all-
gemeinen Steuergesetzgebung zu unterwerfen seien, hebt innerhalb
drei Jahren alle vom Staat bislang an Theologiestudirende gewährte
Stipendien auf, beschränkt die Anzahl der geistlichen Knaben-
Seminare auf je eines in jeder Diöcese. Das vom Staate bisher den
Canonikern gezahlte Gehalt wird nur bis zum Tode der jetzigen
Mitglieder gezahlt und alle vom Staate unterhaltene Pfarr- und
Vicarstellen, die seit zwei Jahren vacant waren oder es in Zukunft
werden, sind aufgehoben.
Cap. III. betrifft die Cultusgebäude. Jedes Cultusgobäude, das
keine Autorisation zu seiner Eröffnung aufzuweisen hat, wird ge-
schlossen. Alle Kirchenguter, deren »rechtlicher Besitz« von der
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326 l)ie Kirche in Frankreich nach den Plänen P. Hert’e (18B11H2).
Kirche nicht unwiderleglich nachgewiesen werden kann, werden ein-
gezogen, und dem Staate, den Departements oder den Gemeinden
werden alle diesen gehörende Gebäulichkeiten und Liegenschaften,
welche gegenwärtig Cultuszwecken dienen, und deren Erstattung
nicht ausdrücklich vom Concordate zu diesem Behufe vorgeschrieben
war, wieder zurückgegeben. Die Staatsgebäude werden dem Unter-
richtsminister überwiesen. Jeder überflüssige Theil der Pfarrhäuser
kann davor» getrennt und anderweitig verwendet werden. Die Pfarr-
gärten können bis sechs Are verkleinert werden. Bei Streitigkeiten
über den Gebrauch der dem Cultus üherwiesenen Commuualgebäude
entscheiden allein die Verwaltungsbehörden. Die Kirchenschlüssel
könneu vom Maire requirirt werden für jeden Civildienst, der bisher
herkömmlich war.
Cap. IV. betrifft die Kirchenfabriken und Leichenfeierlichkeiten
(8. u. Nr. IV.). Kirchenrätbe sind ganz oder theihveise absetzbar,
wenn sie der Civilbehörde das Budget oder die Rechnungen nicht
einreichen und aus jedem anderen wichtigen Grunde. Die Abge-
setzten können vor Ablauf dreier Jahre nicht wiedergewählt werden.
Von Amtswegen können bei der Unzulänglichkeit der Kirehenkosten
die Gemeinden nur angehalten werden 1. zur Zahlung einer Wobii-
ungsentschädigung an Pfarrer und Deäservants, 2. zum Baue und
zur Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser. Die Kirchenfabriken
können kein Grabstellengeld erheben. Das Monopol der Kirchen-
fabrikeii bei Begräbnissen ist aufgehoben , und geht auf die Com-
mune über.
Cap. V. endlich macht sich zur Aufgabe, mit den Gütern der
todten Hand aufzuränmen. Es dürfen nicht mehr Immobilien der
Kirche zugewandt, sondern höchstens Vermächtnisse und Stiftungen
in französischer Rente zum Unterhalt des Cultus und dessen aner-
kannter Diener stattfinden und nur der staatliche Verwalter der be-
treffenden Anstalt soll zur Annahme der Stiftungen befugt sein,
während im Art. 22. alle dem Vorstehenden widersprechenden Be-
stimmungen aufgehoben werden. • . f
Die Motive Bert’s enthalten ein Absurdum nach dem andern.
Der erste Artikel des Concordats sagt: »Die katholische Religion
wird in Frankreich frei ausgeübt; ihr Cultus wird ein öffentlicher
sein, indem er sich den Polizeivorschriften fügt, welche die Regierung
für die öffentliche Ruhe für erforderlich erachten wird.« Die Frei-
heit der Kirche ist also durch nichts beschränkt; beschränkt ist nur
die Oeffentlichkeit des Cultus, soweit das die öffentliche Ruhe er-
fordert. Aus diesen Polizeivorschriften leitet der Rabulist Bert für
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Die Kirche in- Frankreich nach den Plänen P. Bert’e (I881j82). 327
den Staat das unbeschränkte liecht her, mit der Kirche zu machen,
was er will, wo diese in die Oeffentlichkeit tritt.
Er geht aber noch weiter als Bonaparte und die Bourbonen.
Unter einem Seufzer, dass der Staat nicht so tyrannisch verfahren
könne wie Louis XIV., ruft er aus : Die Bourbonen behandelten die.
Kirche ja noch schlimmer als ich. Er erklärt auch, wesshalb er
den Despoten Napoleon noch iibertreffeu müsse. Dieser, sagt er,
brauchte keine Strafbestimmungen, wie ich, denn er Hess missliebige
Priester einfach in’s Gefängniss werfen. Paul Bert ist so gnädig,
zu gestehen, dass das nicht mehr angehe, und daher seine drakoni-
schen Strafen, die schon desshalb lächerlich sind, weil die Freizügig-
keit und die Pressfreiheit sie illusorisch machen.
Viele von Bert’s Artikeln tragen einen discretionären Charakter,
sie wollen also auf kirchlichem Gebiete die Dictatur einführen, die
Garabetta auf politischem Gebiet durch das Listenscrutinium anstrebt.
Paul Bert gesteht offen ein, dass durch die discretionären Voll-
machten der Klerus von jeder Wahlagitation abgeschreckt werden
soll. Auch ausserhalb der Kirche soll der Geistliche iu Wahlsachen
sich »reservirt« verhalten und nicht »in die Parteiarena hinabStei-
gen.« Uebrigens sind Bert’s Projecte mit der obigen Vorlage noch
nicht erschöpft; er stellt noch andere in Aussicht.
III. In der franz. Kammer bericht man auch über einen Ge-
setzentwurf zur Wiedereinführung der (bürgerlichen) Ehescheidung.
In der Sitzung, welche der betreffende Kammerausschuss am 8. Febr.
1882 hielt, wurde das Princip der Lösbarkeit der Ehe angenommen.
Der Ausschuss strich ferner im Art. 232. die Bestimmung, derzufolge
eine Verurtheilung wegen politischer Verbrechen die Ehescheidung
nach sich ziehen kann, und setzte an die Stelle derselben eine ver-
längerte Abwesenheit eines der Gatten.
IV. Schon am 7. März 1881 berieth die franz. Deputirten-
katnmer über den von Rameau und Genossen eingebrachten Antrag
auf Abschaffung des Art. 15. der Begräbnissordnung aus dem J. XII.
der ersten Republik, wornach jede Confession ihren Friedhof haben
soll. Rameau begründete sciuen Antrag, welcher durchaus keinen
Angriff auf die Religion enthalte. Die Absonderung der Todten nach
den verschiedenen Glaubensbekenntnissen habe zu bedauernswerthen
Zerwürfnissen und Streitigkeiten Anlass gegeben; diese würden auf-
hören , sobald man einen gemeinschaftlichen Friedhof habe. Gegen
den Entwurf wandte sich zunächst der Abg. Boyer, welcher den-
selben als einen schweren Eingriff in die Gewissensfreiheit bezeich-
nete. Die Katholiken betrachteten deu Friedhof als die Kirche der
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328 Die Kirche in Frankreich nach den Plänen /*. lierl’n (mim-
Todton, in welche man ebensowenig alle Verstorbene ohne Unter-
schied der Confession aufnehmen könne .wie in die Kirche der Leben-
den. Ausserdem beklage sich Niemand über den gegenwärtigen
Zustand. Protestanten und Juden seien eben so glücklich, ihre be-
sonderen Friedhöfe zu haben ,• wie die Katholiken. Hierauf nahm
Bischof Freppel von Angers das Wort. Der Art. 15. sei wohlweis-
lich in die Begräbnissordnung hineingesetzt, aus Achtung vor den
verschiedenen Bekenntnissen , und um die Freiheit der Culte zu
garantiren. Die Vermischung der Gräber (Grosser Lärm auf der
Linken) sei ein schwerer Angriff auf die Rechte der katholischen
Kirche, eine Massregel der Intoleranz und Verfolgung. Redner ent-
wickelt im Fernern die Anschauungen der Kirche über die Friedhöfe.
Sie weihe sie ein und gebe ihnen dadurch den Charakter einer kirch-
lichen Sache. Eiu gemeinschaftlicher Friedhof sei daher durchaus
den Lehren der katholischen Kirche zuwider. Die ganze Massregel
sei lediglich ein Act der Feindseligkeit gegen die Kirche. Nur die
Freidenker, welche sich im Leben um die Kirche nicht bekümmerten,
reelamirten die gemeinschaftlichen Kirchhöfe und wollten neben den
Gläubigen begraben sein. Man sollte doch diesen zu Liebe nicht der
grossen Masse der Katholiken einen Faustscblag versetzen. Nachdem
Raraeau nochmals seinen Antrag empfohlen und dagegen protestirt
hatte, als beabsichtige er damit einen Angriff auf die Kirche, wurde
derselbe mit 348 gegen 126 Stimmen angenommen.
V. Am 28. und 29. Mai 1881 verhandelte die franz. Depu-
tirtenkararaer über die Heranziehung der Seminaristen zum Militär-
dienst. Die Regierungsvorlage forderte von den Lehrern und Semi-
naristen (Klerikern) einen einjährigen Dienst, wornach sie auf immer
vom Militärdienst frei sein sollen, dagegen verlangte Paul Bert im
Namen der zur Beratbung der Frage von der Kammer eingesetzten
Commission nur von den Lehrern einen einjährigen, dagegen von den
Seminaristen den vollen fünfjährigen Dienst. Der damalige Coitus-
minister Ferry führte aus: Das priesterliche Amt sei ähnlich dem
Lehramt. Leider habe die Commission das nicht berücksichtigt und
nach ihren Beschlüssen würden Vicare, Pfarrer, ja Bischöfe bis zum
40. Jahre den Tornister tragen müssen. Das mache die Recrutirung
des Klerus unmöglich. Die Regierung uud die republikanische Ma-
jorität befindet sich in einem Kampfe gegen den Klerikalismus, aber
nicht gegen die Religion und die Recrutirung des Pfarrklerus kann
der Regierung und der Kammer nicht gleichgiltig sein. (Floquet:
Das ist lediglich Sache der Kirche!) Nein, das geht auch uns an.
Der Pfarrklerus zählt jetzt 44,000 Priester, darunter 30,000 Desser-
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Die Kirche in Frankreich nach den Plänen P. Bert’s (1881182). 329
vants. 3000 Pfarrstellen sind vacant. Ein fünfjähriger Militärdienst
bedeutet die Vernichtung der Pfarrseelsorge sans phrase. (Freppel:
Auch der einjährige schadet.) Aber der Commissionsantrag wird
auch als Kriegserklärung gegen die katholische Kirche betrachtet
werden. Bisher hat die Regierung stets betont, sie sei nicht anti-
religiös, sondern nur antiklerikal ; geht der Commissionsantrag durch,
so wird man sagen: die Regierung hat die Maske abgeworfen, sie
greift nicht nur die Jesuiten an, sondern bekämpft die Religion
selbst. (Floquet: Wir führen nur gegen das Privilegium Krieg!)
Wesshalb bewilligen Sie denn den Lehrern ein Privilegium? Ihres
öffentlichen Dienstes wegen aber ist die Pfarrseelsorge ebenfalls ein
öffentlicher Dienst. Beweis: Die 50 Millionen des Cultusbudgets,
die staatlichen Freistellen für geistliche Seminarien, oder ist die
Seelsorge, welcher die grosse Masse der französischen Bevölkerung
treu ergeben ist, kein öffentlichen Dienst? (Lärm auf der Linken.)
Sie können nicht leugnen, dass die Majorität Ihrer Wähler auf die
Erfüllung der religiösen Bedürfnisse grosses Gewicht legt Desshalb
kann man die Regelung dieser grossen Interessen nicht der blossen
Vereinsfreiheit überlassen. (Sie haben nicht immer so gesprochen !)
Richtig. Ich habe 1869 die Trennung von Staat und Kirche ge-
fordert. — Eine zwölfjährige Erfahrung und grössere Sachkenntniss
haben meine Ansicht modificirt. Die religiöse Revolution (?), welche
das Vaticanum in der generellen Lage der kath. Kirche eingeführt
hat, indem es die Gewalt centralisirte, ist für mich der erste Grund,
jetzt das Concordat als Schutz der nationalen Kirche aufrecht zu
halten. Das Concordat ist von einer Republik abgeschlossen worden
und hat 80 Jahre lang zum Heile existirt. Weil Deutschland,
Belgien und Italien kein Concordat besitzen, darum werden sie durch
die religiöse Frage aufgeregt. Für die kathol. Kirche ist nur eine
dreifache Existenzweise möglich : sie ist entweder salarirt unter dem
Concordat, oder Eigenthümerin und frei, oder sie ist verfolgt. Ich
will die Kirche nicht als Eigenthümerin, noch auch eine verfolgte
Kirche. Wir wollen, dass der Klerus nicht gegen uns sei, sondern
neutral, und sich auf seine geistlichen Functionen beschränke. Der
Commissionsantrag ist umso verwerflicher , als eine Beruhigung im
katholischen Lager sich geltend macht und der grosse Papst, der
gegenwärtig im Vatican residirt , für eine friedfertige Politik ist.
Nach einer unbedeutenden Rede Bert’s wurde der Commissionsantrag
mit 307 gegen 101 Stimmen verworfen und Art. 5. der Regierungs-
vorlage angenommen , ebenso das Ganze mit 334 gegen 132 Stim-
men. Nicht auf Gruhd des Einjährig-Freiwilligen-Examens, sondern
330
Die Kirche in Frankreich nach den Plänen P. Berl’s ( I6SI/S2
auf Grand ihres Berufes sind also die Lehrer und Seminaristen zn
ehier einjährigen Dienstzeit verpflichtet. Leider aber wurde dann
Uhter dem Stillschweigen der Regierung noch ein Amendement Roys
angenommen, wornach Lehrer und Seminaristen nicht im Frieden,
wohl aber itn Kriege unter die Fahnen berufen werden können.
r>h " Vf. Was die radicalen Cnlturkämpfer in Frankreich alles von
ihrem Genossen Bert als Oultusminister erwarteten, ergibt sieh auch
aus dem, von Jules Roger in einer Versammlung der äussersten
Linken vorgelegten »Gesetzentwurfs behufs Säcularisation der Güter
der religiösen Congregationen , der Kirchenfabriken, Seminare und
Consistorien , sowie behufs Trennung zwischen Kirche und Staat.«
Dieser Entwurf enthält 19 Artikel und räumt mit dem Concordat,
den autorisirten und nicht autorisirten Klöstern, den Kirchen, Pfarr-
häusern, überhaupt mit dem Cultus aller Confessionen gründlich auf
und confiscirt alle ihre Einnahmen. Dennoch beginnt der Entwurf
mit dem Satze : Alle Culte sind frei, fügt aber hinzu : Niemand darf
gezwungen werden, irgend einem Cultus anzugehören, folglich darf
der Staat auch keinen Cultus salariren, keinem Gebäude zur Ver-
fügung zu stellen. Mit der Pnblieation dieses Gesetzes sollen nach
der Meinung der Radicalen alle beweglichen und unbeweglichen
Güter der Kirchen, Seminarien und Consistorien der Nation gehören ;
die beweglichen werden sofort, die unbeweglichen im Verlaufe von
zwei Jahren verkauft und der Erlös fliesst in die Schulkasse. Man
sieht davon ab, dass die Republik in Wirklichkeit keinen Cultus
salarift, sondern der Kirche blos einen Theil der Schulden zahlt,
welche der Staat gegenüber der Kirche durch die Einziehung ihrer
Güter auf sich geladen hat. Auch sollen die Gemeindet» absolut
verhindert werden, indireet durch Miethung von Kirchen dem Cultas
zu Hilfe zu kommen ; es wird ihnen dieses ebenso ausdrücklich ver-
boten, wie jede Unterstützung aD Cultugdiener. Auch die Verpachtung
der Kirchen zu Caltuszwecken soll den Gemeinden nur bis Januar
1885 gestattet sein. Das Project verbietet ferner allen Beamten des
Staates und der Gemeinden eine officielle Betheiligung an irgend
eitler Cuitnsceremonie und »folglich gibt es keine Feiertage ausser
denen, welche rein civile Ereignisse betreffen.« Also gilt nur der
Bastillontag ! Ja absolut allen Schulen, Hospitälern etc. ist jeder
Religionsunterricht und jede Caltusfnnetion verboten, doch ist Jules
Roger noch so gütig, den Bewohnern ausserhalb der Anstalten das
zu gestatten. Also dürfen auch die Sterbenden in den Lazarethen
nicht mehr die Tröstungen der Religion empfangen, und da sie sich
nicht wo andershin transportiren lassen können, müssen sie ohne
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rngmerr^r
Die Kirche in Frankreich nach den Planen P. tiert'g (1881182). 331
geistliche Hilfe sterben. Jede Cultusversammlung wird ferner dem
gemeinen Recht unterstellt. Der zweite Abschnitt des Projecta,
welcher über die religiösen (Kongregationen handelt <1 bestimmt: alle
ihre Güter werden sofort vom Staate confiscirt, der überhaupt keiue
Gelübde dulden kann, denn sie widersprechen dem Natnrrechte. Alle
(Kongregationen sind sofort zn unterdrücken. Die Mitglieder der
nicht autorisirien (Kongregationen bekommen nur für sechs Monate
Unterstützung. Von den Gütern der autorisirten (Kongregationen
können die Fundationen und Stiftungen von den Stiftern reclamirt
werden, die übrigen fallen an den Staat, der von den Einkünften
den früheren Mitgliedern je nach der Zahl ihrer Ordensjahre eine
Pension gewährt, die jedoch nicht 1200 Frcs. übersteigen darf* Die
Conffecation erstreckt sich auf die Capellen, Sacristeien, Bibliotheken,
Kunstgegenstände, kurz auf Alles. Behufs Ansführung .'dieses Raubes
werden sofort alle Güter mit Beaohlag belegt und die Gerichte haben
zur Sicherheit noch zu entscheiden über die Giltigkeit aller seit dem
23. März 1880 abgeschlossenen Verträge. Der dritte Abschnitt er-
laubt gnädigst den Franzosen noch, sich zu ReMgionsgenossenscbaften
zusammen zu thun, doch darf keine solche audere Immobilien be-
sitzen , als wie sie der Entwurf gestattet. Diese Immobilien dürfen
in Gemeinden bis 3000 Einwohner nur ein Hectar, bis 10,000 Ein-
wohner 5 Are, über 100,000 nur 50 Are betragen, und keine Ge-
nossenschaft darf eine Einuahme von mehr als 25,000 Frea. besitzen.
Vergeben gegen das Roger’sehe Prqject werden mit 100—5000 Frcs.
bestraft, und die 50 Millionen des Cultuebadgets werden zur Herab-
setzung dev Grundsteuer verwendet. ..to»-- ju.tri -.ob ul , low
VII. Aus der Zeit, wo Paul Bert als Cultusminister fungirfce, *
sind noch folgende Acte zu verzeichnen;: Am 3. December 1881 legte
Bert dem Minister Grevy ein Decröt zur Unterschrift Vor, wornaeh
der Religionsunterricht in den Lyeeen, Goilegs und überhaupt jn den
höheren Lehranstalten aufhört obligatorisch zu: sein.; Eltern^ welche
Religionsunterricht für Kinder wünschen* müssen solches am Anfänge
des Schuljabros fordern. Eine solehe Anordnung widerspricht deai
noch bestehenden Schulgesetz vom J. 1850. Jene Anordnung sollte
übrigens der erste Schritt zur Aufhebung der auf dem Gesetz wen
1808 beruhenden Religionslehrerstellen sein. Inzwischen suchten dem
Cultusminister Paul Bert gleiehgesinnt-e Maires denselben noch an
Thaten zu übertreffen. So Hess der Bürgermeister von; Gieren ata
Sonntag den 27. November 1881 in den Schulen die Kreuze ven. den
Wänden abreissen, zerbrechen und auf die Strasse werfen. • td-.in
Paul Bert hatte auch bereits die Absicht kundgegoben, den
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332 Die Kirche in Frankreich nach den Plänen P. ßerfu (S&8JI82).
Roinreisen der Bischöfe ein Ziel zu setzen, ja man behauptete
von ihm, er wolle die Aufhebung der Nuntiatur beiru Vaticau uml
sodanu überhaupt den Papst nicht mehr als Oberhaupt des franzö-
sischen Klerus auerkenneu. ;
Gegen die Capitelsvioare von Besanyon wollte er einschreiten,
weil dieselben ohne eiue Bestätigung des Ministers einzuholen ihre kirch-
liche Jurisdiction auszuüben begannen. Das Capitel braucht sich
aber vor der Wahl des Oapitelsvicars gar nicht zu versichern * ob
der zu Wählende der Regierung angenehm sei , sondern muss blos
nach der Wahl den oder die Gewählten behufs Anerkennung der
Regierung anzeigen. Ganz mit Unrecht berief sich der Cultus-
rninister bei seiner Strafandrohung auf den Art. 258. des Code
pdnale, denn dieser verbietet nicht kirchliche, sondern die Anmassung
von Civil- und Militärjurisdiction ohne Titel.
VIII. Als Weihnachtsgeschenk für den Klerus führte Cultus-
minister Paul Bert die Conduitenlisten wieder ein, indem er die
Präfecten in einem vertraulichen Schreiben aufforderte, ihm Bericht
zu erstatten, ȟber den Charakter, die Gewohnheiten und den in-
tellectuellen und moralischen Werth, sowie über die gegenwärtige
Haltung, über die Vergangenheit und wenu möglich auch über die
iutime Geschichte eines jeden Bischofes.« Auch sollten die Prä-
fecten einen Vergleich ziehen zwischen dem jetzigen Bischof und
seineu Vorgängern. >
Ferner bat Paul Bert seinen Collegen von der Post um ein
Verzeichniss der Zeitungsabonnements des Klerus. Auch legte er
dem Ministerrath ein Rundschreiben an die Bischöfe vor, worin dem
Klerus jede Correspondenz an Zeitungen uutersagt wird.
Ein dem Unterrichtsrath vorgelegter Gesetzentwurf, welcher
den Religionsunterricht in höheren Staatsschulen facultativ und von
dem Wunsche der Eltern abhängig macht, wurde von den Creaturen
des religionsfeindlichen Chefs ohne weiters angenommen. Das
»Journal officiel« publicirte auch alsbald das schon signalisirte
Decret: . 1
Art. 1. In den öffentlichen Anstalten für den Secuudär-
unterrioht wird stets der Wunsch der Familienväter darüber zu
Rathe gezogen und befolgt werden, ob sie die Betheiligung ihrer
Kinder am Religionsunterricht und an religiösen Uebungen wün-
schen. Art. 2. Der Religionsunterricht wird durch die Diener der
verschiedenen Culte in den Anstalten ausserhalb der Unterrichts-
stunden ertheit werden. Art. 3. Alle diesem Decrete entgegen-
stehenden Bestimmungen sind aufgehoben. Art. IV. Der Minister
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v'.r
Die Kirche in Frankreich nach den Plänen P. Berfa (1881182). 333
des Unterrichts und Cultus ist mit Ausführung des gegenwärtigen
Decrets beauftragt. . ::
Paris, 24. December 1881. Jules Grevy.
IX. Anfangs Januar 1882 erschien folgende Zusammenstel-
lung der in Folge des französ. Culturkampfs aus Frankreich ver-
wiesenen Mitglieder religiöser Orden : 2464 Jesuiten, 52 Barnabiten,
406 Kapuziner, 4 Kamalduenser, 176 Karmeliter, 239 Benedictiner,
80 Basilianer, 18 Leonhardiner , 27 Loretaner, 75 Cisterzienser,
91 Väter vom h. Bertin, 38 Väter vom h. Erlöser, 53 Missions-
priester, 58 Väter der h. Mission, 240 Oblaten, 170 Väter der Ver-
einigung Mariä, 68 Väter der Himmolfahrt Mariens, 8 Missionäre
vom h. Franz von Sales, 126 Redemtoristen, 204 Dominicaner, 409
Franziscaner, 31. Passionsbrüller, 9 christliche Lehrbrüder etc., im
Ganzen 5643 Mönche.
X. Nachtrag. Am 7. März 1882 wurde in der Deputirtenkammer der
Antrag Boyasefs auf Aufhebung des Concordates verhandelt. Der Be-
richterstatter, der freidenkerische frühere protestantische Pastor Steeg, empfahl
den Antrag in Betracht zu ziehen. Bischof Frejtjjrl führte aus, der Antrag
verstosse gegen das Völkerrecht; das Concordat sei ein bilateraler Vertrag, den
man nicht wie ein einfaches Gesetz abschaffen, sondern nur nach vorherigem Ein-
vernehmen mit dem andern Contrahenten äudern könne; der Antrag verletze
ferner die Staatsinteressen, weil, wenn man sich durch diesen Vertrag des ersten
Consuis nicht mehr für gebunden erachte, überhaupt kein internationaler Ver-
trag mehr sicher sei und solches Störungen in den Beziehungen zu den anderen
Nationen zur Folge haben würde: der Antrag sei auch verfassungswidrig, denn
die Kündigung von Verträgen stehe dem Präsidenten zu, und die Kammer
könne die Regierung nur etwa zu Unterhandlungen behufs Kündigung des Con-
cordates auffordern; die Annahme des Antrages würde das öffentliche Leben
in Verwirrung bringen; 35 Millionen Katholiken würden sich vom 1. Januar
1883 ab jedes Gotteshauses beraubt sehen; 45,000 Priester wären ohne Obdach
und ohne Brod; denn es sei von keiner Entschädigung oder Pension für sie die
Rede; der Art. 13. garantire deu Käufern der eingezogenen Kirchengüter das
Eigenthumsrecht , schaffe man ihn jetzt ab, so würde man zahlreiche Gewissen
beunruhigen; der Liga zur Abschaffung des Concordates würde sich eine viel
stärkere katholische cntgegenstelleu und Frankreich werde sich so ‘in zwei
Lager spalten, während Frankreich nach den Unglücksfällen vom J. 1870 viel-
mehr die Pflicht habe auf die Vereinigung aller Kinder des Vaterlandes hin-
zuwirken. Der radicale Boysset antwortete, die sechs französischen Revolu-
tionen hätten die Lage geändert, ebenso sei das Concordat von Rom selbst
durch den Syllabus und das Dogma von der Unfehlbarkeit gebrochen worden.
Ministerpräsident Freycinet erklärte, er glaube nicht, dass die Kammer für
jetzt die Abschaffung des Concordates verlangen solle; er habe jedoch niohts
dagegen, wenn man die Form des Antrags dahin ändern wolle, die Regierung
aufzuforderu, das Nöthige zu thun, um das Concordat aufzukündigen. Es wurde
darauf mit 843 gegen 139 Stimmen beschlossen, den Antrag Boyaset’s in Be-
tracht zu ziehen und es wurde eine Commission von 22 Mitgliedern gewählt,
welche den Antrag Boyssets und ebenso den Antrag Bert’s betreffend ; die
Regelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat prüfen soll. i**i< .. ■!
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Schreiben Uo f 8 XIII. vom 25. Januar 1882 über die Pflichten
und Aufgaben und die Unterstützung der katholischen Presse.
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SS. Domini Nostri Leonis PP.XIIL
•ubü-.J J ?J>is,tola
ad archiepiscopos et episcopos pro-
vinciariim ecclesiasticarum Medio*
lapeusis, Taurinensis et Vercel-
. . . lensis.
;i VenerabUes Fratres.
Salutem et Apostolicam Bencddc-
ji.\ u i iioneth.
Cognita Nobis est sapientia
Vestra et vigilantia in omni
genere diligens: itemque prae-
clara in hanc Apostolicam Sedem
voluntas, quam cum saepe alias,
tum etiam superiore anno et
amantissimis litteris et coram
confirmavistis. Atque illud ma-
gnopere laetamur episcopalibus
laboribus V estris uberes , Deo
juvante, evenire fructus. Quibus
de rebus gratulamur unicuique
Vestrum meritasque laudes libenti
animo publice tribuimus.
11: :b <■- !:;i «mu ,.v >\ .j
ojJ) aaiii;
■tuti hhu' .‘nA io|; . t ._- t 1 1 y*
■ Nonnihil tamen istis ipsis in
provinciis est, Venerabiles Fratres,
quamobrem non sumus a sollici-
tudine plahe vacui. In iis enim
passim apparent quaedam dissen-
sionum initia, quae nisi opportune
matureque opprimantur, evadere in
Unseres h. Vaters Papst Leo’s XIII.
S ehr e ib en
an die Erzbischöfe und Bischöfe
der Kirchenprovinzen : Mailand,
Turin und Vercelli.
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Ehrwürdige Brüder.
Oruss und Apostolischen Segen.
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Es ist Uns Eure Weisheit und
Euer allseitiger Eifer und Eure
grosse Hingebung an diesen apo-
stolischen Stuhl bekannt; oftmals
schon, so noch im letzten Jahre
habt Ihr Eure Gesinnungen be-
wiesen durch Eure liebevollen
Briefe und mündlichen Aeusser-
ungen. Vor Allem gereicht uns
zur Freude, dass Eure bischöf-
lichen Arbeiten durch Gottes Hilfe
mit reichem Erfolge gesegnet sind.
Dess wegen wünschen wir jedem
Einzelnen von Euch Glück und
sprechen bereitwillig die ge-
bührende Anerkennung Jedem
offen ans.
Aber es gibt einige Vorkomm*
nisse in Euren Kirchenprovinzen,
wegen deren Wir nicht ohne Sorge
sind. Hier und dort tauchen in
denselben einige beginnende Strei-
tigkeiten auf, welche, wenn sie
nicht in der rechten Weise und
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Schreiben Leo’n XIII. vum 25. Januar 1882: Kalkül. Prense. 335
majus aliquod malum videntur
posse. Ea igitur volumus a Vo-
bis diligenter considerari , et
Vestra cura operaque provideri
ut, amotis dissidiorum caussis,
sententiarum et voluntatum con-
cordia -retineatur,, quae cum in
omni re publica, tum praecipue
in Ecclesia maximum atque op-
timum est vinculum incolumitatis.
— ■ Jam vero metuendum est, ne
haec animorum concordia dirima-
tur contrariis partium studiis,
quibus materiam praebet quae-
dam inter Insubres ephemerides ‘),
et doctrina clari unius viri, cujus
inter recentiores philosophos no-
men percrebuit 2 ).
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Quod ad primum caput, suut
in istis provinciis Vestris epheme-
me rides , quarum auctores veri
rectique principia tueutur, sauc-
tissiraa Ecclesiae jura, Apostolicae
Sedis Romanique Pontificis ma-
jestatem strenue defendunt. Huic
' generi favendum maxime est ; et
omni ratione curandum ut scrip-
tores hujusmodi nou modo floreant
studiis hominum et gratia, sed
etiam multos ubique nanciscantur
similes sui, qui quotidianos im-
proborum impetus sustineant , et
honestatis religionisque patrocinio
redimant impunitam plurimorum
iu scribendo licentiam. Hac de
zeitig unterdrückt werden, leicht
grössere Uebel im Gefolge haben
können. Wir wollen Eure ernste
Aufmerksamkeit auf diesen Punkt
hinwenden und es Eurer Sorgfalt
und Mühewaltung (Ompfehfen, - da-
mit ihr die Ursachen der Zwistig-
keiten beseitiget und die Eintracht
der Meinungen und Gesinnungen
hütet, die ja in jedem Gemein-
wesen und namentlich in der Kirche
die festeste und beste Grundlage
der Wohlfahrt ist. Es ist näm-
lich zu fürchten, dass diese Ein-
müthigang der Geister zerstört
werde durch die entgegengesetzten
Bestrebungen der Parteien, wozu
Anlass gegeben hat eines der lom-
bardischen Blätter *) und die Doc-
trin eines berühmten Mannes, des-
sen Name unter den neueren Philo-
sophen viel genannt wird 2 ).
Zunächst gibt es in Euren Pro-
vinzen Zeitungen, deren Leiter, die
Principien der Wahrheit und des
Rechtes hochhalten und die ge-
heiligten Rechte der Kirche und
das Ansehen des apostolischen
Stuhles und des römischen Ober-
hirten eifrig vertheidigen. Solche
Blätter sind nachdrücklich zu un-
terstützen; man muss dafür auf
alle Weise Sorge tragen, dass die
Schriftsteller dieser Art nicht nur
das Wohlwollen und die Unter-
stützung des Publikums gemessen,
sondern auch überall viele Gesin-
nungsgenossen gewinnen., welche
die täglichen Angriffe der Uebel-
1) Es ist der Mailänder »Osscrvatore catholico« gemeint. (D. R.)- • "■
2) . Hier ist Rnnmini gemeint. (D. R.) > • y. iilvni ,- i.uu
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336 Schreiben Leo' a XIII. vom 25. Januar 1882: Kathol. Presse.
caussa Nos haud semel illorum
probavimus voluntatem, vehemen-
terque hortati sumus , ut tueri
justitiam et veritatem scribendo
insisterent, et nulla re deduci sese
a proposito sinerent.
At vero convenit in caussa gravi
et nobili modum adbibere defensioni
aeque nobilem et gravem, quem
ultra progredi non oportet. Scilicet
pulchrum est, eos qui catholicum
nomen scriptis quotidianis de-
fendunt prae se ferre veritatis
amorem constantem , minimeque
timidum; sed simul oportet nihil
eosdem suscipere, quod bono
cuiquam viro jure displiceat,
neque ulla ratione temperantiam
deserere, quae cunctarum comes
debet esse virtutum. In quo
nemo sapiens probaverit aut sti-
lum vehementem plus quam satis
est, aut quidquam vel suspiciose
dictum, vel quod temere a per-
sonarum obsequio indulgentiaque
discedere videatur.
In primis vero sanctum sit apud
catholicos scriptores Episcoporum
nomen ; quibus in excelso aucto-
ritatis gradu collocatis dignus of-
ficio ipsorum et munere habendus
wollenden zurückhalten und durch
die Vertheidigung der Sittlichkeit
und der Religion der ungestraften
Zügellosigkeit so vieler Schrift-
steller entgegenarbeiten. Desshalb
haben Wir wiederholt den Eifer
Jener gebilligt und sie eindringlich
ermahnt, in der Vertheidigung der
Gerechtigkeit und der Wahrheit
fortzufahren, ohne sich von ihren
Bestrebungen durch irgend ein Hin-
derniss abwendig machen zu lassen.
Aber in einer ernsten und hohen
Angelegenheit muss man auch eine
ernste und edle Weise der Ver-
theidigung beibehalten , in dereu
Schranken man sich halten soll.
Zwar ist es angemessen, dass Die-
jenigen, welche die katholische
Wahrheit in den Zeitungen ver-
teidigen , eine beständige und
furchtlose Wahrheitsliebe zum Aus-
druck bringen; aber zugleich ist es
notwendig, dass sie nichts unter-
nehmen, was jedem braven Manne
mit Recht missfällt, und dass sie
auf keine Weise die Mässigung ver-
lieren, welche die Begleiterin aller
Tugenden sein muss. Und so wird
kein Einsichtiger einen über Ge-
bühr heftigen Styl billigen können,
noch auch eine Ausdrucksweise,
welche verdächtigen oder ohne
Grund die Rücksichtnahme und
die Schonung anderer Personen
verletzen könnte.
Vor Allem muss den katholischen
Schriftstellern das Ansehen der
Bischöfe heilig sein: ihnen , die so
hoch gestellt sind, soll eine ihrem
A mte und ihrer Würde entspre-
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Schreiben Leu's XIII. vom 25. Januar 1882: Kathol. Presse. 337
est honos. Neqnc licere sibi ho-
mines privati putent in ea, quae
sacri Pastores pro potestate de-
creverint, inquirere; ex quo sane
magna perturbatio ordinis con-
sequeretur et non ferenda confusio.
Atque istam reverentiam, quam
praetermittere licet nemini, ma-
xime in catholicis auctoribus ephe-
meridum luculentam esse et velut
expositam ad exemplum necesse
est. Ephemerides enim, ad longe
lateque pervagaudum natae , in
obvii cujusque manus quotidie
veniunt, et in opinionibus mori-
busque multitudinis non parum
possunt.
Ad alterum caput quod attinet,
de philosophicis disciplinis jam
declaravimus cujus viri vestigiis
ingrediendum putemus. Litterae
Nostrae Encyclicae die IV. mensis
Augusti anno MDCCCLXXIX ad
universos Episcopos datae aperte
monent, avere Nos et cupere ut
juventus ad disciplinam sancti
Thomae Aquinatis instituatur ;
quae plurimum ad excolendas
sapienter hominum mentes semper
valuit, et est maxime accomodata
ad pravas refutandas opiniones,
quae homines tanto jam numero
transversos agunt, cum ingenti
et salutis suae discrimine et rei-
publicae detrimento. Istud Lit-
terarum Nostrarum propositum
poterat omnium animos concordia
junctos facile retinere, excepta
interpretationis subtilitate nimia,
Archiv für Kirchenrecht. XLV1I.
chende Ehrfurcht geleistet werden.
Laien dürfen es sieh nicht gestat-
ten , über das , was die Oberhirten
kraft ihres Amtes beschlicssen, ab-
sprechend zu urtheilen ; denn das
würde eine grosse Unordnung und
Verwirrung zur Folge haben. Und
es ist nothwendig, dass durch die
Ehrfurcht, die Niemand ausser
Acht lassen darf, vor Allem die
Leiter der katholischen Zeitungen
sich auszeichnen und gleichsam
zum Vorbild dienen. Denn die
Zeitungen, die ja dazu bestimmt
sind, weithin verbreitet und von so
Vielen gelesen zu werden, haben
einen grossen Einfluss auf die Ge-
sinnungen und die Sitten der
Menge.
Was den zweiten Punkt angeht,
so haben Wir schon erklärt, wel-
chem Lehrmeister in den philo-
sophischen Disciplinen man folgen
solle. Unsere Encyclica vom 4.
August 1879, die an alle Bischöfe
gerichtet ist, spricht offen unsern
sehnlichsten Wunsch aus, dass die
Jugend in der Lehre des hl. Tho-
mas von Aquin unterrichtet werde ;
diese hat immer am meisten ver-
mocht, die Geister der Menschheit
zur Weisheit zu bilden, und sie ist
am meisten geeignet, die verderb-
lichen Lehrmeinungen zu wider-
legen, welche so viele Menschen
zur grossen Gefahr ihres Seelen-
heiles und zum Schaden des Staates
verwirrt haben. Der Inhalt unserer
Encyclica hätte die Geister Aller
in Eintracht halten können, wenn
man nur eine zu grosse Spitzflndig-
22
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338 Schreiben Leo’ a XIII. vom 25. Januar 1882: Kalhol. Presse.
servataque moderationis ratione
in rebus iis, de quibus ob studium
investigandi veri, citra fidei ca-
ritatisque jacturam, viri docti
utrinque disserere consueverunt.
Sed quouiam non sine animi
Nostri cura videmus partium
studia plus aequo in disputando
conflagravisse , publice interest,
huic ardori animorum modum
aliquem imponi. Quapropter cum
in iis quae in dies singulos scri-
buntur et multa commentatio et
pacata judicii tranquillitas, ut
plurimum, desideretur, optandum
est ut catholici ephemeridum
scriptores ab hujusmodi quaestio-
nibus tractandis abstineant. —
Interim autem Sedes Apostolica,
de gravioribus negotiis praesertim
quae doctrinarum sanitatem spec-
tant pro muneris sui ratione sol-
licita, ad renatas et crudescentes
controversias vigilantiam et pro-
videntiam suam convertere non
praetermittit, ea adhibita consilii
prudentia, in qua quemlibet catho-
licum virum aequum est con-
quiescere.
Ex qua tamen re nolumus de-
trimentum capere societatem re-
ligiosorum virorum a Charitate
nominatam, quae sicut in juvandis
ex instituto proximis hactenus
labores suos utiliter insumpsit,
ita optandum ut vigeat reliquo
tempore, fructusque pergat quo-
tidie uberiores edere.
keit ira Auslegen vermieden und
das rechte Mass inuegehalten hätte
bei den Fragen, worüber die Ge-
lehrtender verschiedenen Richtung
in ihrem Streben nach Wahrheit
zu verhandeln gewohnt sind, ohne
Verletzung des Glaubens und der
Liebe.
Da Wir nun aber nicht ohne eine
gewisse Besorgniss sehen, dass der
Eifer der Parteien in dem wissen-
schaftlichen Streite mehr als billig
entbrannt ist, so erfordert es das
öffentliche Interesse, dass diese Lei-
denschaftlichkeit der Gemüther ge-
mässigt werde. Da nun in den
Tagesblättern reifliche Ueberlegung
und ruhiges Urtheil so oft vermisst
wird, ist es wünschenswerth, dass
die Leiter der kathol. Zeitungen
Fragen dieser Art nicht behandeln
mögen. Der apostolische Stuhl, der
kraft seines Amtes mit so wich-
tigen Angelegenheiten, namentlich
mit denen, welche die Reinheit der
Lehre betreffen, sich beschäftigt,
unterlässt es nicht, den auftauchen-
den Lehrmeinungen seine Aufmerk-
samkeit und Sorgfalt zuzuwenden,
und zwar mit der Weisheit des Ur-
theils, bei der sich jeder Katholik
billigerweise beruhigen kann.
Jedoch wollen Wir nicht, dass
hieraus irgend ein Schaden er-
wachse der religiösen Gesellschaft
»von derchristlichenLiebe,« welche
bis jetzt nach ihren Satzungen so
nützlich für das Wohl des Nächsten
gearbeitet hat und auch in Zukunft
blühen und reichere Früchte bringen
möge.
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Schreiben Leo's XIII. vom 25. Januar 1882: Kathol. Presse. 339
Interea Vestrum est, Venera-
biles Fratres , dare operam ut
haec consilia Nostra perficiantur,
et nihil omittere quod ad firman-
dam concordiam pertineat. Quae
sane eo magis est, ut probe in-
telligitis, necessaria, quo plures
et acriores apparent hostes rebus
catholicis imminentes : adversus
quos exercere vires omnes necesse
est, easque non dissipatione at-
tritas, sed conjunctione auctas.
Plurimum propterea prudentia,
virtute et auctoritate Vestra con-
fisi, Vobis omnibus, Venerabiles
Fratres, et populis vigilantiae
Vestrae commissis, auspicem di-
vinorum munerum, et praecipuae
benevolentiae Nostrae testem,
Apostolicam Benedictionem pera-
manter in Domino impertimus.
Datum Romae apud S. Petrum
die XXV. Jan. MDCCCLXXXII,
Pontificatus Nostri Anno Quarto.
Leo PP. XIII.
Eure Sorge sei es nun, Ehrwür-
dige Brüder, mitzuwirken, dass Un-
sere Rathschläge erfüllt werden,
und nichts zu versäumen, was zur
Festigung der Eintracht dient. Sie
ist ja, wie Ihr erkennen werdet, um
so mehr nöthig, je zahlreichere und
heftigere Feinde die katholischen
Interessen bedrohen ; gegen diesel-
ben muss man alle Kräfte aufbieten
und darum dürfen die Kräfte nicht
durch Parteiungen zersplittert, son-
dern sie müssen durch Eintracht
verbunden sein. Indem Wir nun
auf Euere Klugheit, Tugend und
Autorität Unser Vertrauen setzen,
ertheilen Wir gern Euch allen, ehr-
würdige Brüder, und der Eurer
Sorgfalt an vertrauten Heerde als
Unterpfand der göttlichen Gnade
und als Beweis Unseres besonderen
Wohlwollens den apostolischen
Segen im Herrn.
Gegeben zu Rom bei St. Peter,
am 25. Januar 1882, im vierten
Jahre Unseres Pontificates.
Leo XIII.
22 *
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340
XXVII.
Literatur.
1. Acta et Decretu sacrorum conciliorum recentiorum. Collectio
Lacensis. Auctoribus Presbyteris S. J. e domo B. V. M. sine
labe conceptae ad Lacum. Tomus sextus. Friburgi Brisgoviae ,
Herder , MDCCCLXXXII. VIII et 1144 Spalten. 4. (10 Mk.).
Der Herausgeber dieses sechsten Bandes der werthvollen Laaeher
Concilien-Samrolung ist wieder P. Schneemann. In der Vorrede be-
merkt derselbe, er habe gestützt auf das Zeuguiss des Maronitischen
Patriarchen Sergius im Bd. 2. p. 009 ss. geläugnet, dass die Synode
auf dem Berge Libanon im Jahre 1578 gesetzmässig abgehalten sei.
Nachdem er aber die noch nicht herausgegebenen Akten dieser
Synode, welche Peter Maria Martin S. J. sammelte, mitgetheilt er-
halten habe, wage er kaum bei jener Ansicht zu verharren. Des
Näheren spricht sich sodann P. Schneemann in sehr zutreffender
Weise darüber aus, dass eine so häufige Abhaltung von Provinzial-
und Diöcesansynoden, wie sie noch das Tridentinum forderte für die
heutigen Zeitverhältnisse nicht zweckentsprechend sei. Er erwähnt
sodann dankend der ihm gestatteten Benutzung der römischen Ar-
chive und besonders auch der der hauptsächlichsten römischen Con-
gregationen und der ihm für diesen Band insbesondere von seinen
Ordensgenossen Nilles, Schröder, Langhorst, Esseiva, Aymans ge-
währten Beihilfe. Es umfasst der vorliegende sechste Baud die
Acten und Decrete der in Italien, Südamerika und Asien gehaltenen
Concilien und einige Nachträge zu den früheren Bänden. Die haupt-
sächlichsten mitgetheilten Stücke sind folgende: 1) die Akten und
Decrete des Provinzialconcils von Urbino vom J. 1859 (S. 1 — 132);
2) die Decrete des Provinzialconcils von Ravenna vom Jahre 1855
(S. 133 — 218); 3) die Akten der synodalen Zusammenkunft der
Bischöfe der Kirchenprovinz von Pisa im Jahre 1850 (S. 219 — 254);
4) die Constitutionen und Decrete der Synode von Siena vom Jahre
1850 (S. 255—282) ; 5) des Provinzialconcils von Venedig vom Jahre
1859 (S. 283 — 374); 6) der beiden Provinzialconcilien von Quito
vom Jahre 1863 und 1869 (S. 375—426, S. 427-450); 7) des
von Neu-Granada vom Jahre 1868 (S. 451 — 560); 8) des von den
Bischöfen des lateinischen Ritus 1869 zu Smyrna gehaltenen Pro-
vinzialconcils (S. 561 — 592).
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Acta el Decreta concit, rec. Coti. Lacensis. tom. VI. 341
Als Nachträge folgen sodann 1) die Synode des apostolischen
Vicariates von Sutschu von 1803 (S. 593 — 649) unter Beigabe eines
sich über verschiedene Zweige der Kirchendisciplin sich verbreiten-
den Pastoralsehreibens des dortigen apostol. Vicars vom 1. September
1793 und des Art. 37. einer Instruction der Congr. de Propag. Fide
vom 29. April 1784, welcher von den Nonnen handelt; ferner 2) die
Acten der Synode von Pondichery (Indien) vom J. 1844 (649—664)
nebst mehreren auf die Lage der apostolischen Vicariate des orienta-
lischen Ritus in Indien bezüglichen römischen Erlassen (S. 665—700).
Hierauf folgen 3) in italienischer Sprache die Protocolle der Bischofs-
conferenzen der Mailänder Kirchenprovinz vom J. 1849 (S. 700 — 726)
und vom J. 1850 (S. 727—738); sodann 4) die Anordnungen, welche
auf der Versammlung der Umbrischen Bischöfe zu Spoletto 1849 ge-
troffen wurden (S. 739—772); 5) die Decrete, welche auf der Ver-
sammlung der Bischöfe aus der Mark und dem Urbinat 1850 zu
Loretto festgestellt wurden (S. 773—810) ; 6) die von den Bischöfen
Siciliens zu Palermo 1850 festgestellten Anordnungen (S. 810—826);
7) die Akten der Bischofsversammlungen zu Rom, welche der Defi-
nition des Dogmas der unbefleckten Empfäugniss Mariens 1854
vorausgingen (S. 827 — 850) und ebenso die der Versammlung der
Bischöfe, welche zu Rom 1862 anlässlich der Canonisation der ja-
panesischen Märtyrer zusammengekommen waren (S. 851 — 892), und
ebenso der Bischöfe, die zu Rom anlässlich des Centenariums der
Apostelfürsten 1867 versammelt waren (S. 892 — 894).
- Als Nachträge zum ersten Bande der Collectio Lacensis folgen
weitere Mittheilungen über eine ganze Reihe von Provinzialsynoden
von Tarracon aus dem 17. und 18. Jahrh. (S. 895—908; 912 — 958)
und über eine Provinzialsynode von Barcelona vom J. 17 12 (S. 908—912),
einige Provinzialsynoden von Tarracon haben einen italienischen Text.
Als Nachtrag zum zweiten Bande der Coli. Lac. folgen eine
Reihe in Ungarn und Siebenbürgen gehaltener ruthenischer und
rumänischer. Unionssynoden aus dem 17. und 18. Jahrh. (S. 959 — 992).
Endlich als Nachtrag zum Bande 4. wird ein italienisches
Tagebuch des bischöflichen Secretärs von Chioggia, Alberto Rosetti,
über das Pariser Nationalconcil vom J. 1811 (S. 993 — 1024).
Den Schluss bilden, wie bei jedem Bande ausführliche Quellen-,
Namen- und Sach-Register, denen diesesmal noch ein chronologisches,
ein alphabetisches und ein geographisches Register aller Concilien
nnd Versammlungen angereiht ist, deren Acta in den bisherigen
sechs Bänden der Coli. Lac. enthalten sind.
Die jetzt vorliegenden sechs Bände der Coli. Lac. enthalten
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342 Literatur: Acta et Decreta concit, rec. Coli. Lucensis, tom. VI.
zusammen mehr als 150 Concilien oder Bischofsversammhnigeu aus
den letzten drei Jahrhunderten und aus allen Ländern der Welt, in
sorgfältigem, correctem Abdruck unter Beigabe zahlreicher erläutern-
der und ergänzender Aktenstücke und zu dem mit sorgfältigen Re-
gistern. Mit Recht darf die Verlagshandlung in einer Ankündigung
sagen, »die Collectio Lacensis reihe sich den Coneiliensammlungen
von Labbe, Hardouin und Coleti ebenbürtig an und setze die Besitzer
jener Werke in den Stand, auf die leichteste und wohlfeilste Weise
dieselben zu completiren.« Das Werk ist auch vortrefflich ausge-
stattet und in Verhältniss zu dem, was es alles bietet, sehr mässig
im Preise gestellt.
Es soll noch ein siebenter Band folgen, welcher sich schon
unter der Presse befindet und welcher die Decrete des Vaticanischen
Concils und die auf dasselbe bezüglichen Aktenstücke, unter diesen
auch vieles, noch ungedruckte Material mittheilen wird.
2. Die Eheschliessung nach dm Bestimmungen des österr. allg.
h. Ges.-B., des Code Napoleon , des österr. Concord . , des mo-
saisch-talmud., des orient.-kirchl. Rechtes, des ung., des slavi-
schm, des deutschm Reichs- und des Schweiz., des italicn., des
moslem . , des montenegrin . , des engl . , des hrasilian . , und des
nordamerikan. Gesetzes. Nach dem am 27. Nov. 1880 im Casino
des Wiener Cottage-Vereines gehaltenen Vorträge bearbeitet.
Nebst einem Anhänge: Die Ehehindernisse und ihre rechtliche
Eintheilung. Von Dr. Alex. Grünwald, Advoc. Wien, Manz,
1881. IV u. 126 S.
Diese Schrift besteht aus einer Abhandlung über die Ehe-
schliessung (S. 3—101) und einer solchen über die Ehehindernisse
und ihre rechtlichen Folgen (S. 106—126). Die erstere ist die
Ueberarbeitung eines vor Damen gehaltenen Vortrags, die zweite ein
Separatabdruck aus Nr. 21 — 24 des Jahrg. 1878 der Zeitschrift für
Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit.
Die Abhandlung über die Eheschliessung ist für einen populär-
wissenschaftlichen Vortrag zu unklar und verworren und wissenschaft-
lich betrachtet ganz ungenügend. Nach der Vorrede zu schliessen
und nach den Vorbemerkungen, die der Verfasser meistens macht,
wenn er zu dem Eherechte eines andern Landes übergeht, sollte es
scheinen, wie wenn da ganz neue oder nur in kleinen wissenschaft-
lichen Kreisen bekannte Dinge dargelegt würden. Herr Dr. Grün-
wald kannte sich aber auf dem Gebiete des Eherechtes und in der
so reichen Literatur desselben nur sehr mangelhaft aus. Er beruft
sich mitunter auf Werke, die über die einschlägigen Fragen entweder
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Grätmahl, Die Ehe Schliessung.
343
nichts enthalten oder nur nebenbei das Eine oder Andere obenhin
berühren, während er die einschlägigen Hauptschriften gar nicht
kennt und manche Autoren ersichtlich nur auf Grund falscher Schluss-
folgerungen aus den Citaten der ihm vorgelegenen Werke als für
sein Thema besonders beachtens werth hervorbebt. Er behandelt
ferner das Eheschliessungsrecht nur sehr unvollständig und lücken-
haft, theilt öfters ganz Unwesentliches, z. B. was dieser und jener
einzelne Act kostet, mit, während er viel wichtigere Fragen ganz
unberührt lässt. Auch laufen in der Darstellung die wunderbarsten
Missverständnisse mit unter, z. B. (S. 63), wenn der Verfasser meint,
dass nach dem deutschen Eeichsgesetz vom 6. Februar 1875 betr. die
Beurkundung des Personenstandes und die Eheschliessung sogar Ra-
sende, Wahnsinnige, Blödsinnige, Vollberauschte, Ohnmächtige eine
rechtsgültige Ehe eingehen könnten. Das Material, welches der
Verfasser vorbringt, ist grossentheils ganz unverarbeitet und die
ganze Darstellung entbehrt der sachgemässen Ordnung. Schon aus
dem Titel der Schrift kann man ersehen, in welcher willkührlichen
Reihenfolge das Eherecht nach den verschiedenen Staaten und für
Oesterreich auch das den verschiedenen Confessionen abgehandelt ist.
Die einfachste und natürlichste Eintheilung wäre die in confessionelle
und staatliche Eheschliessungsform gewesen. Dabei hätte die historische
Entwickelung der Eheschliessungsformen hervorgehoben und das gegen-
wärtige Verhältniss von kirchlicher und staatlicher Eheschliessung klar
gemacht werden können. Aber es scheint wohl, dass der Verfasser selbst
sich darüber nicht klar geworden ist. Sonst würde er das für die Katho-
liken in Oesterreich vor dem Concordate und uach demselben, wie
auch nach dem staatlicherseits erfolgten Bruche desselben kirchlich
geltende und noch immer kirchlich fortgeltende canonische Eherecht
nicht als blosses »Concordatseherecht« bezeichnen. Sonst würde der
Verfasser auch das für die Katholiken in Ungarn und in Brasilien
geltende Eherecht nicht als ein besonderes particuläres Eherecht
dieser Länder dargestellt, sondern einfach als das von Seiten der
kathol. Kirche aufgestellte, auch bürgerlich geltende bezeichnet haben.
Auf die in einer Abhandlung über die Eheschliessungsform eingehend
zu berücksichtigende Frage, wann und wo die forma tridentina zur
kirchlichen oder auch bürgerlichen Giltigkeit der Ehe nothwendig zu
beobachten sei, geht Dr. Grünwald gar nicht ein. Ebensowenig auf
das Verhältniss der katholischen Kirche zur Civilehe und die bei den
Protestanten in neuerer Zeit so vielfach ventilirte Frage , ob die
blosse Civilehe nach protestantischen Grundsätzen bereits als eine
kirchlich gütige Ehe anzusehen sei, oder erst die kirchliche Trauung
344 Literatur: Weber, Katechismus des Eherechts.
hinzukommen müsse, um die Ehe auch kirchlich giltig zg machen.
Die sog. Klausenburger Ehen erklärt Herr Dr. Grünwald ohne nähere
Begründung für giltig. (Vgl. dagegen Archiv, Bd. 42. S. 4C6 ff.).
Ueber Spanien und Portugal schweigt der Verfasser, während er
Brasilien besonders berücksichtigt. In dem ebenfalls besonders be-
rücksichtigten kleinen Montenegro gilt einfach das griechisch-orienta-
lische Eherecht, unberücksichtigt lässt der Verfasser dagegen das
grosse Russland und die Christen in der Türkei. Freilich hätte kurz
gesagt werden können, dass in diesen Ländern das bereits unter
Oesterreich, beiläufig bemerkt, übrigens auch verworren und ungenau
dargestellte griech. -Orient. Eherecht gelte, wobei für Russland aller-
dings noch einige besondere staatskirchliche Vorschriften zu erwähnen
wären. Einen besonderen kurzen Abschnitt widmet der Verfasser
auch dem slavischen Eherecht, aber was er da vorbringt, ge-
hört theils nicht zur Lehre von der Eheschliessung, theils bloss zur
Historie. Es wäre da mit Rücksicht auf die frühere sog. österr. Mi-
litärgrenze bloss die eigenthümliche, neben und über der natürlichen
Familie stehende politisch-nationale Organisation einer umfassenderen
Familie unter einem gewählten Familienoberhaupte, welches auch be-
züglich der Eheschliessung die Rechte der väterlichen Gewalt aus-
übt, zu erwähnen. Der Verfasser erwähnt allerdings diese Verhält-
nisse, aber ohne ein genügend klares Bild davon zu geben und zu-
gleich unter wunderbarer Vermischung von praktisch Geltendem mit
Dingen, die einmal factisch vorgekommen sein mögen. Er übersieht
auch hier wieder, dass für die griech .-Orient. Grenzer das griech.-
orient. Eherecht das massgebende ist. Um alles, was Verkehrtes und
Ungenaues in der vorliegenden Schrift ist, hervorzuheben, müsste
man eine lange Abhandlung schreiben.
Die Abhandlung über die Ehehindernisse ist in derselben, ba-
rocken, vielfach bloss aphoristischen, völlig unwissenschaftlichen Weise
gehalten, wie die über die Eheschliessung. Ein Haschen nach dem
Scheine von Gelehrsamkeit tritt darin namentlich in der planlosen
Aufzählung der bei einer grösseren Anzahl von Schriftstellern vorkom-
menden oder nicht vorkommenden Definitionen der Ehe hervor.
3. Katechismus des katholischen Eherechts von J. Weher (Stadt-
pfarrer su ludwigsburg) . 2. verb. Aufl. Augsburg , B. Schmidt
(A. Mans) 1881. III. Bl. 203 S. in XII.
Es ist dieses eine sorgfältige fassliche und übersichtliche Dar-
stellung des Eherechtes in Form von Fragen und Antworten unter
Beigabe erläuternder oder raisonirender Anmerkungen und ausge-
wählter Quellen und Literaturbelege. Die erste Auflage führte den
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Frhr. v. Helferl, Ute confess. Frage in Oesterr. 1S48. 345
Titol: »Das katholische Eherecht für die Candidaten der Theologie
und des Rechts.« Die zweite Auflage ist um circa 16 Seiten stärker
und ist darin insbesondere z. B. die Lehre von der Civilehe theils
überarbeitet, theils erweitert. Das Werkchen verdient, namentlich
den Studirenden bestens empfohlen zu werden.
4. Die confessionalc Frage in Oesterreich 1848. Zugleich ein
Beitrag zur Tages- und Flugschriften- Literatur jener Zeit. Von
Frhr. v. Hclfert. (Aus dem österr. Jahrb. 1882 bes. abgedruckt).
Wien 1882. Ludw. Mayer. 97 S. 8.
»Vor dem Jahre 1848 war die römisch-katholische Kirche in
Oesterreich die herrschende, -die Staatskirche. So hiess es allgemein,
so stand es in allen Lehrbüchern, so meinte alle Welt Herr-
schend war sie neben der staatlichen Allgewalt, Allgegenwart und
Allweisheit so wenig, dass man sie im Gegentheil die unfreieste, die
unselbständige Kirche im Umfange des österr. Ländergebietes nennen
konnte, und zwar eben aus dem Grunde, weil sie weitaus die meist
verbreitete, an Seelenzahl ihrer Bekenner reichste und mächtigste
war und weil es darum, wie die Theresianischen und Josephinischen
Staatslenker meinten, hier mehr als anderswo geboten war, [um mit
Sonnenfels , dem Theresianischen und Josephinischen Professor der
Polizei- Wissenschaft zu reden] den »»Leitriemen«« scharf anzuziehen
und stiamm in der Hand zu halten, indem es nur dann möglich
sei im Wege des religiösen und kirchlichen Einflusses »»das mangel-
hafte der Gesetzgebung,«« wie es eben diese letztere bedurfte, zu
»»ergänzen.««
So lautet mit einigen Abkürzungen die treffende Einleitung
dieser trefflichen Skizze der confessionellen Frage in Oesterreich im
Jahre 1848, welche uns Frhr. v. Helfert in der vorliegenden Schrift
bietet. Der Verfasser schildert weiter das vollständige Darnieder-
liegen der theologischen und kirchenrechtlichen Wissenschaft in
Oesterreich, und wie bei solchem Stande der Dinge sogar der
Güntherianismns, der seit dem Ende der 1820er Jahre viele Geister
in Oesterreich gefangen nahm, im Verhältnis zum bisherigen völligen
Stagniren auf theologischem Gebiete in Oesterreich, von manchen,
sogar noch jetzt, wie Helfert hätte beifügen können, von einem hohen
kirchlichen Würdenträger — für etwas Gutes gehalten wird. Der Ver-
fasser erwähnt (S. 10), auch (unter Hinweis auf Beidtel's Unter-
suchungen über die kirchlichen Zustände in den kais. österr. Staaten;
Wien 1849, S. 187 f.) des Vorschlags, den der Hof- und Burgpfarrer
Michael Johann Wagner, in den ersfen Dreissiger-Jahren machte, die
österr. Kirchenzuständc im Wege eines Concordates mit dem päpst-
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346 Literatur: Frhr. v. Uelfert, Die confess. Frage in Oesterr. 1848. ,
liehen Stuhle zu ordnen und bemerkt, dass man an einen solchen
Schritt die sonderbarsten Erwartungen knüpfte. Man hoffte nämlich
gegen Nachgiebigkeit in kleineren Dingen die Anerkennung des
Josephinischen Kirchenrechts seitens des Papstes zu erhalten und
dadurch dem Vorwurfe, die österr. Verordnungen in publico-ecclesia-
sticis seien dem kathol. Geiste zuwider, auf die kürzeste Weise zu
entgehen. Wagner selbst hatte die Ansicht, dass in Rom bei weitem
weniger die kais. Verordnungen als die Vorträge der theologischen
Professoren in Missachtung stünden, eine Voraussetzung, die sich
gleich bei Einleitung der Verhandlungen 1833/34 als eine irrthüm-
liche erwies und zu keinem gedeihlichen Fortgang derselben führen
konute. üebersehen hat hier übrigens Frhr. v. Helfert das (unter
Andern auch bei Vering, Lehrb. des Kirchenr., 2. Aufl. S. 106 mit-
getheilte) Schreiben, welches Kaiser Franz 1835 auf seinem Todes-
bette erliess, worin er nicht bloss den Abschluss eines Concordates,
sondern auch überhaupt den vollständigen Bruch mit dem Josephinis-
mus anbefahl.
Helfert schildert, historisch treu referirend, weiter eine Menge
von Persönlichkeiten, die auf dem kirchlichen und religiösen Gebiete
thätig waren und legt ebenso die Lage des Protestantismus in
Oesterreich-Ungarn in vergleichender Gegenüberstellung mit der Lage
der katholischen Kirche und sodann die Stellung dar, welche »das
Volk aus Palästina« in den einzelnen österr. Kronländern bis zum
Jahre 1848 einnahm. Der zweite Theil der Schrift (S. 46 — 97)
schildert die Ereignisse des Freiheitsjahres 1848 auf confessionellem
und kirchlich-politischem Gebiete, namentlich die März-Excesse in
Prag, Wien, Graz, Pesth, Pressburg und Galizien, die Angriffe aut
die Kirche, Klöster und die Geistlichkeit , deren sich namentlich
jüdische Literaten schuldig machten, uud die Excesse des Pöbels
gegen Jesuiten und Redemptoristen, auch das theils ungeschickte,
theils geschickte Verhalten verschiedener Prälaten zu dem im Jahre
1848 hervörtretenden politischen und kirchlich-politischen Bestreb-
ungen. An der Berücksichtigung so zahlreicher Detail-Literatur,
die im Allgemeinen längst in Vergessenheit gerieth und in vielen
späteren Kreisen überhaupt unbekannt geblieben war, sieht man den
Fleiss und die Vielseitigkeit des Historikers Frhr. v. Helfert. Da-
bei zeichnet sich auch die vorliegende Schrift, wie überhaupt die
Publicationen Helfert durch frische und gewandte Darstellung aus.
Die versprochene Fortsetzung dieses interessanten Aufsatzes wird ge-
wiss den weitesten Kreisen willkommen seij.
Vering.
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Kolde, Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation. 347
5. Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation. Eine
kirchenhistorische Skizze mit archivalischen Beilagen von Br.
Theodor Kolde, ord. Prof, der Kirchengeschichte zu Erlangen.
Erlangen, Andr. Deichert, 1881. S. 75. (M. 1. 50.)
In der letzten Zeit ist die Aufmerksamkeit der Geschichts-
forscher vielfach darauf gerichtet, das Andenken von Männern auf-
zufrischen, welche sich um den Beginn oder die Ausbreitung des
sog. Reformationswerkes im 16. Jahrhunderte hervorragende Ver-
dienste erworben haben, und hatten wir bereits Gelegenheit, in dieser
Zeitschrift derartige Monographieeil anzuzeigeu. Prof. Kolde hat sich
nun in obangeführter Brochüre die Aufgabe gestellt, dem Leser eine
richtige Charakteristik Friedrichs III., Kurfürsten von Sachsen, mit
dem Beinamen des Weisen darzubieten. Friedrich war Landesfürst
des Dr. Martin Luther; er konnte und durfte sich bei den Ereig-
nissen , welche die Person und Lehre Luthers betrafen , unmöglich
passiv oder neutral verhalten; er hat dies auch nicht gethan, son-
dern dem fortwährenden Drängen Spalatins so wie des eigenen
Bruders Herzogs Johann nachgebend, nahm er Luther in Schutz,
betrachtete ihn als erste Zierde seiner Universität Wittenberg, stellte
schliesslich den von Luther im Vereine mit Spalatin zur Unter-
drückung der kathol. Kirche in Sachsen unternommenen Gewalt-
massregeln gar keinen Widerstand mehr entgegen und empfing auf
dem Todtenbette das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Dass
Friedrich nebenbei in einzelnen Dingen, z. B. Verehrung der Heiligen
und ihrer Reliquien sich noch als Katholik geberdete, ist nach den
damaligen Zeitverhältnissen vollkommen begreiflich und kann den
Antheil, welchen der Kurfürst am Reformationswerke hatte, nicht
im geringsten schmälern. Von S. 41 — 75 folgen Urkunden, welche
eigenthümliche Schlaglichter auf die damaligen Ereignisse werfen.
Obzwar der Verfasser seinen confessionellen Standpunkt nicht ver-
läugnet (man sehe z. B. S. 6, Note 2, S, 37), so -müssen wir doch
gestehen, dass im Ganzen die ruhige, des wichtigen Gegenstandes
würdige Darstellungsweise des Verfassers uns wohlthuend berührte
gegenüber so manchen anderen Werken, in welchen auf jeder Zeile
der subjective Parteistandpunkt in den Vordergrund gestellt wird.
Sehr schätzens werth ist uns ans des Verfassers Munde das Bekennt-
ni3S : »Luther wie seine Genossen haben in merkwürdigem Mangel an
historischem Sinne sehr bald kein klares Bild mehr von den Zuständen
vor der Reformation« (S. 5, Note 2) so wie das Zugeständniss, dass
Luther und dessen Anhänger wirklich eine »Vergewaltigung« an den
Katholiken geübt haben (S. 35).
Prag. Prof. Dr. Borovy.
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348
6 .
aus dem Italien, nach der zweiten durchgesehenen Auflage. Gotha,
Friedrich Andreas Perthes , 1881. XV u. 318 S. (6 Mk).
7. Kirche und Staat in ihren Vereinharungen auf dem Grunde
des Kirchenrechts , Staatsrechts und Völkerrechts. Von Theod.
Balve , Priester und Doctor beider Rechte. Zweite verm. und
verb. Aufl. Regensburg, Manz, 1881. XII u. 268 S.
Des ehemaligen italienischen Ministers Minghetti geistvoll uud
mit vielseitiger Belesenheit verfasste und gewandt übersetzte Schrift
Stato e chiesa handelt mehr oder weniger von fast allen Berührungs-
punkten zwischen Staat und Kirche, freilich ohne irgend einen Punkt
eigentlich wissenschaftlich zu erschöpfen. Minghetti huldigte in der
Praxis, wie in dieser Schrift dem Cavour’schen Grundsätze von der
s. g. freien Kirche im freien Staat, d. h. er erklärt mit besonderer
Rücksicht auf Italien die Trennuug der Kirche vom Staate nicht
etwa als das kleinere üebel, sondern als das zu erstrebende Ideal,
durch welches alle Conflicte gehoben würden. Dabei reclamirt er
aber eine Menge Dinge, welche die kirchliche Lehre als wesentlich
kirchliche erklärt, einfach dem Staate, so dass damit der angeblich
so einfach zu lösende Conflict über das Grenzgebiet zwischen Kirche
und Staat bestehen bleibt. Auch zeigt die praktische Verwirklichung
der Cavour-Minghettischen Ideen in Italien aufs deutlichste, dass
eine solche Trennung von Kirche und Staat nur eine andere Form
von Bekämpfung und Unterdrückung der Kirche ist. Obschon
Minghetti (S. 274 ff.) des Längeren ausführt, dass der Protestantis-
mus in Italien keine Zukunft habe, steht er doch im Wesentlichen
ganz auf protestantischem Standpunkte, sowohl bei einzelnen Fragen
z. B. seiner Auffassung der Ehe, der Ordination und indem er durch
die natürliche Vernunft das geoffenbarte Dogma ersetzen will, nament-
lich aber indem er (S. 266) die Leitung der Kirche durch die
Hierarchie verwirft und die Theilnahme der Gläubigen am Regiment
der Kirche als die ursprüngliche und segensreiche 'Form aller Reli-
gionen erklärt.
Einen warm katholischen Standpunkt nimmt Dr. Balve ein,
dessen 1863 erschienene Schrift »das Concordat« hier in erweiterter
Gestalt vorliegt. Balve’s ebenso gewandt, wie mit innerer Be-
geisterung geschriebenes Werk gibt von vielseitiger Bildung Zeug-
niss und zieht ausser den theologischen, juristischen und politischen
Schriftstellern auch treffende Bemerkungen aus und über Philosophen
und Dichtern des Alterthums, der neueren und neuesten Zeit in
seine Darstellung. Er vertheidigt den Charakter der Concordate
biteratur: Minghetti, Staat und Kirche; Ualve, Kirche und <
• *1 •• •.*! >1
Staat und Kirche. Von Marco Minghetti. Autor. Uebersetzung
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l' ■ • .
Hahn, Siegfried, Sickinger, Schulte, Gesch. d. Culturkampfes. 349
als beiderseitiger Verträge und erörtert gründlich alle bei dieser Frage
in Betracht kommenden Gesichtspunkte. In der Einleitung weist er eine
Reihe falscher Auffassungen des Wesens der Concordate zurück; im
Cap. 1. zeigt er die Nothwendigkeit kirchlich-staatlicher Verein-
barungen vom kirchlichen und staatlichen Standpunkt; im Cap. 2.
schildert er die mit dem deutschen Reiche und den deutschen Staaten
geschlossenen Concordate, den eigentlichen Charakter der mit dem
deutschen Reiche geschlossenen Concordate gegenüber den neueren
Conventionen und kommt darauf auf die Genesis und Bedeutung des
»Culturkampfs« gegenüber den Principien kirchlich-staatlicher Ver-
einbarungen zu reden; Cap. 3. handelt von den Contraheuten; Cap. 4.
von den Objekten kirchlich-staatlicher Vereinbarung, Cap. 5. von der
rechtlichen Natur und Wirkung solcher; Cap. 6. von der Abänderung
uud Aufhebung der kirchlich-staatlichen Vereinbarungen durch Ver-
trag oder Willkühr; das 7. Capitel bildet ein rechtsphilosophisches
Epiphonem, worin zuerst die Rechtstrias des Kirchen-, Staats- und
Völkerrechts und sodann die Stellung der kirchlich-staatlichen Ver-
einbarungen in Mitte dieser Rechtstrias gezeichnet wird. Des Ver-
fassers Ausführungen schlossen damit: »Für Kirche, Staat und Wis-
senschaft ist nur Einer die Wahrheit und Vollendung, Jesus Christus .«
8. Geschichte des » Culturkampfes* in Preussen. In Aktenstücken
dargestellt von Ludwig Hahn. Mit einer Uebersicht. Berlin ,
• Wilhelm Hertz, 1881. XXXII u. 277 S.
9. Aktenstücke, betreffend den preussischen Culturkampf nebst einer
geschichtlichen Einleitung. Fon Xicol. Siegfried. Freiburg i. B.,
Herder , 1882. CX u. 428 S. (M. 4. 50).
10. Kirchengeschichtliches in chromlogischer Reihenfolge von der
Zeit des Vaticanischen Concils bis auf unsere Tage. Mil be-
sonderer Berücksichtigung der kirchenpolitischen Wirren. Zu-
sammengestellt von Dr. Hermann Rolfus. Fortgesetzt von Conrad
Sickinger. II. Bd. 3. Lief. Jahr 1874. Mainz, Kupferberg.
VIII u. 339—680 S.
11. Geschichte des Culturkampfes in Preussen. In Aktenstücken
dargestellt von F. X. Schulte , Pfarrer in Erwitte. Essen
Fredebetd und Könen, 1882. Bogen 1 — 21.
Der offieiöse preussische Schriftsteller L. Hahn sucht in seiner
Schrift die römische Curie als die Urheberin des »Culturkampfes«
hinzustellen, während die preussische Regierung stets nur den Frieden
mit der Kirche erstrebt habe. Hahn erhielt deshalb auch ein An-
erkennungsschreiben vom Kaiser Wilhelm. Der Sache nicht genügend
Kundige konnte Hahn dadurch täuschen, dass er Aktenstücke ver-
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350 Liter.: Hahn, Siegfried, Sickinger, Schulte, Oesch. d. Culturkampfes.
schwieg und andere verstümmelt wiedergab. Die drei Schriften von
Siegfried, Rolfus-Sickinger und Pfarrer Schulte waren schon vor dem
Erscheinen der Hahn’schen Schrift vorbereitet. Siegfried und Schulte
nahmen nun aber auch ausdrücklich auf die Hahn’sche Darstellung
und Documentirung Rücksicht, letzterer gibt sogar die Hahn’sche
Vorrede und Uebersicht wieder. Alle drei Schriften von Siegfried,
Sickinger und Schulte widerlegen aber durch objective Wiedergabe
aller bekannt gewordenen einschlägigen Aktenstücke und Verhand-
lungen die Hahn’sche Darstellung. Siegfried schickt den 198 Akten-
stücken, welche er chronologisch mittheilt, wie Hahn, eine übersicht-
liche Darstellung voraus, welche, wenn auch in einigen Nebenpunkten
Ungenauigkeiten unterlaufen, doch alles Wesentliche klarstellt.
Sickinger, der das wiederholt im Archiv empfohlene Werk von Rolfus
fortsetzt, bringt in der vorliegenden Schlusslieferung des zweiten
Bandes nach der Tagesfolge grösstentheils der Germania entnom-
menen Berichte über die kirchenpolitischen Vorgänge und so enthält
der zweite Band von Rolfus-Sickinger den grössten Theil der im
Culturkampf erlassenen Gesetze und Ausnahmsbestimmungen , nicht
weniger als 16 staatskirchliche Gesetze und Verordnungen nebst ihrer
vollständigen Entstehungsgeschichte, den parlamentarischen Verhand-
lungen etc. Ein Personen-, Orts- und Sachregister bildet den Schluss.
Pfarrer Schulte begann 1879 seine »Geschichte der ersten sieben
Jahre des preuss. Culturkampfes« und behandelte im ersten Bande,
dessen Sehlussheft in Kurzem erscheinen soll, den »Scbulkampf,« in-
zwischen ist aber auch bereits der grösste 'Theil des zweiten , oben
genannten Bandes erschienen, welcher in zehn Capiteln eiue voll-
ständige Geschichte des Culturkampfes gibt und jedem Capitel die
nothwendigen Aktenstücke beifügt. Es liegen bis jetzt vor Cap. 1 — 6.
Cap. 1. behandelt die Zeit vor dem Kampfe (1866—1869) und zeigt
namentlich auch, wie man 1866 den Krieg gegen Oesterreich preus-
sischerseits zu einem Religionskrieg zu stempeln suchte; Cap. 2. be-
handelt die Vorbereitungen zum Kampfe (1869 — 1870); Cap. 3. die
ersten Kampfesraassregeln (1871 — 1872); Cap. 4. die Kampfesgesetze
(1873) ; Cap. 5. den Kampf gegen den passiven Widerstand ; Cap. 6.
des Culturkampfes-Blüthezeit (1874 — 1875).
12. Ein Vorschlag zur Beilegung des Culturkampfes. Von einem
freisinnigen Katholiken. Leipzig 1881.
Der freisinnige »Katholik« bricht den Stab über den Altkatho-
licismus und meint, der Culturkampf würde endigen, wenn von Staats-
wegen eine für Schüler aller Confessionen ohne Anstoss gütige und
obligatorische Sittenlehre und Ethik aufgestellt und in den öffent-
lichen Unterricht aufgenommen würde. Eine Kritik des Vorschlags
ist überflüssig.
Vering.
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351
XXVIII.
Kurze Mittheilungen.
1. Dürfen Laien von sich aus bei einem Begräbnisse Liichen-
reden halten ?
Der kirchliche Gottesacker steht wie ein Theil der Pfarrkirche d. h. als
consecrirter Ort unter der Aufsicht des Pfarrers. Ihm steht die Anordnung des
Begräbnisses und die Aufsicht über dasselbe als einen gottesdienstlichen Act,
selbstverständlich unter Beobachtung des etwaigen Ortsgebrauches, der sani-
tätspolizeilichen Vorschriften u. dgl. zu. Diese zwei unbestrittenen Sätze be-
dürfen keiner besonderen Begründung. Der Pfarrer kann also polizeilichen etc.
Schutz verlangen oder durch den Staatsanwalt strafgerichtliche Verfolgung ein-
leiten lassen , wenn von Unberufenen Leichenreden gehalten und dadurch der
gottesdienstliche Act' gestört wird oder eine Beleidigung von Religion oder
'Kirche in der Leichenrede des Laien etc. sich kundgibt. Wenn der Kirchhof
ein confessionell katholischer ist, so tritt noch das weitere Moment hinzu, dass
überhaupt bezüglich der auf dem katholischen Gottesacker vorzunehmeuden
Acte der Pfarrer die Aufsicht zu führen hat. Freilich wenn der Friedhof ein
Communal-Friedhof wäre, liesse sich nicht bezüglich des Friedhofes überhaupt
und höchstens, wenn das Becht der Kirche voll zur Geltung gelangt, nur be-
züglich des einzelnen consecrirten katholischen Grabes das Aufsichtsrecht etc.
des Pfarrers auch vor den bürgerlichen Behörden geltend machen.
2. Die bayerische Abgeordnetenkammer und das Edict von
Tegernsee. Die bayerische Abgeordnetenkammer bcrieth am 7. März 1882 den
von der gesammten Rechten vereinbarten Antrag, die Bitte an den König zu
richten, »derselbe möge anzuordnen geruhen, dass bei Auslegung und Anwendung
aller derjenigen Bestimmungen der zweiten Verfassungs-Beilage, welche sich auf
die Verhältnisse der katholischen Kirche und ihrer Angehörigen beziehen, die
Erklärung weiland Sr. Majestät des Königs Max Joseph f. d. d. Tegernsee,
15. September 1821, der Staatsregierung als Richtschnur zu dienen habe.«
Am 8. März nahm die Kammer mit 80 gegen 71 Stimmen (worunter auch die
des Ministers Lutz) den Antrag an.
3. Die Aufhebung der Civilehe wurde von der bayerischen Kammer
im November 1881 beschlossen, vom Reichsrathe aber am 22. December 1881
verworfen.
4. Die Aufhebung der Simultanschulen in Bayern bezw. der Mi-
nisterialverordnung vom 29. Aug. 1873 betr. die Errichtung von Volksschulen und
die Bildung von Scnulsprengeln war in der bayerischen Abgeordnetenkammer nach
dem Anträge Hafenbrädels beschlossen, der bayerische Reichsrath nahm dagegen
am 24. Januar 1882 den Antrag des protestantischen Obereonsistorialpräsidenten
von Maier an, welcher eine Revision der genannten Verordnung nach der Seite
hin bezweckt, dass Simultanschulen nur in Nothfällen und unter vielfachen er-
schwerenden Bedingungen errichtet werden können. Der protestantische con-
servative Abgeordnete Luthardt brachte darauf in der Kammer der Abgeord-
neten einen Antrag ein, welcher mit einigen Abänderungen des Antrages Maier
dahin zielte, diesem eine gesetzliche Form zu geben, damit er der mit Gesetzes-
kraft bekleideten Verordnung vom Jahre 1817, die das Volksschulwesen regelt,
ebenbürtig gegenüberstehe, um auf diese Weise die Verordnung vom J. 1873
zu beseitigen. Der Antrag wurde am 4. Februar 1882 angenommen. Der Re-
ferent der Reichsrathskammer über die Simultanschulfrage, Herr Bischof v. Dinkel,
brachte sodann einen neuen Antrag ein, der sich im Principe mit dem des
Abg. Luthardt deckt. Hiernach solle an die Krone die Bitte gerichtet wer-
den, im Landtagsabschied mit Gesetzeskraft auszusprechen : »1. Die Volksschule
ist Confessionsschule. 2. Die Bildung der Schulsprengel hat mit möglichstem
Anschluss an den Pfarrverband zu erfolgen. 3. Ausnahmsweise dürfen in einer
paritätischen Gemeinde die Kinder der beiderlei Confessionen einer gemein-
352
Leber Veritu/ a Lehrbuch des Kirchenrechts, 2. Aufl.
sehaftlichen Schule nur insofern und anf solange zugewiesen werden, als die
Schülerzahl der confessionellen Minderheit keine Berechtigung gibt, die Er-
richtung einer eigenen Coufessionsschule ans gemeindlichen Mitteln zu bean-
spruchen. 4. Jedoch sind — unbeschadet der gesetzlichen l'mlagepflicht und
vorbehaltlich förmlicher Umschulung — die Bewohner einer Gemeinde, in wel-
cher eine Schule ihrer Confession nicht besteht, ebenso zur Benutzung einer
benachbarten Schule ihrer Confession berechtigt, sofern nicht die Schulraum-
verhältnisse absolut hindernd im Wege stehen, wie auch zttr einstweiligen Er-
richtung einer eigenen Confessionsschhle aus eigenen Mitteln. 5. Für di£ Pfali
sind ausserdem die Bestimmungen des Landtagsabschiedes vom. ft März 187&
Abschnitt VII, Ziff. tl. massgebend. Am 9. März 1882 hat der JBeichsrath diesen
Antrag sowie den Beschluss des Abgeordnetenhauses verworfen und Semen eigenen
früheren Beschluss feutgehafteu. ( Die Verordn, v. 1873 s. Archiv Bd. 30. S. ,460 L)
5 Vering's Lehrbuch des katholischen, orientalischen und protestanti-
schen Kirchenrechts, zweite Auflage, wurde von der Liter. Rundschau . der
Linzer theolog.-prakt. Quartalschrift, dem Wiener Diöcesanblatt, dein Liter. Hand-
weiser, dem Londoner Literary Cieular, dem Krakauer Czas. der Berliner Ger-
mauia. dem Grazer Vblksblatt, der Kölnischen Volkszeitung, der Elsässer Union
und dem Salzburger Kircheublatt sehr freundlich begrüsst. Herr Prof, Fried-
berc/ zu Leipzig erklärte im Zarmke's Liter. Centralblatt den gesammteh In-
halt des Werkes für verkehrt und unrichtig. Freilich von jemanden , der wie
Friedberg das ganze katholische Kirchenrecht Umstürzen möchte, kann das
Urtheil nicht anders lauten. Wir danken demselben übrigen^ für die Be-
richtigung zu S. 931 , dass die Princcssin Beauffremont sieb nicht n Belgien,
sondern in Altenburg naturalisiren liess, und dass es sich nicht um die Gütig-
keit der von derselben darauf eingegangeneu Civilehe nach französisebertt, son-
dern nach prenssisch-deutschem Rechte handelte. Wir hatten, im Archiv, Bd. 37.
S. 217 diesen Process richtig referirt, aber später Bd. 41. S. 35 , eine nnrfch-
tige Darstellung eines Mitarbeiters des Archivs aufgenommen, und aus einem
lapsus calami in unserem Lehrbuch die falsche Angabe der Verweisung auf
unsere eigene frühere richtige Darstellung nachträglich beigefügt. Was Prof.
Friedberg sonst als Unrichtigkeiten unseres Lehrbuches namentlich bezeichnt*,
sind lauter Dinge, wo er entweder uns vielleicht absichtlich missversteht, oder
wir dieselbe Meinung vertreten, die schon vor uns andere bewährte Autoren
aussprachen. So sollen die wörtlich aus Stölzels Schrift über den Process
Bibesco-Beauffremont entnommenen Conclusiomen demselben fälschlich Unter-
geschoben sein. Wir dachten beim Liber sextus an die darin nicht aufgenom-
menen, noch praktischen Decrelalen seit Gregor IX.. deren Geltung Bon Rate VIII.
vorbehielt; während Friedberg uns die Geltung aller am Liber sextus nicht, te-
cipirten Decretaleu seit Gregor XX. reserviren lässt. Wir haben nicht ge-
sagt, dass in der römischen offic. Ausgabe des corpus jur. ean. von 1583 die
Verbesserungen der Correctores Romani, die sich allerdings nur auf- das Decr.
Gratiani also aber doch auf das Corpus jur. can. beziehen mit dem Zusatz Corr.
Rom. bezeichnet seien : wir wollten nur den Zusatz Corf. Rom. frt den Aus-
gaben von Böhmer, Richter und Friedberg selbst bei den betreffenden. Stellen
erklären. Dass Gratian selbst den Namen Discordantium canonum concordia
seinem Decretum nicht gegeben habe, behauptete Phillips, die Zahl dtr Paleae
nahm vor uns Maassen auf etwa 149 an, die Auslegung von eap. ‘2. Extr. com. V, ‘7, be-
züglich der Bulle Unam sanctam, die wir vertreten, ist die längst von Walter so ver-
tretene. Den eigentlichen Beginn des Investiturstreites verlegten Wir mit Phil-
lips schon ins 9. Jahrhundert, wahrend Walter ihn wenigstens vom 10, -Jahr-
hundert an datirt. Friedberg ihn aber vom 11. Jahrhundert annimmt, wo er
erst besonders acut wurde. Bei dem .Standpunkte, den Friedberg einUirtitnf,
konnte und kann uns dessen absprechendes Unheil nur als kräftige Empfehlung
des Werkes erscheinen und danken wir daher demselben bestens für seine Re-
cension, ebenso wie den freundlichen Stimmen, die sich über unser Werk vor-
nehmen Hessen. Noch mehr aber danken wir unserem heiligen Vater Papst
Leo XIII. für das anerkennende Schreiben, welches er, nachdem Sc. Ein. Card.
Hergenröther Sr. Heiligkeit ein Exemplar zu überreichen die GiUcTjatpe,' unter
dem 16. Januar 1882, dem Verfasser zugehen liess.
353
XXIX.
Die Baupflichtsfrage bei den organisirten Pfarreien in Bayern
mit besonderer Rücksicht auf die Hand- und Spannd ienstlc i slu ng
der Pfarrgemcinden nach bayerischem Landrechte.
Ein Beitrag zur Lösung der Streitfrage von Dr. J. E. üiendorfer, Professor
des Kirchenrechts am K. Lyceum in Passau.
Vorbemerkung.
Die Frage nach dem primären Träger der Baulast bei den so-
genannten organisirten Pfarreien in Bayern sowie nach dem Um-
fange dieser Baulast beunruhigt seit nahezu einem Decennium in
besonderer Weise die Gemüther des Klerus sowohl, wie jene der Mit-
glieder der Pfarrgemeinden. Zwar ist diese Frage noch nie so recht
zur Ruhe gekommen, so dass schon Anfangs der vierziger Jahre »ein
organisirter Pfarrer« schreiben konnte: »Ich vermuthe fast, dass
eine Art Rechtslosigkeit auf kirchlichem Boden zu wuchern anfange,
so dass es Noth thut, die fremdartige Pflanze auszurotteu und vom
heiligen Boden zu entfernen l ).« Auch der sonst so milde gesinnte
und milde urtheilende Kirchenrechtslehrer Permaneder konnte Mitte -
dev fünfziger Jahre nicht umhin, das blosse fortwährende Schwanken
der k. b. Staatsbehörden hinsichtlich der »Ausscheidung der grossen
und kleinen Baufälle bei vormaligen Stifts- und Klosterkirchen und
den dazu gehörigen Pfarr- und Beneficialgebäuden , au welchen in
Folge der Säcularisation alle grösseren Baufall Wendungen von dem
k. Staatsärar getragen werden*),« mit den in dem Munde eines
solchen Mannes doppelt schwer wiegenden Worten zu beklagen: »Ein
solches Schwanken der Verordnungen in einem Pflichtverhältnisse,
in welchem das k. Aerar als Partei erscheint, schwächt offenbar das
Vertrauen in die Gerechtigkeit der Staatsregierung .« Permaneder
bezeichnet es hierauf »als dringendes Bedürfniss , dass bei säculari-
sirten Stifts- und Klosterpfarreien die Ausscheidung der dem k. Aerar
und der dem Pfründebesitzer obliegenden Banfälle endlich eine defi-
nitive, auf rechtlicher und billiger Grundlage fussende Bereinigung
1) Die organisirten Pfarreien vom Standpunkte des Rechtes aus be-
sprochen von einem organisirten Pfarrer. Regcusburg bei Mauz 1841, S. 11.
2) Die kirchliche Baulast. 2. Aufl. München, Verlag der Lentner’ sehen
Buchhandlung (nunmehr E. Stahl), 1856, S. 127.
Archiv für Kirchenrecht. XLV1L 23
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334 IHtndorfer. Po Ir rmuttp flieht »f rage bei den org. Pfarreien in
finde.« Statt diese definitive Bereinigung vorzunehraen, wurde im
Laufe der siebziger Jahre Seitens der Vertreter des k. Staatsärars
das Rechts- und Pflichtverhältniss selbst in ein dem Fiscus günsti-
geres umzugestalten versucht. Welche Motive hiebei massgebend,
welche Triebfedern thätig und insbesonders ob wirklich, wie eine an
mich gelangte briefliche Mittheilung lautet , »es nur einige junge
Heisssporne seien, welche diesen Streit hervorriefen;* dies zu unter-
suchen kann hier nicht meine Aufgabe sein. Da der Versuch, die
durch das Verhalten des k. Fiscus brennend gewordene Streitfrage
auf parlamentarischem Wege zum Austrag zu bringen *), wenn auch
vielleicht nicht fruchtlos, doch nicht ganz den erwünschten Erfolg
hatte, ein weiteres Verfolgen derselben aber auf dem erwähnten Wege
aus mehrfachen Gründen nicht räthlicb erschien, so,, entschloss ich
mich um so lieber, auf wissenschaftlichem Wege einen indirecten
Beitrag zur Lösung der theil weise noch soll webenden Frage zu liefern,
als ich hiezu von mehreren Seiten aufgefordert wurde.
Bei Ausarbeitung meiner Abhandlung leitete mich einzig und
allein das Bestreben, das objedive Recht auf finden und fcststcllen s»
helfen. Lediglich ein Beitrag zur Lösung der zur Zeit noch obsch we-
benden Streitfrage sollen übrigens diese Zeilen sein. .
Ob dieser Beitrag gelungen ist, möge die gütige Nachsicht der
Leser entscheiden. Da ich diese für die Kirche und die PfarrgB-
meinden in Bayern so wichtige Frage auch in Zukunft im Auge be-
halten werde, so bitteich, mir allenfallsige Mittheilungen zur Lösung
derselben , insbesonders aber glaubbare Documeirte etc. gegen; Ver-
gütung der etwaigen Auslagen zuzusenden, damit ich dieselben bei
der mir durch die Lentnor’sche Verlagsliandlung übertragenen .(Um-
arbeitung des Werkes von Pormaneder über die kirchliche: liati last
entsprechend verwerihen könne. ; i ;n.
Baisau, den 12. Mürz 1882. • H iöli;
Der Verfasset K ' hl>
— ci — u — .1:. i: u . i ) \ : £ Kn!;,!., iiii uvl-uiv
1) Ein Im Namen mehrerer Inhaber organisirter Pfarreien mir sngekotn*-
mener Iirief ersuchte mich unter Anführung verschiedener Beweggründe, diesen
Versuch zu machen. Ein bezeichnender Passus lautet: »Es scheint, dass diese
Vojntioncn hinsichtlich der Banpilicht nicht mehr anders beseitigt werden
kennen, als durch eine energische Interpellation in der Kammer-« • ;
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tfiendorfer, Patronaispflichtsfragebeidenorg. Pfarreienin Payern. 355
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Erster Abschnitt.
-!j- i.: - . 1 2 3 -
Kurzer Rückblick auf den Verlauf der Controverse und dermaliger
i,- i Stand derselben.
§. 1. Verfahren der k. b. Staatsbehörden.
Die Säcularisation zu Anfang unseres Jahrhunderts hat der
L Staatskasse ein Vermögen von 200 Millionen Gulden eingetragen >),
allerdings mit der durch §.35. des Reichsdeputations- Hauptschlusses
vom 25. Februar 1803 auferlegton Verpflichtung, hieraus das »zum
Behufe des Aufwandes für den Gottesdienst , Unterricht und andere
gemeinnützige Anstalten« Erforderliche zu leisten.
Diese Verpflichtung schloss insbesondere in sich, den Bauauf-
wand für die ehemaligen Klosterkirchen, sowie für die ehemaligen
Klöstern incorporirten Pfarr- und Filialkirchen und für die zu diesen
gehörigen Pfründegebäude primär aus der Staatskasse zu bestreiten.
Hiedurch fiel bei diesen sogenannten organisirten Pfarreien die beim
Tode oder etwaigen Weggang eines Pfründebesitzers in den alt-
bayerischen Provinzen sonst nothwendige Baufallschätzung sammt
den damit nur zu oft verbundenen Verdriesslicbkeiten und unange-
nehmen Folgen von selbst weg. Da überdies mit den Pfarrpfründen
dieser Art eine Oeconomie überhaupt nicht oder nur eine kleine von
20—30 Tagwerk verbunden war, und die sonstige Besoldung in
Baarem aus der Staatskasse floss, so boten dieselben im Vergleich
mit den übrigen Pfarrpfründen manche Annehmlichkeiten, und wur-
den desshalb besonders von älteren geistlichen Herren mit Vorliebe
gesucht 4 ), so lange die b. Staatsregierung der ihr in Folge der Sä-
cularisation auferlegten Verpflichtung hinsichtlich der Baulast in
loyaler Weise nachkam. Diess geschah auch bis zu Anfang der
siebziger Jahre. Die erledigten Pfarrpfründen organisirter Pfarreien
wurden bis dahin stets zur Bewerbung ausgeschrieben mit der ein-
fachen und unzweideutigen Constatirung , dass »die Baulast dem
Staatsärar obliege *).«
1) Vgl. Permuneder, Die kirchliche Baulast. 2. Auf!. §. 33. Anm. 3. S. 87.
2) Vgl. die Schrift: Die organisirten Pfarreien vom Standpunkte des
Rechtes aus besprochen von einem organisirten Pfarrer. Regensburg 1841.
Manz S. 9 auch sonst; leider bietet diese Schrift nicht, was ihr Titel ver-
spricht, enthält jedoch manche treffliche Gedanken, die freilich mit der Rechts-
frage häufig nichts zu thun haben.
3) Vgl. Kreisamtsblatt, für Niederbayern vom Jahre 1867 Nr. 91, wo
23*
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356 Dirn d or fer, Pn/ronatspflichtsfrarje bei den org. Pfarreien in
Seit Anfang der siebziger Jahre geschieht diese Ausschreibung
constant mit den Worten: »Die Baulast hat bisher das k. Staats-
' i ’ I 'j ■ ‘ ’ f i ' - ' ' 1 ; ■ * 1 x !
ärar getragen,« eine Formel, die unzweideutig auf eine nunmehrige
Bestreitung der bislang anerkannten Rechtspflicht seitens der nnass«
gebenden Behörden schliessen lässt. Diese Frontveränderung der
k. b. Staatsregierung hinsichtlich der Rechtsanschauung blieb einige
Zeit unbeachtet. Erstmals mehrere Pfarrer zunächst in der Oberpfalz
unmittelbar nach dem Antritt einer organisirten Pfarrei sich vor die
Alternative gestellt sahen, entweder die Ansprüche der k. b. Fiscal-
behörden sich gefallen und dadurch die Rechte der Kirche heein-
° I [ . .
trächtigen zu lassen oder einen Rechtsstreit mit dem k. b. Staatsärar
zu beginnen, wurde man in weiteren Kreisen darauf aufmerksam.
Die Herren Abgeordneten Russwurm und Walter beschwerten sich
vergebens in der öffentlichen Sitzung der bayer. Abgeordnetenkam-
mer vom 17. Juli 1876 über die nunmehrige, eine nahezu siebzig-
jährige bewährte Praxis verleugnende, Behandlung der kirchlichen
Pfründen. Die Bestreitung der ärarialischen Baupflicht schlug ihre
Wellen auch in den Kreis Niederbayern, in dessen gesegneten Gauen
eine bedeutende Anzahl von Klöstern bestanden hatte, und wo daher
auch eine grosse Anzahl von organisirten Pfarreien zu finden ist.
In der einzigen Diöcese Passau sind unter den 148 wirklichen Pfar-
reien 45 organisirte nebst einer organisirten Schulcuratie.
Es sind folgende organisirte, ehemalige Klosterpfarreien in der
Diöcese Passau :
1. Aidenbach, org. Pfarrei vom Chorherrn-Stifte St. Nikolab. Pass.
„ Cisterz.-Kloster Aldersbach.
2. Aldersbach,
3. Altötting,
0. B.
r :
4. Asbach,
5. Auerbach , „
6. Beutelsbach , „
7. Burgkirchen a.d. Alz „ 0. B.
8. Dom meist adol, „
0. Egglham, „
10. Ering , „
11. Frauenau, „
12. Fürstenzell, „
13. Grafenau, „
14. Haarbach, „
15. Halsbach, „ 0. B.
n '
Collegialstifte daselbst.
Benedict.-Kloster daselbst,
do. Niederalteich,
Cisterz.-Kloster Fürstenzell.
do. Raitenhaslach.
Benedict.-Kloster Vormbacb.
Cisterz.-Kloster Aldersbach.
Benedict.-Kloster Asbach.
do. Niederalteich.
Cisterz.-Kloster daselbst.
■
Benedict.-Klostor Niederalteich.
Prämonstr.-Kloster St. Salvator,
Cisterz.-Kloster Raitenhaslach.
hinsichtlich der l’farrei Vormbacb blos bemerkt ist: »Die Baulast obliegt dem
Staatsärar.«
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VieMorfer “Patronats]) flichtsfray e beidenöry. Pfamienin Bayern. 357
16. Haftkirfehen, ofgan. Pfarrei vom Chorherrn-Stifte St. Nikola b
17. Haunersdorf, * ‘ Cisterz.-Klostcr Fürstenzell,
i 81 Hiräclihot-n , ‘ „ Collegial-Stifte Altötting.
19. Höhenstadt , „ Cisterz.-Kloster Fürstenzell.
20. Kastl, '■"*!* „ 0. B. Collegial-Stifte Altötting.
21. Kirchdorf i. W., ,, Benedict. -Kloster Niederalteicli.
P.
.1 J
” 0. B.
^."iKOsslarii,'"
23.
24. Längdort , »
2o. Mitticü;* vl) " ‘ !
26. MÄnchham, „
ti, Netfliblen; (j ; : ’ „
28. Neukirchen ä. J., „
29. Niederalteich',
30. Osterhofen ,
31. Oswald St,
32: Pöcking,
33. Raitenhäslach ,
34. Binchnach, „
35. Rotthalmünster, „
36. Rohstoff, „
37. Schönau, „
38. Schwarzacli, „
39. Sulzbach,. „
40. Unterneukirchen „ 0. B.
41. Uttlau , „
4?. Vilshofen, „
43. ( Vormbach, „
44. Schulcuratie St. Salvator
45. Stadtpfarrei St. Severin in Innstadt-Passau , ehemalige Dotn-
capitel’sche Pfarrei.
Mit einem Schlage sahen sich mehrere Inhaber organisirter
Pfarrpfrüuden in einen Rechtsstreit mit dem k. Fiscus über die Bau-
last, verwickelt, die übrigen von einem solchen bedroht. Das k. Staats-
ärar stellte bis zum Austrag der anhängigen oder zu erwartenden
Processe seine Zahlungen ein, unbedingt nothwendige und dringliche
Reparaturen an den Pfarrhofgebäudeu oder Kirchen organisirter Pfar-
reien unterblieben , ja selbst Rechnungen für bereits auf Anordnung
der k. Baubehörden an solchen Gebäuden ausgeführte Arbeiten blieben
über Jahr und Tag ohne Bezahlung 1 ).
1) So zwei Rechnungen zu 37 Mk. 50 Pfg. und zu 17 Mk. 45 Pfg.
Cisterz.-Kloster Aldersbach.
Benedict.- Kloster Niederalteich.
do. do.
Chorherrn-Stifte S. Nikola b. P.
Benedict.- Kloster Asbaeh.
Cisterz.-Kloster Aldersbach.
Benedict.-Kloster Vormbach.
do. daselbst.
Churfürstl. Damenstift daselbst.
Beuedict.-KIoster Niederalteich.
Chorherrn-Stifte St. Nikola b. P.
Cisterz.-Kloster daselbst.
Benedict.-Kloster Niederalteicli.
Cisterz.-Kloster Aldersbach.
Benedict.-Kloster Vormbach.
Cisterz.-Kloster Aldersbach.
Benedict.-Kloster Niederalteicli.
do. Vormbach.
Collegial-Stifte Altötting.
Prämonstr.-Kloster St. Salvator.
Collegial-Stifte daselbst.
Benedict.-Kloster daselbst.
Prämonstr.-Kloster St. Salvator.
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358 Diendorfer, Palrotialspßichtn frage bei den org.
Wie die Streitfrage selbst von der höchsten Finanzstelle des
Landes, vorn k. Staatsministerium der Finanzen aufgefasst wurde,
dafür mag als Beleg gelten die Entschliessung dieses Ministeriums
vom 31. März 1879 Nr. 4767, ergangen an die k. Kreisregierung von
Niederbayern, und von dieser durch Entschliessung vom 16. April 1879
mitgetheilt an das k. Bezirksamt Passau behufs Insinuirung an das
Pfarramt und an die Pfarrgemeinde Vormbach. In dieser Entschlies-
sung wird »die primäre und ausschliessende subsidiäre BaupfHcht
des! k. Aerars bei den Pfarrgebäuden zu Vormbach abgelebnt und
darauf beharrt, dass an diesen gleichwie an der Pfarrkirche zu
Vormbach lediglich die nach dem Zehentbezuge (also nicht »in Folge
der Säcularisation«) im Pfarrsprengel sich bemessende secundare
Baupflicht obliege, während die Hand- und Spanndienste bei Baufall-
wendungen an sämtntlichen Cultusgebäuden zu Vormbach unentgelt-
lich von der Pfarrgemeinde zu leisten sind.« ■ , n
Diese Rechtsanschauung , so bedrohlich auch dieselbe für den
Rechts- und Besitzstand der kathol. Kirche in Bayern sich darstellt,
konnte man bei den Finanzbehörden, denen die Wahrung der
finanziellen Interessen des Staates znkömmt, noch erklärbar und
einigermassen entschuldbar finden. Bedenklicher musste erscheinen,
dass auch die staatlichen Obereuratelbehörden, denen in Bayern der
Schutz und die Wahrung der Interessen der kirchlichen Stiftungen
gesetzmässig obliegt, diese Anschauung zu der ihrigen machten, wie
aus verschiedenen Provisionalerkenntnisseu der k. Regierung von
Niederbayeru ersehen werden kann *).
' • i . ...■
§. 2. Reagirung gegen dasselbe.
Diesem Vorgehen der k. Staatsbehörden gegenüber, welchem
ein bestimmter Plan zn Grunde zu liegen schien, beschränkten sich
die kirchlichen Oberbehörden auf einzelne Weisungen, die sie an
Pfarrvorstände , welche sich nicht mehr zu helfen wussten, hinaus-
gehen Hessen , sowie auf die Hinausgabe von beglaubigten Ab-
schriften einzelner in den Ordinariatsarchiven befindlichen Akten-
stücke, die allerdings hie und da für die Beweisführung von Belang
für Hafner- and Schlosserarbeiten ausgeführt bei den Pfarrhofgebäuden zu
Hartkirchen a. J.
1) Vgl. Nr. 9968 vom 25. Juni 1878 Provisional.-Erk. der Regg. von
Ndb. die Baupflicht bei den Pfarröconomiegebäuden in Münchham Bezirksamt
Pfarrkirchen betreffend, ebenso Provisional-Erk. derselben Kreisregierang vom
21. Januar 1879 Nr. 27139 Baupflicht an den Pfarrgebäuden in Ering, Be-
zirksamts, Pfarrkirchen betreffend.
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IHendurfer, PatromUayflichtsfrayfibei den qrg. Pfarreien,!» Bayern. 359
seia konnten. : Int Uebrigen waren die Pfarrer auf ihre eigenen
jirristischen. Kenntnisse, sowie auf jene der Rechtsanwälte ange-
wiesen, die von ihnen mit der Führung der Processe waren betraut
nwotde»i>;gf« e iu-;d a .“.»Ti-
*•"•<31 Da die k. Fiscalbeamten. jn feiuer Berechnung die Pfrüude-
»ncU Kirchenstiftungen möglichst in die Rolle des Klägers hineiuzu-
dtfängen lachten, damit dem Staatsärar die günstigere Stellung des
tagten verbleibe, so war man in den Kreisen des Klerus ihit
Recht besorgt, es möchte dem k. Fiscus, sei es durch irgend ein
i'Ueberseheu , oder durch voreilige Einlassung des Gegnern auf einen
.Vergleich, den man seitens des Fiscus gerne anböt, oder auch durch
Nichtedition von in k. Archiven befindlichen Urkunden u. s. w. , in
- mehr als einem Falle gelingen, die primäre Baulast von sich abzu-
wälzen und dadurch allein schon eine feste llamllw.be zu gewinnen,
um (worauf es besonders abgesehen schien) die Hand- wid Spann-
dienste bei sämmtlichen CtiUusbaulen den Pfarrgemeinden aufhalsen
zn' können. . v
1 Diese Befürchtung mag wohl mit Veranlassung gegeben haben
zu der eingehenden nnd gründlichen Erörterung über die strittige
Rechtsfrage, welche unter dem Motto: »Ex ore tuo te judico« einer
der tüchtigsten Kenner des bayerischen Verwaltungs- und Staats-
kireheureebtes im Archiv (Bd. 39. Jabrg. 1878 Heft 2. S. 215—264)
niederlegt hat 1 ). ; . ,
c Auf diese gestützt und von mehreren 1 Seiten mündlich und
schriftlich hiezu aufgefordert, stellte ich, damals Mitglied der bayeri-
schen Abgeordnetenkammer, in der öffentlichen Sitzung dieser vom
4. August 1879 eine wohlmotivirte (vom 31. Juli datirte) Interpel-
lation über die vorwürfige Angelegenheit an das k. Staatsministerium
für Kirchen- und Schulangelegenheiten als »oberste Curatelstelle«
über das Kirchen vermögen des Landes 2 ).
Die unterm 6. August desselben Jahres von Seite Sr. ExceUenz
des Herrn Staatsministers Dr. v. Lutz erfolgte Beantwortung dieser
Interpellation 3 ) war allerdings nicht geeignet, eine Klarstellung der
1) Wir können nur lebhaft bedauern, dass der Herr Verfasser seinen
Namen nicht nennen will. •
2) Abgedruckt im Archiv für katholisches Kirchenrecht. Jahrg. 1880
Bd. 43. 8. 68 ff. Vgl. auch Stenogr. Bericht. Jahrg. 1879. Bd. III. S. 713.
3) Abgedruckt im Archiv a. a. 0. S. 75 ff und beleuchtet von Dr. Hein-
rich Trentfurt, ein Pseudonamen des Verfassers der soeben citirten Abhand-
lung. Stenogr. Bericht. Jahrg. 1879 a. a. 0. S. 757.
■oogk
Digiti:
360 Diendorftr, Patron utsp{licht»f rage bei den org. Pfarreien in Bayer*.
durch die eigenthüralichen Beweisführungen der ki> Eisealbehflrden >)
in neuerer Z«ib so sehrrvferdunkelten Kechtafrage herbeizuführen.'iH
:•/ Anoh eine i Einflussnahme Von ObercuratelWegen awf das, auf
eine veränderte Bdchtssprechung sich stützende, Verfahren ddrk.
Fin&nzstellen, wurde, soweit sie nicht schon bisher geübt worden war,
in ) Allgemeinen > äbgeloh n t *); .'S I 7’J 1 7 t’T'-f uunsl .IS tuov :>h/o>
In efUenrnieht, unwesentlichen Punkte jedoch adoptirte die Ite*
antwortung der Interpellation vollständig die Aufstellung derselbe«
dahini gehend, dass im Geltungsgebiete des bayerischen Landrechtes
überall da?- wo "die fabriica ecclesiae von dem beneficium eoelesiasfci-
emn ausgeschiedeB ist, abgesehen vOn isingulären Rechtsverhält-
nissen üdie J primäre -BanpfllCht an Pfarr- , und Beneficialgebäudeu
gesetzni&ssig nicht auf dem eigentlichen i Kirchenstiftungsvermögen ,
sohdern auf der Pfrändestiftung hafte®).« Wenn auch dieses iZugei-
ständniss mit fiücksieht auf die Bestimmungen des bayerischen Land-
rechtes eigentlich selbstverständlich ist,^so ist dasselbe dech inswr-
ferne nicht. ohne Bodeutung, als es zu der Hoffnung berechtigt, das
k. Staatsministerium für Kirchen- und Schulangelegenheiten werde
in Zukunft zufolge seiner obersten Curatelaufgabe nicht unterlasse«,
die untergeordneten Curatelstellen aüztiweisea , bei ! dett PMndege-
bäuden sogenannter orgauisirter Pfarreien im Geltungsbereiche des
bayerischen Landrechtes überall iu ihren Pro visional- Entscheiden so-
fort auf i rprimilre Baupflkht des k. Staatsärars« zu erkennen: und •
es um so mehr den . Vertretern des k* Fiscus zu überlassen, »singt»*
läre Rechtsverhältnisse« oachzuweiseo, als diesen Pfarrpfründen neben
der praesumptio juris auch ein mehr als siebzigjähriger, Besitzstand
zur Seite steht*, ein Verfahren, das um so mehr sollte eiagehalten
werden, als dadurch eine Menge sonst unvermeidlichen aud schliess-
lich doch nutzloser Processe vermieden würde, ; ;
„ .. . .Hi rt , ,-j noti;;, meo i - : ; " • ,<■; l iniv n i f
1) Näher charnkterigirt in meiner Interpellation. ,i ;,|| l |,„' •[ i - 3 ,
; i 2). Die Schwäche der Interpellations-Beantwortung namentlich in letzterer
Beziehung ist treffend und eingehend erörtert in der soebep angezogfigen, Be-
leuchtung von Dr. tfeinrich Trentfurt. In der Kammer der Abgeordneten
konnte ich diese Beantwortung, so wenig sie mich befriedigte, nicht kritisch
beleuchten , du eilte Debatte über eine Interpellation und deren Beantwortung
nach der Oeschäftsordmmg derb. Kammer nicht zulässig ist. Die Stellung einen
Antrags in/ dieser Angelegenheit aber, an dessen Verhandlung sich eine Debatte
geknüpft haben vyiirde, hielt ich bei den damaligen eigentümlichen Verhält-
nissen der patriotischen Fraction in der Kammer (2 Stimmenmehrheit’ u. s. w.)
nicht blos nicht für zwe6k mftssig, sondern für die Sache selbst unter Umständen
geradezu für gefährlich.: .' ' • Der Verfasser.
3) So die Intcrpellatiottsbeantwortuag wörtlich S. 758 a. a. 0. i >.
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Biendorf er, Pu tronu tgp flicht tf rage beiden ory. Pf arreien in Bayern. 361
{ irii ' Leider war dieser Rechtsstandpunkt ln verschiedenen Provisional-
Erkenntnissen seit 1870 niöht gewahrt worden. Ich verweise beispiels-
halber nor auf die Pro visional- Entscheide der k. Regierung von
Niederbayern, Kammer des Innern, vom 25. Juni 1878 Nr. 9968
.die Bahpflicht hei den Pfarrpfründegebäuden iu Münchhain betr.,
sowie vom 21. Januar 1879 Nr. 27139 in Betreff der Bauptiicht an
den Pfarrgebäuden zu Bring, beide im k. Bezirksamte Pfarrkirchen
gelegem hyrV->\vt. >it- yi.-ir»vll i .. .itiu-
- i Während im letzteren dieser Erkenntnisse allerdings »die aus-
scbliessende, aber immerhin nur secundäre Baupflicht des k. Staats-
ärare« und auch diese nur kraft »des Besitzstandes als nach gewiesen«
erklärt wird, lautet der massgebende Beschluss des ersteren wörtlich:
• i. ))■'•!, »I... Die Anerkennung der subsidiären Baupflicht Seitens des
k. Staatsärars an den Pfarröconomiegebäuden in Münchham bei In-
sufficienz der im Pfarrbezirke Münchham und Küm gdegenen
Kirchenstiftungen wird beurkundet und das k. Staatsärar für schuldig
erkannt; für den gegenwärtigen Baufall nach Massgabe der revidirten
Plähe und Kostenanschläge den Baaraufwand mit 11,000 M. zu
bestreiten j* w ' - ! r. »•., u..\ :>
:■ i i‘:»IL Die Pfarrgemeinde Münchham einschliesslich der Filial-
gemeinde Körn ist ^ vorbehaltlich der Austragung ihrer gegen-
teiligen Ansprüche gegen das k. Staatsärar vor Gericht -e- schuldig,
-die Hand- und Spanndienste zum Umbau der sub I. genannten Ge-
bäude uaeh Massgabe der Pläne und Kostenanschläge zu übernehmen,
wobei es ihr freisteht, diese Dienste wirklich abzuleisten oder den
GeldanscbJag derselben mit 3400 M. haar zn entrichten;«
■ Taxen und Stempeltaxen haben ausser Ansatz zu bleiben;
die iParteikosten werden compensiirt.«
Hienach wären also bei den Pfründegebäuden der sog. organi-
sirten Pfarreien die im Pfarrsprengel gelegenen Kirchenstiftungen
primär baupflichtig und nur bei Insufficienz derselben hätte, wie das
auch im letzteren Erkenntniss ausdrücklich ausgesprochen ist, das
k. Staatsärar einzu treten. Zwar wird in den Entscheid nngsgründen
des ersteren Erkenntnisses ganz richtig bemerkt: »Nach bayerischem
Landrechte, Anmerkungen hiezu, Thl. I. Cap. 7. §. 42. Ziff. 7. Nr. 9.
liegt die primäre Baulast au den Pfarrpfründegebäuden regelmässig .
dem Pfarrpfründenützniesser ob.« Dann heisst es: »Die Auslegung,
der angeführten Gesetzesstelle in diesem Sinne ist durch die Wissen-
schaft und die bisherige Praxis gerechtfertigt *).«
1) Hiebei wird verwiesen auf Permaneder, Kirchliche Baalast §§. 69
und 70; Blitter für administrative Praxis, Bd. 12, 8, 116.
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362 JHendorf er, Putronatip flieh/ s frage beiden ii ry, l'fa rr<
Statt nun hier d?n so nahaUegendpn U» ,Kü^ksich|;,(iuf
•die Iiikamerkdng des Vec«iögeus, der ,Kjpstie,r, dw./z^; diese« ^ge-
hörigen Pfarrpfrüadeu .^rr-wU eieingcpder, tfothweiifiigkpit, siel er-
gebendem Schluss auf die primäreBauptlicid des k. Staatsäl'.ars zu
;iWhW,»v %jt, eine«! .s^lto. -iiaort^le ejpe sseeundäre. Baupflicht«
ausfindig zu maebpn gesucht mit den Worte)) »Da jedoch’ id| gegen-
wärtigen Falle die Baupflicht /dea Apiars in, Anspruch genommen
jst, und auf die Baulast des Pfrundenutzniessers Von Iceiher Seite
reflectirt wird 1 ),- so kann hievon abgesehen weiden. 1 ,' Es .wird 1 sich
demnach um die Auffindung eines secundaren ' Bäupffichtiitels.
handeln a .).€
"* Jj '.'i > ui'» il»'
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nw ("j . 4r *'*'Siii;!i> W-zei'-l isiriH nspnfiön ->(f rt
::5d'ti;i’iRT i n ,iv- /■ ip>i: IdviJ! vt (i-w ( rroriorno 7
3. Das Ürtheil des obersten b. Gerichtshofes Vota 2. April 1880.
viho»'l rM.jfcjjt/M} u\ n f »!: , iffn?»*/H9i[o’(i/r ewi >il n
j,
ür.-We oben-, ausgesprochen« JioÄnuug,,; ,,das ..
ministerium werde die untergeordneten VerwaBungsstellen f ,a^,^ei^ep,
von nun an bei Baufällen an <Pfrüadegebäuden organisirtep Pfarreien
in allenfallsigen Provisional- Entscheiden sofort — falls nicht etwa
ganz singuläre, auf Vertrag, verjährtes Herkommen u. s, w. sieb
stützende Rechtsverhältnisse in Mitte lägen — auf primäre Bau-
pflicht des k. Staatsärars zu erkennen, dürfte um so mehr Sich Ver-
wirklichen , als in jüngster Zeit erst auch der oberste Gerichtshof
Bayerns, auf dessen seit mehreren Jahren von der früheren abwei-
chende Rechtsprechung Herr Dr. v. Lutz selbst das veränderte Ver-
fahren des k. Finanzärars — und hätte er beifügen können, der k.
Verwaltungsstellen — in seiner Interpellationsbeantwortung zurück-
führt, sich ganz und gar auf den Standpunkt stellt, Welchen ich in
meiner Interpellation zu vertreten die Ehre hatte. Es geschieht dies
in dem am 2. April 1880 in einem Rechtsstreite hinsichtlich der
Banlast an Pfründegebäuden einer organisirten Pfarrei gefällten Ür-
theil des erwähnten Gerichtshofes*). Da dieses ürtheil von ent-
scheidender Wichtigkeit und insbesondere geeignet ist, bei Pfründe-
gebäuden organisirter Pfarreien im Geltungsbereiche dee bayerischen
Landrechtes das fortwährende Heranziehen der Kirchenstiftungen als
angeblich primär baupflichtig — woraus dann die einfach »sectradäre«
• .i.'l ,'Ji .'1 .V ■ .1 iii if, ,i . i\,e jjfi.lfljJt
1} Warum wird und: kamt — • nicht darauf refleetirt Werden?! Eben
weil das Vermögen derselben nicht mehr intakt, sondern durch das bayer. Aerar
eingezogen, damit aber auch die primäre Baalast auf dasselbe übergegangen
ist. : Vgl. m. Interpellation Abs. 12: »Nach dem in den altbayerischen Pro-
vinzen u. s.w.«
C‘. < 1 2> S. 7. des litogr. Erkennt. Bring betr. ' "
3) Haüpt-Yeraeichnlss Nr. 5431. ii.J .; , t.y. mijUv.:
iKetid'orfer , Palronalspflichlsfrage bei denorg. Pfarreienin Bayern. 363
oder »ausschliessende subsidiär (letzteres streng genommen eine con-
tradictio in adjecto) sich von selbst ergäbe — für immer zu besei-
tigen, so glaube ich dasselbe der Hauptsache nach, soweit es eben
auf unsere Frage Bezug hat, mittheilen zu sollen. Es lautet:
»Nach bayer. Landrecht trifft das Kirehenstiftnugsvermögen
keine Baulast bezüglich des Pfarrpfrüdevermögens.« , !
Es war fraglich, ob der Fiscus zur Bestreitung der Haupt- und
Neubauten an den Pfarrgebäuden zu L. auch dann verpflichtet sei,
wenu die ifrrcAenstiftung daselbst die zur Wendung solcher Bau-
falle nöthigen Mittel besitze. Fiscus glaubte, es sei diese Frage zu
verneinen, weil es Rechtsregel sei, dass Pfarrgebäude zur Kirche ge-
hören, dass Baufälle an Kirchen- und Kirchengehäuden zunächst aus
örtlichem Kirchenvermögen zu bestreiten seieu, und diese Bestreitung
einem Dritten erst dann obliege, wenn das Örtliche Kirchenverraögen
die hiezu nöthigen Mittel nicht besitze.«
lieber jene Frage hat sich das oberste Landesgericht (für
Bayern) also ausgesprochen.
»Wenu auch nach gern, canon. Rechte das Kirchenvermögen
principialiter für die Baulast an den Wohn- und Oeconomiegebäuden
der Pfarrer in Anspruch zu nehmen ist, die Renten des allgemeinen
Kirchenvermögens die Baupflicht für Kirchen- und Pfarrbof-Repara-
turen principaliter trifft — Permancder , kirchl. Bist. §§. 31, 34 —
so ist dieses doch nicht nach dem hier anzuwendenden bayerischen
Rechte der Fall.
Zwar will der Pfarrhoi als ein accessorium der Kirche bezeich-
net werden ; allein die Anm. z. bayer. Landrechte Thl. I. c. 7. §. 42.
Nr. 7. »siebentens« führen unter den accessoriis ecclesiae nur den
Kirchhof und andere Zubehörungen, folglich auch den Kirchthurm,
soweit das Herkommen nicht Anderes mit sich bringt, auf, nicht
aber den Pfarrhof.
In den Anm. z. a. 0. unter »neuntens« heisst es freilich wei-
ter: Mit den Pfarrhöfen hat es regulariter fast die nämliche Be-
schaffenheit wie mit der Pfarrkirche selbst. Allein diese Gleich-
stellung bezieht sich wie im Landr. Thl. II. c. 10. Nr. 8. nur auf
die Concurrenz der subsidiär Baupflichtigen, wie sich daraus ergibt,
dass in den Anm. a. a. 0. sofort beigefügt wird, es wäre denn der
Pfarrer selbst im Stande, von den eigenen Einkünften seiner Pfarr
oder Pfründ die nöthigen Baureparaturen salva congrua wohl be-
streiten zu könuen, denn da kann er keine Concurrenz mehr von
Anderen prätendiren, sondern steht für den Riss ganz allein, und
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a
364 Diendorfer, Patronatspflichtsfraye bei den ury. Pfarreien (A Payern
Wenn bei des Pfarrers Tod Baufall igkeit am Pfarrhofe sich bezeigt
so wird an dessen Erbschaft abgezogen.«
-' , ' 1 Ist schon hieraus die principale Banpflicht des Plärrers zu ent-
nehmen* so ist dieSe deutlich in den Anni. z. Ldr. Thl. I. c. 7. §. 42!
Ntt 0 »achtens« ausgesprochen, worin es heisst: »Die Unterhaltung
des Pfarrhofes und der dazu gehörigen Güter zu Dorf und zu Feld
liegt dem Pfarrer und dem Beneficiaten selbst ob.« :
Hienaeh hat die primäre Baulast, wie die Pfarrkirchenstiftüng
au der Kirehe, so an den Pfarrgebäuden die Pfarrpfründestiftüng und
deren I^utZniesser der Pfarrer zu tragen. Dieses letztere ist auch
in dem Mandate vom 10. Dec. 176(i — Mayrs Gen.-Smlg. Ui
1087 ’— deutlich ausgesprochen, wenn es dort heisst: »Gleichwie es
bei den Pfarrhofgebäudeu auf die concurrentiam decimatornm de
jure erst alsdann ankommt, wenn die Pfarrrevenuen nicht mehr als
congruam ertragen, folglich zum Baue nicht mehr hinlänglich sind,
so ist der Pfarrer dahin zu instruiren, dass er den Bau, wen» er
mehr als congruam hat, gleichwohl von den Pfärreiukunften zu be-
streiten, sohin die beuöthigten Kosten entweder ex propriis oder mit-
tels eines Darlehens cum onere et obligatione successorum beizu-
schaffen trachte.« Hieran wurde auch durch das Mandat v. 4. Oct.
1770 ( Kreittmayr's Gen.-Smlg. S. 493) nichts geändert, indem dort
bezüglich der Pfarrhöfe nur in der Regel IT. Abs. 8'. statuirt wird:
»Endlich sollen zu einem Gottes- oder Pfarrhotbau auch die Zehenten
concurriren.« v. ■- •• • . , ■
Dass die primäre Baupflicht an den PfaTrgebäuden nicht von
der Pfarrkirche , sondern von dem Pfarrer zu bestreiten ist , ergibt
sich auch aus der Instruction für den churfürstl. geistlichen Rath
vom 25. April 1783 — Mayr's Gen.-Smlg. II. 1154 — , worin zu-
nächst bezüglich der Baureparaturen und Neubauten auf den Pfarrer
und dann auf die Decimatoren hingewiesen und sub H. b weiter Vür-
geschrieben wird: »Unverzinsliche Kirchenanlehen für Pfarrhöfe haben
nicht statt, auch die verzinslichen dürfen' nur gegen hinlängliche
Realkaution verwilligt werden.«
Wenn der Kirohenstittung die Baulast an den Pfarrhöfen ob-
läge, dann könnte von Kirchenanlehen hiezu nicht wohl gesprochen
und unverzinsliche könnten nicht ausdrücklich verboten 1 11 werden.
Hiemit im Einklänge steht auch die schon im älteren buyer, Rechte
— Anm. z. Bdr. Thl. I. c. 7. §. 42. Note 2 . — und im neueren
Rechte — Rev. Gern. Ed. v. 1834 §. 59. Abs. 3. u. §. 94. Abs. 5
sowie in der neuen Gem.-O. von 1869 Art. 206. Nr. 3. geschiedene
Verwaltung des Kirchenvermögens einerseits und des Pfarrpfründe-
tiiendorfer, Patronatspflicht sfratje bei denorg, Pfarreienin Bayern. 365
Vermögens andererseits , und die V. 0. vom 18. März 1805, worin
die Vorsteher und Verwalter der Kirchen, Hospitäler und Almpsen-
äpiter bezüglich des ihnen unterstellten Vermögens den Pfarrern be-
züglich der Pfarrhöfe und den dazu gehörigen Gebäude gegenüber-
gestellt sind, und statuirt wird, dass, wie die Kirchen an den Gütern
ihrer Vorsteher und Verwalter sich gemäss cod. jmR.c. 20. § K * 7. der
VI. Classe im Concurse ?u erfreuen haben, so .auch die Bauteile der
Pfarrhöfe und dazu gehörigen Oeconomiegebäude in den Concursen
Qher das. Vermögen der .Pfarrer in die VI. Classe logirt werden
sollen.« Hierin ist zugleich wieder ein Beleg für die Baupflicht der
Pfarrer an den Pfriirydegebäuden enthalten; . , ,
Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen sind fjie Pfarrkirchen*
Stiftungen als solche nicht verpflichtet , die Baulast an den Pfarr-
höten zu tragen , gleichviel ob die Pfarrkirche nach Erfüllung der
Stiftungsauecke das hiezu erforderliche Vermögen noch besitzt oder
nicht. Permaneder , kirchl. Baulast, §§.69, 96 Note 4 und §. 102;
Br endet, K. R„ §. 439; Permaneder, K. B., §§. 785, 8Q3. Urtheil
vom 2. April 1880 H. V. Nr. 5431.« (Aus »Blätter für, Rech t$an-
wendung« zunächst in Bayern von Dr. J. A. Seuffej-t, Jabrg. 45.
Üfiy.16 vom 31. Juli 1880 S. 251 ff.). , . . lt , , 7 f .p, , .
, . , . • ; • - ■’ - . \ rtV* ) 0\ V ■
. §. 4. Dermaliger Stand der Streitfrage.
Wir wissen nicht, ob durch dieses Urtheil allein oder durch
das Unterliegen auch in anderen »Musterprocessen,« die man zur
Klärung der Rechtsfrage führen zu wollen sich vorgenommen hatte,
das k. b. Finanzärar zum Einlenken auf bessere Pfade sich habe be-
stimmen lassen. Erfreuliche Thatsache ist, dass in Folge einer Er*
mächtigung des k. Staatsministeriums der Finanzen vom 1. April
1881 in einer Reihe von Fällen die primäre Baupflicht an Pfründe-
gebäuden organisirter Pfarreien ohne Process anerkannt worden ist '),
bei den Laudpfarreien jedoch überall unter dem ausdrücklichen Vor-
behalt der Leistung der Hand- und Spanndienste seitens der be-
treffenden Pfarrgemeinden. . V '-r u timn.'i.. V
Der Stand der Controverse ist demnach zur Zeit folgender:
1) Im Allgemeinen wird nunmehr die primäre Baupflicht bei
den Pfründegebäuden der sogenannten organisirten Pfarreien seitens
4 1) Von raverlässiger Seite erfahren wir, dass diese Anerkennung der
»primären Baupflicht« bereits erfolgt sei bei allen im »ehemaligen Bisthnm
Passau« gelegenen organisirten Pfarreien; nur hinsichtlich der ehemals zu
Salzburg gehörigen bestehen noch Anstände. Uns selbst liegen die genauen
Abschriften von drei solcher Anerkennungsschreiben vor, .
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366 Diendorfer, Pa tronatspf! Uht »frage beidenorg. Pfarrtienin Bayern*
des k. Staatsärars anerkannt — ganz singuläre Rechtsverhältnisse
natürlich abgerechnet. — ■ ■ ■ ' ' ■ ■ ' V
2) Kirchenstiftungen sogenannter organisirter Pfarreien, deren
Vermögen
a. durch die Säcularisation intakt gelassen oder nach derselben
vollständig restituirt worden ist, sind, wie nach gemeinem Kirchen-
rechte (Cone. Trid. Sess. XXI. c. 7. de Reform.) so auch nach
bayerischem Landrechte primär baapflichtig , aber nur bei den su
diesen Stiftungen gehörigen Gebäuden (Kirchen , Messnerhäuser,
Kirchhöfe u. s. w.); ; f,, i. ..
b. bei Insüfßcienz des Vermögens derselben tritt subsidiär das
k. Staatsärar ein, wie früher das Kloster? , : i ■
c. bei ehemaligen Kloster- und incorporirten Pfarrkirchen,
deren Vermögen die Säcularisation verschlungen hat, so dass ihnen
nur das zum laufenden Cultasaufwand unbedingt Nötbige verblieben
ist, haftet für Bauschäden gleichfalls primär das k. Staatsärar *).
3) Bei allen Cultusbauten (sowohl Kirchen- wie Pfründebauten)
ist nach nunmehriger Anschauung der k. b. Staatsbehörden (einzelner
Gerichte sowohl wie insbesondere der Finanz- und Verwaltungsstellen)
die Leistung der Hand- und Spanndienste eine gesetzmässige Pflicht
der Pfarrgemeinden. -
Wie man sieht, besteht eigentlich nur mehr dieser letztere
Hauptdifferenzpunkt zwischen der Anschauung der k. Staatsbehörden
und jener der Vertreter der kirchlichen Stiftungen und der Pfarr-
gemeinden. Die anderen Differenzpunkte können der Hauptsache
nach als beglichen angesehen werden. Im Nachstehenden wollen wir
daher der Frage der Hand- und Spanndienstleistung seitens der
Pfarrgemeinden unsere ausschliessliche Aufmerksamkeit zuwenden.
)!■ I!
1) Eine hinsichtlich dieses Panktes sehr wichtige und gründlich moti-
virte Entscheidung erliess das k. Oberlandesgericht München mittelst Urtheil
vom 7. März 1881 (Hauptverzeichniss Nr. 6039, Urtlieilsbnch Nr. 589) »Sn
Sachen Vormbach, Kirchengemeinde, Klägerin und Appellatin gegen Kgl. Eisens,
Beklagter und Appellant. Da das k. oberste T.andesgericbt unterm 39. No-
vember 1881 dieses Urtheil , wenn auch ans theilweise andern; Gründen bestä-
tigte (II. 60. Huupt.-Verz. Nr. 5990), so liegt über dieseu Punkt definitiv res
judicata vor, deren Consequenzen sich wohl in ähnlich gelagerten Fällen gel-
tend machen werden.
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Di en darf et, Patronatspflichisfragebei den org. Pfarreien in Bayern. 387
■) dfci iij f fi ii ; T.'ä J jf -j oll oiMnvsi*; xnsii — icitfr.houc zi/wiisjjmJE ta!:
Zweiter Abschnitt.
VJlWV'i.ß .v;:b.'„!Sif
t)ie iland- und Spanndienstleistung der Pfarrgemeiiideh nach bctyeri-
f , schein Landrechte, , .
i.auiSaial) frji,:. nnhM.-isy w .tetr:.;, inj;.-. •■„) , ,l , ;;
- friri Den Gegenstand der Auseinandersetzung in diesem Abschnitte
kdiw njdn webt in die Frage zusammeöfä&sen, die deoKernpunkt der
noch 'schwebenden Controverse enthält, und die also lautet,-; »Obliegt!
im Geltungsgebiete des bayerischen Landrecbta den, Piarrgemeinden
auf Grund eines gesetzlichen Rechtstitels die Pflicht zur Leistung
vob‘ Hand- *undii Spanndiensten l»i allen Cultuabauten, und zwar
nicht blos bei den Pfarrkirchen»; sondern , Auch bei den Pfarrpfrübde-
bauten, Insbesondere bei den Pfründebauten organisirter Pfarreien?«
n uc'Eor Klarstellung und richtigen Beantwortung! dieser Frage
werden wir zunächst die fisCalische Itechtsanschauuug selbst unzwei-
felhaft 'feststellen, dann nach einer kurzen allgemeinen ChwuAtefistik
dieser Anschauung die Hanptbeweisgründe für dieselbe an der Hand
des' Wortlautes uu^l des Zusammenhangs der Beweißqueüen selbst
kritisch beleuchten, um schliesslich nach Zusammenfassung des aus
diefeef Erörterung gewonnenen Resultates in einige kurze und klare
Sätze diese letzteren speciell auf die PfründebauteüKiwganisirter
Pfarreien anzuwenden, eine Aufgabe, deren Lösung wir.iüns ifr sechs
weiteren Paragraphen, die freilich der Natur der Streitfrage, 1 gemäss
von Ungleicher Länge sein Werden; unterziehen wolleff. < /„n >j ! -, !f
■•.bjüdcii.-U * •> « • f.M'liVi.i •> t | I f 1 1 < JT0"y!>3J; OH* .U-JUuioiIl’VTi
•riv/ «:,».»# ., ,!§•! 5* Ffccalfeche Recht$an*chauung, , , n
1 ' Die obengestellte Frage wird An neufeter Zeit unter 'Hinweis 1 '
auf einzelne oberstrichterliche Urtheile nicht nur von den ifoi Fiseal-
behörden , sondern aucli den k. b. Verwaltungsstellen allgemein im
bejahenden Sinne entschieden. Zum Beleg hieför verweisen wir auf
das bereits oben angezogene Provisional-Erkenntniss der k. Regierung
von Niederbayern »Baupflicht an deu Pfarrgebäuden zu Ering betr,« \
welches sich über den vorliegenden Fragepunkt in folgender Weise
attsspricM (S. 10 des lithogr. Erk.): »Anlangend die Hand*- und ■■
Spanndienste, so ist durch das mit Gesetzeskraft bekleidete Cohcnr-
renzmandat vom 4. October 1770 in Ziff. 2 die nach derb Zeugnisse
der Anmerkungen zum bayerischen Landrechte Thl. I. cap. VII.
g. 42. Ziff. 7 bereits vorher bestandene allgemeine landesübliche
Observanz, wonach bei Cultusbauten die Parochianen un